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    Plenarprotokoll 13/111 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 111. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Juni 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9934 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen von Bundesminister Dr. Theodor Waigel auf dem Sudetendeutschen Tag zu den deutsch-tschechischen Beziehungen 9875 A Günter Verheugen SPD 9875 B Hans Klein (München) CDU/CSU . . . 9876 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9878 A Ulrich Irmer F.D.P 9879 B Gerhard Zwerenz PDS 9880 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 9881 B Markus Meckel SPD 9882 C Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/ CSU 9883 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 9884 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 9885 C Petra Ernstberger SPD 9886 C Karl Lamers CDU/CSU 9887 D Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1997 (Drucksache 13/4839) 9888 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Albert Schmidt (Hitzhofen), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der künstlerischen und kulturellen Vielfalt bei Auftritten von Künstlern und Künstlerinnen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben (Einkommensteuer-Änderungsgesetz) (Drucksache 13/4750) . . . . 9888 D c) Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielfältige Kinderbetreuungseinrichtungen sichern (Drucksache 13/3990) . . . . 9889A d) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1993 bis 1996 (Fünfzehnter Subventionsbericht) (Drucksachen 13/ 2230, 13/4607) 9889 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Abgeordneten Christine Scheel, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/4838) 9889 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Den Reichtum teilen - Für eine gerechte Ausgestaltung der Erbschaftsbesteuerung (Drucksache 13/4845) . . . 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 24: Aktionsprogramm gegen Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung (Drucksache 13/4859) 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Oswald Metzger, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einstieg in eine umfassende Gemeindefinanz- und Unternehmensteuerreform (Drucksache 13/4870) 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Christine Scheel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Solidaritätszuschlag weiter notwendig (Drucksache 13/4871) . . . . 9889 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 9889 D Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 9893 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 9900 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9906A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . 9910 A, 9913 A Dr. Christa Luft PDS 9912D Dr. Gregor Gysi PDS 9915 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 9916A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9916 D, 9918 B Dr. Barbara Hendricks SPD 9917 B Dr. Barbara Höll PDS 9919 A Joachim Poß SPD 9920 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 9921 A Hans Michelbach CDU/CSU 9923 B Gisela Frick F.D.P. 9924 A, 9928 A Joachim Poß SPD 9924 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 9924 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . 9927 C, 9932 C Peter Rauen CDU/CSU 9928 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 9930 A Johannes Selle CDU/CSU 9933 B Tagesordnungspunkt: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages (Drucksache 13/4904) . . 9934 C Tagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Drucksachen 13/4336, 13/4719, 13/4877, 13/4878) 9934 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der SPD: Solidarität der Arbeitgeber einfordern: Bedingungen für Teilzeitarbeit im Alter und Vorruhestand (Drucksachen 13/3747, 13/4877) 9934 D c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Vertrauensschutz Rentenalter Frauen) (Drucksache 13/ 4814) 9935 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU 9935 A Ottmar Schreiner SPD 9936 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9939 A Uwe Lühr F.D.P. 9939 D Petra Bläss PDS 9940 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 9941 B Nächste Sitzung 9942 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 9943* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9943* C 111. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Juni 1996 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 14. 6. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 14. 6. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 14. 6. 96 Ferner, Elke SPD 14. 6. 96 Fuhrmann, Arne SPD 14. 6. 96 Ganseforth, Monika SPD 14. 6. 96 Graf (Friesoythe), Günter SPD 14. 6. 96 Grill, Kurt-Dieter CDU/CSU 14. 6. 96 Gysi, Andrea PDS 14. 6. 96 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 14. 6. 96 Köhler (Hainspitz), CDU/CSU 14. 6. 96 Hans-Ulrich Koppelin, Jürgen F.D.P. 14. 6. 96 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 14. 6. 96 Leidinger, Robert SPD 14. 6. 96 Lummer, Heinrich CDU/CSU 14. 6. 96 * Michels, Meinolf CDU/CSU 14. 6. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 14. 6. 96 Hermann Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 14. 6. 96 Rühe, Volker CDU/CSU 14. 6. 96 Scharping, Rudolf SPD 14. 6. 96 Schlee, Dietmar CDU/CSU 14. 6. 96 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 14. 6. 96 Hans-Peter Schulte (Hameln), Brigitte SPD 14. 6. 96 Schultz (Everswinkel), SPD 14. 6. 96 Reinhard Dr. Schwall-Düren, SPD 14. 6. 96 Angelica Steen, Antje-Marie SPD 14. 6. 96 Terborg, Margitta SPD 14. 6. 96 Teuchner, Jella SPD 14. 6. 96 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 14. 6. 96 * * Zierer, Benno CDU/CSU 14. 6. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Bundesrat hat in seiner 697. Sitzung am 24. Mai 1996 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Viertes Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes - Gesetz zu dem Luftverkehrsabkommen vom 2. März 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten - Gesetz zum Inkraftsetzen der 2. Stufe der Pflegeversicherung - Gesetz zu dem Abkommen vom 10. November 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen über den Sitz des Freiwilligenprogramms der Vereinten Nationen - Erstes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB XI-Änderungsgesetz -1. SGB XI-ÄndG) - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" - Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer und zur Änderung anderer Vorschriften Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zum Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland": Der Bundesrat begrüßt, daß nunmehr auch die neuen Länder im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" mit vollem Stimmrecht vertreten sind. Der Bundesrat ist der Ansicht, daß durch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" eine spätere Entscheidung zur Rechtsform des „Haus/Archiv der Deutschen Einheit" in Leipzig nicht präjudiziert wird. Er bittet die Bundesregierung sicherzustellen, daß - unabhängig von der jeweiligen Rechtsform - der Leiter der Leipziger Institution im Benehmen mit dem Sitzland berufen wird. Zum Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer und zur Änderung anderer Vorschriften: Der Deutsche Bundestag hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Mauergrundstücksgesetzes in einer Entschließung (BT-Drucks. 