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    Plenarprotokoll 13/111 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 111. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Juni 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 9934 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu den Äußerungen von Bundesminister Dr. Theodor Waigel auf dem Sudetendeutschen Tag zu den deutsch-tschechischen Beziehungen 9875 A Günter Verheugen SPD 9875 B Hans Klein (München) CDU/CSU . . . 9876 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9878 A Ulrich Irmer F.D.P 9879 B Gerhard Zwerenz PDS 9880 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 9881 B Markus Meckel SPD 9882 C Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/ CSU 9883 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 9884 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 9885 C Petra Ernstberger SPD 9886 C Karl Lamers CDU/CSU 9887 D Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 1997 (Drucksache 13/4839) 9888 D b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Albert Schmidt (Hitzhofen), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der künstlerischen und kulturellen Vielfalt bei Auftritten von Künstlern und Künstlerinnen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben (Einkommensteuer-Änderungsgesetz) (Drucksache 13/4750) . . . . 9888 D c) Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielfältige Kinderbetreuungseinrichtungen sichern (Drucksache 13/3990) . . . . 9889A d) Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 für die Jahre 1993 bis 1996 (Fünfzehnter Subventionsbericht) (Drucksachen 13/ 2230, 13/4607) 9889 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Abgeordneten Christine Scheel, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/4838) 9889 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Uwe-Jens Rössel, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Den Reichtum teilen - Für eine gerechte Ausgestaltung der Erbschaftsbesteuerung (Drucksache 13/4845) . . . 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 24: Aktionsprogramm gegen Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung (Drucksache 13/4859) 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Oswald Metzger, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einstieg in eine umfassende Gemeindefinanz- und Unternehmensteuerreform (Drucksache 13/4870) 9889 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Werner Schulz (Berlin), Christine Scheel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Solidaritätszuschlag weiter notwendig (Drucksache 13/4871) . . . . 9889 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 9889 D Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 9893 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 9900 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9906A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . 9910 A, 9913 A Dr. Christa Luft PDS 9912D Dr. Gregor Gysi PDS 9915 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 9916A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9916 D, 9918 B Dr. Barbara Hendricks SPD 9917 B Dr. Barbara Höll PDS 9919 A Joachim Poß SPD 9920 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 9921 A Hans Michelbach CDU/CSU 9923 B Gisela Frick F.D.P. 9924 A, 9928 A Joachim Poß SPD 9924 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 9924 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . 9927 C, 9932 C Peter Rauen CDU/CSU 9928 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 9930 A Johannes Selle CDU/CSU 9933 B Tagesordnungspunkt: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages (Drucksache 13/4904) . . 9934 C Tagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (Drucksachen 13/4336, 13/4719, 13/4877, 13/4878) 9934 D b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der SPD: Solidarität der Arbeitgeber einfordern: Bedingungen für Teilzeitarbeit im Alter und Vorruhestand (Drucksachen 13/3747, 13/4877) 9934 D c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Vertrauensschutz Rentenalter Frauen) (Drucksache 13/ 4814) 9935 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU 9935 A Ottmar Schreiner SPD 9936 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9939 A Uwe Lühr F.D.P. 9939 D Petra Bläss PDS 9940 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 9941 B Nächste Sitzung 9942 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 9943* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 9943* C 111. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Juni 1996 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 14. 6. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 14. 6. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 14. 6. 96 Ferner, Elke SPD 14. 6. 96 Fuhrmann, Arne SPD 14. 6. 96 Ganseforth, Monika SPD 14. 6. 96 Graf (Friesoythe), Günter SPD 14. 6. 96 Grill, Kurt-Dieter CDU/CSU 14. 6. 96 Gysi, Andrea PDS 14. 6. 96 Hauser (Esslingen), Otto CDU/CSU 14. 6. 96 Köhler (Hainspitz), CDU/CSU 14. 6. 96 Hans-Ulrich Koppelin, Jürgen F.D.P. 14. 6. 96 Kronberg, Heinz-Jürgen CDU/CSU 14. 6. 96 Leidinger, Robert SPD 14. 6. 96 Lummer, Heinrich CDU/CSU 14. 6. 96 * Michels, Meinolf CDU/CSU 14. 6. 96 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 14. 6. 96 Hermann Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 14. 6. 96 Rühe, Volker CDU/CSU 14. 6. 96 Scharping, Rudolf SPD 14. 6. 96 Schlee, Dietmar CDU/CSU 14. 6. 96 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 14. 6. 96 Hans-Peter Schulte (Hameln), Brigitte SPD 14. 6. 96 Schultz (Everswinkel), SPD 14. 6. 96 Reinhard Dr. Schwall-Düren, SPD 14. 6. 96 Angelica Steen, Antje-Marie SPD 14. 6. 96 Terborg, Margitta SPD 14. 6. 96 Teuchner, Jella SPD 14. 6. 96 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 14. 6. 96 * * Zierer, Benno CDU/CSU 14. 6. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Bundesrat hat in seiner 697. Sitzung am 24. Mai 1996 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Viertes Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes - Gesetz zu dem Luftverkehrsabkommen vom 2. März 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten - Gesetz zum Inkraftsetzen der 2. Stufe der Pflegeversicherung - Gesetz zu dem Abkommen vom 10. November 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen über den Sitz des Freiwilligenprogramms der Vereinten Nationen - Erstes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB XI-Änderungsgesetz -1. SGB XI-ÄndG) - Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" - Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer und zur Änderung anderer Vorschriften Zu den beiden letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: Zum Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland": Der Bundesrat begrüßt, daß nunmehr auch die neuen Länder im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" mit vollem Stimmrecht vertreten sind. Der Bundesrat ist der Ansicht, daß durch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" eine spätere Entscheidung zur Rechtsform des „Haus/Archiv der Deutschen Einheit" in Leipzig nicht präjudiziert wird. Er bittet die Bundesregierung sicherzustellen, daß - unabhängig von der jeweiligen Rechtsform - der Leiter der Leipziger Institution im Benehmen mit dem Sitzland berufen wird. Zum Gesetz über den Verkauf von Mauer- und Grenzgrundstücken an die früheren Eigentümer und zur Änderung anderer Vorschriften: Der Deutsche Bundestag hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Mauergrundstücksgesetzes in einer Entschließung (BT-Drucks. 13/3756) die neuen Länder und Berlin aufgefordert, zu prüfen, ob und inwieweit auch in anderen Enteignungsfällen den ehemaligen Eigentümern die heute landeseigenen und kommunalen Grundstücke zu vergünstigten Konditionen überlassen werden können. Der Bundesrat hat bereits bei der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das Vermögensgesetz ausdrücklich auf die Besonderheiten der Mauer- und Grenzgrundstücke hingewiesen. Er hat seine Überzeugung bekundet, daß sich der Staat im Interesse der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates nicht an den zum Zwecke des Baus der 9944* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 111. Sitzung. Bonn, Freitag den 14. Juni 1996 Berliner Mauer und des Ausbaus des Grenzstreifens quer durch Deutschland enteigneten Grundstücken bereichern dürfe. Er ist dabei davon ausgegangen, daß es sowohl rechtlich als auch politisch möglich ist, diese Grundstücke wegen ihres hohen Symbolcharakters an die früheren Eigentümer zurückzugeben, ohne daß zugleich weitere Enteignungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die vom Vermögensgesetz nicht erfaßt werden, gleichbehandelt werden müssen. Der Bundesrat bekräftigt daher seine Auffassung, daß aufgrund einer Regelung für die Mauer- und Grenzgrundstücke keine Ansprüche auf Gleichbehandlung anderer Fälle von Enteignungen entstehen. Die Bundesregierung hat bei den Beratungen des Gesetzentwurfs wiederholt auf die Gefahr hingewiesen, daß bei einer Regelung für die Mauer- und Grenzgrundstücke politisch die Forderung erhoben werden könnte, auch andere Enteignungsfälle gleich zu behandeln. Die Entschließung des Deutschen Bundestages ist geeignet, derartige Forderungen zu provozieren. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die neuen Länder und Berlin in ihren Bemühungen zu unterstützen, daß bei den von anderen Enteignungen Betroffenen keine unberechtigten Hoffnungen erweckt werden und daß die Entschließung des Deutschen Bundetages nicht zu einer erneuten Störung des Rechtsfriedens führt. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat darauf, daß ein Großteil der in der Entschließung des Deutschen Bundestages angesprochenen Enteignungen Grundstücke betrifft, die sich heute im Eigentum des Bundes befinden. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten „Altlasten II" des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen - Drucksache 13/380 - Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes " (GAK) hier: Rahmenplan 1996 bis 1999 - Drucksachen 13/2330, 13/2486 Nr. 2 - Ausschuß für Gesundheit Drucksache 13/4514 Nr. 2.1.6 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/4466 Nr. 2.5 Drucksache 13/4514 Nr. 2.20 Drucksache 13/4514 Nr. 2.22 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/3529 Nr. 1.2 Drucksache 13/3529 Nr. 1.4 Drucksache 13/3668 Nr. 2.5 Drucksache 13/3668 Nr. 2.47 Drucksache 13/3938 Nr. 2.27 Drucksache 13/3938 Nr. 2.29 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/4466 Nr. 2.31 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/3790 Nr. 2.1 Drucksache 13/4137 Nr. 2.36 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/4137 Nr. 2.74 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/2306 Nr. 1.6 Drucksache 13/2306 Nr. 1.7 Drucksache 13/2306 Nr. 1.12 Drucksache 13/3182 Nr. 1.14 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 1.11 Drucksache 13/3668 Nr. 1.21 Drucksache 13/4137 Nr. 2.1 Innenausschuß Drucksache 13/2674 Nr. 2.36 Drucksache 13/2674 Nr. 2.38 Drucksache 13/3117 Nr. 2.36 Drucksache 13/3938 Nr. 2.14 Drucksache 13/3938 Nr. 2.16 Finanzausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.29 Drucksache 13/4514 Nr. 2.23 Haushaltsausschuß Drucksache 13/4137 Nr. 2.59 Drucksache 13/4137 Nr. 2.62 Drucksache 13/4137 Nr. 2.69 Drucksache 13/4137 Nr. 2.71 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/2306 Nr. 2.25 Drucksache 13/2674 Nr. 2.33 Drucksache 13/3668 Nr. 2.13 Drucksache 13/3668 Nr. 2.43
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen bringen heute den Entwurf für das Jahressteuergesetz 1997 ein, einen Eckpfeiler für den künftigen Standort Deutschland.

