Nein, ich möchte das im Zusammenhang ausführen.
Wir wollen die Lohnfortzahlung um 20 Prozent absenken.
Auch hier kann ein Urlaubstag eingesetzt werden, um die Absenkung auszugleichen. Das ist für mich nicht nur eine Geldfrage, das ist eher eine Grundsatzfrage. Es geht nicht nur um Geld, es geht darum, ob Einkommen ohne Arbeit genausohoch sein soll wie Einkommen aus Arbeit. Soll Lohnersatz so hoch sein wie Lohn? Das können Sie nicht wollen, wenn Arbeit sich lohnen soll und wenn wir die Versuchung abstellen wollen, daß man ohne Arbeit genausoviel Lohn erhält wie mit Arbeit. Das kann nicht richtig sein.
Für die ersten vier Wochen entfällt die Lohnfortzahlung, weil sie ein Einstellungshemmnis ist. Es gibt Tarifverträge, nach denen man die Arbeit noch nicht angetreten haben muß und trotzdem bereits einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat. Es ist ein Einstellungshemmnis, wenn der kleine Unternehmer befürchten muß, nach einem Tag Arbeit schon sechs Wochen Lohnfortzahlung leisten zu müssen. Bleibt doch praktisch und weniger ideologisch! Das ist meine Empfehlung.
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten bleiben draußen. Das ist auch ganz selbstverständlich; das ist Haftpflicht, das ist Entschädigung. Es wäre auch gar nichts gewonnen, denn die Absenkung müßte dann durch die Berufsgenossenschaft gezahlt werden.
Wir erwarten, daß die Tarifpartner Folgerungen ziehen, und wir bestehen darauf, daß auch bei den Beamten - hier sind wir zuständig - entsprechende Regelungen getroffen werden.
Beim Kündigungsschutz geht es um das gleiche. Meine Damen und Herren, betrachten Sie die Sache doch einmal von zwei Seiten: Nicht jede Schutzmauer ist für alle Schutz, und manche Schutzmauer ist eine Sperrmauer für die, die draußen sind.
Daß der Kündigungsschutz in kleinen Betrieben anders behandelt wird als in großen, das war bisher schon so, und es hat niemand gesagt, die Grenze von fünf Arbeitnehmern sei Willkür. Wir heben die Schwelle auf zehn Arbeitnehmer an, gewähren einen Vertrauensschutz für diejenigen, die jetzt noch Kündigungsschutz haben, aber ihn dann nicht mehr hätten. Ich denke, hier ist wirklich die Frage: Was hat jemand vom Kündigungsschutz, der arbeitslos ist? Der hat vom Kündigungsschutz überhaupt nichts.
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Um überhaupt in den Genuß des Schutzes zu kommen, muß er erst einmal reinkommen.
Es bricht doch nicht die Willkür aus. Es geht um Sozialauswahl, die in kleinen Betrieben sowieso einen beschränkten Umfang hat. Es geht auch damm, die Kriterien für die Sozialauswahl berechenbarer zu machen, verläßlicher zu machen. Wenn Sozialauswahl vereinbart ist, geht es damm, daß die Sozialkriterien vom Gericht nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit geprüft werden. Es sind Abmachungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Entsprechende Regelungen gelten für Betriebe ohne Betriebsrat. Warum hegen Sie denn so ein Mißtrauen gegen den Betriebsrat, wenn das Gericht Vereinbarungen nicht bewertet, sondern nur die grobe Fehlerhaftigkeit untersucht?
Der befristete Arbeitsvertrag wird einfacher. Den haben Sie einmal madig gemacht.
Herr Kollege Dreßler, entsinnen Sie sich noch Ihrer Reden? Heute schlägt ihn der DGB vor; heute praktiziert ihn die IG Metall. Sie sind noch gar nicht aufgewacht. Die haben Sie längst überholt. Ihre Parolen müssen Sie alle einsammeln. Sehen Sie sich vor, daß Sie in zehn Jahren nicht auch Ihre Rede von heute einsammeln müssen.