13/3756) die neuen Länder und Berlin aufgefordert, zu prüfen, ob und inwieweit auch in anderen Enteignungsfällen den ehemaligen Eigentümern die heute landeseigenen und kommunalen Grundstücke zu vergünstigten Konditionen überlassen werden können. Der Bundesrat hat bereits bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das Vermögensgesetz ausdrücklich auf die Besonderheiten der Mauer- und Grenzgrundstücke hingewiesen. Er hat seine Überzeugung bekundet, daß sich der Staat im Interesse der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates nicht an den zum Zwecke des Baus der 9944* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 111. Sitzung. Bonn, Freitag den 14. Juni 1996 Berliner Mauer und des Ausbaus des Grenzstreifens quer durch Deutschland enteigneten Grundstücken bereichern dürfe. Er ist dabei davon ausgegangen, daß es sowohl rechtlich als auch politisch möglich ist, diese Grundstücke wegen ihres hohen Symbolcharakters an die früheren Eigentümer zurückzugeben, ohne daß zugleich weitere Enteignungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die vom Vermögensgesetz nicht erfaßt werden, gleichbehandelt werden müssen. Der Bundesrat bekräftigt daher seine Auffassung, daß aufgrund einer Regelung für die Mauer- und Grenzgrundstücke keine Ansprüche auf Gleichbehandlung anderer Fälle von Enteignungen entstehen. Die Bundesregierung hat bei den Beratungen des Gesetzentwurfs wiederholt auf die Gefahr hingewiesen, daß bei einer Regelung für die Mauer- und Grenzgrundstücke politisch die Forderung erhoben werden könnte, auch andere Enteignungsfälle gleich zu behandeln. Die Entschließung des Deutschen Bundestages ist geeignet, derartige Forderungen zu provozieren. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die neuen Länder und Berlin in ihren Bemühungen zu unterstützen, daß bei den von anderen Enteignungen Betroffenen keine unberechtigten Hoffnungen erweckt werden und daß die Entschließung des Deutschen Bundetages nicht zu einer erneuten Störung des Rechtsfriedens führt. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat darauf, daß ein Großteil der in der Entschließung des Deutschen Bundestages angesprochenen Enteignungen Grundstücke betrifft, die sich heute im Eigentum des Bundes befinden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten „Altlasten II" des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen - Drucksache 13/380 - Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes " (GAK) hier: Rahmenplan 1996 bis 1999 - Drucksachen 13/2330, 13/2486 Nr. 2 - Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/4514 Nr. 2.1.6 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4466 Nr. 2.5 Drucksache 13/4514 Nr. 2.20 Drucksache 13/4514 Nr. 2.22 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/3529 Nr. 1.2 Drucksache 13/3529 Nr. 1.4 Drucksache 13/3668 Nr. 2.5 Drucksache 13/3668 Nr. 2.47 Drucksache 13/3938 Nr. 2.27 Drucksache 13/3938 Nr. 2.29 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/4466 Nr. 2.31 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/3790 Nr. 2.1 Drucksache 13/4137 Nr. 2.36 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/4137 Nr. 2.74 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/2306 Nr. 1.6 Drucksache 13/2306 Nr. 1.7 Drucksache 13/2306 Nr. 1.12 Drucksache 13/3182 Nr. 1.14 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 1.11 Drucksache 13/3668 Nr. 1.21 Drucksache 13/4137 Nr. 2.1 Innenausschuß Drucksache 13/2674 Nr. 2.36 Drucksache 13/2674 Nr. 2.38 Drucksache 13/3117 Nr. 2.36 Drucksache 13/3938 Nr. 2.14 Drucksache 13/3938 Nr. 2.16 Finanzausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.29 Drucksache 13/4514 Nr. 2.23 Haushaltsausschuß Drucksache 13/4137 Nr. 2.59 Drucksache 13/4137 Nr. 2.62 Drucksache 13/4137 Nr. 2.69 Drucksache 13/4137 Nr. 2.71 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2306 Nr. 2.25 Drucksache 13/2674 Nr. 2.33 Drucksache 13/3668 Nr. 2.13 Drucksache 13/3668 Nr. 2.43
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der jüngste Bericht der Europäischen Kommission über die „Steuern in der Europäischen Union" zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: Überall in Europa wurde in den letzten Jahren die Arbeit immer höher belastet, die steuerliche Belastung des Kapitals ging immer weiter zurück. In Deutschland ist der Anteil der Unternehmensteuern am Gesamtsteueraufkommen von 1989 bis 1995 deutlich gesunken: von 14,3 Prozent auf 8,7 Prozent. Der Anteil der Lohnsteuer aber ist deutlich angestiegen: von 33,9 Prozent auf 37 Prozent.
    Wir sind der Überzeugung, daß die Politik dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen darf.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Es wäre wünschenswert, wenn auch Sie, Herr Kollege Waigel, das begreifen würden, nachdem Sie so doziert haben. Die von der Europäischen Kommission festgestellte Überbelastung der Arbeit hat schwerwiegende Folgen: Die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter an, der Marsch in die Schwarzarbeit geht immer weiter, die Einkommensverteilung wird immer ungerechter.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß die Arbeit endlich entlastet wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die Bundesregierung aber geht den falschen Weg. Sie will die Verbesserung des steuerlichen Grundfreibetrages zum 1. Januar 1997 verhindern. Ich sage noch einmal: Die Europäische Kommission stellt fest, daß die Arbeit viel zu hoch mit Steuern und Abgaben belastet ist. Das kann doch kein ernstzunehmender Mensch bestreiten. Insbesondere trifft das natürlich die unteren Einkommen. Daß wir vor einigen Monaten vereinbart haben, die unteren Einkommen über den Grundfreibetrag besonders zu entlasten - das geht natürlich durch den ganzen Tarif -, war eine vernünftige Maßnahme. Auch Sie haben dem zugestimmt. Ich sage: Grundlage muß sein, daß Vereinbarungen Bestand und Geltung haben. Sonst hat es doch gar keinen Sinn mehr, etwas zu vereinbaren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Statt die Arbeit zu entlasten, wollen Sie die Vermögensteuer abschaffen. Sie haben hier noch einmal in herzerweichenden Worten dargelegt, was alles das für Wachstum und Beschäftigung bringe und wie notwendig das sei, und haben sich dann auf das Verfassungsgericht berufen. Das hätte ich an Ihrer Stelle nicht getan, Herr Kollege Waigel. Denn es ist in Ihrer Amtszeit als Finanzminister ein ganz bemerkenswerter Vorgang zu verzeichnen: Nicht mehr die Bundesregierung macht Finanzpolitik und Steuerpolitik, sondern das Bundesverfassungsgericht, das Sie ständig darauf hinweisen muß, daß Sie bei Familien, beim Existenzminimum und bei anderen Steuerfragen eine gegen die Verfassung gerichtete Finanzpolitik machen. Das ist ein völlig unerträglicher Zustand.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie haben dargelegt, daß der Vorschlag, eine Vermögensabgabe zu erheben, international von niemandem gebilligt würde. Aber Sie sollten zumindest wissen, was in der Europäischen Kommission los ist, Herr Kollege Waigel. Oder muß ich unterstellen, daß Sie bei den Beratungen des Ecofin-Rates immer Zeitung lesen oder etwas anderes tun?