    (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Das Jahressteuergesetz 1997 ergänzt die wichtigen Konsolidierungsmaßnahmen und Strukturreformen des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung. Dieses Programm ist unsere Antwort auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen an den Standort Deutschland.
    Die Konjunktur steht in Deutschland und in Europa an einem Scheideweg. Die Wachstumsvoraussetzungen sind weiterhin gut - die Wechselkurse haben sich für uns verbessert, die Löhne sind moderat, die Zinsen sind niedrig, der Export zieht wieder an -, auch wenn das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal noch um einen halben Prozentpunkt gesunken ist.
    Erste konjunkturelle Frühlingsboten sind sichtbar. Ich denke an die Aufträge, das Geschäftsklima und die Produktion.
    Die jetzt zu treffenden Entscheidungen geben die Richtung an, ob wir beim Wachstum abrutschen oder wie in den 80er Jahren auf einen Pfad langanhaltenden Wachstums einschwenken.

    (Lachen bei der SPD)

    - Meine Damen und Herren, angesichts Ihrer Reaktion stellt sich die Frage, ob man an einer ernsthaften Debatte und einer Kooperation in einer entscheidenden Frage für die Zukunft Deutschlands mitwirken will oder ob man ein Spektakel veranstalten möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn Sie sich laut betätigen wollen, dann haben Sie morgen dazu Gelegenheit. Heute müssen Sie mit sachlichen Beiträgen aufwarten, und darauf sind wir gespannt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Handlungsnotwendigkeiten liegen auf der Hand. Sie bestehen in einer Stärkung des Wachstums, in der Förderung von Investitionen, neuer Technologien und neuer Produkte, der Eroberung neuer Märkte und der Erhaltung und Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland.
    Die Welt um uns herum ist weiß Gott nicht stehengeblieben. Globalisierung ist das Stichwort unserer Zeit. Viele unserer Konkurrenten auf den Weltmärkten haben die Zeichen der Zeit erkannt. In vielen Ländern wird mit zum Teil drastischen Konsolidierungsprogrammen in Höhe von 1 bis 2 BIP-Punkten pro Jahr die eigene Wirtschaft fit für das nächste Jahrhundert gemacht.
    Österreich: jährliche Einsparungen von 1,4 BIP- Punkten; Maßnahmen: Null-Runden im öffentlichen Dienst, Einschnitte bei Pensionen, Renten und bei der Arbeitslosenversicherung.
    Schweden: Der Haushalt soll bis 1998 ausgeglichen sein. Das erfordert Einsparungen von jährlich 1,1 BIP-Punkten. Die Maßnahmen lauten: Einsparungen und Kürzungen im Personal- und Sozialbereich.
    Ich erinnere an Finnland. Allein 1996 sollen 1,9 BIP-Punkte eingespart werden. Die Maßnahmen lauten: Renten, Arbeitslosenunterstützung.
    Die Niederlande: Bis 1998 sollen 23/4BIP-Punkte eingespart werden. Die Maßnahmen lauten: Einsparungen im Gesundheitswesen, bei Renten, Kindergeld, sonstigen Sozialleistungen; Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst: 1994 gab es eine nominale Null, 1995 0,5 Prozent und 1996 0,75 Prozent.
    Wer, meine Damen und Herren, konsolidiert in diesen Ländern? Auch und vor allem gestandene Sozialdemokraten wie Wim Kok, Göran Persson, Franz Vranitzky und bis vor kurzem Felipe Gonzales.
    In diese Reihe großer europäischer Sozialdemokraten können Sie, Herr Ministerpräsident Lafontaine, nicht eingereiht werden. Sie werden weder Ihrer Verantwortung als Ministerpräsident des Saarlandes noch Ihrer Verantwortung als Vorsitzender der SPD gerecht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie sind auch persönlich für die Blockade von Einsparmaßnahmen für Bund und Länder im Bundesrat verantwortlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dabei sollte gerade der Ministerpräsident des Saarlandes Interesse an einem starken und finanzkräftigen Bund haben; denn das Saarland lebt von einer kräftigen Bundeshilfe.
    Es ist, Herr Ministerpräsident Lafontaine, scheinheilig, die Einhaltung des Maastricht-Fahrplans und der -Kriterien zu fordern und an einem Konsolidierungsprogramm nicht mitzuwirken, es zu torpedieren und zu blockieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Was ist das eigentlich für eine Strategie, den Wagen aus parteipolitischen Gründen an die Wand zu fahren und dann den Aufprall zu beklagen?

