Rede von
Petra
Ernstberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach christlichem Verständnis ist normalerweise Pfingsten der Zeitpunkt, an dem der Geist und die Kraft des Herrn über die Menschen ausgeschüttet wird.
Sieht man die Rede unseres CSU-Bundesfinanzministers auf dem Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft als Anhaltspunkt hierfür, so muß ich einfach bemerken, daß uns diese Hoffnung leider getrogen hat.
Als pfingstlicher Sonntagsredner hat nämlich Herr Waigel als Mitglied der Bundesregierung
Worte gefunden - Samstag, gut -, die man üblicherweise von den Berufsfunktionären der Vertriebenen gewöhnt ist.
Waren die Forderungen an Prag, die Vertreibung als Verstoß gegen das Völkerrecht anzuerkennen, sowie der Wunsch, den Vertriebenen in der Tschechischen Republik ein Heimatrecht zuzugestehen, wirklich nicht neu, so frage ich mich aber, welche politische Absicht, welches politische Kalkül den Bundesfinanzminister dazu getrieben hat,
in so ultimativer Form Prag damit zu drohen, daß bei einer Nichterfüllung der Forderungen der mögliche EU-Beitritt Tschechiens gefährdet sei.
Es ist für mich unerträglich und spricht eigentlich von einer fehlenden Sensibilität
Petra Ernstberger
für dieses fragile, junge Verhältnis zwischen den Deutschen und den Tschechen, wenn Herr Waigel
den angestrebten Beitritt von solchen Bedingungen abhängig macht.
Kommunikation hat nämlich immer zwei Seiten, nämlich die eine, was man sagt, und die andere, wie sie ankommt.
Wer zuviel und zu schnell nach tschechischen Unterwerfungserklärungen zum Unrecht der Vertreibung und zum Heimatrecht der Sudetendeutschen verlangt, heizt bei den Tschechen ablehnende, ja zum Teil auch feindselige Gefühle an und provoziert deren Angst vor den Ansprüchen zurückkehrender Deutscher.
Befürchtungen bekommen nämlich gerade dadurch Nahrung, daß die Deutschen dort zu einem Staat im Staate werden würden, wenn man ihnen die Rückkehr und gleichzeitig auch einen Teil an Autonomie zusprechen würde.
Daß diese Konsequenzen der Realität entsprechen, erlebe ich ganz unmittelbar in meinem Wahlkreis, der in einem langen Stück an die Tschechische Republik angrenzt. Ich glaube, daß bei der letzten Wahl in der Tschechischen Republik die Saat in den Grenzregionen aufgegangen ist. Erreichten doch die rechtsradikalen Republikaner in Westböhmen schon im Vergleich zu den Wahlergebnissen in Gesamttschechien 10 Prozent, so wurden sie in der Kreisstadt Eger als dritte politische Kraft mit erschütternden 12,35 Prozent der Stimmen gewählt.
Die antideutsche Stimmung wird derweilen durch rechtsradikale tschechische Republikaner in Westböhmen auch nach der Wahl weiter geschürt. So schlug der Pilsener Abgeordnete Josef Krejsa ganz schön schrille Töne an:
Jetzt kommen die Sudetendeutschen massenhaft ins tschechische Grenzgebiet zurück, Arbeitslosigkeit und Preise werden drastisch steigen.
Rechtsradikale Tschechen und Herr Waigel spielen sich hier doch gegenseitig Bälle in die Hände.
Sehen Sie eigentlich so die Formen des Aufeinanderzugehens und des Abbaus von Vorurteilen? - Nein, ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Solche Äußerungen von einem hochrangigen Mitglied dieser Bundesregierung
konterkarieren die zahlreichen und vielseitigen Bemühungen gerade der Euregiones an den Grenzen. Solche Äußerungen zerstören die zarten Pflänzchen der Zusammenarbeit in den grenznahen Gebieten.
Sie zerstören das mittlerweile gewachsene, gute Klima der Kooperation,
der menschlichen, nachbarschaftlichen Nähe, der Zusammenarbeit in den Bereichen Sport, Kultur und Jugend.
Solche Äußerungen sind für mich schallende Ohrfeigen für all die Seiten, die in den letzten 40 Jahren voneinander getrennt waren und jetzt engagiert und guten Willens sind, Verständigung und Annäherung in diesem Bereich vorwärtszubringen.
Lassen wir es nicht zu - wie es die „Frankfurter Rundschau" kommentiert -, daß durch „das Herumtrampeln zweier Pfingstochsen in höchsten Regierungsämtern" die Zusammenarbeit der sich entwikkelnden Euregiones zerstört wird. Das tägliche aktive Handeln darf durch Worte nicht einfach kaputtgemacht werden.