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Da schreibt er Reden für die Sudetendeutschen! Heiterkeit bei der SPD Lachen des Bundesministers Dr. Theodor Waigel)

    Der Europäischen Kommission geht es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In dem Monti-Bericht „Steuern in der Europäischen Union" steht unter dem Kapitel „Beschäftigungsförderung":
    Ausgabenkürzungen der öffentlichen Hand können zwar einen Beitrag leisten, sie dürften allein aber nicht ausreichen, eine Verringerung der steuerlichen Belastung der Arbeit im erforderlichen Maße, um Beschäftigung zu erreichen, zu finanzieren. Als alternative Finanzierungsquellen kommen indirekte Steuern, unter anderem auch die Besteuerung von Vermögen und Grundbesitz, in Betracht.
    Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Waigel, müßte das zu einer erheblichen Reaktion der Finanzmärkte führen. Es dürfte kein Kapital mehr in Europa angelegt werden. Lassen Sie doch solche fehlerhaften Behauptungen! Was die Kommission feststellt, ist ganz einfach die Wahrheit: Die Arbeitnehmer wurden immer stärker belastet. Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, diese Belastungen zurückzunehmen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Statt mit einer ökologischen Steuerreform, wie sie die gesamte europäische Kommission fordert und wie sie viele Länder der Europäischen Gemeinschaft bereits angehen, die Lohnnebenkosten zu senken, läßt die Bundesregierung wider alle ökologische Vernunft das Sinken der Energiepreise zu.
    Sie müssen erkennen: Die übermäßige Steuer- und Abgabenbelastung ist eines der größten Beschäftigungshindernisse in Deutschland. Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, das Hauptproblem sei die Arbeitslosigkeit - dafür haben Sie Beifall des ganzen Hauses erhalten -,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber dagegen tut er nichts!)

    aber wenn Sie die Arbeit immer weiter besteuern, werden Sie die Arbeitslosigkeit immer weiter steigern. Das ist der Zusammenhang.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ursache für die Strukturverschiebung zu Lasten der Arbeit ist ein verhängnisvoller Wettbewerb der Staaten. Um Kapital und Arbeitsplätze im Lande zu halten oder ins eigene Land zu holen, werden die Unternehmensteuern immer weiter gesenkt. Weil die Mobilität der Arbeit geringer ist als die Mobilität des Kapitals, wird die Arbeit immer stärker belastet. Die Europäische Kommission auf die berufe ich mich - stellt zu Recht fest:
    Die scheinbare Verteidigung der einzelstaatlichen Steuerhoheit hat durch Aushöhlung der Besteuerungsgrundlagen,
    - dabei haben Sie erheblich mitgewirkt, Herr Kollege Waigel -

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!)

    insbesondere bei den mobileren Steuergrundlagen, Schritt für Schritt einen realen Verlust an Steuerhoheit für jeden einzelnen Mitgliedstaat zugunsten der Märkte bewirkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, mußte jeder Mitgliedstaat bis zu einem gewissen Grade den Faktor Arbeit überbelasten, was wiederum unerwünschte gegenteilige Auswirkungen auf Beschäftigung und Einkommensverteilung hat.

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Dieser Analyse ist voll und ganz zuzustimmen. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Grundlagen von Wohlstand und Beschäftigung zerstört werden. Deshalb müssen wir der Internationalisierung der Wirtschaft auch auf diesem Gebiet eine politische Antwort aller Staaten, insbesondere der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, entgegensetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bericht der Europäischen Kommission weist dafür den richtigen Weg. Wir brauchen in der Europäischen Union eine Steuerharmonisierung - bei den Unternehmensteuern, bei den Kapitalertragsteuern und bei den Umweltsteuern. Die Kommission denkt zu Recht daran, einen effektiven Mindeststeuersatz in der Europäischen Union einzuführen. Wir halten das für den richtigen Weg. Ich fordere daher die Bundesregierung auf: Tragen Sie dazu bei, daß die Vorschläge der Europäischen Kommission aufgegriffen werden! Sie sind der richtige Ansatz, um die Beschäftigungskrise in Europa zu überwinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Die ökonomischen Rahmenbedingungen werden vor allem vom Bund gesetzt. Deshalb sind Arbeitsmarktzahlen einer der wichtigsten Maßstäbe für den politischen Erfolg oder Mißerfolg einer Bundesregierung. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 357 000 angestiegen. Noch niemals gab es in dieser Jahreszeit so viele Arbeitslose wie in diesem Jahr. In ganz Deutschland fehlen 6 Millionen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Das ist nun einmal auch das Ergebnis Ihrer falschen Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Angesichts dieser Rekordarbeitslosigkeit stellen immer mehr Menschen fest, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung gescheitert ist. Sie versagen bei der wichtigsten Aufgabe unseres Landes: die Menschen am Erwerbsleben zu beteiligen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist ein Ergebnis Ihrer Politik. Schieben Sie das nicht immer anderen zu!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Es muß einen klaren Vorrang für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen geben. Alle Sparpakete ändern nichts an der Feststellung: Nur wenn die Arbeitslosigkeit überwunden wird, können die Staatsfinanzen saniert und die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden. Ich wiederhole: Sie können noch so viele Kürzungspakete, Sparpakete und was immer vorlegen - nur wenn die Arbeitslosigkeit überwunden wird, können die Staatsfinanzen saniert und die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Waigel, ich greife auch auf die Diskussion des gestrigen Tages zurück. Es ist ja notwendig, daß wir auf die Stabilität achten. Aber Sie sollten endlich erkennen - und auf der europäischen Ebene geeigneten Maßnahmen zustimmen -, daß wir jetzt in der gesamten Europäischen Union eine wirksame Beschäftigungspolitik, einen Beschäftigungspakt brauchen. Sonst werden Sie die Haushalte niemals in den Griff bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach den Feststellungen des Sachverständigenrates und der Wirtschaftsinstitute wird die Arbeitslosenzahl steigen, um 300 000. Noch nie in der Geschichte gab es so viele Arbeitslose, noch nie war die Staatsverschuldung so hoch, und noch niemals wurden die Arbeitnehmer so sehr mit Steuern und Abgaben belastet. Eine Politik, die solch verheerende Folgen hat, kann nicht richtig sein. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, was der Sachverständigenrat festgestellt hat:
    Die Finanzpolitik hat zu der Wachstumsschwäche, die ihr über Steuerausfälle und höhere Ausgaben für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit erheblich zu schaffen macht, zu einem nicht unerheblichen Teil selbst beigetragen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Es war ja wirklich belustigend, mit anzuhören, daß Sie, Herr Kollege Waigel, dann sofort erklärt haben, Sie fühlten sich durch den Sachverständigenrat voll und ganz bestätigt. Karneval am Rhein! Wenn der Sachverständigenrat Ihnen ins Stammbuch schreibt, daß Ihre Finanzpolitik zu Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche beigetragen hat, dann fühlen Sie sich voll bestätigt. - Nein, voll bestätigt fühlen sich all diejenigen, die immer wieder darauf hingewiesen haben, daß Ihre Finanzpolitik die Grundlage hoher Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche ist.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir fordern die Bundesregierung auf: Ziehen Sie die Konsequenzen, korrigieren Sie diese Politik! Mit Ihrer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik, die ja gut gemeint gewesen ist, haben Sie das Land in die Krise geführt. Ergreifen Sie endlich die notwendigen Maßnahmen, damit das Land nicht noch weiter in die Krise treibt!