    (Widerspruch bei der SPD)

    Die SPD hat als eine große Volkspartei mit Regierungsverantwortung in vielen Ländern die Pflicht, mehr an das Gemeinwohl als an parteipolitische Macht zu denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Europas führende Sozialdemokraten haben es längst begriffen: Soziale Verantwortung steht nicht im Widerspruch zur Konsolidierung.
    Die gestrige Einigung in der Schlichtungskommission für den öffentlichen Dienst zeigt Verantwortungsbewußtsein. Das Ergebnis ist für die öffentlichen Kassen noch verkraftbar.
    Es gibt keine ernsthafte Alternative für den Standort Deutschland zu unserer Politik. Die Staatsquote muß herunter, das Staatsdefizit muß sinken. Mittelfristig geht es um ein ausgeglichenes Budget. Schließlich geht es um die Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast. Das Instrument dafür heißt Konsolidierung, und zwar Konsolidierung über die Ausgabenseite des Budgets.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Das bedeutet: Einsparungen, Strukturreformen und Brechung der vorhandenen Ausgabenspiralen.
    Konsolidierungspolitik bringt nach Auffassung fast aller Experten bereits kurzfristig eine stärkere Wachstumsdynamik. Konjunkturpolitik ist heute mehr denn je Psychologie; denn richtiges Handeln schafft Vertrauen, und Vertrauen zahlt sich über niedrige Zinsen und Preise in Mark und Pfennig aus. Der Internationale Währungsfonds und die OECD- Studien bestätigen, daß Konsolidierung nicht nur mittel- und langfristig der richtige Weg ist, sondern auch kurzfristig zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung führt. Wir haben das 1982/83 und in den folgenden Jahren sowie 1993/94 selbst in Deutschland erlebt.
    Diese Konsolidierungsmaßnahmen sind keine sozialen Grausamkeiten. Nicht die Begrenzung sozialer Leistungen ist grausam, grausam ist es, die Finanzierbarkeit des Sozialsystems zu gefährden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nicht die Lockerung arbeitsrechtlicher Regulierungen ist grausam, grausam ist es, die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu blockieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Konsolidierung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Solide öffentliche Haushalte mit Spielräumen für Zukunftsaufgaben will nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern auch jeder Landesfinanzminister. Darum ist ein nationaler Stabilitätspakt unverzichtbar. Der Bundesrat, die Bundesratsmehrheit, muß die gesamtstaatliche Verantwortung auch für Maastricht wahrnehmen.
    Leider sind die Finanzminister der SPD vom Parteivorsitzenden Lafontaine und der Bundestagsfraktion der SPD offensichtlich an die ideologische Kette gelegt worden. Vollmundigen Äußerungen der SPD-Finanzminister auf dem Treffen von Krickenbeck folgte immerhin eine für die SPD fast revolutionäre Einsparliste von 38 Milliarden DM. Auf Beamtenebene hatten sich alle Länder auf ein 14-Milliarden-Paket geeinigt.

    (Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD]: Auf Beamtenebene Was soll das denn?)

    Dann kam die offensichtliche SPD-Weisung von oben: Nichts unterschreiben, Rücksicht auf die Großveranstaltung am Samstag!
    Nur, die Chefideologen der SPD in Bund und Ländern haben den Ernst der Lage nicht begriffen. Bereits im Januar hatte der Finanzminister von BadenWürttemberg, Mayer-Vorfelder, eine erste Sparliste vorgelegt. Zeit war genug. Jetzt geht es wohl in den Herbst. Damit geht für den Konsolidierungsprozeß in den Ländern ein wichtiges Jahr verloren.
    Die Verzögerungstaktik der SPD-Länder kann verheerende Folgen haben. Das ist dann ein „Merseburg" -Effekt für den Arbeitsmarkt. Ich zitiere den
    SPD-Bundesgeschäftsführer Müntefering aus der Sonntagszeitung der FAZ vom 9. Juni:
    Es gibt keine Sparliste der Länder ... Das ist nicht gewichtet, und es gibt keine Verbindlichkeit. Heiße Luft.
    Hier wird doch deutlich, daß dies im diametralen Gegensatz auch zum Willen vieler SPD-Länder, SPD- Finanzminister und auch einiger SPD-Ministerpräsidenten steht. Darum bin ich froh, daß gestern endlich - spät, leider zu spät - der Auftrag der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers an die Kollegen Voscherau und Diepgen, an den Kollegen Bohl und mich ergangen ist, ein Sparpaket zusammenzustellen und Gespräche über unseren Vorschlag aufzunehmen. Nur, das hätten wir schon vor Wochen und Monaten haben können, wenn Herr Lafontaine nicht seine parteipolitische Tour gefahren wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Elemente des Jahressteuergesetzes sind: Vermögensteuer - es gibt hier eine klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts -, Freistellung des üblichen Gebrauchsvermögens, besondere Bedeutung des Betriebsvermögens und Belastungsobergrenze von 50 Prozent.
    Die Vermögensteuer wird aus selbst versteuertem Einkommen bezahlt, in ertragsschwachen Jahren aus der Substanz. Die Vermögensteuer behindert gerade in der Startphase junger Unternehmen den Aufbau von Eigenkapital. Sie führt zu einer Doppelbesteuerung bei Körperschaften, zur Besteuerung auch beim Anteilseigner.
    Die Entlastung des Faktors Kapital ist im internationalen Vergleich dringend notwendig. Die Kapitalrenditen in Deutschland sind vergleichsweise niedrig. Es gibt einen Wettbewerb um knappes Kapital, um Investitionen und Arbeitsplätze. Dieser Wettbewerb nimmt keine Rücksicht auf verteilungspolitische Ideologien in Deutschland. Die Vermögensteuer ist erhebungsaufwendig und kompliziert; es wäre ein Beitrag zur Steuervereinfachung und Entlastung der Verwaltung vor allen Dingen in den Ländern, wenn sie ganz wegfiele. Es ist kein Geschenk für die Reichen,

    (Ludwig Eich [SPD]: Genauso ist das!)

    sondern ein wichtiger Impuls für Investitionen und Arbeitsplätze.
    Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer geht es um eine sozial verträgliche Neugestaltung.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Der Wegfall der privaten Vermögensteuer wird bei der Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer berücksichtigt.
    Wir wollen keine allgemeine Neubewertung des Grundbesitzes, sondern eine sogenannte Bedarfsbewertung. Es gibt eine deutliche Anhebung der persönlichen Freibeträge und eine Verdoppelung des Versorgungsfreibetrages.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Wir wollen eine neue Tarifstruktur. Es soll nur noch drei Steuerklassen, andere Steuersätze, nur noch fünf statt 25 Wertstufen und eine deutliche Senkung der Höchststeuersätze geben.

    (Ludwig Eich [SPD]: Geschenke an die Reichen!)

    Wir wollen vor allen Dingen eine Generationenbrücke für Betriebe, deren Existenz wir damit weiter festigen. Der Bewertungsabschlag für die die Freibeträge übersteigenden Vermögensteile wird verdoppelt.
    Wie sehen nun die Vorschläge der SPD-Länder zur Vermögen- und Erbschaftsteuer aus? Es ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich:

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Ein Freibetrag in Höhe von 300 000 DM soll das durchschnittliche Einfamilienhaus freistellen? Das ist nach meiner Überzeugung mit dem, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat, nicht in Einklang zu bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Eine Mehrbelastung für weite Teile der Wirtschaft durch milliardenschwere Steuererhöhungen ist doch geradezu Gift für die Industrie, Gift für das Wachstum, Gift für neue Arbeitsplätze in Deutschland.
    Dazu kommt das wiederholte SPD-Gerede über eine Vermögensabgabe. Zwischenzeitlich haben Sie offensichtlich gemerkt, daß sie nicht mal verfassungskonform ist, und wollen für sie noch eine Verfassungsänderung. Welches Signal ist das für die internationale Finanzwelt, für nationale oder internationale Investoren, die in Deutschland Geld anlegen wollen! Es ist ein verheerendes Signal, das gegen Arbeitsplätze und gegen die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gerichtet ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unser Programm enthält keine soziale Schieflage.

