Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte des heutigen Tages ist die direkte Fortsetzung unserer gestrigen politischen Auseinandersetzung.
Die heutigen Vorlagen zeigen: Die sozialpolitischen Kürzungsorgien der Koalition sollen nun auch in das Gesundheitswesen verlängert werden.
Ich will kein Mißverständnis aufkommen lassen: Nicht, daß es in diesem Hause etwa Streit darüber gäbe, daß in unserem Gesundheitswesen erhebliche Rationalisierungsreserven schlummern. Diese gibt es in der Tat, und sie müssen freigesetzt und verwirklicht werden. Genau das aber tut die Regierung nicht, weder mit dem, was heute in der zweiten und dritten Lesung des GKV-Weiterentwicklungsgesetzes, noch mit dem, was in erster Lesung als Beitragsentlastungsgesetz hier beraten werden soll. Beide Gesetze lassen die systemimmanenten strukturellen Schwächen im Gesundheitswesen unangetastet.
Sie verfolgen hingegen ein anderes Ziel: Sie wollen den sozialen Charakter unserer Krankenversicherung aushöhlen. In letzter Konsequenz geht es den Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. überhaupt nicht um das Gesundheitswesen.
Es geht ihnen nicht um die Einlösung der eigentlichen politischen Verpflichtung dieses Hauses, den Menschen in Deutschland eine optimale Gesundheitsversorgung zu kostengünstigen Konditionen zu bieten.
Es geht der Koalition in Wahrheit um gesellschaftspolitische Veränderungen.
Um diese zu erreichen, soll das Gesundheitswesen lediglich als Instrument herhalten. Der Umfang der Gesundheitssicherung soll offenkundig zukünftig in Abhängigkeit von Wirtschaft und Konjunktur ausgestaltet werden. Die Absicherung der Menschen gegen Krankheit soll eine Restgröße werden und durch das bestimmt werden, was wirtschafts- und finanzpolitisch übrigbleibt.
Kein Zweifel: Das paßt nahtlos in die gesellschaftspolitische Philosophie des Kürzungspaketes, das gestern zur Debatte stand. Denn herhalten müssen auch dieses Mal Lohnnebenkosten, Standort und internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Wer die gesellschaftspolitische Diskussion in unserem Lande ehrlich bewertet, der kommt an der Feststellung nicht vorbei: Der Sozialstaat ist unter Druck geraten. Wer so manchen Beitrag zu dieser Diskussion gewichtet, dem drängt sich eine zweite Feststellung auf: Der gesellschaftliche Konsens über Rang und Aufgabe unseres Sozialstaates ist zerbrochen. Schlimmer noch: Einige Gruppen auch in diesem Hause stellen den Sozialstaat zur Disposition.
Sie können es sich mittlerweile sogar leisten, dies offen und unverhüllt zu tun.
Das alles, meine Damen und Herren, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist Ergebnis einer gezielten Strategie zur Veränderung der Bewußtseinslage in unserer Gesellschaft. Die regierungsamtlich geschürte Debatte um die Höhe der deutschen Lohnnebenkosten, die angeblich die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes bedroht, ist kein Zu-
Rudolf Dreßler
fall. Das dabei eingesetzte Instrumentarium der Tatsachenverdrehung läßt vielmehr System erkennen.
Bewußt unterschlagen wird dabei nämlich, daß die eigentliche Meßgröße für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Lohnstückkosten, also die Summe aus direkten Lohn- und aus Lohnnebenkosten, eher stabil ist und daß Deutschland dabei im internationalen Konzert im unteren Mittelfeld liegt.
Bewußt unterschlagen wird auch, daß es in den letzten Jahren nur einen einzigen Produzenten höherer Lohnnebenkosten gegeben hat: die regierungsamtliche Politik mit ihrem Unterfangen, die Folgen der deutschen Einheit hauptsächlich über die Kassen der Sozialversicherung abzuwickeln.
