Rede von
Eva-Maria
Kors
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Frau Schmidt-Zadel, hören Sie mir einmal kurz zu? - Nein. Ich sage es aber trotzdem.
Sie haben eben die Selbsthilfegruppen angesprochen, und wenn Ihnen schon nichts anderes einfällt, als sie über die Beiträge zu finanzieren, mache ich Ihnen hier einen ernsthaften Vorschlag, der nicht ironisch gemeint ist. Wir nehmen 10 Millionen DM vom Medizinischen Dienst weg, und dann sind die Selbsthilfegruppen bestens versorgt.
- Das ist die Antwort auf Ihre Klage bezüglich der Selbsthilfegruppen.
Lassen Sie mich jetzt aber bitte zum Gesetzentwurf zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung 1997 kommen. - Wir können uns gleich unterhalten.
Meine Damen und Herren, unser Ziel ist, die anerkannt hohe Leistungsfähigkeit im Gesundheitswesen bei entsprechender Beitragsstabilität zu sichern. Die Beiträge für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen in Zukunft akzeptabel bleiben. Der weltweit gute Ruf der deutschen Gesundheitsversorgung muß erhalten bleiben, und beides stellt unser Gesetzentwurf sicher. Über eine Stärkung der Eigenverantwortung der unmittelbar Betroffenen und eine erhöhte Transparenz trägt unser Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Gesundheitswesens bei. Die Eckpfeiler für die Neuorientierung sind dabei für uns die Stärkung der Selbstverwaltung, die Schaffung von mehr Freiräumen für eigenverantwortliches Handeln, die Begrenzung staatlicher Regelungen auf das Notwendigste und der sozialverträgliche Wettbewerb und mehr Transparenz.
Eva-Maria Kors
Mit dem am 29. April 1996 durch den Bundestag beschlossenen Gesetz zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben 1996 haben wir für das laufende Jahr die Notbremse gezogen. Leider haben die Schwierigkeiten bei der Verabschiedung dieser absolut notwendigen Sofortmaßnahme gezeigt, daß die Bereitschaft der SPD-geführten Bundesländer, in wirklich dringenden Fällen mit Regierung und Bundestag an einem Strang zu ziehen, sehr gering ist. Ich hoffe trotz der heutigen Debatte immer noch, daß wir bei der Krankenhausfinanzierung 1997 bei Ihnen auf mehr Kooperationsbereitschaft stoßen, als dies bisher der Fall war;
denn der nächste Wahltermin ist fern, unsere Vorschläge sind vernünftig,
und deshalb sollte Ihnen die Entscheidung leichter fallen als bisher.
Unsere Forderungen nach weniger Staat, mehr Freiraum für die Selbstverwaltung und Finanzverantwortung müßten an und für sich hier in diesem Hause konsensfähig sein.
Wir ziehen mit unserem Gesetzentwurf die Lehren aus der Vergangenheit und möchten Instrumente, die sich auf anderen Gebieten bewährt haben, auf den Krankenhaussektor übertragen. Deshalb halten wir eine landesweite Vereinbarung über die Gesamtvergütung durch die Selbstverwaltungspartner für erforderlich.
In der Vergangenheit wurde bereits eine Gesamtvergütung für Ärzte und Zahnärzte vereinbart, und dies mit Erfolg. Die Abschlüsse sind maßvoll und haben gezeigt, daß die Partner der Selbstverwaltung in der Lage sind, ihre Verantwortung zu übernehmen und ihr gerecht zu werden. Ab 1997 soll deshalb eine Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern über eine jährliche Gesamtvergütung getroffen werden. Die Budgetierung wird dann endgültig überflüssig.
Diese vereinbarte Gesamtvergütung ist dann von den Krankenhäusern einzuhalten, und die Defizite, zu denen die Krankenhäuser beigetragen haben, sind auch von diesen und nicht wie bisher von den Beitragszahlern auszugleichen.