    (Lachen bei der SPD)

    Die größte soziale Schieflage ist die Arbeitslosigkeit. Einer Behebung dieser Schieflage verweigern Sie sich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie verstärken das doch mit Ihren Maßnahmen! Weitere Zurufe von der SPD)

    Was müssen der österreichische Bundeskanzler Vranitzky und sein Finanzminister Klima oder sein früherer Finanzminister Lacina denken, wenn sie hören, wie Sie sich hier benehmen?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Denn die haben die Vermögensteuer abgeschafft, die haben die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft, werden daran festhalten und verstehen Sie und Ihre Ideologie nicht. Die haben halt mehr Verstand und
    mehr im Kopf als Sie - so wie Sie hier im Moment diskutieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Fahren Sie doch nach Österreich; Reisen bildet. Oder lassen Sie über die Friedrich-Ebert-Stiftung Herrn Klima kommen und sich Nachhilfeunterricht in Steuerpolitik - zum Beispiel im Hinblick auf die Vermögensteuer - geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Unverschämt!)

    Meine Damen und Herren, wir haben seit 1990 Steuervergünstigungen in Höhe von 47 Milliarden DM abgebaut. Im Jahressteuergesetz 1997 werden die Sonderabschreibungen für Schiffe und Flugzeuge abgeschafft.

    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, weil die EU es vorgeschrieben hat!)

    Zum Solidaritätszuschlag möchte ich sagen: Wir beginnen am 1. Januar kommenden Jahres mit der Senkung um einen Prozentpunkt.

    (Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.])

    Am 1. Januar 1998 folgt ein weiterer Prozentpunkt.
    Wir wollen von den Ländern nicht mehr als das, was an Überfinanzierung festgelegt wurde, was bei der Vorwegauffüllung über die den Ländern zufließenden sieben Umsatzsteuer-Prozentpunkte hinausgeht. Genau das fordern wir für den Abbau des Solidaritätszuschlages zurück.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Dr. Peter Struck [SPD]: Was sagt Herr Stoiber dazu? Das ist ja unglaublich, was Sie hier erzählen! Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Wir haben gestern eine Diskussion über den Vorschlag des Abgeordneten Conradi, den Solidaritätszuschlag für höhere Einkommen auf 10 Prozent zu erhöhen, geführt. Man kann dies nur noch als ein Stück aus dem Panoptikum bezeichnen,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    wenn man die internationale Situation und die Wirkung auf die Investoren in Deutschland berücksichtigt.
    Negativ hat sich auch das RWI zu Ihrem Vorschlag hinsichtlich der Ökosteuer geäußert.
    In unserem Vorschlag sind sonstige arbeitsplatzschaffende Elemente enthalten. Ich denke dabei an die privaten Haushalte als Arbeitgeber und an die Ansparabschreibung für Existenzgründer. Jeder Existenzgründer schafft im Durchschnitt vier Arbeitsplätze.
    Auch die dritte Stufe der Unternehmensteuerreform ist entscheidend für neue Arbeitsplätze. Diese dritte Stufe - mit dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer, mit der Senkung der Gewerbeertragsteuer und mit der vollen Beteiligung der Kommunen an der

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Umsatzsteuer - könnte seit dem 1. Januar 1996 in Kraft sein. Sie, Herr Lafontaine, haben das verhindert. Das ist Ihre Schuld. Dieses Inkrafttreten wäre für unsere Wirtschaft wichtig gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Der Internationale Währungsfonds hat bei den Deutschlandkonsultationen die Verwirklichung dieses Plans dringend angemahnt.
    Die Gewerbekapitalsteuer als international fast einmalige und substanzverzehrende Sonderbelastung muß fallen. Die Erleichterung für den Mittelstand durch die Senkung der Gewerbeertragsteuer muß erreicht werden.
    Die verbundene Gemeindefinanzreform bedeutet zugleich einen qualitativen und quantitativen Sprung bei den Gemeindefinanzen.
    Das SPD-Modell einer Ausdehnung der Gewerbesteuer, Revitalisierung genannt, ist keine Alternative.

    (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Aber ja!)

    Die Gewerbesteuer ist eine Kostensteuer. Ihre Ausdehnung würde zu einer drastischen Verteuerung freiberuflicher Leistungen beispielsweise im Gesundheitswesen führen.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Fragen Sie doch mal die Handwerker, was sie davon halten!)

    Unser Ziel ist, mit der Steuerreform 1998/99 eine Senkung der Steuersätze mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zu erreichen und damit auch einen entscheidenden Schritt zur Steuervereinfachung zu leisten.
    Es geht um eine unvoreingenommene Prüfung aller Vorschläge. Sie müssen kalkulierbar sein, und sie müssen solide finanziert werden können.

    (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das wäre mal was!)

    Meine Damen und Herren, die Opposition muß Farbe bekennen. Wer sich bei den zentralen Aufgaben der Steuerpolitik verweigert, wer blockiert und bremst, ist direkt mitverantwortlich für niedriges Wachstum, niedrige Investitionen und eine andauernd hohe Arbeitslosigkeit in der Zukunft.
    Am 29. April 1988 schrieb die „Zeit":
    In nahezu allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft und in den wichtigen Konkurrenzländern der Bundesrepublik auf den Weltmärkten sind die Regierungen dabei, die Steuerlast für ihre Unternehmen zu senken.
    Das Kontrastprogramm der SPD-Kommission .. . paßt dazu wie die Faust aufs Auge ... Gegen den Strom sollte eine Opposition schon schwimmen, aber doch nicht gleich gegen den Rest der Welt.
    Es grenzt an Realitätsverweigerung, die Probleme des Standorts Deutschland und die Anstrengungen anderer Länder, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Schlichtweg zu negieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es muß doch jedem klar sein: Nicht Verteilungspolitik, sondern Wachstumspolitik und Strukturreformen sind der Schlüssel zum Erfolg. Jeder, der sich jetzt dem Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung verweigert oder es blockiert, übernimmt Verantwortung für eine schwere Hypothek des Standorts Deutschland.
    Meine Damen und Herren, wenn die Sozialdemokraten sich als ernstzunehmender Faktor der deutschen Politik

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Na ja!)

    behaupten wollen, dann sollten sie jetzt den Gang nach einem neuen Godesberg nicht zu spät beginnen. Rainer Barzel hat einmal gesagt: Wer sich versagt, versagt. Sie haben die Möglichkeit zu taktieren, Sie haben die Möglichkeit zu verzögern, Sie haben die Möglichkeit zu blockieren, und Sie können das Notwendige verhindern. Sie würden dann aber Ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen nicht gerecht. Sie würden vor sich und vor Ihrer Geschichte versagen. Das können Sie nicht wollen, und wir werden das verhindern.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt der Herr Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Lafontaine