Auch die sogenannte Standortdebatte ist kein Zufall; auch sie ist inszeniert. Es gibt in der Geschichte der Bundesrepublik keine Debatte, die in der internationalen Wirtschaftswelt unserem Land so geschadet hat und noch immer schadet wie die leichtfertig vom Zaun gebrochene Standortdebatte.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie - Hand aufs Herz -: Würden Sie in einem Laden kaufen, dessen Besitzer Möllemann selbst behauptet, eigentlich sei alles zu teuer, Lage und Umgebung des Betriebes seien mies und um die Qualität habe es auch schon einmal besser gestanden? Ich wiederhole: Das ist kein Zufall. Hier werden vielmehr gezielt hochsensible Sachverhalte und Problemstellungen instrumentalisiert, um sonst nicht erreichbare einseitige gesellschaftspolitische Veränderungen einzuleiten.
Es geht also überhaupt nicht um den Standort Deutschland, es geht in Wahrheit um die Struktur unserer Gesellschaft.
Nicht die Standortqualität soll verbessert, sondern
die Gesellschaft soll verändert werden. Und dafür
muß jetzt auch das Gesundheitswesen in die Mangel.
Ich bin weit davon entfernt, die Probleme, die wir in Deutschland haben und die auch im Gesundheitswesen offenkundig sind, wegreden zu wollen. Aber nur eine korrekte Analyse ihrer Ursachen kann wirklich Abhilfe schaffen. Es gibt keine die Fakten ersetzende Kraft der politischen Selbstsuggestion. Wer die überlasteten Kassen der Sozialversicherungssysteme als diagnostischen Beleg für das drohende Ende oder die ökonomische Unhaltbarkeit des Sozialstaates anführt, der mag zwar den Wunsch zum Vater seines Gedankens machen, aber er geht an der Wirklichkeit vorbei; vor allem verschließt er sich der entscheidenden Einsicht.
Diese Einsicht ist schmerzlich, sie ist aber unwiderlegbar: Unsere Sozialversicherungssysteme, die Renten-, die Kranken-, die Pflege-, die Unfall- und die Arbeitslosenversicherung, sind bei anhaltender Massenarbeitslosigkeit unfinanzierbar; denn Massenarbeitslosigkeit ist vielmehr ein nicht finanzierbares Risiko.
Nicht der Sozialstaat provoziert Massenarbeitslosigkeit - wie uns eingeredet wird -, sondern die Massenarbeitslosigkeit zerstört auf Dauer den Sozialstaat und seine Systeme. Die Zahlen belegen das.
Die Behauptung von der angeblichen Überlastung unserer Volkswirtschaft durch die Kosten für Sozialleistungen läßt sich nicht aufrechterhalten. Die Sozialleistungsquote in Westdeutschland ist von über 35 Prozent zu Beginn der 80er Jahre auf rund 30 Prozent im Jahre 1995 zurückgegangen. Wäre die Zahl der Arbeitslosen nicht auf heutigem, sondern auf dem Niveau von 1982, läge sie sogar deutlich unter 30 Prozent.
Ein Vergleich wirklich vergleichbarer Tatbestände also zeigt: Das Gerede von ausufernden, nicht finanzierbaren sozialen Belastungen ist eine Legende, ist vordergründige politische Stimmungsmache.
Und in den Einzelfeldern, in denen die Belastung tatsächlich angestiegen ist, ist es das Ergebnis der Politik dieser Bundesregierung.
Ich führe diese Tatsachen hier an, weil ich deutlich machen möchte, auf welcher ökonomischen und gesellschaftspolitischen Basis das derzeit von seiten der Bundesregierung vorgestellte Kürzungspaket steht. Das gilt auch für die sogenannte Beitragsentlastungsgesetzgebung aus dem Hause Seehofer. Zunächst einmal gilt auch für diesen Gesetzestitel, was für die Titel der anderen Kürzungsgesetze gestern gesagt wurde. Er stammt aus der Orwellschen Sprachschule.
In Wahrheit wird nämlich nicht entlastet,
in Wahrheit wird belastet. Das Beitragsentlastungsgesetz ist tatsächlich ein Krankenbelastungsgesetz.