Mit der Gesamtvergütung wird sichergestellt, daß die Ausgabenentwicklung im stationären Bereich kalkulierbar und maßvoll bleibt. Minder- und Mehrbelastungen einzelner Krankenhäuser können innerhalb der Gesamtvergütung ausgeglichen werden. Die Vergütung der Krankenhausleistungen erfolgt über Fallpauschalen, Sondergelder, Abteilungspflegesätze und den Basispflegesatz.
Die Leistungs-, Finanzierungs- und Beitragssatzverantwortung übertragen wir auf diejenigen, die dieser Verantwortung besser gerecht werden können
als jeder andere, nämlich die Selbstverwaltungspartner. Damit werden die positiven Effekte eines sozial verantwortbaren Wettbewerbs zur Sicherung der Leistungsfähigkeit und der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung genutzt.
Notwendige Einsparungen im Krankenhaus dürfen keinesfalls zu einer Verschlechterung der Versorgungsqualität führen.
Ich bin davon überzeugt, daß dies auch nicht geschieht. Jeder Bürger muß im Krankheitsfall unabhängig von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit umfassend versorgt werden. Die Rahmenbedingungen für eine auch in Zukunft qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung schaffen wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf.
Je besser die Selbstverwaltungspartner mit ihren neuen Aufgaben zurechtkommen - Sie werden sehen, wie gut sie damit zurechtkommen werden -, um so weniger werden gesetzliche Regelungen benötigt, von denen in einem auf Selbstverantwortung angelegten System ohnehin nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte.
Lassen Sie mich zur Gesamtvergütung und kollektiven Kappung bei Überschreitung der Summe der Einzelverträge noch folgendes anmerken: Wir stehen dazu, daß wir die Krankenhäuser, die schon bisher um eine verantwortungsvolle Kostengestaltung bemüht waren, nicht in unverdiente Schwierigkeiten bringen wollen. Wir werden deshalb darüber nachdenken, wie wir in diesem Punkt zu einer praktikablen und fairen Lösung kommen können.
Ich sage Ihnen bereits jetzt voraus, daß es nach diesem Gesetz kein Krankenhausfinanzierungsgesetz 1998 geben wird, und zwar einfach deshalb, weil wir heute eine Regelung verabschieden, die kein Stückwerk ist, sondern ein gut durchdachtes Gesetz, das die Selbstverwaltung in die Lage versetzt, autonom, schnell und angemessen auf künftige Entwicklungen zu reagieren.
Ein weiterer wichtiger Bereich unseres Gesetzentwurfs betrifft die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Das nach wie vor unzureichend koordinierte Nebeneinander von niedergelassenen Ärzten einerseits und Krankenhäusern andererseits ist eine Hauptquelle der Unwirtschaftlichkeit in unserem Gesundheitswesen. In beiden Bereichen werden teure technische Kapazitäten vorgehalten. Täglich finden ebenso unnötige wie kostspielige Wiederholungs- und Mehrfachuntersuchungen statt.
Der Vorrang der ambulanten Behandlung muß stärker zur Geltung kommen;
denn die hohe Kostenintensität der stationären Leistungen macht eine Begrenzung der Krankenhausversorgung auf die Fälle notwendig, die der besonde-
Eva-Maria Kors
ren Ausstattung und Behandlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser bedürfen. Ein Ziel unserer Reform lautet: So viel ambulant wie möglich, und so wenig stationär wie nötig.
Bereits mit dem Gesundheitsstrukturgesetz sind die Möglichkeiten der Krankenhäuser, ambulante Leistungen zu erbringen, entscheidend verbessert worden. Die in den Krankenhäusern vorhandenen besonderen fachlichen Qualifikationen und technischen Ausstattungen dürfen für die ambulante Versorgung aber nicht verschlossen sein.
Um dies zu ermöglichen, müssen Krankenhäuser, Krankenkassen und Kassenärzte mehr und vor allem flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten erhalten.
Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor, daß qualifizierte Fachärzte in Krankenhäusern hochspezialisierte Leistungen zur Sicherstellung der örtlichen Versorgung nach Überweisung durch einen niedergelassenen Facharzt ambulant erbringen können.