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der jüngste Bericht der Europäischen Kommission über die „Steuern in der Europäischen Union" zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: Überall in Europa wurde in den letzten Jahren die Arbeit immer höher belastet, die steuerliche Belastung des Kapitals ging immer weiter zurück. In Deutschland ist der Anteil der Unternehmensteuern am Gesamtsteueraufkommen von 1989 bis 1995 deutlich gesunken: von 14,3 Prozent auf 8,7 Prozent. Der Anteil der Lohnsteuer aber ist deutlich angestiegen: von 33,9 Prozent auf 37 Prozent.
    Wir sind der Überzeugung, daß die Politik dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen darf.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Es wäre wünschenswert, wenn auch Sie, Herr Kollege Waigel, das begreifen würden, nachdem Sie so doziert haben. Die von der Europäischen Kommission festgestellte Überbelastung der Arbeit hat schwerwiegende Folgen: Die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter an, der Marsch in die Schwarzarbeit geht immer weiter, die Einkommensverteilung wird immer ungerechter.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Deshalb müssen wir dafür sorgen, daß die Arbeit endlich entlastet wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Die Bundesregierung aber geht den falschen Weg. Sie will die Verbesserung des steuerlichen Grundfreibetrages zum 1. Januar 1997 verhindern. Ich sage noch einmal: Die Europäische Kommission stellt fest, daß die Arbeit viel zu hoch mit Steuern und Abgaben belastet ist. Das kann doch kein ernstzunehmender Mensch bestreiten. Insbesondere trifft das natürlich die unteren Einkommen. Daß wir vor einigen Monaten vereinbart haben, die unteren Einkommen über den Grundfreibetrag besonders zu entlasten - das geht natürlich durch den ganzen Tarif -, war eine vernünftige Maßnahme. Auch Sie haben dem zugestimmt. Ich sage: Grundlage muß sein, daß Vereinbarungen Bestand und Geltung haben. Sonst hat es doch gar keinen Sinn mehr, etwas zu vereinbaren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Statt die Arbeit zu entlasten, wollen Sie die Vermögensteuer abschaffen. Sie haben hier noch einmal in herzerweichenden Worten dargelegt, was alles das für Wachstum und Beschäftigung bringe und wie notwendig das sei, und haben sich dann auf das Verfassungsgericht berufen. Das hätte ich an Ihrer Stelle nicht getan, Herr Kollege Waigel. Denn es ist in Ihrer Amtszeit als Finanzminister ein ganz bemerkenswerter Vorgang zu verzeichnen: Nicht mehr die Bundesregierung macht Finanzpolitik und Steuerpolitik, sondern das Bundesverfassungsgericht, das Sie ständig darauf hinweisen muß, daß Sie bei Familien, beim Existenzminimum und bei anderen Steuerfragen eine gegen die Verfassung gerichtete Finanzpolitik machen. Das ist ein völlig unerträglicher Zustand.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Sie haben dargelegt, daß der Vorschlag, eine Vermögensabgabe zu erheben, international von niemandem gebilligt würde. Aber Sie sollten zumindest wissen, was in der Europäischen Kommission los ist, Herr Kollege Waigel. Oder muß ich unterstellen, daß Sie bei den Beratungen des Ecofin-Rates immer Zeitung lesen oder etwas anderes tun?

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Da schreibt er Reden für die Sudetendeutschen! Heiterkeit bei der SPD Lachen des Bundesministers Dr. Theodor Waigel)

    Der Europäischen Kommission geht es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In dem Monti-Bericht „Steuern in der Europäischen Union" steht unter dem Kapitel „Beschäftigungsförderung":
    Ausgabenkürzungen der öffentlichen Hand können zwar einen Beitrag leisten, sie dürften allein aber nicht ausreichen, eine Verringerung der steuerlichen Belastung der Arbeit im erforderlichen Maße, um Beschäftigung zu erreichen, zu finanzieren. Als alternative Finanzierungsquellen kommen indirekte Steuern, unter anderem auch die Besteuerung von Vermögen und Grundbesitz, in Betracht.
    Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Waigel, müßte das zu einer erheblichen Reaktion der Finanzmärkte führen. Es dürfte kein Kapital mehr in Europa angelegt werden. Lassen Sie doch solche fehlerhaften Behauptungen! Was die Kommission feststellt, ist ganz einfach die Wahrheit: Die Arbeitnehmer wurden immer stärker belastet. Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, diese Belastungen zurückzunehmen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Statt mit einer ökologischen Steuerreform, wie sie die gesamte europäische Kommission fordert und wie sie viele Länder der Europäischen Gemeinschaft bereits angehen, die Lohnnebenkosten zu senken, läßt die Bundesregierung wider alle ökologische Vernunft das Sinken der Energiepreise zu.
    Sie müssen erkennen: Die übermäßige Steuer- und Abgabenbelastung ist eines der größten Beschäftigungshindernisse in Deutschland. Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, das Hauptproblem sei die Arbeitslosigkeit - dafür haben Sie Beifall des ganzen Hauses erhalten -,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber dagegen tut er nichts!)

    aber wenn Sie die Arbeit immer weiter besteuern, werden Sie die Arbeitslosigkeit immer weiter steigern. Das ist der Zusammenhang.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ursache für die Strukturverschiebung zu Lasten der Arbeit ist ein verhängnisvoller Wettbewerb der Staaten. Um Kapital und Arbeitsplätze im Lande zu halten oder ins eigene Land zu holen, werden die Unternehmensteuern immer weiter gesenkt. Weil die Mobilität der Arbeit geringer ist als die Mobilität des Kapitals, wird die Arbeit immer stärker belastet. Die Europäische Kommission auf die berufe ich mich - stellt zu Recht fest:
    Die scheinbare Verteidigung der einzelstaatlichen Steuerhoheit hat durch Aushöhlung der Besteuerungsgrundlagen,
    - dabei haben Sie erheblich mitgewirkt, Herr Kollege Waigel -

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr wahr!)

    insbesondere bei den mobileren Steuergrundlagen, Schritt für Schritt einen realen Verlust an Steuerhoheit für jeden einzelnen Mitgliedstaat zugunsten der Märkte bewirkt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, mußte jeder Mitgliedstaat bis zu einem gewissen Grade den Faktor Arbeit überbelasten, was wiederum unerwünschte gegenteilige Auswirkungen auf Beschäftigung und Einkommensverteilung hat.

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Dieser Analyse ist voll und ganz zuzustimmen. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Grundlagen von Wohlstand und Beschäftigung zerstört werden. Deshalb müssen wir der Internationalisierung der Wirtschaft auch auf diesem Gebiet eine politische Antwort aller Staaten, insbesondere der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, entgegensetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Bericht der Europäischen Kommission weist dafür den richtigen Weg. Wir brauchen in der Europäischen Union eine Steuerharmonisierung - bei den Unternehmensteuern, bei den Kapitalertragsteuern und bei den Umweltsteuern. Die Kommission denkt zu Recht daran, einen effektiven Mindeststeuersatz in der Europäischen Union einzuführen. Wir halten das für den richtigen Weg. Ich fordere daher die Bundesregierung auf: Tragen Sie dazu bei, daß die Vorschläge der Europäischen Kommission aufgegriffen werden! Sie sind der richtige Ansatz, um die Beschäftigungskrise in Europa zu überwinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Die ökonomischen Rahmenbedingungen werden vor allem vom Bund gesetzt. Deshalb sind Arbeitsmarktzahlen einer der wichtigsten Maßstäbe für den politischen Erfolg oder Mißerfolg einer Bundesregierung. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 357 000 angestiegen. Noch niemals gab es in dieser Jahreszeit so viele Arbeitslose wie in diesem Jahr. In ganz Deutschland fehlen 6 Millionen wettbewerbsfähige Arbeitsplätze. Das ist nun einmal auch das Ergebnis Ihrer falschen Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Angesichts dieser Rekordarbeitslosigkeit stellen immer mehr Menschen fest, daß die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung gescheitert ist. Sie versagen bei der wichtigsten Aufgabe unseres Landes: die Menschen am Erwerbsleben zu beteiligen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist ein Ergebnis Ihrer Politik. Schieben Sie das nicht immer anderen zu!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Es muß einen klaren Vorrang für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen geben. Alle Sparpakete ändern nichts an der Feststellung: Nur wenn die Arbeitslosigkeit überwunden wird, können die Staatsfinanzen saniert und die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden. Ich wiederhole: Sie können noch so viele Kürzungspakete, Sparpakete und was immer vorlegen - nur wenn die Arbeitslosigkeit überwunden wird, können die Staatsfinanzen saniert und die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Waigel, ich greife auch auf die Diskussion des gestrigen Tages zurück. Es ist ja notwendig, daß wir auf die Stabilität achten. Aber Sie sollten endlich erkennen - und auf der europäischen Ebene geeigneten Maßnahmen zustimmen -, daß wir jetzt in der gesamten Europäischen Union eine wirksame Beschäftigungspolitik, einen Beschäftigungspakt brauchen. Sonst werden Sie die Haushalte niemals in den Griff bekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach den Feststellungen des Sachverständigenrates und der Wirtschaftsinstitute wird die Arbeitslosenzahl steigen, um 300 000. Noch nie in der Geschichte gab es so viele Arbeitslose, noch nie war die Staatsverschuldung so hoch, und noch niemals wurden die Arbeitnehmer so sehr mit Steuern und Abgaben belastet. Eine Politik, die solch verheerende Folgen hat, kann nicht richtig sein. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, was der Sachverständigenrat festgestellt hat:
    Die Finanzpolitik hat zu der Wachstumsschwäche, die ihr über Steuerausfälle und höhere Ausgaben für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit erheblich zu schaffen macht, zu einem nicht unerheblichen Teil selbst beigetragen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Es war ja wirklich belustigend, mit anzuhören, daß Sie, Herr Kollege Waigel, dann sofort erklärt haben, Sie fühlten sich durch den Sachverständigenrat voll und ganz bestätigt. Karneval am Rhein! Wenn der Sachverständigenrat Ihnen ins Stammbuch schreibt, daß Ihre Finanzpolitik zu Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche beigetragen hat, dann fühlen Sie sich voll bestätigt. - Nein, voll bestätigt fühlen sich all diejenigen, die immer wieder darauf hingewiesen haben, daß Ihre Finanzpolitik die Grundlage hoher Arbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche ist.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir fordern die Bundesregierung auf: Ziehen Sie die Konsequenzen, korrigieren Sie diese Politik! Mit Ihrer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik, die ja gut gemeint gewesen ist, haben Sie das Land in die Krise geführt. Ergreifen Sie endlich die notwendigen Maßnahmen, damit das Land nicht noch weiter in die Krise treibt!