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wir tun das!)

    Die Bundesanstalt für Arbeit hat darauf hingewiesen, daß die Ausbildungslücke in Deutschland immer größer wird. Die Schere zwischen den freien Ausbildungsstellen und der Zahl der Bewerber wird größer. In ganz Deutschland sind 430 000 junge Menschen ohne Arbeit. Arbeit und Ausbildung sind die Grundvoraussetzungen dafür, daß die jungen Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Darum müssen diese Zahlen für jeden verantwortlichen Politiker ein Alarmsignal sein.
    Die Jugend ist die Zukunft unseres Landes. Deshalb sagen wir: Eine Politik, die diese Jugendarbeitslosigkeit tatenlos hinnimmt, ist verantwortungslos.

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Wir müssen den jungen Menschen eine Chance geben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um den jungen Menschen die Chance auf einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz zu geben. Deshalb fordern wir ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wer bezahlt das?)

    - Was soll dieser Zwischenruf „Wer bezahlt das?" ? Wenn Sie nicht endlich etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun, dann bezahlen wir alle das. Denn eine gutausgebildete Jugend ist die Zukunft unseres Landes.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    13 Jahre der von Ihnen zu verantwortenden Politik haben unser Land in eine schwere Finanzkrise geführt.

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Saarland!)

    Die Staatsverschuldung ist zu einer drückenden Last geworden. Durch die steigende Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte droht dem Staat die Handlungsunfähigkeit.
    Es ist unstreitig, es muß gespart werden. Ich sage auch im Hinblick auf die morgige Demonstration: Die Menschen begreifen, daß gespart werden muß, aber die Frage ist, wie die Lasten verteilt werden.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Protest morgen ist ein Protest großer Teile der Bevölkerung gegen die soziale Ungerechtigkeit, die in den letzten Jahren zur Grundlage Ihrer Politik geworden ist.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Bei einer Staatsverschuldung von über 2 000 Milliarden DM und einer Rekordbelastung mit Steuern und Abgaben muß den Menschen gesagt werden: Die Ansprüche an den Staat müssen zurückgenommen werden. Vieles, was wünschbar wäre, ist nicht mehr finanzierbar. Die öffentlichen Haushalte müssen aus der Zinsfalle herauskommen.
    Deshalb müssen wir Anstrengungen unternehmen, um das strukturelle Staatsdefizit abzubauen. Wir brauchen allerdings auch eine konjunkturgerechte Politik, die notwendige Sparmaßnahmen umsetzt, aber eine prozyklische Verschärfung des Abschwungs vermeidet.
    Es ist wirklich nicht falsch zu sagen, daß wir bei allen unseren Entscheidungen auch noch die Konjunktur und die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung berücksichtigen müssen. Rein fiskalische Gesichtspunkte sind auf Dauer nicht tragfähig.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Durch strukturelle Maßnahmen müssen wir die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung verbessern. An einem harten Sparkurs, der strukturell wirksam ist, führt kein Weg vorbei. Die knappen Kassen zwingen auch alle Ministerpräsidenten zu tiefgreifenden Einsparungen in allen Ländern.
    Da in den Länderhaushalten die Personalausgaben den bei weitem größten Ausgabenblock bilden, muß die Konsolidierung hier ansetzen. Die Landeszentralbank Rheinland-Pfalz und Saarland hat kürzlich festgestellt, daß das von mir vertretene Land „in den 90er Jahren von allen westdeutschen Flächenstaaten den härtesten Sparkurs gefahren" hat.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Meine Damen und Herren, ich zitiere. Wenn Ihnen das nicht gefällt, setzen Sie sich mit denen auseinander, die dieses festgestellt haben. Es gibt auch eine entsprechende Statistik dazu.
    Meine Damen und Herren, es hat ja keinen. Sinn, daß Sie Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will Ihnen einmal zwei Beispiele geben. Der Bundesfinanzminister hat hier stolz darüber schwadroniert, daß man die Ministerialzulage abschaffen oder bei den Beihilferegelungen im Beamtenrecht sparen könnte. Das ist in den Ländern längst geschehen. Tun Sie doch nicht so, als wenn Sie das Rad neu erfinden müßten!

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie haben das verschlafen, und zwar lange Jahre.
    Die politische Auseinandersetzung geht also überhaupt nicht darum, daß gespart werden muß. Wir fordern jedoch, daß die Lasten gerecht verteilt werden. Bei Ihrer Politik ist die Lastenverteilung so extrem ungerecht, daß der soziale Friede zerstört wird.
    Ihr Geschenk- und Kürzungspaket bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes. Deshalb trifft diese Politik der sozialen Ungerechtigkeit auf Widerstand. Da hilft es auch nicht, wenn der Kollege Schäuble sagt: Wir wollen dem Druck der Straße nicht nachgeben. Was soll denn diese verächtliche Sprache gegenüber Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, um von ihrem demokratischen Recht auf Demonstration Gebrauch zu machen!