Wir werden über die verhängnisvollen gesundheits- und sozialpolitischen Auswirkungen des Gesetzes in diesem Hause heftig streiten. Das ist notwendig, das ist richtig, das ist bei vielen Gesetzen ge-
Rudolf Dreßler
schehen. Aber worüber es bisher keinen Streit gegeben hat, das ist die gemeinsame Grundsatztreue zu den Eckpfeilern unseres Gesundheitswesens. Worüber es deshalb auch keinen Streit geben dürfte, das ist die Ausrichtung unseres Systems am Prinzip der Selbstverwaltung, und zwar einer Selbstverwaltung mit eigenständiger Verantwortlichkeit, eigener Finanzhoheit und Kompetenz.
Ein Blick in den Gesetzentwurf zeigt, daß dieser bisher parteiübergreifende Konsens nicht mehr existiert; denn erstmals beabsichtigt eine Bundesregierung, einen Krankenversicherungsbeitrag nicht durch die Entscheidung der Selbstverwaltung, sondern durch Gesetz zu fixieren. Das ist ein grundsätzlicher Bruch mit dem Prinzip der Selbstverwaltung, der für die Sozialdemokraten in jeder Hinsicht inakzeptabel ist.
Wer einmal das Tabu der gesetzlichen Beitragssatzfixierung in der Krankenversicherung bricht, wird davon nie wieder loskommen.
Ich prophezeie dieser Regierung, daß ein solcher Schritt sie einholen wird, spätestens im nächsten Jahr. Die Frage einer staatlichen Finanzwirtschaft in der Krankenversicherung, die Ausgaben und Einnahmen per Gesetz regelt, ist danach keine Frage mehr des Ob, sondern des Wann.
Gesetzliche Beitragsfixierung und Selbstverwaltungsprinzip sind miteinander unvereinbar. Wer der Selbstverwaltung die eigenständige Finanzverantwortung nimmt, der darf in der Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung schon gegenwärtig besichtigen, was an eigenverantwortlichen inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten noch übrigbleibt.
Beitragssätze gesetzlich zu fixieren ist weder verboten noch verfassungswidrig. Das kann man natürlich wollen. Dann soll man aber offen sagen, daß man das Prinzip der Selbstverwaltung abschaffen will - statt wie der Bundesgesundheitsminister die Vorfahrt für Selbstverwaltung zu proklamieren.
Im übrigen: Wenn es stimmt, was derzeit hinter vorgehaltener Hand geflüstert wird - daß alle Kassen auf Grund des im Oktober dieses Jahres einsetzenden Wettbewerbs um die Mitglieder in der laufenden Rechnungsperiode mit einer Beitragsunterdeckung von 0,5 bis 0,7 Prozent arbeiten -, dann weiß jeder, was eine gesetzliche Beitragsfixierung auf aktuellem Niveau bedeutet: die gesetzliche Festschreibung eines Defizits von bis zu 10 Milliarden DM.
Wie wollen CDU/CSU und F.D.P. das wirklich verantworten? Wer will verantworten, daß zu diesem Milliardendefizit am 1. Januar 1997 nochmals eine erzwungene Beitragssatzsenkung von 0,4 Prozent hinzukommt, wie der Gesetzentwurf der Regierung das vorsieht?
Wenn diese Defizite im Verlauf des kommenden Jahres durch eine kräftige Beitragssatzerhöhung verpflichtend ausgeglichen werden müssen, dann gilt natürlich wieder das Seehofer-Motto „Vorfahrt für die Selbstverwaltung" in der Originalversion. Für diese wenig erfreuliche Arbeit wird tatsächlich die Selbstverwaltung in die Verantwortung genommen.
Der eigentlich verantwortliche Minister wird die Gelegenheit nutzen, in aller Öffentlichkeit Hohn über die Selbstverwaltung auszugießen, nach dem Motto: Ihr seht es ja, kaum ist der gesetzliche Beitragsstopp aufgehoben und die Selbstverwaltung eigenverantwortlich am Zuge, wird wieder alles teurer; denn die Beiträge steigen und steigen. Er wird daraus die politische Legitimation ziehen und abermals per Gesetz in die Beitragsautonomie eingreifen - natürlich aus zwingenden sachlichen Gründen. Es war ja schon immer so, Herr Geißler: Die besten Sachzwänge sind die, die man selbst konstruiert hat. Soll das verantwortliche Politik sein?
