Rede von
Prof.
Gisela
Frick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Also, da sind die Kommunen schon weiter als Sie, Herr Rössel;
denn die haben erkannt, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und die dafür in Aussicht gestellte Kompensation über die Umsatzsteuer für sie einen wesentlichen Vorteil darstellen würde. Die derzeitige finanzielle Situation der Kommunen ist unter anderem deshalb so schlecht, weil die Gewerbesteuer keine stabile Finanzierungsgrundlage für unsere Kommunen ist.
Deshalb wollen wir das ändern. Wir wollen doch den Kommunen nichts Unangenehmes antun. Es ist doch in unserem Staatsaufbau ganz selbstverständlich, daß wir die Kommunen finanziell stärken müssen. Aber das bisherige System der Gewerbesteuer als eine der Hauptfinanzierungsquellen der Kommunen hat sich nun einmal leider nicht bewährt. Das sehen wir immer mehr.
Deshalb müssen wir in unserem Finanzausgleich zu einer ganz neuen Ordnung kommen. Die Kommunen, wie gesagt, haben bereits erkannt, welche Chance darin besteht, an einer dynamischen, ständig wachsenden Umsatzsteuer beteiligt zu werden, im Gegensatz zu einer statischen und zum großen Teil rückläufigen Gewerbesteuer. Also seien Sie nicht schlauer als unsere Kommunen. Sie wissen schon, wo die Freunde ihrer Probleme sind.
- Jetzt machen wir vielleicht einmal weiter und hören mit diesen etwas undisziplinierten und zum Teil auch unqualifizierten Zwischenrufen auf.
Wir waren bei dem Einkommensteuerreformgesetz oder dem Jahressteuergesetz 1997, wie es heißt. Ich möchte dazu einiges sagen. Herr Poß, Sie haben vorhin das Verfahren beklagt. Daß wir mit dem Verfahren auch nicht ganz glücklich sind, ist kein Geheimnis. Daß alles wieder unter sehr starken Zeitdruck
Gisela Frick
geraten wird, ist auch klar. Aber ich glaube, es reicht nicht aus, wenn wir immer nur am Verfahren herumbasteln. Im Gegenteil ergibt sich vielmehr genau aus diesen verschiedenen Verfahrensschritten immer wieder mehr eine unbedingte Notwendigkeit zu einer Steuerstrukturreform, die diesen Namen wirklich verdient hat.
Wir müssen an die Strukturen unseres Steuerrechtes heran. Es kommt nicht darauf an, ob ein Gesetzentwurf in jedem Jahr ein oder zwei Monate früher oder später vorliegt, sondern darauf, daß wir ihn irgendwann überhaupt nicht mehr brauchen, weil unser Steuersystem so sauber ist, daß nur noch allerkleinste Korrekturen notwendig sind und nicht mehr. Aber immer nur am Verfahren herumzubasteln und trotzdem alles zu lassen, das bringt uns in diesem Bereich überhaupt nicht weiter. Da müssen wir heran.
In diesem Sinne ist unser Vorschlag zu verstehen, daß wir möglichst schnell und zügig an eine Steuerreform herangehen, die diesen Namen tatsächlich verdient hat, an eine Steuerstrukturreform.
Die Frage des Einkommensteuertarifs, bei der Sie eben dem Stufentarif gegeißelt haben, ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, weil der nominale Steuersatz
- Herr Poß, ich möchte jetzt gerne einmal ausreden - das Signal an die Investoren insbesondere aus dem Ausland ist und auch im internationalen Vergleich eine ganz entscheidende Rolle spielt.
Sie selber von der Opposition beklagen, daß bei uns nominaler Steuersatz und Bemessungsgrundlage und damit die tatsächliche Steuerbelastung weit auseinanderklaffen. Jetzt haben wir unter anderem - natürlich nicht auf Ihre Anregung hin, sondern aus eigener Erkenntnis - den Schritt gemacht und gesagt: Wir wollen das ändern. Wir wollen bei uns die Steuerbemessungsgrundlage umfassend erweitern, soweit das überhaupt mit dem Prinzip der Leistungsfähigkeit zu vereinbaren ist. Das werden wir weiter beachten müssen. Das ist gar keine Frage. Wir gehen mit den Steuersätzen herunter. Wieso Sie gerade das beklagen, kann ich beim besten Willen nicht verstehen.
- Ja, genau den Tarif. Das hängt aber doch zusammen: Bemessungsgrundlage und Tarif. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis: Wenn wir die Bemessungsgrundlage entsprechend verbreitern und damit die berühmten Schlupflöcher stopfen, dann können wir auch mit dem Tarif heruntergehen. Das ist das, was wir wollen.
Wir waren an sich der Meinung, daß wir damit Ihren Bedenken, die Sie in den letzten Jahren immer wieder geäußert haben, sehr entgegenkommen.
Ich muß jetzt hören - eigentlich zu meiner Überraschung -, daß offensichtlich noch nicht einmal solch ein vernünftiges Reformvorhaben, das auch von allen Kräften in der Wissenschaft unterstützt wird, bei Ihnen auf Verständnis stößt.