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Die Länder haben Sparvorschläge gemacht. Die Bundesregierung geht darauf nicht ein. Wir schlagen einen durchgreifenden Abbau von Steuersubventionen vor, von denen die höheren Einkommen überproportional profitieren. Sie aber vertagen diese Maßnahmen mit unglaubwürdigen Steuermodellen immer weiter und verhindern, daß hier für Bund, Länder und Gemeinden Milliardeneinsparungen möglich sind und der Steuertarif korrigiert wird.
    Es nützt doch nichts, daß wir für zwei Jahre wieder eine Operette aufgeführt bekommen, die darin besteht, daß F.D.P. und CDU sich mit Steuertarifsenkungsmodellen überbieten, von der Streichung von Steuersubventionen reden, aber genau wissen, daß in Wirklichkeit überhaupt nichts passiert, und das über Jahre.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir fordern strukturelle Sparmaßnahmen im Beamtenrecht, zum Beispiel leistungsorientierte Gehälter statt einer automatischen Anhebung nach Dienstalter. Wir plädieren zum Beispiel für eine Abschaffung der Ministerialzulage und eine Ausweitung der Teilzeitarbeit. Ich will nur ein Beispiel aufgreifen. Nachdem der Bundeskanzler jahrelang die Verlängerung der Arbeitszeit befürwortet hat, hat er irgendwann eine Kurswende eingeleitet, die wir für richtig halten, und gesagt: Wir brauchen in Deutschland mehr Teilzeitarbeitsplätze. Das ist richtig. Dem stimmen wir zu. Aber seit Jahren liegen Vorschläge im Bundesrat vor, um Teilzeitarbeit auch für Beamte einzuführen. Sie blockieren diese Vorschläge. Geben Sie diese Blockade endlich auf!

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Bund weigert sich, den Versorgungsbericht vorzulegen, mit dem die Daten geliefert werden sollen, um die Pensionslasten der öffentlichen Haushalte zu verringern. Es war richtig rührend, Herr Kollege Waigel, als Sie den Sparkatalog der Beamten vorgetragen haben. Ich sage in aller Bescheidenheit: Politik müssen wir schon selbst machen, dafür sind wir gewählt; das können wir nicht an Beamte delegieren.
    Wenn Sie Beamte auffordern, Vorschläge für Sparmaßnahmen vorzulegen, ist es menschlich verständlich, daß durchgreifende Reformen im Beamtenrecht nicht vorgeschlagen werden. Seien Sie etwas zurückhaltend mit Ihrem Lob, was diese Liste angeht! Wenn Sie die Länderhaushalte entlasten wollen - das könnte Ihnen Herr Kollege Stoiber, mit dem Sie ja in inniger Freundschaft verbunden sind, mitteilen -, müssen Sie im Beamtenrecht strukturelle Eingriffe vornehmen. Anders geht das nicht. Deshalb haben wir seit Jahren solche Vorschläge vorgelegt, die Sie immer blockiert haben.

    (Beifall bei der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht mit der Regierung nicht!)

    - Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Fischer: Mit dieser Regierung geht das nicht. Es ist ja interessant, die Politik dieser Regierung zu betrachten. Sie hat jahrelang Wahlkampagnen mit der Parole „Weiter so, Deutschland!" geführt. Jetzt ist sie bei der Parole gelandet „So kann es aber nicht weitergehen, Deutschland!" Da hat sie völlig recht. Wenn wir aber etwas verändern wollen, müssen wir hier bei dieser Regierung etwas verändern.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wir fordern noch einmal eine Begrenzung des Aussiedlerzuzugs

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aha!)

    nach den Möglichkeiten des Arbeitsmarktes und des Wohnungsmarktes. - Was heißt hier „Aha!", Herr Kollege Schäuble? Täuschen Sie nicht die Öffentlichkeit! Sie tun das doch auch. Sie haben, je nachdem, wie die Tagesaktualität ist, eine unehrliche Sprache.
    Wir fordern ferner das Schließen des Fremdrentengesetzes. Die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung - es gibt sie ja - sind für uns unzureichend. Das ist der Dissens.
    Wir fordern die wirksame Bekämpfung von Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung. Die Kapitalflucht nach Luxemburg und die Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen zeigen, daß es Ihnen an dem Willen fehlt, für die Durchsetzung von Recht und Gesetz zu sorgen. Das schimmerte auch vorhin bei der Rede des Bundesfinanzministers durch.
    Eine der beliebtesten Formulierungen ist: „Kapital ist ein scheues Reh" . Dann schlagen alle möglichen Sachverständigen, wie Sie, Herr Kollege Waigel, vor, daß man das Kapital schonen und daß man im Gegenzug die Arbeitnehmer stärker belasten muß.
    Meine Damen und Herren, wenn ich sehe, daß die Stars unserer Medienwelt ihre Steuern in Monaco oder sonstwo zahlen wollen, wenn ich sehe, daß einzelne Unternehmen stolz darauf sind, daß sie ihre Steuern ins Ausland verlagern, dann frage ich: Wo bleibt eigentlich die soziale Verantwortung in dieser Republik?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das schafft Staatsverdrossenheit. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen nicht mehr ein, daß sie „Sonderrechte" in der Form genießen, daß sie brav ihre Steuern zahlen müssen, während diejenigen in dieser Republik noch beklatscht und bejubelt werden, die Steuern systematisch hinterziehen und ins Ausland abwandern.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir sind bereit, den Anstieg der Sozialhilfe am Zuwachs der Nettolöhne der Arbeitnehmer zu orientieren. Beim Asylbewerberleistungsgesetz sind wir für den Vorrang von Sach- vor Geldleistungen; wir ha-

