Ich würde ganz gerne, Herr Präsident, im Zusammenhang vortragen.
Zur Bewältigung dieser Probleme schlägt der SPD- Vorsitzende Lafontaine vor, den Standortwettbewerb durch internationale Kooperation - so nennt er es -, durch Angleichung von Sozialstandards zu vermeiden. Diesen Vorschlag anzunehmen würde bedeuten, das Heil in der Flucht zu suchen. Ein Staatenkartell gegen den Staatenwettbewerb und hohe internationale Sozialstandards gegen die Erosion des Sozialen können und werden nicht die Lösung bringen. Er läuft hier in eine Sackgasse.
Daß dies nicht nur meine und unsere Meinung ist, möchte ich an Hand eines Zitats belegen. Der von mir geschätzte SPD-Kollege Siegmar Mosdorf hat nach einem Bericht des „Handelsblattes" vom 2. September 1996 - ich möchte ihn zitieren - wie folgt dazu Stellung genommen:
... hegt Zweifel, ob das Lafontainesche Kooperationsmodell nicht schon an der ersten Hürde der Europäischen Union scheitert. Es sei „problematisch", von internationaler Zusammenarbeit zu sprechen, wenn sie noch nicht einmal in der EU funktioniere, so Mosdorf.
Respekt, die Analyse trifft zu. Ich kann dem nichts hinzufügen.
- Verehrte Frau Kollegin, Sie alle wissen, wie lange es gedauert hat, die europäische Sozialcharta im Rahmen der Europäischen Union zum Tragen zu bringen. Was ist das Ergebnis der europäischen Sozialcharta? Es werden eine ganze Reihe von sozialen
Hans-Peter Repnik
Sicherheiten auf niedrigstem Niveau festgeschrieben, und zwar auf einem solchen Niveau, daß auch die strukturschwächeren Mitgliedstaaten diese Forderungen erfüllen können.
Wenn wir dem Lafontaineschen Gedanken folgen, dann müssen auch wir uns als Bundesrepublik Deutschland, international abgeglichen, auf dieses Niveau begeben. Auf dieses niedrige Niveau wollen wir uns allerdings nicht begeben; das ist richtig.
Vielleicht akzeptieren Sie einen Hinweis des renommierten Ökonomen Herbert Giersch. Er formulierte wie folgt:
Die Weltwirtschaft ist zu groß, als daß sie sich derart einbinden ließe.
Glauben Sie etwa ernsthaft, daß sich die zahlreichen Billiglohnländer zu einer der unsrigen vergleichbaren Sozialpolitik zwingen lassen, die viel Geld kostet und ihre Produkte verteuert, nur damit unsere Probleme so möglicherweise gelöst werden? Das ist doch ein Irrglaube. Auf welchem Planeten leben Sie eigentlich?
Nein, wir haben keine Alternative. Wir müssen den Standortwettbewerb annehmen und Deutschland wieder attraktiver machen. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Bürger müssen verbessert werden; dann haben wir auch wieder den wirtschaftlichen Erfolg.
Es ist heute morgen einiges über öffentliche Investitionen gesagt worden. Allen voran standen die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen. Sie sind für unsere Volkswirtschaft wichtig. Das steht außer Frage. Theo Waigel hat die Zahlen genannt, und wir haben gerade im Haushalt darauf geachtet. Aber - auch das muß gesagt werden - man darf ihre quantitative Bedeutung für die konjunkturelle Entwicklung nicht überschätzen.
Wir wissen: Im langjährigen Schnitt entfallen nur 10 Prozent aller volkswirtschaftlichen Investitionen auf den Staat, 90 Prozent dagegen auf Unternehmen. Gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die Dynamik der privaten Investitionen dadurch zu verbessern, daß wir die Rahmenbedingungen des Standortes Deutschland verbessern, auch und gerade für ausländische Investitionen.
Wir brauchen mehr Freiräume für die Beschäftigungsdynamik. Die Flexibilität der Märkte muß erhöht werden. Dazu ist es unabwendbar, die Staatsausgaben und die Belastungen durch Steuern und Abgaben gleichermaßen zurückzuführen. Der schlanke Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert, muß die Realität werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, entschlossenes Handeln ist notwendiger denn je. Zögern und Zaudern heute läßt unsere wirtschaftlichen Probleme nur größer werden und erfordert zukünftig um so stärkere, schmerzhaftere korrigierende Eingriffe, damit Deutschland im internationalen Standortwettbewerb wieder konkurrenzfähiger wird.