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wir tun das!)

    Die Bundesanstalt für Arbeit hat darauf hingewiesen, daß die Ausbildungslücke in Deutschland immer größer wird. Die Schere zwischen den freien Ausbildungsstellen und der Zahl der Bewerber wird größer. In ganz Deutschland sind 430 000 junge Menschen ohne Arbeit. Arbeit und Ausbildung sind die Grundvoraussetzungen dafür, daß die jungen Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Darum müssen diese Zahlen für jeden verantwortlichen Politiker ein Alarmsignal sein.
    Die Jugend ist die Zukunft unseres Landes. Deshalb sagen wir: Eine Politik, die diese Jugendarbeitslosigkeit tatenlos hinnimmt, ist verantwortungslos.

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Wir müssen den jungen Menschen eine Chance geben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um den jungen Menschen die Chance auf einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz zu geben. Deshalb fordern wir ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Wer bezahlt das?)

    - Was soll dieser Zwischenruf „Wer bezahlt das?" ? Wenn Sie nicht endlich etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun, dann bezahlen wir alle das. Denn eine gutausgebildete Jugend ist die Zukunft unseres Landes.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    13 Jahre der von Ihnen zu verantwortenden Politik haben unser Land in eine schwere Finanzkrise geführt.

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Saarland!)

    Die Staatsverschuldung ist zu einer drückenden Last geworden. Durch die steigende Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte droht dem Staat die Handlungsunfähigkeit.
    Es ist unstreitig, es muß gespart werden. Ich sage auch im Hinblick auf die morgige Demonstration: Die Menschen begreifen, daß gespart werden muß, aber die Frage ist, wie die Lasten verteilt werden.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Protest morgen ist ein Protest großer Teile der Bevölkerung gegen die soziale Ungerechtigkeit, die in den letzten Jahren zur Grundlage Ihrer Politik geworden ist.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Bei einer Staatsverschuldung von über 2 000 Milliarden DM und einer Rekordbelastung mit Steuern und Abgaben muß den Menschen gesagt werden: Die Ansprüche an den Staat müssen zurückgenommen werden. Vieles, was wünschbar wäre, ist nicht mehr finanzierbar. Die öffentlichen Haushalte müssen aus der Zinsfalle herauskommen.
    Deshalb müssen wir Anstrengungen unternehmen, um das strukturelle Staatsdefizit abzubauen. Wir brauchen allerdings auch eine konjunkturgerechte Politik, die notwendige Sparmaßnahmen umsetzt, aber eine prozyklische Verschärfung des Abschwungs vermeidet.
    Es ist wirklich nicht falsch zu sagen, daß wir bei allen unseren Entscheidungen auch noch die Konjunktur und die Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung berücksichtigen müssen. Rein fiskalische Gesichtspunkte sind auf Dauer nicht tragfähig.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Durch strukturelle Maßnahmen müssen wir die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung verbessern. An einem harten Sparkurs, der strukturell wirksam ist, führt kein Weg vorbei. Die knappen Kassen zwingen auch alle Ministerpräsidenten zu tiefgreifenden Einsparungen in allen Ländern.
    Da in den Länderhaushalten die Personalausgaben den bei weitem größten Ausgabenblock bilden, muß die Konsolidierung hier ansetzen. Die Landeszentralbank Rheinland-Pfalz und Saarland hat kürzlich festgestellt, daß das von mir vertretene Land „in den 90er Jahren von allen westdeutschen Flächenstaaten den härtesten Sparkurs gefahren" hat.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Meine Damen und Herren, ich zitiere. Wenn Ihnen das nicht gefällt, setzen Sie sich mit denen auseinander, die dieses festgestellt haben. Es gibt auch eine entsprechende Statistik dazu.
    Meine Damen und Herren, es hat ja keinen. Sinn, daß Sie Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will Ihnen einmal zwei Beispiele geben. Der Bundesfinanzminister hat hier stolz darüber schwadroniert, daß man die Ministerialzulage abschaffen oder bei den Beihilferegelungen im Beamtenrecht sparen könnte. Das ist in den Ländern längst geschehen. Tun Sie doch nicht so, als wenn Sie das Rad neu erfinden müßten!

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie haben das verschlafen, und zwar lange Jahre.
    Die politische Auseinandersetzung geht also überhaupt nicht darum, daß gespart werden muß. Wir fordern jedoch, daß die Lasten gerecht verteilt werden. Bei Ihrer Politik ist die Lastenverteilung so extrem ungerecht, daß der soziale Friede zerstört wird.
    Ihr Geschenk- und Kürzungspaket bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes. Deshalb trifft diese Politik der sozialen Ungerechtigkeit auf Widerstand. Da hilft es auch nicht, wenn der Kollege Schäuble sagt: Wir wollen dem Druck der Straße nicht nachgeben. Was soll denn diese verächtliche Sprache gegenüber Menschen, die jetzt auf die Straße gehen, um von ihrem demokratischen Recht auf Demonstration Gebrauch zu machen!

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Die Länder haben Sparvorschläge gemacht. Die Bundesregierung geht darauf nicht ein. Wir schlagen einen durchgreifenden Abbau von Steuersubventionen vor, von denen die höheren Einkommen überproportional profitieren. Sie aber vertagen diese Maßnahmen mit unglaubwürdigen Steuermodellen immer weiter und verhindern, daß hier für Bund, Länder und Gemeinden Milliardeneinsparungen möglich sind und der Steuertarif korrigiert wird.
    Es nützt doch nichts, daß wir für zwei Jahre wieder eine Operette aufgeführt bekommen, die darin besteht, daß F.D.P. und CDU sich mit Steuertarifsenkungsmodellen überbieten, von der Streichung von Steuersubventionen reden, aber genau wissen, daß in Wirklichkeit überhaupt nichts passiert, und das über Jahre.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir fordern strukturelle Sparmaßnahmen im Beamtenrecht, zum Beispiel leistungsorientierte Gehälter statt einer automatischen Anhebung nach Dienstalter. Wir plädieren zum Beispiel für eine Abschaffung der Ministerialzulage und eine Ausweitung der Teilzeitarbeit. Ich will nur ein Beispiel aufgreifen. Nachdem der Bundeskanzler jahrelang die Verlängerung der Arbeitszeit befürwortet hat, hat er irgendwann eine Kurswende eingeleitet, die wir für richtig halten, und gesagt: Wir brauchen in Deutschland mehr Teilzeitarbeitsplätze. Das ist richtig. Dem stimmen wir zu. Aber seit Jahren liegen Vorschläge im Bundesrat vor, um Teilzeitarbeit auch für Beamte einzuführen. Sie blockieren diese Vorschläge. Geben Sie diese Blockade endlich auf!