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    ben das gestern wieder besprochen. Es geht einfach nicht an, daß Sie diese notwendigen Entscheidungen dadurch blockieren, daß Sie sie in Artikelgesetzen mit zusätzlichen Belastungen für Länder und Gemeinden verbinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Geben Sie endlich diese Blockadepolitik - oder wie immer Sie Ihre Politik formulieren wollen - auf! Notwendige Sachentscheidungen dürfen nicht dadurch verhindert werden, daß man sie mit sachfremden Zusatzentscheidungen belastet.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir fordern einen Verzicht auf die geplante Abschaffung der Vermögensteuer. Allein das verbessert die Situation der Haushalte um 9 Milliarden DM. Ich sage noch einmal: Das Verfassungsgericht kann die Verfassung interpretieren und auslegen, aber es macht sie nicht.
    Wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, daß bestimmte Entscheidungen dem Verfassungsgerichtsurteil entgegenstünden, ist das keine sachgemäße Antwort auf unsere Forderung, die größeren Vermögen stärker heranzuziehen, statt eine immer stärkere Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Republik zu bewirken.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Diese Ihre Politik zeigt: Es geht Ihnen gar nicht nur um das Sparen. Sie mißbrauchen das notwendige Sparen für eine weitere Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dazu aber werden wir die Hand nicht reichen. Wir werden dieser Politik Widerstand entgegensetzen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Auch dürfen wir nicht sparen zu Lasten der Kinder. Glauben Sie mir: Die Kinder sind genau so viel wert wie die Vermögen in Deutschland. Glauben Sie mir das bitte! Sie sind wirklich so viel wert.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es ist kurzsichtig und unverantwortlich, daß diese Bundesregierung den Familien mit Kindern die Erhöhung des Kindergeldes verweigern will. Sie reden immer von der Blockadepolitik des Bundesrates. Geben Sie endlich diese alberne Sprachregelung auf!

    (Gisela Frick [F.D.P.]: Geben Sie die Blokkade auf!)

    Wir haben vor einigen Monaten - und wir haben lange dazu verhandelt - vereinbart, den Grundfreibetrag bei den Steuern zu erhöhen, und wir haben weiter vereinbart, das Kindergeld zu erhöhen. Was muten Sie eigentlich dem Verfassungsorgan Bundesrat zu, wenn Vereinbarungen und Gesetze, die wir beschlossen haben, nach wenigen Monaten wieder in Frage gestellt werden?

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Diese Behandlung weise ich für den gesamten Bundesrat zurück.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Daß Sie, obwohl Sie das Kindergeld nicht erhöhen wollen, gleichzeitig den Vermögensmillionären milliardenschwere Steuergeschenke machen wollen, ist für uns schamlos und empörend, und dabei bleibt es.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssysteme in Ordnung bringen will, der muß vor allem für Wachstum und Beschäftigung sorgen. Die geplanten Eingriffe bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und beim Kündigungsschutz für Arbeitnehmer haben mit Wachstum und Beschäftigung nichts zu tun. Dadurch wird nur das Betriebsklima in Unternehmen und Verwaltungen gestört, Motivation und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer werden belastet. Wir fordern Sie auf: Ziehen Sie diese Pläne aus dem Verkehr! Damit würden Sie dem Standort einen guten Dienst erweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist überhaupt interessant, daß Ihnen die Worte „Motivation" und „Leistung" immer nur ab einer bestimmten Einkommensgruppe einfallen, immer nur bei den ach so armen, ächzenden Managern von 1 Million DM Einkommen an aufwärts. Meine Damen und Herren, erkennen Sie endlich: Die Leistungsträger dieser Gesellschaft sind nicht nur die Bezieher ganz hoher Einkommen, es sind auch die Krankenschwestern und die Bauarbeiter, die Maschinenschlosser und die Handwerker. Das sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft, nicht nur die, die Sie immer nennen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen will, der muß die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit senken. Deshalb fordern wir eine sofortige Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten. - Wir sind da in Übereinstimmung mit der gesamten Europäischen Gemeinschaft. Bitte tun Sie endlich etwas!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie reden immer nur vom Senken der gesetzlichen Lohnnebenkosten, aber Sie erhöhen sie permanent. - Eine Senkung der Lohnnebenkosten entlastet alle Arbeitnehmer und alle Betriebe, und das schafft neue Arbeitsplätze in Mittelstand und Handwerk.
    Wir fordern eine umfassende Steuerentlastung für Arbeitnehmer, das heißt zunächst die Verbesserung des Grundfreibetrages. Das kann aber nur ein erster Entlastungsschritt sein.
    Die Bundesregierung hat in den letzten 13 Jahren aus dem deutschen Steuerrecht ein Steuerchaos gemacht.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kann man sagen!)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Durch die vielen Steuerschlupflöcher ist das Steuersystem immer undurchschaubarer und immer ungerechter geworden. Das Steuerchaos der Bundesregierung zerstört das Vertrauen in unseren demokratischen Rechtsstaat. Deshalb muß jetzt endlich Ernst gemacht werden mit Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir brauchen eine grundlegende Reform der Lohn- und Einkommensteuer, und zwar sofort. Der Grundsatz muß lauten: Absenkung der Steuersätze auf breiter Front und - im Gegenzug - Beseitigung von Steuerschlupflöchern und Steuersubventionen. Vor allem muß der Eingangssteuersatz endlich gesenkt werden.
    Hier werfe ich mir vor, daß ich leider nicht blokkiert habe. Ich habe Sie immer wieder darauf hingewiesen, Herr Kollege Waigel, daß das gesellschafts- und sozialpolitisch ein wirklich verfehlter Steuersatz ist. Wir haben damals auf dem Kompromißwege zugestimmt. Ich werfe mir hier vor, daß ich das seinerzeit nicht blockiert, daß ich zugestimmt habe; denn dieser viel zu hohe Steuersatz führt jetzt mittlerweile dazu, daß die Schwarzarbeit immer weiter zunimmt und die Zahl der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, der 590-Mark-Jobs, immer weiter ansteigt. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Eingangssteuersatz muß auf 20 Prozent gesenkt werden.
    Nach 13 Jahren Regierungskoalition aus CDU, CSU und F.D.P. ist die Lastenverteilung in diesem Land aus dem Gleichgewicht geraten. Das sagt nicht nur die „böse" Opposition, das sagen auch viele Verbände und insbesondere die Kirchen, die auf Grund ihres Auftrags das Wort „soziale Verantwortung" nicht nur im Munde führen, sondern sich dafür einsetzen, daß sie in unserer Gesellschaft Wirklichkeit wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen dafür sorgen, daß die soziale Symmetrie in Deutschland wiederhergestellt wird. Deshalb plädieren wir für einen gerechten Lastenausgleich. Das Privatvermögen hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt: Das private Geldvermögen beträgt über 4,3 Billionen DM, das private Grundvermögen über 6 Billionen DM.
    Wir wollen die Vermögensmillionäre in unserem Land zu einem solidarischen Finanzierungsbeitrag heranziehen. Oswald von Nell-Breuning hat die Frage gestellt, ob es auf Dauer tragfähig sei, daß eine Generation sowohl die Jugend als auch die Rentner finanziert. Das war eine lange Diskussion. Wir haben nun zusätzlich die große Aufgabe, auch den Aufbau im Osten Deutschlands zu bewerkstelligen. In dieser Situation können Sie die Lasten nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufbürden. Das ist die große Schieflage Ihrer Politik.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es ist wirtschaftspolitisch vernünftig, die Arbeitnehmer zu entlasten, denn das stärkt die Kaufkraft. Es ist auch sozial gerecht, denn es schafft einen gewissen Ausgleich dafür, daß es vor allem die Arbeitnehmer sind, die zur Finanzierung unseres Staates herangezogen werden.
    Investitionen und Innovation sind die Schlüssel für neue und sichere Arbeitsplätze. Deshalb ist es wirtschaftspolitisch absurd, daß die Bundesregierung die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern will. Auch der F.D.P.-Parteitag kann nichts daran ändern, daß Sie die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern wollen. Der Parteitag war ja ein ganz nettes Gartenfest,

