Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir würden gern mitmachen, und wir wollen auch die Qualität der Krankenhausversorgung retten. Aber leider können wir Ihrem Gesetz nicht zustimmen, weil es Bereiche gibt, zu denen ich ganz klar sagen muß: Da-
Gudrun Schaich-Walch
für kann es die Hand der Sozialdemokratie nicht geben, weder hier noch im Bundesrat.
Es ist - darin sind wir mit Ihnen einer Meinung - notwendig, daß gespart wird. Es ist jedoch ganz wichtig klarzustellen, wo und bei wem gespart wird. Deshalb möchte ich darauf hinweisen, daß wir es nicht als sozial gerecht empfinden, wenn Sie Ende des Jahres mit 840 Millionen DM die Einkommen der Ärzte verbessern, aber diese 840 Millionen DM als Zuzahlungen von den Versicherten, und zwar von den Krankenversicherten hereinholen. Das ist doch der Punkt.
Sie differenzieren die Gemeinschaft der Versicherten in Gesunde und Kranke, und Sie zerbrechen damit die Solidarität dieser Versicherung.
Das läßt sich, so muß ich Ihnen sagen, an einigen Punkten ganz klar belegen. Dabei möchte ich nur einmal auf den Bereich der Kuren eingehen. Bei Kuren und Rehabilitationen soll es in Zukunft so sein, daß jeder Patient für die Dauer der Maßnahme pro Tag 25 DM in den alten Bundesländern und 20 DM in den neuen Ländern bezahlen muß. Das ist mehr als doppelt so viel wie bisher. Die Verweildauer wird generell von 4 auf 3 Wochen gekürzt ohne jegliche medizinische Indikation. Kuren können nur noch in einem Intervall von 4 anstelle von 3 Jahren in Anspruch genommen werden. Pro Aufenthaltswoche der Rehamaßnahme werden 2 Urlaubstage abgerechnet.
So, und jetzt frage ich Sie: Was wollten wir denn mit Rehabilitation erreichen? Wir wollten erreichen, daß die Menschen so lange wie möglich gesund und arbeitsfähig sind. Wir wollten damit auch erreichen, daß, wenn sie nicht gesund sind, ihre Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt wird. Das ist die eine Gruppe. Die zweite Gruppe ist die der chronisch Kranken. In diesem Fall spreche ich auch einmal für die Deutsche Rheumaliga und ihre Patientinnen und Patienten. Diese Patientinnen und Patienten sind in einem hohen Maße auf Rehabilitationsmaßnahmen in dem bisherigen vernünftigen Umfang angewiesen, damit sie überhaupt in der Lage sind, ihr Leben wenigstens teilweise zu bewältigen.
Sie sollten auch ein Interesse daran haben, dafür Sorge zu tragen, daß auch diese chronisch behinderten Menschen möglichst lange im Arbeitsprozeß bleiben und daß sie nicht in die Frühverrentung abgeschoben werden, in ein anderes soziales Sicherungssystem, weil man ihnen die notwendigen Hilfsmaßnahmen vorenthält.
Ich denke auch, daß wir über Sparmaßnahmen nachdenken müssen, aber das kann nur geschehen, indem man es von der medizinischen Indikation abhängig macht, ob jemand eine Kur bekommt oder
nicht, und nicht davon, ob er 25 DM pro Tag zuzahlen kann oder nicht.
Von der medizinischen Notwendigkeit muß auch die Dauer der Maßnahme abhängig sein. Ich bin der Überzeugung, daß der Arzt hier einen Auftrag hat, dem er gerecht werden muß. Und wenn er das nicht kann, dann müssen wir über Weiterbildungsmaßnahmen dafür sorgen - dafür haben wir 200 Millionen DM eingestellt -, daß der Arzt dazu in die Lage versetzt wird.
Die Aufgabe der Krankenkassen ist es, die Indikation zu prüfen und, wenn Zweifel aufkommen, den Medizinischen Dienst einzuschalten. Daneben sollten wir zusammen mit der Ärzteschaft auch einen Indikationskatalog entwickeln, der den Ärzten zur Hilfestellung ebenfalls noch an die Hand gegeben werden kann. Wenn wir so verfahren, dann bin ich der festen Überzeugung, daß wir das, was man als „Kurlaub" bezeichnet, in der Zukunft nicht mehr haben werden. Man wird das zwar nicht von heute auf morgen schaffen, aber es ist auch nicht verantwortbar, von heute auf morgen 200 Einrichtungen zu schließen und 18 000 Menschen arbeitslos zu machen. Das ist auch nicht verantwortbar.
Sie sind mitverantwortlich dafür, daß diese Strukturen geschaffen worden sind, wie sie jetzt sind. Deshalb sind Sie auch mitverantwortlich dafür, daß wir diese Strukturen auf ein Maß zurückfahren, das vernünftig ist, und zwar schrittweise und gesundheitspolitisch wie wirtschaftspolitisch sinnvoll.
Es muß auch sichergestellt werden, daß wir künftig bei Rehabilitationen und bei Kuren mehr auf Qualität achten. Denn wichtig für uns alle, auch aus Kostengründen, ist es, daß wir die Ziele, die wir anstreben und die ich vorhin genannt habe, auch tatsächlich erreichen.
Wir sehen auch die Notwendigkeit, daß Bettenkapazitäten, die überhöht sind, abgebaut werden, aber, wie ich schon sagte, schrittweise. Um das zu gewährleisten, ist es notwendig, daß sich die Krankenhäuser bei der Bettenplanung mit den Ländern einigen müssen. Dieses Muß ist ein ganz wichtiger Punkt, und darf sich nicht wie in Ihrem Gesetzentwurf nur auf die Anschlußheilbehandlung beziehen.
Einen Bereich vermisse ich in Ihrem Gesetzentwurf total, den Bereich der ambulanten wohnortnahen Rehabilitation. Bereits das Sachverständigengutachten von 1995 hat ausgesagt, daß sie medizinisch und auch unter Kostengesichtspunkten betrachtet sinnvoll sein kann und eventuell auch Einsparungen verspricht. Ich glaube aber auch, daß dieser Bereich aus gesundheitlichen und auch aus familienpolitischen Gründen weiter ausgebaut werden muß, als es jetzt der Fall ist.
Ich kann Ihnen aber auch sagen, was nicht geschehen darf: daß Menschen aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, des Verlustes des Lohnes und weil sie Zuzahlungen nicht finanzieren können, Reha-Maßnahmen nicht mehr in Anspruch nehmen
Gudrun Schaich-Walch
und statt dessen zu einem Teil in die Frühverrentung entlassen werden.