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Bund weigert sich, den Versorgungsbericht vorzulegen, mit dem die Daten geliefert werden sollen, um die Pensionslasten der öffentlichen Haushalte zu verringern. Es war richtig rührend, Herr Kollege Waigel, als Sie den Sparkatalog der Beamten vorgetragen haben. Ich sage in aller Bescheidenheit: Politik müssen wir schon selbst machen, dafür sind wir gewählt; das können wir nicht an Beamte delegieren.
    Wenn Sie Beamte auffordern, Vorschläge für Sparmaßnahmen vorzulegen, ist es menschlich verständlich, daß durchgreifende Reformen im Beamtenrecht nicht vorgeschlagen werden. Seien Sie etwas zurückhaltend mit Ihrem Lob, was diese Liste angeht! Wenn Sie die Länderhaushalte entlasten wollen - das könnte Ihnen Herr Kollege Stoiber, mit dem Sie ja in inniger Freundschaft verbunden sind, mitteilen -, müssen Sie im Beamtenrecht strukturelle Eingriffe vornehmen. Anders geht das nicht. Deshalb haben wir seit Jahren solche Vorschläge vorgelegt, die Sie immer blockiert haben.

    (Beifall bei der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht mit der Regierung nicht!)

    - Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Fischer: Mit dieser Regierung geht das nicht. Es ist ja interessant, die Politik dieser Regierung zu betrachten. Sie hat jahrelang Wahlkampagnen mit der Parole „Weiter so, Deutschland!" geführt. Jetzt ist sie bei der Parole gelandet „So kann es aber nicht weitergehen, Deutschland!" Da hat sie völlig recht. Wenn wir aber etwas verändern wollen, müssen wir hier bei dieser Regierung etwas verändern.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wir fordern noch einmal eine Begrenzung des Aussiedlerzuzugs

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Aha!)

    nach den Möglichkeiten des Arbeitsmarktes und des Wohnungsmarktes. - Was heißt hier „Aha!", Herr Kollege Schäuble? Täuschen Sie nicht die Öffentlichkeit! Sie tun das doch auch. Sie haben, je nachdem, wie die Tagesaktualität ist, eine unehrliche Sprache.
    Wir fordern ferner das Schließen des Fremdrentengesetzes. Die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung - es gibt sie ja - sind für uns unzureichend. Das ist der Dissens.
    Wir fordern die wirksame Bekämpfung von Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung. Die Kapitalflucht nach Luxemburg und die Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen zeigen, daß es Ihnen an dem Willen fehlt, für die Durchsetzung von Recht und Gesetz zu sorgen. Das schimmerte auch vorhin bei der Rede des Bundesfinanzministers durch.
    Eine der beliebtesten Formulierungen ist: „Kapital ist ein scheues Reh" . Dann schlagen alle möglichen Sachverständigen, wie Sie, Herr Kollege Waigel, vor, daß man das Kapital schonen und daß man im Gegenzug die Arbeitnehmer stärker belasten muß.
    Meine Damen und Herren, wenn ich sehe, daß die Stars unserer Medienwelt ihre Steuern in Monaco oder sonstwo zahlen wollen, wenn ich sehe, daß einzelne Unternehmen stolz darauf sind, daß sie ihre Steuern ins Ausland verlagern, dann frage ich: Wo bleibt eigentlich die soziale Verantwortung in dieser Republik?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das schafft Staatsverdrossenheit. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen nicht mehr ein, daß sie „Sonderrechte" in der Form genießen, daß sie brav ihre Steuern zahlen müssen, während diejenigen in dieser Republik noch beklatscht und bejubelt werden, die Steuern systematisch hinterziehen und ins Ausland abwandern.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Wir sind bereit, den Anstieg der Sozialhilfe am Zuwachs der Nettolöhne der Arbeitnehmer zu orientieren. Beim Asylbewerberleistungsgesetz sind wir für den Vorrang von Sach- vor Geldleistungen; wir ha-

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    ben das gestern wieder besprochen. Es geht einfach nicht an, daß Sie diese notwendigen Entscheidungen dadurch blockieren, daß Sie sie in Artikelgesetzen mit zusätzlichen Belastungen für Länder und Gemeinden verbinden.

    (Beifall bei der SPD)

    Geben Sie endlich diese Blockadepolitik - oder wie immer Sie Ihre Politik formulieren wollen - auf! Notwendige Sachentscheidungen dürfen nicht dadurch verhindert werden, daß man sie mit sachfremden Zusatzentscheidungen belastet.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir fordern einen Verzicht auf die geplante Abschaffung der Vermögensteuer. Allein das verbessert die Situation der Haushalte um 9 Milliarden DM. Ich sage noch einmal: Das Verfassungsgericht kann die Verfassung interpretieren und auslegen, aber es macht sie nicht.
    Wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, daß bestimmte Entscheidungen dem Verfassungsgerichtsurteil entgegenstünden, ist das keine sachgemäße Antwort auf unsere Forderung, die größeren Vermögen stärker heranzuziehen, statt eine immer stärkere Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Republik zu bewirken.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Diese Ihre Politik zeigt: Es geht Ihnen gar nicht nur um das Sparen. Sie mißbrauchen das notwendige Sparen für eine weitere Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dazu aber werden wir die Hand nicht reichen. Wir werden dieser Politik Widerstand entgegensetzen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Auch dürfen wir nicht sparen zu Lasten der Kinder. Glauben Sie mir: Die Kinder sind genau so viel wert wie die Vermögen in Deutschland. Glauben Sie mir das bitte! Sie sind wirklich so viel wert.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es ist kurzsichtig und unverantwortlich, daß diese Bundesregierung den Familien mit Kindern die Erhöhung des Kindergeldes verweigern will. Sie reden immer von der Blockadepolitik des Bundesrates. Geben Sie endlich diese alberne Sprachregelung auf!

    (Gisela Frick [F.D.P.]: Geben Sie die Blokkade auf!)

    Wir haben vor einigen Monaten - und wir haben lange dazu verhandelt - vereinbart, den Grundfreibetrag bei den Steuern zu erhöhen, und wir haben weiter vereinbart, das Kindergeld zu erhöhen. Was muten Sie eigentlich dem Verfassungsorgan Bundesrat zu, wenn Vereinbarungen und Gesetze, die wir beschlossen haben, nach wenigen Monaten wieder in Frage gestellt werden?

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Diese Behandlung weise ich für den gesamten Bundesrat zurück.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Daß Sie, obwohl Sie das Kindergeld nicht erhöhen wollen, gleichzeitig den Vermögensmillionären milliardenschwere Steuergeschenke machen wollen, ist für uns schamlos und empörend, und dabei bleibt es.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssysteme in Ordnung bringen will, der muß vor allem für Wachstum und Beschäftigung sorgen. Die geplanten Eingriffe bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und beim Kündigungsschutz für Arbeitnehmer haben mit Wachstum und Beschäftigung nichts zu tun. Dadurch wird nur das Betriebsklima in Unternehmen und Verwaltungen gestört, Motivation und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer werden belastet. Wir fordern Sie auf: Ziehen Sie diese Pläne aus dem Verkehr! Damit würden Sie dem Standort einen guten Dienst erweisen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist überhaupt interessant, daß Ihnen die Worte „Motivation" und „Leistung" immer nur ab einer bestimmten Einkommensgruppe einfallen, immer nur bei den ach so armen, ächzenden Managern von 1 Million DM Einkommen an aufwärts. Meine Damen und Herren, erkennen Sie endlich: Die Leistungsträger dieser Gesellschaft sind nicht nur die Bezieher ganz hoher Einkommen, es sind auch die Krankenschwestern und die Bauarbeiter, die Maschinenschlosser und die Handwerker. Das sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft, nicht nur die, die Sie immer nennen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wer Arbeitsplätze sichern und neue Arbeitsplätze schaffen will, der muß die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit senken. Deshalb fordern wir eine sofortige Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten. - Wir sind da in Übereinstimmung mit der gesamten Europäischen Gemeinschaft. Bitte tun Sie endlich etwas!