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wir haben unseren Laden im Griff!)

    mit kabarettistischen Einlagen, aber es ändert nichts daran, daß Sie die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern wollen. Das ist doch die Faust aufs Auge. Ziehen Sie diesen törichten Vorschlag endlich zurück!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie wollen die Gewerbekapitalsteuer abschaffen und die Abschreibungsmöglichkeiten verschlechtern. Da in Deutschland nur 16 Prozent der Unternehmen die Gewerbekapitalsteuer bezahlen, heißt das: Kapitalstarke Großunternehmen, Banken und Versicherungen werden entlastet, aber alle Unternehmen, die investieren, werden belastet.
    Aber in diesen Zusammenhang gehört der richtige Hinweis, daß Substanzsteuern an sich nicht vernünftig sind. Aber ehe die Substanzsteuern von Siemens oder BASF oder der Deutschen Bank Sie ständig beschweren, sollte es Sie beschweren, daß Ihre Steuer- und Abgabenpolitik vielen Einkommensschwachen an die Substanz geht. Darüber muß endlich einmal in Deutschland geredet werden!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir brauchen in Deutschland Investitionen für 6 Millionen neue Arbeitsplätze. Wer in dieser Lage die Investitionsbedingungen verschlechtern will, der zeigt nur - ich greife Ihre Sprache auf -, daß er vom Einmaleins der Wirtschaftspolitik nichts verstanden hat.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist richtig!)

    Mit Ihrem Kürzungspaket schafft die Bundesregierung neue soziale Konflikte und spaltet das Land. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung ist eine schwere Belastung für Deutschland. Mit ihrer jetzigen Politik beschädigen CDU, CSU und F.D.P. die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft. Dabei

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    vergessen Sie: Gesellschaftlicher Konsens und soziale Marktwirtschaft sind die Grundlagen für Wohlstand und soziale Sicherheit. Deshalb stehen wir nicht nur zur Marktwirtschaft, sondern wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft. Wir werden das Soziale gegen all diejenigen verteidigen, die der Marktwirtschaft das Soziale rauben wollen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In der Bevölkerung wachsen Widerstand und Protest. Morgen werden Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von diesem ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen. - Das ist nicht der Druck der Straße. Herr Kollege Schäuble, nehmen Sie dieses Wort zurück, auch wenn es geläufig ist! -

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie werden hier nach Bonn kommen und deutlich machen, daß sie mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung nicht mehr einverstanden sind, weil diese eine unerträgliche soziale Schieflage hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Den Frauen und Männern, die morgen hier in Bonn für Arbeit und soziale Gerechtigkeit demonstrieren, gehören unsere Sympathie und unsere Solidarität.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern machen wir deutlich: Wir wollen nicht hinnehmen, daß der soziale Friede in diesem Lande zerstört wird, und wir akzeptieren es nicht, daß die soziale Gerechtigkeit durch Ihre Politik mit Füßen getreten wird.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es spricht jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Wolfgang Schäuble.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Lafontaine, da Sie so sehr auf Äußerungen von mir, die heute in einer Zeitung abgedruckt sind, abgehoben haben, möchte ich Ihnen diese Äußerungen zu Beginn doch im Originalwortlaut vortragen, damit wir wissen, worüber wir reden. Dann können wir uns auch darüber verständigen, ob es in Ordnung ist oder nicht. Die Frage lautet - ich zitiere es jetzt ganz wörtlich -:
    Hunderttausende wollen an diesem Samstag gegen die Pläne der Koalition in Bonn auf die Straße gehen ...
    Schäuble: Es ist in Ordnung, wenn jemand anderer Meinung ist und dafür demonstriert. Aber die
    Zahl der Teilnehmer überzeugt mich überhaupt nicht. Vor gut zehn Jahren gab es - übrigens mit ähnlichen Veranstaltern - eine Demonstration gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluß. Wenn wir damals dem Druck der Straße nachgegeben hätten, gäbe es heute noch die Sowjetunion, den Warschauer Pakt, die DDR und die Mauer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Damit dieses Zitat vollständig ist, lese ich weiter:
    Auch heute, wo es um die Finanzierbarkeit des Sozialstaats geht, werden wir dem Druck der Straße nicht nachgeben. Die Demonstranten sprechen weder für die Arbeitslosen noch die Mehrheit der Bevölkerung. Die meisten Menschen in unserem Land haben im Gegensatz zur SPD und den Gewerkschaften längst erkannt, daß gespart werden muß.

    (Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Darum geht es gar nicht!)