Bei der Insolvenzordnung geht es darum, daß das, was für 1999 beschlossen wurde, vorgezogen wird, daß ein Insolvenzverwalter auch kündigen kann, wenn dadurch die Übergabe von Betrieben oder Betriebsteilen erleichtert wird. Was haben Sie denn davon, wenn er erst anfängt, wenn die Firma zusammengebrochen ist? Mit nichts können Sie nichts sanieren. Sie können nicht Lösungen suchen, wo keine Lösungen mehr sind. Es geht darum zu retten, was zu retten ist. Das ist im Interesse der Arbeitnehmer.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, unser Programm ist konkret und handfest. Es handelt sich nicht um ideologische Wolken. Durch die Maßnahmen zur Entlastung sinkt die Soziallastquote im nächsten Jahr von 33,4 Prozent auf 33,0 Prozent;
0,4! Um 0,4 Prozentpunkte sinkt die Soziallastquote. Kollege Klaus Zwickel, jede dritte Mark in unserem Staat wird nach wie vor für Soziales ausgegeben. Das gibt es fast auf der ganzen Welt nicht mehr. Jede dritte Mark wird für Soziales ausgegeben, und da stellst du, Klaus Zwickel, dich hin und sagst: Kapitalismus pur. - Wir sind und bleiben ein Sozialstaat.
300 000 sind auf die Barrikaden im Hofgarten geschickt worden. Wenn sie herunterkommen und feststellen, daß weiterhin Rente gezahlt wird, daß weiterhin die Arbeitslosenversicherung funktioniert, die Unfallversicherung und die Krankenversicherung hilft, dann wird es Ihnen so gehen wie im Streit um den bekannten § 116 AFG. Damals haben Sie behauptet, Streik sei gar nicht mehr möglich. Heute gibt es ganze Demonstrationszüge. Es wird weitergestreikt, und es wird weiterhin den Sozialstaat geben, allerdings einen bezahlbaren.
Wir retten den Sozialstaat. Wir retten ihn, wir ruinieren ihn nicht. Wer Besitzstände tabuisiert, der gefährdet den Sozialstaat. Wer nichts verändert, verliert alles.
Sozialstaat kaputt? Sehen Sie, in drei Tagen, am Montag, tritt die zweite Stufe der Pflegeversicherung in Kraft. Sie umfaßt trotz der schweren Zeiten 31 Milliarden DM. Der Bund spart 25 Milliarden DM. Es gibt eine neue Leistung für die, die der Hilfe bedürfen. Deshalb sage ich Ihnen: Seien Sie vorsichtig. - Karl Schiller hat Ihnen einst zugerufen: Genossen, laßt die Tassen im Schrank! - Ich rufe Ihnen zu: Genossen, laßt die Kirche im Dorf. Schlagt nicht alles zusammen. .
Originalton Oskar Lafontaine, gestern in der „Woche":
An einem harten Sparkurs führt kein Weg vorbei.
Lieber Kollege Oskar Lafontaine, wo sind die konkreten Vorschläge? - Heiße Luft!
Wo sind denn die Sparvorschläge der SPD? Dreimal angekündigt, dreimal ausgefallen! Sie sind mit Ihren Sparvorschlägen dreimal angelaufen und haben dreimal abgebrochen. Sie kommen mir vor wie ein Reckturner, der in der Halle auf die Matte geht, sich unter der Stange die Hände mit Magnesia bestreicht, sich zum Publikum, das eine große Kür erwartet, verneigt und wieder hinausgeht.
Wo sind die konkreten Vorschläge, die die Ministerpräsidenten in Krickenbeck groß angekündigt haben? Ein paar Tage später in Merseburg waren schon wieder die Knie weich. Von Krickenbeck nach Knieweg, das ist die Schleimspur der SPD.
„Wie kommen wir an das Geld der Leute?",
das ist die erste Frage, die der SPD beim Stichwort „Standort" einfällt. „Wie kommen wir an das Geld der Leute?", das ist das erste, was der SPD bei der Frage der Rentensicherheit einfällt. „Wie kommen
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
wir an das Geld der Leute?", das ist das erste, was der SPD einfällt, wenn es darum geht, Schulden abzubauen.
Einnahmeverbesserungen sind keine Sparvorschläge, und Umfinanzierungen sind es auch nicht. Bei Lichte betrachtet, gibt es bei Ihnen eigentlich nur Einnahmeverbesserungen und Umfinanzierungen.