- Herr Geißler, Sie können das drehen und wenden, wie Sie wollen: Ich nenne das, was hier vorgelegt wird, hinterlistige Roßtäuscherei und sonst gar nichts.
Für die Sozialdemokraten ist die gesetzliche Beitragsfixierung der institutionell entscheidende Schritt zur Systemzerstörung. Wir werden ihn daher mit Entschiedenheit bekämpfen.
Daß für die SPD-Fraktion sowohl das sogenannte Beitragsentlastungsgesetz als auch das GKV-Weiterentwicklungsgesetz nicht nur von der politischen Grundabsicht, sondern auch von den Einzelbestimmungen her unannehmbar ist, kann die Koalition eigentlich kaum überraschen. Ich will das an Hand einiger Beispiele begründen.
Beispiel eins: Zahnersatz. Herr Seehofer sieht in seinem Gesetz vor, daß es Zahnersatz zukünftig nur für jene geben soll, die am 1. Januar 1997 18 Jahre alt sein werden.
Das hört sich zunächst ganz harmlos an: kein Zahnersatz mehr für Kinder und Jugendliche; denn die bräuchten ihn in der Regel ohnehin nicht. Herr Seehofer, warum sagen Sie diesen jungen Menschen nicht, daß sie für den Rest ihres Lebens - und würden sie 120 Jahre alt - keinen Zahnersatz mehr erhalten werden.
Warum verschweigen Sie den jungen Leuten, daß dabei im Laufe eines Versichertenlebens nach Schätzungen der Krankenkassen Kosten von bis zu 100 000 DM auf sie zukommen können, die sie natürlich selbst zu finanzieren haben?
Rudolf Dreßler
Warum verschweigen Sie, daß die jungen Leute, obwohl sie selbst nie Zahnersatzleistungen von ihrer Krankenkasse erhalten werden, sondern den Zahnersatz selbst bezahlen müssen, gleichwohl mit ihrem Beitragsgroschen den Zahnersatz der Älteren finanzieren müssen?
Warum verschweigen Sie, daß Sie mit Ihrem Vorschlag den sehnlichsten Wunsch der Zahnärzte erfüllen, die schon immer nichts lieber wollten, als zukünftig das, was sie bisher zu Kassenhonorarsätzen abrechnen mußten, zu Privathonorarsätzen abrechnen zu können, und zwar jede Krone, jede Brücke und jede Vollprothese?
Zahnersatz für diejenigen, die am 1. Januar 1997 18 Jahre und jünger sind, wird es nach Seehoferscher Absicht für den Rest ihres Lebens nur noch dann auf Kosten der Krankenkassen geben, wenn das ein Unfall oder eine ernste Erkrankung erfordert. Wissen Sie wirklich, was das bedeutet? Erst das Magengeschwür, das durch Störungen der Kaufunktion wegen fehlender Zähne entstanden ist, berechtigt zur Versorgung mit Zahnersatz.
Das, Herr Seehofer, hat mit Gesundheitspolitik nichts mehr zu tun; das ist der blanke, die Menschen mißachtende Irrsinn und sonst überhaupt nichts.
Beispiel zwei: Gesundheitsfürsorge. Es gibt derzeit allerlei öffentliche Aufregung über die Vorbereitungen einzelner Krankenkassen auf den Wettbewerbsprozeß. Das bezieht sich vor allem auf Maßnahmen der Mitgliederwerbung und das, was von einzelnen Krankenkassen als Begleit- oder Lockangeboten dazu bereitgehalten wird. Die Koalition möge uns bitte nicht erklären, daß vieles von dem, was sich da abspielt, Unsinn ist. Man weise uns bitte auch nicht darauf hin, daß das der Vergeudung von Mitgliedsbeiträgen manchmal bedrohlich nahe kommt. Beides wissen wir.