- Ganz genau, alle die. Bareis hat Ihnen in der letzten Woche doch einiges ins Stammbuch geschrieben, zum Beispiel hinsichtlich der Vermögensabgabe, die Sie planen.
Um das noch kurz zur Steuerreform zu sagen: Wir werden an diesem Vorhaben auf jeden Fall festhalten und entsprechende Vorschläge vorlegen. Sie werden sich sehr, sehr schwertun, vernünftige Argumente dagegen zu finden. Da bin ich ganz sicher.
Zum vorliegenden Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997: Der Hauptknackpunkt ist - das hat sich jetzt auch in der Diskussion gezeigt - das Auslaufen der Vermögensteuer. Ich möchte dazu doch noch einmal Stellung nehmen, weil dieser Punkt in den Debattenbeiträgen eine große Rolle gespielt hat. Wir sind nicht der Meinung, daß das Bundesverfassungsgericht die Abschaffung der Vermögensteuer zwingend verlangt. Das hat nie einer von uns gesagt.
- Nein. - Aber aus alledem, was uns das Bundesverfassungsgericht vorgibt und was auch sonst zu einer Vermögensteuer als einer Substanzsteuer zu sagen ist, bleibt uns vernünftigerweise nichts anderes übrig -
das ist unser Schluß aus den ganzen Rahmenbedingungen -, als die Vermögensteuer abzuschaffen.
Ich möchte noch einmal ganz kurz versuchen, Sie mit einer Begründung dafür zu überzeugen, obwohl ich wenig Hoffnung habe, daß das gelingt: Wir haben bei der Vermögensteuer - das verschweigen Sie immer wieder - die Tatsache zu beachten, daß es sich bei den Beträgen, die dieser Steuer unterliegen, um konsolidiertes, eigenversteuertes Einkommen handelt.
- Das ist jedenfalls die Regel, Frau Matthäus-Maier. Die Beträge, die Vermögen bilden, sind als Einkommen versteuert und in der Regel durch Konsumverzicht, das heißt durch Sparen, gebildet worden.
- Jawohl. Kommen Sie einmal nach Baden-Württemberg. Sie werden bei uns - ich komme aus Stuttgart - in breiten Bevölkerungskreisen kein Verständnis dafür finden, daß eine Vermögensteuer im Prinzip die Leistung - „das Schaffen", wie man bei uns sagt - und das Sparen bestraft. Diese Einsicht geht quer durch alle Bevölkerungskreise. Sie werden schon von daher überhaupt kein Verständnis für eine Vermögensteuer finden.
Gisela Frick
Im übrigen ist die Vermögensteuer - das haben wir heute schon häufiger gehört - eigentlich eine Substanzbesteuerung. In diesem Punkt hat das Bundesverfassungsgericht die Akzente aber schon neu gesetzt, indem es die Vermögensteuer als eine Sollertragsteuer charakterisiert hat: Der Sollertrag ist entscheidend. Es darf eigentlich nicht verlangt werden, daß die Substanz angegriffen wird, um Steuern zu zahlen.
Wenn wir das aber ernst nehmen, müssen wir zu der Feststellung gelangen: Wenn damit der Sollertrag besteuert werden soll, hat man in der Regel nur einen Istertrag, und dieser unterliegt der Ertragsteuer, der Einkommensbesteuerung - und zwar, wie wir wissen, progressiv. Der Grenzsteuersatz - er ist doch entscheidend für die Leistungsbereitschaft - beträgt zur Zeit, wie wir heute und auch gestern schon gehört haben, zusammen mit dem Solidaritätszuschlag 57 Prozent.
- Hinzu kommt die Kirchensteuer. - Wenn wir überlegen, ob es aus Sicht der Steuerzahler Sinn macht, sich weiter anzustrengen, noch mehr zu verdienen, ist doch der Grenzsteuersatz entscheidend. Wenn man weiß, daß von einer Mark, die man mehr verdient, vielleicht gerade noch 25 Pfennig erhalten bleiben, dann macht das keinen Sinn mehr. Das erschwert den Leistungsanreiz in unserem Steuersystem.
- Es sind nicht nur die Reichen, Herr von Larcher. Das sagen Sie immer so, aber das ist falsch.
Die Vermögensteuer als eine Sollertragsteuer führt also letztendlich zu einer Doppelbesteuerung von ein und denselben Erträgen. Das macht keinen Sinn.
Darüber hinaus sind wir vom Bundesverfassungsgericht gehalten - dieser Punkt ist genauer geregelt -, das persönliche Gebrauchsvermögen entsprechend dem Existenzminimum von den Ertragsteuern freizustellen.
Die Leitgröße für dieses persönliche Gebrauchsvermögen ist der Wert eines üblichen Einfamilienhauses, des Hausrats und gewisser Teile der Alterssicherung. Wie Sie da mit 250 000 oder 300 000 DM hinkommen wollen, weiß ich nicht. Ich mache dahinter nicht nur ein Fragezeichen, ich halte es für glatt unmöglich, daß das funktioniert. Das ist verfassungswidrig.