Ich sage: Ja, das Steuersystem muß gerechter werden. Umgehungsstraßen für Steuerpflichtige müssen gesperrt werden. Ich sage auch ja zur Umfinanzierung. Ja, wir müssen umfinanzieren, wir müssen von beitragsbezogenen Leistungen zu steuerfinanzierten Leistungen kommen. Aber erst muß einmal gespart werden. Umfinanzierung ist keine Entlastung. Wenn sich die Bordkante eines Schiffes der Wasseroberfläche nähert, dann können Sie nicht die Lasten unter Deck verrücken oder den Container verschieben, sondern dann müssen Sie entlasten. Umfinanzierung ersetzt nicht Entlastung.
- Doch! Ich sage Ihnen: Es sind alles Einnahmeverbesserungen und Umfinanzierungen. Das ist das sozialpolitische Programm der SPD. Das sozialpolitische Programm der F.D.P. und der CDU ist ein handfestes. Das sozialpolitische Programm der SPD ist ein FKK-Programm: folgenlos, konzeptionslos und konfus - FKK!
In Europa dämmert es doch schon längst. Selbst die Sozialdemokraten in Europa haben gemerkt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wim Kok, Gewerkschaftsvorsitzender, Regierungschef in den Niederlanden: zwei Karenztage, Absenkung der Lohnfortzahlung um 30 Prozent. Schweden, Musterland der SPD: Absenkung der Lohnfortzahlung auf 75 Prozent und ein zusätzlicher Karenztag. In Finnland, auch Sozialdemokraten: Arbeitslosengelddynamisierung für drei Jahre ausgesetzt.
Meine Damen und Herren, die SPD in Deutschland ist der letzte Betonklotz in der Sozialistischen Internationale.
„Völker, hört die Signale! "
Liebe Genossen, ihr hört doch gar nicht mehr die Völker. Ihr wißt doch gar nicht mehr, wie es in Europa und auf der Welt zugeht.
SPD, die Nachhut der Sozialistischen Internationale - früher der Spähtrupp, heute der Spättrupp. Sie hinken hinter der Entwicklung her.
Die SPD sollte einmal ein Stellengesuch veröffentlichen: Sie sucht einen Tony Blair. Sie sucht einen Mann oder eine Frau mit Mut zu neuen Ideen,
nicht wohnhaft in der Toskana; die ist zu schön und zu lieblich für harte Vorschläge.
Meine Damen und Herren, es geht in dieser Debatte nicht nur um Mark und Pfennig, nicht nur um Statistik und Quoten. Es geht auch um einen Richtungsstreit. Kein Selbst versorgt sich selbst. Wir brauchen Solidarität. Ich bin ein Vertreter der alten Solidarität.
Aber es geht auch nicht ohne Selbstverantwortung, eine neue Selbstverantwortung. Solidarität hat nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten zu tun.
Es geht um eine Kultur von Risikobereitschaft und Selbständigkeit. Das ist nicht nur etwas für Unternehmer, das ist auch etwas für Arbeitnehmer. Selbständigkeit, Selbstbestimmung, seine Arbeit selber organisieren, mit anderen Arbeitszeiten selbst bestimmen - das ist auch ein Stück Selbständigkeit. Selbständigkeit ist nicht auf Unternehmer beschränkt.
Unser Standort hängt nicht nur mit Rohstoffen und Kapital zusammen. Er hängt mit motivierten Arbeitnehmern, mit Qualifikation zusammen. Leistungsfreude und Leistungsbereitschaft sind ein Produktionsfaktor.
Es gilt, einen Weg zu finden zwischen egoistischem Individualismus, in dem niemand mehr an andere denkt, und dem alten Kollektivismus, der alles von anderen verlangt. Es geht um eine neue Balance von Selbstverantwortung und Solidarität.
Es gibt viele Probleme, viele!
Aber wir haben viel zu viele Problembeschreiber und viel zu wenige Problembearbeiter.
„Pessimist" ist ja eine neue Berufsbezeichnung. Manche Funktionäre spielen Titanic im Trockendock, und manche haben dabei noch ein hohes Kapitänsgehalt. Aber es gibt Gott sei Dank auch viele mutige Unternehmer in unserem Land, tüchtige Hand-
Bundesminister Dr. Norbert Blüm
werksmeister, fleißige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Die laden wir zum Bündnis ein. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften - allein schaffen die es nicht, allein schaffen wir es nicht -, mit den Arbeitgebern - allein schaffen die es nicht, allein schaffen wir es nicht -; wir packen es nur, wenn alle zusammenstehen. Wir packen die Probleme an. Wir packen es!