    (Beifall bei der SPD)

    Sie reden immer nur vom Senken der gesetzlichen Lohnnebenkosten, aber Sie erhöhen sie permanent. - Eine Senkung der Lohnnebenkosten entlastet alle Arbeitnehmer und alle Betriebe, und das schafft neue Arbeitsplätze in Mittelstand und Handwerk.
    Wir fordern eine umfassende Steuerentlastung für Arbeitnehmer, das heißt zunächst die Verbesserung des Grundfreibetrages. Das kann aber nur ein erster Entlastungsschritt sein.
    Die Bundesregierung hat in den letzten 13 Jahren aus dem deutschen Steuerrecht ein Steuerchaos gemacht.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kann man sagen!)


    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    Durch die vielen Steuerschlupflöcher ist das Steuersystem immer undurchschaubarer und immer ungerechter geworden. Das Steuerchaos der Bundesregierung zerstört das Vertrauen in unseren demokratischen Rechtsstaat. Deshalb muß jetzt endlich Ernst gemacht werden mit Steuervereinfachung und Steuergerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir brauchen eine grundlegende Reform der Lohn- und Einkommensteuer, und zwar sofort. Der Grundsatz muß lauten: Absenkung der Steuersätze auf breiter Front und - im Gegenzug - Beseitigung von Steuerschlupflöchern und Steuersubventionen. Vor allem muß der Eingangssteuersatz endlich gesenkt werden.
    Hier werfe ich mir vor, daß ich leider nicht blokkiert habe. Ich habe Sie immer wieder darauf hingewiesen, Herr Kollege Waigel, daß das gesellschafts- und sozialpolitisch ein wirklich verfehlter Steuersatz ist. Wir haben damals auf dem Kompromißwege zugestimmt. Ich werfe mir hier vor, daß ich das seinerzeit nicht blockiert, daß ich zugestimmt habe; denn dieser viel zu hohe Steuersatz führt jetzt mittlerweile dazu, daß die Schwarzarbeit immer weiter zunimmt und die Zahl der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, der 590-Mark-Jobs, immer weiter ansteigt. Das kann doch nicht ernsthaft gewollt sein.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Eingangssteuersatz muß auf 20 Prozent gesenkt werden.
    Nach 13 Jahren Regierungskoalition aus CDU, CSU und F.D.P. ist die Lastenverteilung in diesem Land aus dem Gleichgewicht geraten. Das sagt nicht nur die „böse" Opposition, das sagen auch viele Verbände und insbesondere die Kirchen, die auf Grund ihres Auftrags das Wort „soziale Verantwortung" nicht nur im Munde führen, sondern sich dafür einsetzen, daß sie in unserer Gesellschaft Wirklichkeit wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wollen dafür sorgen, daß die soziale Symmetrie in Deutschland wiederhergestellt wird. Deshalb plädieren wir für einen gerechten Lastenausgleich. Das Privatvermögen hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt: Das private Geldvermögen beträgt über 4,3 Billionen DM, das private Grundvermögen über 6 Billionen DM.
    Wir wollen die Vermögensmillionäre in unserem Land zu einem solidarischen Finanzierungsbeitrag heranziehen. Oswald von Nell-Breuning hat die Frage gestellt, ob es auf Dauer tragfähig sei, daß eine Generation sowohl die Jugend als auch die Rentner finanziert. Das war eine lange Diskussion. Wir haben nun zusätzlich die große Aufgabe, auch den Aufbau im Osten Deutschlands zu bewerkstelligen. In dieser Situation können Sie die Lasten nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufbürden. Das ist die große Schieflage Ihrer Politik.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es ist wirtschaftspolitisch vernünftig, die Arbeitnehmer zu entlasten, denn das stärkt die Kaufkraft. Es ist auch sozial gerecht, denn es schafft einen gewissen Ausgleich dafür, daß es vor allem die Arbeitnehmer sind, die zur Finanzierung unseres Staates herangezogen werden.
    Investitionen und Innovation sind die Schlüssel für neue und sichere Arbeitsplätze. Deshalb ist es wirtschaftspolitisch absurd, daß die Bundesregierung die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern will. Auch der F.D.P.-Parteitag kann nichts daran ändern, daß Sie die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern wollen. Der Parteitag war ja ein ganz nettes Gartenfest,

    (Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Wir haben unseren Laden im Griff!)

    mit kabarettistischen Einlagen, aber es ändert nichts daran, daß Sie die Investitionsbedingungen in Deutschland verschlechtern wollen. Das ist doch die Faust aufs Auge. Ziehen Sie diesen törichten Vorschlag endlich zurück!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie wollen die Gewerbekapitalsteuer abschaffen und die Abschreibungsmöglichkeiten verschlechtern. Da in Deutschland nur 16 Prozent der Unternehmen die Gewerbekapitalsteuer bezahlen, heißt das: Kapitalstarke Großunternehmen, Banken und Versicherungen werden entlastet, aber alle Unternehmen, die investieren, werden belastet.
    Aber in diesen Zusammenhang gehört der richtige Hinweis, daß Substanzsteuern an sich nicht vernünftig sind. Aber ehe die Substanzsteuern von Siemens oder BASF oder der Deutschen Bank Sie ständig beschweren, sollte es Sie beschweren, daß Ihre Steuer- und Abgabenpolitik vielen Einkommensschwachen an die Substanz geht. Darüber muß endlich einmal in Deutschland geredet werden!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir brauchen in Deutschland Investitionen für 6 Millionen neue Arbeitsplätze. Wer in dieser Lage die Investitionsbedingungen verschlechtern will, der zeigt nur - ich greife Ihre Sprache auf -, daß er vom Einmaleins der Wirtschaftspolitik nichts verstanden hat.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist richtig!)

    Mit Ihrem Kürzungspaket schafft die Bundesregierung neue soziale Konflikte und spaltet das Land. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Regierung ist eine schwere Belastung für Deutschland. Mit ihrer jetzigen Politik beschädigen CDU, CSU und F.D.P. die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft. Dabei

    Ministerpräsident Oskar Lafontaine (Saarland)

    vergessen Sie: Gesellschaftlicher Konsens und soziale Marktwirtschaft sind die Grundlagen für Wohlstand und soziale Sicherheit. Deshalb stehen wir nicht nur zur Marktwirtschaft, sondern wir stehen zur sozialen Marktwirtschaft. Wir werden das Soziale gegen all diejenigen verteidigen, die der Marktwirtschaft das Soziale rauben wollen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In der Bevölkerung wachsen Widerstand und Protest. Morgen werden Hunderttausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von diesem ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen. - Das ist nicht der Druck der Straße. Herr Kollege Schäuble, nehmen Sie dieses Wort zurück, auch wenn es geläufig ist! -

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie werden hier nach Bonn kommen und deutlich machen, daß sie mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung nicht mehr einverstanden sind, weil diese eine unerträgliche soziale Schieflage hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Den Frauen und Männern, die morgen hier in Bonn für Arbeit und soziale Gerechtigkeit demonstrieren, gehören unsere Sympathie und unsere Solidarität.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern machen wir deutlich: Wir wollen nicht hinnehmen, daß der soziale Friede in diesem Lande zerstört wird, und wir akzeptieren es nicht, daß die soziale Gerechtigkeit durch Ihre Politik mit Füßen getreten wird.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)