Ein wichtiger Baustein in der besseren Verzahnung ist die Einführung des von uns vorgesehenen Instrumentes der ambulanten Praxiskliniken. Ich weiß, daß viele Krankenhäuser hierin eine unwillkommene Konkurrenz vermuten. Sie haben dies bei den Anhörungen zum Ausdruck gebracht.
Zwar geht es uns nicht darum - das sage ich ganz deutlich -, die Krankenhäuser vor Konkurrenz zu schützen; wir wollten aber auch keine neue Form stationärer Versorgung schaffen und haben deshalb reagiert. Der vorliegende Entwurf macht den ambulanten Charakter der Praxiskliniken deutlich.
Er sieht vor, daß Patienten allenfalls eine Nacht in der Praxisklinik verweilen und pro Arzt nicht mehr als zwei Betten, insgesamt aber nicht mehr als zehn Betten aufgestellt werden dürfen. In dieser Form kann man Praxiskliniken eigentlich nur begrüßen.
Es darf doch nicht wahr sein, daß heute jeder Patient, der lediglich eine Nacht unter ärztlicher Aufsicht verbringen muß, in eine stationäre Einrichtung überwiesen werden muß.
Wenn wir hiervon nicht abrücken, brauchen wir über eine bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung nicht weiter nachzudenken.
Die Praxiskliniken arbeiten an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung und sind ein unentbehrlicher Bestandteil dieser Verzahnung. Sie werden - das möchte ich ausdrücklich hinzufügen - nicht in die Krankenhausbedarfsplanung einberechnet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Gesundheitspolitik ist die Qualitätssicherung. Die Qualitätssicherung ist Aufgabe der Ärzte, die diese bei der
Leistungserbringung zu verwirklichen haben. Hier gilt im stationären Sektor nichts anderes als im ambulanten. Deshalb ist es Aufgabe der Ärztekammern, notwendige Standards und Maßstäbe zu entwickeln und deren Einhaltung zu überwachen. Deshalb müssen auch die Ärztekammern mehr als bisher in die Planungen einbezogen werden.
Es ist meine feste Überzeugung, daß wir die Kreativität und den Sachverstand derer stärken müssen, die die Belange der gesundheitlichen Versorgung besser kennen und steuern können als der Staat. Dies gelingt uns aber nur, wenn wir die Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltungspartner ausweiten. Dazu trägt dieses Gesetz bei.
Die Krankenhäuser dürfen ganz sicher nicht zum Prügelknaben des Gesundheitswesens erklärt werden. Sie sind und bleiben eine wichtige Säule in der Gesundheitsversorgung. Aber wir wissen auch, daß die Krankenhauskosten seit 1992 überproportional gestiegen sind. Das verursachte bei der Krankenversicherung ein Defizit von über 8 Milliarden DM.
Auf der anderen Seite sind bei den Krankenhäusern Überschüsse in gleicher Höhe entstanden, woran sich zeigt, daß die Budgets - das vor allem auf Druck der Länder - zu großzügig bemessen worden sind. Derartige politisch verursachte Kostensteigerungen müssen durch die Stärkung der Selbstverwaltung zukünftig vermieden werden.
Dies erreicht unser Entwurf eines Krankenhaus-Neuordnungsgesetzes 1997, indem er die Selbstverwaltung stärkt und die Verantwortung in die Hände derer legt, die den Sach- und Fachverstand im Gesundheitswesen mitbringen und daher sowohl die Belange der Beitragszahler als auch der Leistungserbringer besser berücksichtigen können als der Staat.
Mit diesem Gesetz wird es uns nicht nur gelingen, die Kosten im Krankenhausbereich zu begrenzen. Es stellt auch sicher, daß die Leistungen weiterhin auf höchstem Niveau erbracht werden und deutsche Krankenhäuser auch zukünftig zu den besten der Welt zählen.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diesem Gesetzentwurf zustimmen, haben Sie dazu beigetragen. Die Koalitionsfraktionen werden Ihnen mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.