Die zweite Grenze, die zu beachten ist, ist die steuerliche Belastungsobergrenze. Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Grundgesetz heraus - ich bin ihm dafür ausgesprochen dankbar - eine Belastungsobergrenze entwickelt, die bei ungefähr
50 Prozent, in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand, liegt.
Es ist sehr vernünftig, diese Grenze herauszuziehen. Wenn wir diese Belastungsobergrenze beachten, bleibt für eine Vermögensteuer im Prinzip nur noch eine Art „Sandwichsteuer" übrig, nämlich der mittlere Bereich, der von unten und von oben gedrückt wird. Und gerade diesen mittleren Bereich können und wollen wir auch nicht noch stärker belasten, als er sowieso schon belastet ist.
Denn das sind die Garanten für unsere Arbeitsplätze. Das sind die Hauptgaranten für Wachstum und Beschäftigung, und die dürfen wir auf dem Umweg über die Vermögensteuer nicht auch zusätzlich belasten.
Der vierte Punkt wäre, wenn wir zunächst einmal akzeptieren, daß dieser mittlere Bereich theoretisch noch möglich wäre: Wir müssen darauf sehen, daß gerade die Vermögensteuer wegen der notwendigen Einheitsbewertung als einer Dauerbewertung unheimlich verwaltungsaufwendig ist. Wir brauchen im Moment ungefähr 6 000 Beamte, um die Vermögensteuer in der derzeitigen, unzureichenden Form zu verwalten. Wenn wir zu einer zeitnahen ordentlichen Bewertung des Immobilienbesitzes kommen wollten, wie ich das bei Ihnen ja unterstelle, brauchten wir noch einmal 4 000 bis 5 000 Beamte mehr, um dies zeitnah und in den notwendigen regelmäßigen Abständen zu machen.
Sie selber beklagen immer, daß viel zuwenig Personal für Betriebsprüfungen zur Verfügung stehe. Ja, meine Güte, dann binden Sie doch das vorhandene Personal nicht mit solchen Lächerlichkeiten!
- Nein, die „Horrorzahlen" sind belegt; es sind keine Horrorzahlen. Es sind genau die Zahlen, die uns von den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Deshalb hatten die Länder auch unheimliche Angst vor einer Rechtsprechung, die eine Neubewertung des Immobilienbesitzes verlangt.
Insofern können wir doch dieses Personal, soweit es denn vorhanden ist, sehr viel besser für andere, lohnendere Aufgaben im Rahmen der Steuerverwaltung einsetzen und brauchen neues Personal in diesem Bereich nicht mehr einzustellen.
Der letzte Punkt, der bei der Vermögensteuer natürlich eine ganz entscheidende Rolle spielt: Es ist eine Ländersteuer, und da wird immer beklagt, daß der Bund sozusagen mit einem Federstrich acht Milliarden DM oder manchmal bis zu neun Milliarden DM zu Lasten der Länder einkassiert.
Dazu muß ich sagen: Auch die Länder, denen die Ertragshoheit an einer Steuer zusteht, müssen beach-
Gisela Frick
ten, daß sie nur Anspruch auf verfassungsgemäße Steuern haben.
Sie können doch nicht mit dem Volumen einer schon für verfassungswidrig erklärten Steuer argumentieren und daraus Kompensationsansprüche in dieser ursprünglichen Höhe herleiten.
Das geht nicht. Sie sind da in einer Risikogemeinschaft, und wenn bestimmte Steuern für verfassungswidrig erklärt werden, haben sie leider Gottes keinen Anspruch auf diese Steuern.
Das Entscheidende bei der Besteuerung - das ist es, was in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so schön deutlich zum Ausdruck gekommen ist - ist die Gesamtbelastung unserer Bürger. Die Bürger interessiert es relativ wenig, auf welcher Ebene die Ertragshoheit für die Steuern liegt.
Die Bürger interessiert es: Wie hoch ist die steuerliche Belastung in meinem ganz speziellen Fall? Die zweite Frage kann erst sein, welche von den staatlichen Ebenen denn Anspruch auf welche Steuern hat.
Daß das neugeordnet werden muß, bestreiten wir ja gar nicht. Es sollte aber nicht der umgekehrte Weg gegangen werden, daß man immer wieder sagt: Ja, aber den Ländern steht die Steuer zu, deshalb darf sie nicht weg; den Kommunen steht die Steuer zu, deshalb darf sie nicht weg.
Nein, der Weg muß sein, umgekehrt zu fragen: Welche Belastung können wir dem Bürger fairerweise zumuten? Der zweite Weg ist, zu fragen: Wohin gehen diese Steuern?
Alle anderen Wege sind in der falschen Reihenfolge. Das machen wir nicht mit.
Wir sind mit unseren Vorhaben, die Vermögensteuer abzuschaffen, die Gewerbekapitalsteuer abzuschaffen und damit die Einheitsbewertung abzuschaffen, mit unseren Vorschlägen im Jahressteuergesetz 1997 einen erheblichen Schritt weitergekommen -