    Dann ist die nächste Frage:
    Drohen auch bei uns demnächst französische Verhältnisse?
    Darauf antworte ich:
    Ich hoffe nicht. Wir sitzen alle in einem Boot und müssen uns gemeinsam in die Riemen legen. Wenn wir kentern, saufen wir alle miteinander ab! Deshalb: Alle, die für diese Demonstration am Samstag in Bonn Verantwortung tragen, dürfen keine zusätzlichen Gräben aufreißen. Wir müssen am Montag wieder vernünftig miteinander reden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joachim Poß [SPD]: Gräben reißen nur Sie auf, andere dürfen das nicht! Sie sind Spezialist im Gräben-Aufreißen! Weitere Zurufe von der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesen Äußerungen stehe ich; deshalb habe ich sie noch einmal vorgetragen. Die Kritik von Herrn Lafontaine ertrage ich, aber ich teile sie nicht.
    Weil ich nun meine, daß die Lage schwierig genug ist, will ich mit dem anfangen, was ich in der Rede von Herrn Lafontaine an Übereinstimmung gefunden habe, also mit Punkten, bei denen wir versuchen könnten, Gemeinsamkeiten zu finden.
    Sie haben gesagt - das kritisiere ich nicht, sondern da stimme ich zu -, wir sollten darauf achten, daß der soziale Friede nicht zerstört wird. Sie haben gesagt, daß die Arbeitslosigkeit zu hoch sei. Das hat auch der Bundesfinanzminister Theo Waigel gesagt. Auch darin stimmen wir überein. Sie haben heute auch gesagt, es müsse gespart werden. Auch darin stimme ich Ihnen zu.
    In den Antworten darauf, wie wir diese Ziele erreichen, sind wir allerdings unterschiedlicher Meinung.

    Dr. Wolfgang Schäuble
    Ich finde aber, daß wir angesichts einer so hohen Arbeitslosigkeit

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer hat die denn verursacht? Wo kommt die denn her?)

    und der Sorgen der Menschen um ihren Arbeitsplatz zu einer Einigung kommen sollten.
    Sie haben gerade appelliert, wir sollten den Gefühlen der Menschen, die sich Sorgen machen - morgen bringen viele in einer Demonstration, die völlig legitim ist, diese Sorgen öffentlich zum Ausdruck -, die arbeitslos sind oder Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, Rechnung tragen. Lassen Sie uns dann aber die Debatte so führen, daß die Menschen das Gefühl haben, daß es uns wirklich um ihre Sorgen geht.
    Deswegen sage ich Ihnen: Bei der Beantwortung dieser Fragen müssen wir meines Erachtens ein wenig sorgfältiger argumentieren, als es Herr Lafontaine eben getan hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will Ihnen unsere Antworten erläutern. - Herr Lafontaine, ich will versuchen, diese nicht in der Tonart vorzutragen, der Sie wieder einmal nicht widerstehen konnten; denn ich glaube: In der Art, wie Sie reden, finden die Menschen ihre Sorgen nicht wieder, und Antworten finden sie schon gar nicht.
    Sie haben einleitend lange aus dem Gutachten der Kommission der Europäischen Union zitiert. Dabei ist Ihnen ein kleiner Fehler unterlaufen. Vielleicht war es auch ein Trick; ich weiß es nicht. Sie haben gesagt, die Arbeitnehmer würden zu hoch belastet - darauf hebe die Kommission ab -, deswegen sei die Arbeitslosigkeit so hoch. - Wenn Sie den ökonomischen Zusammenhang betrachten würden, müßten Sie sagen, daß der Grund dafür die zu hohen Kosten der Arbeit sind. Das ist der Punkt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt doch nicht! Die Lohnnebenkosten sind zu hoch!)

    - Auch die Lohnnebenkosten. Aber nicht nur die Lohnnebenkosten, Frau Kollegin Fuchs, auch die Lohnhauptkosten.
    Deswegen müssen wir bei der Verantwortung der Tarifpartner, die die Lohnkosten definieren, anfangen. Wer diese Verantwortung verschweigt, der kann das Problem nicht richtig lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will einen zweiten Punkt nennen, bei dem meiner Meinung nach Ihre Argumentation nicht sorgfältig genug ist. Sie haben gesagt - das ist jetzt ein Schritt weiter -, daß auch gespart werden muß. Sie haben zwar nicht gesagt, wie, aber das wird vielleicht noch nachgereicht.
    Den vom Volumen her größten Sparvorschlag Ihrer angedeuteten Vorschläge - Ihr Manuskript ist verteilt worden; es liegt auf meinem Platz, notfalls lasse ich es holen - stellt der Verzicht auf die Abschaffung der Vermögensteuer dar. Das, Herr Minister Lafontaine, ist jedoch im Kern kein Sparvorschlag. Sparen kann man nur auf der Ausgabenseite.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Sehr wahr!)

    Ich muß Sie daran erinnern, daß der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt vor kurzem in einem - insbesondere für Sie - lesenswerten Aufsatz gesagt hat: Wer heute Steuern senken will, muß zuerst Ausgaben senken. - Anders geht es nicht. Das ist bitter.
    Es wäre viel einfacher - und man könnte viel mehr solcher Reden halten, wie Herr Lafontaine es heute getan hat -, wenn man durch Verschiebung von Einnahmen, Übertragung von versicherungsfremden Leistungen in den Bundeshaushalt, Senkung von Versicherungsbeiträgen - ohne zu sagen, daß man dafür die Mehrwertsteuer erhöhen müßte - oder durch Steuererhöhungen, die keiner bemerkt, die Probleme lösen könnte. Das können wir aber nicht tun.
    Ich unterstreiche das, was der Bundesfinanzminister gesagt hat: In dieser Lage des Arbeitsmarktes, in dieser Lage der nationalen, der europäischen und der weltweiten Konjunktur Steuern zu erhöhen wäre das falscheste, was wir machen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Es wäre Gift, hieße, Öl ins Feuer zu gießen.

    Deswegen bleibt uns - jedem, der die Probleme lösen will - der bessere, der anstrengendere Weg nicht erspart: die zu hohe Belastung durch Steuern und Abgaben - das ist zwischen uns gar nicht streitig - dadurch zu senken, daß wir bei den Ausgaben sparen und uns so und nicht anders Spielräume für die Senkung von Steuern und Abgaben erschließen. Das ist der Kern des Programms für Wachstum und Beschäftigung von Regierung und Koalition.

    (Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Genau!)

    Dazu haben Sie bisher keine einzige Alternative vorgetragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Sie müssen zuhören!)