Daß dies nicht nur unsere Erkenntnis ist, ist ebenfalls deutlich gemacht worden. Dort, wo Sozialdemokraten in der Regierung stehen, handeln sie doch gleich. Österreich - wir haben es gesagt -, Schweden, die Niederlande, Felipe González in Spanien, solange er an der Regierung war, haben reagiert und Strukturreformen im Sozialsystem und auf den Arbeitsmärkten eingeleitet. Konsolidierung ist Pflicht. Daß die OECD uns dabei den Rat auf den Weg gibt: „Die Finanzpolitik könnte an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn die eingeleiteten Maßnahmen nicht voll umgesetzt werden", sollte uns ebenfalls ermutigen, den von Theo Waigel vorgeschlagenen Weg weiter zu beschreiten.
Frau Kollegin Matthäus-Maier hat einen, wie ich finde, nicht nur gewagten, sondern auch unzulässigen Vergleich angestellt, indem sie die Arbeitslosenzahlen zu Zeiten des Bundeskanzlers Helmut Schmidt mit den Arbeitslosenzahlen von heute, zu Zeiten des Bundeskanzlers Helmut Kohl, verglichen hat. Frau Matthäus-Maier, ist Ihnen eigentlich entgangen, daß nach der Erblast, die wir von Ihnen übernommen haben, nur durch ein ganz konsequentes Konsolidieren in den Jahren 1983 ff. Wachstum möglich war, Steuerentlastung möglich war und mit dieser Politik unter der Führung von Helmut Kohl netto 3 Millionen neue Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen wurden? Dies ist der Ertrag der Politik von Helmut Kohl.
Ich füge noch eines hinzu - deshalb halte ich diesen Vergleich für unzulässig -: In einer Zeit, in der wir die Herausforderungen der Wiedervereinigung, die Hinterlassenschaft der Sozialisten in der ehemaligen DDR aufzuarbeiten haben, in der Millionen von Aussiedlern aus Rußland, Kasachstan, Rumänien, Ungarn und Polen zu uns gekommen sind - alles Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt nachgefragt haben -, machen Sie uns Vorhaltungen. Wenn die Politik von Helmut Kohl, Gerhard Stoltenberg und Theo Waigel in jenen Jahren nicht konsequent mit dieser Koalition umgesetzt worden wäre, wären wir nicht in der Lage gewesen, die besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung so zu schultern, wie es uns gelungen ist.
Deshalb werden wir den Weg konsequent fortsetzen, den wir in den 80er Jahren beschritten haben. Wir werden übrigens auch vom Internationalen Währungsfonds auf diesem Weg nachhaltig unterstützt. Ich möchte gern die Länder aufrufen, sich hieran zu beteiligen. Es wird viel von der Einhaltung der Kriterien von Maastricht gesprochen, und es wird gelegentlich der Eindruck erweckt, daß es ausschließlich auf Theo Waigel und den Bundeshaushalt ankomme. Die Länder tragen aber, weil die Länderhaushalte in die Gesamtrechnung einfließen, ebenso Anteil
Hans-Peter Repnik
daran, daß wir die Kriterien von Maastricht erfüllen oder nicht.
Ich nenne zwei Bundesländer, zwei SPD-Hoffnungsträger: als erstes Niedersachsen mit Herrn Schröder als Ministerpräsidenten. Die Nettokreditaufnahme Niedersachsens liegt um rund 60 Prozent über dem Durchschnitt der Flächenländer. Der Haushalt 1995 des Landes Niedersachsen verstößt wegen übermäßiger Verschuldung laut Landesrechnungshof gegen die Verfassung und liegt beim Staatsgerichtshof.
Dies ist sozialdemokratische Finanzpolitik. Vom Saarland will ich gar nicht sprechen, das nach wie vor ausschließlich deshalb überleben kann, weil Theo Waigel jedes Jahr einen ansehnlichen Betrag überweist.
Im Gegensatz dazu ist der Bundeshaushalt 1997 von deutlich kurz- und mittelfristig wirkenden Einsparanstrengungen geprägt. Deshalb möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Theo Waigel für diesen Haushalt herzlich bedanken.
In einer außergewöhnlichen Zeit mit einer außergewöhnlichen Herausforderung hat er gute Arbeit geleistet und zum Beispiel auch das Konsolidierungsvolumen von 25 Milliarden DM aus unserem Wachstums- und Beschäftigungsprogramm im Haushalt bereits umgesetzt.