Wir haben Wettbewerb gewollt, und damit haben wir auch die freie Entscheidung der an ihm teilnehmenden Institutionen und Individuen gewollt. Wer meint, im Rahmen des Wettbewerbs teures Geld für Zweifelhaftigkeiten herauswerfen zu müssen, wird das über höhere Beiträge auffangen müssen, also in der Konsequenz an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Ich jedenfalls denke nicht im Traum daran, nach aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zu rufen, um das zu verhindern. Die wettbewerbliche Konsequenz daraus ist vielmehr die Aufforderung an die Versicherten: Laßt euch das nicht gefallen! Wechselt zu jenen Kassen, die beitragsgünstiger sind, weil sie diesen Unfug nicht mitmachen!
Was das sogenannte Beitragsentlastungsgesetz angeht, füge ich deshalb an: Wer wie Herr Seehofer die Mißgriffe einzelner Krankenkassen in Sachen Wettbewerb - vom Bauchtanz bis zum Kochkurs auf Kassenkosten - als Alibi benutzt, um die gesamte Gesundheitsfürsorge nach § 20 des Sozialgesetzbuchs V aus dem Leistungskatalog zu entfernen, der ist kein Gesundheitspolitiker, sondern ein fast schon hemmungsloser Populist.
Er definiert die Sünden einzelner flugs zum Regelfall für das System um, damit er auf kaltem Wege das beseitigen kann, was ihn schon immer störte.
Damit das klar ist: Die Gesundheitsfürsorge ist sinnvoller Bestandteil einer Politik zur Vorbeugung gegen Krankheiten. Sie ist unverzichtbar. Wer dennoch auf sie verzichtet, handelt unverantwortlich.
Beispiel drei: Selbstbeteiligung. „Mit mir wird es weitere Belastungen der Patienten, etwa eine Ausdehnung der Selbstbeteiligung, nicht geben" - so Bundesgesundheitsminister Seehofer publikumswirksam noch zu Beginn dieses Jahres. Was macht er tatsächlich? Nach dem Motto: „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?" erhöht er die Selbstbeteiligung doch: bei Arzneimitteln je nach Packungsgröße, bei Kuren oder bei dem, was nach dem Kahlschlag bei der Rehabilitation davon noch übrigbleibt.
Wie heißt es weiter bei der Koalition? „Alle Selbstbeteiligungen werden jeweils der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt". Oder noch schöner: „Sie werden dynamisiert". Hört sich das nicht toll an? In Wahrheit ist das aber höchst unanständig; denn es bedeutet: Alle Selbstbeteiligungen werden in regelmäßigen Abständen ständig weiter erhöht.
Das Gesetz kennt im Zusammenhang mit der Selbstbeteiligung die sogenannte Überforderungsklausel, die, wie ihr Name schon sagt, verhindern soll, daß kranke Menschen durch zu hohe Selbstbeteiligungsleistungen finanziell überfordert werden. Die Überforderungsklausel wirkt als Belastungsobergrenze und besagt, daß Versicherte mit beitragsrelevantem Einkommen bis zu 6 000 DM im Monat höchstens 2 Prozent ihres monatlichen Einkommens als Selbstbeteiligung aufbringen müssen, bevor sie befreit werden, und besserverdienende Versicherte mit einem Einkommen in Höhe von über 6 000 DM monatlich 4 Prozent zu bezahlen haben.
Was machen Herr Seehofer und die Christlich-Demokratische Union? Nachdem die Selbstbeteiligung zunächst für alle erhöht wurde, senken Sie die Belastungsobergrenze für die Besserverdienenden von 4 auf 2 Prozent - aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, hört man.
Nun will ich mich nicht erkühnen vorzuschlagen, wie man diese Dinge von der Verwaltung noch einfacher machen lassen könnte, etwa indem man die unsinnige Selbstbeteiligung ganz abschafft.
Rudolf Dreßler
Ich will statt dessen eine schlichte Frage stellen. Herr Seehofer, wann machen Sie endlich eine Politik, bei der nicht nur der Besserverdienende, sondern auch Käthe und Otto Normalverbraucher in den Genuß solch großartiger Verwaltungsvereinfachungen kommen?
Wann beginnen Sie damit?
Die drei aufgeführten Beispiele, meine Damen und Herren, ihre Einzelheiten und Folgewirkungen belegen, warum die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den Gesundheitsgesetzen ihre Zustimmung verweigern wird. Sie sind für uns in jeder Hinsicht inakzeptabel.