Daß es gewisse Risiken gibt, darauf hat Theo Waigel selber hingewiesen. Nur, Herr Kollege Scharping, wer von Luftbuchungen und von Lügen spricht, wie Sie es getan haben
- er hat das in einem „dpa"-Interview vom 9. Juli getan -, der wirft polemische Nebelkerzen und hofft, auf diese Weise die eigene Blockadepolitik vertuschen zu können. Das eigentliche Risiko, Herr Kollege Scharping, für den Standort Deutschland ist nicht der Haushalt 1997, das eigentliche Risiko ist
die Obstruktionspolitik der SPD in den vergangenen Monaten und auch jetzt ganz konkret.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will auf ein anderes Risiko eingehen. Das konjunkturelle Risiko hat Theo Waigel beschrieben. Ich möchte dieses andere Risiko als ein politisches Risiko bezeichnen.
- Das möchte ich jetzt gerade begründen.
Ein Teil der Zahlen in dem Bundeshaushalt 1997 basiert auf Maßnahmen, die derzeit noch in der politischen Beratung sind. Das ist wohl wahr. Frau Matthäus-Maier hat einiges dazu gesagt.
Hierzu zählen neben ausgabewirksamen Maßnahmen, wie beispielsweise die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die gesetzliche Übertragung der Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf Beamte oder das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsergänzungsgesetz , die Verschiebung der Kindergelderhöhung und der Erhöhung des Existenzminimums um ein Jahr.
- Auch darauf komme ich zu sprechen, wenn ich die Zeit dafür noch habe.
Ich will Sie mit zwei Zahlen konfrontieren. Wenn Sie sich nur ein bißchen der Haushaltssituation der Länder annehmen würden und sich einmal die Haushalte der Kommunen ansähen, dann hätten Sie Verständnis dafür, daß wir sagen: Die Erhöhung des Kindergeldes soll um ein Jahr verschoben werden. Wir wollen sie nicht kappen, wir wollen sie nicht streichen. Wir wollen sie vielmehr um ein Jahr verschieben.
Was hätte das für Konsequenzen? Das hätte zur Konsequenz, daß der Bundeshaushalt um rund 2,4 Milliarden DM entlastet würde und die Länder und die Kommunen eine Entlastung von 2,9 Milliarden DM erfahren würden. Reden Sie einmal mit Ihren Ministerpräsidenten, mit Ihren Finanzministern, mit Ihren Kämmerern und Oberbürgermeistern. Die denken doch nicht anders als wir.
Dies, Herr Kollege Scharping, habe ich vorhin als politisches Risiko bezeichnet.
Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß die Länder die Notwendigkeit von Einsparungen im Grundsatz ähnlich sehen wie wir. Insofern bin ich zuversichtlich, daß wir die Bundesländer in den anstehenden Verhandlungen von der Richtigkeit unserer Maßnahmen überzeugen können.
Herr Kollege Diller, ich habe mir, als ich eine „dpa"-Meldung über Sie gelesen habe, überlegt, was eigentlich eine Steigerung von Chuzpe ist.
Ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Sie sagen in
ein und derselben Aussage auf der einen Seite, daß
Hans-Peter Repnik
entsprechende Etatlöcher 1997 vorhanden seien, um auf der anderen Seite gleichzeitig nicht nur einzugestehen, sondern sogar damit zu kokettieren, daß Sie mit Ihrem Blockadeverhalten im Bundesrat dies mitbewirkt hätten. Dazu stehen Sie.
- Lesen Sie die ,,dpa"-Meldung vom 4. September 1996 nach. Sie ist wenige Tage alt, fast noch druckfrisch. Dort steht es. Dies ist kein verantwortungsbewußtes Handeln.
Jetzt möchte ich noch auf die Ausführungen der Kollegin Matthäus-Maier eingehen. Leider Gottes wird die Debatte jetzt nicht mehr im Fernsehen übertragen. Es wäre von Interesse, den Bürgern einmal deutlich zu machen, wie Sie versuchen, die Menschen hinters Licht zu führen.
Sie haben hier die Themen Überstunden, Teilzeit, Lohnnebenkosten und Kündigungsschutz angesprochen und gesagt, wir würden zur Lösung dieser Probleme nichts unternehmen.
Das sind alles Themen, die im Programm für Wachstum und Beschäftigung enthalten sind,
oder Themen, die von unserem Gesundheitsminister Seehofer bereits aufgegriffen worden sind.
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, noch eine Minute Redezeit. Ich möchte dieses Thema schon noch gerne zu Ende bringen.