Rede von
Dr.
Theodor
Waigel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Lafontaine, Sie haben Herrn Peffekoven zitiert. Wenn Sie die Beurteilungen und die Mitwirkungen des Herrn Professors Peffekoven in allen Bereichen einmal solide und zusammenhängend darstellen würden, wäre erkennbar, daß das ganz sicher keine Unterstützung Ihrer Finanzpolitik ist.
Wenn er kritisiert, daß da und dort die Stetigkeit fehlt, dann deswegen, weil wir im Bundesrat daran gehindert worden sind,
vieles zur Konsolidierung durchzuführen. Und wenn Sie jetzt im Bundesrat die notwendigen Entlastungen der Länder und der Kommunen durch das Asylbewerberleistungsgesetz und die Reform des Sozialhilferechts verzögert und nicht rechtzeitig in Gang gesetzt haben, dann tragen Sie mit die Verantwortung dafür, daß die Konsolidierung nicht schon im Jahre 1996 in dem Umfang stattfindet, wie sie hätte stattfinden können.
Sie haben dann wieder das Einkommensteuerrecht zitiert. Es ist schade, daß Herr Bürgermeister Voscherau nicht da ist. Ich hätte von ihm ganz gern einmal eine detaillierte Aufstellung über die Millionäre in Hamburg gehabt. Man kann nicht nur ein Wort in die Debatte werfen und dann die Begründung schuldig bleiben und damit die Emotionalität schüren. Das ist keine seriöse und keine ehrliche Steuer- und Finanzpolitik.
Vollends scheinheilig ist es, wenn Sie sich wieder hinter Herrn Professor Bareis und die Kommission stellen. Gehen Sie einmal Punkt für Punkt die Gegenfinanzierungsvorschläge durch, und sagen Sie, ob Sie den Abbau der Steuerfreiheit von Nachtarbeits- und Sonntagszuschlägen, steuerliche Verschlechterungen im Gemeinnützigkeitsbereich, die Nichtabzugsfähigkeit der Kirchensteuer, ob Sie das alles wollen! Dann unterhalten wir uns weiter.
Übrigens, was die Steuerpolitik anbelangt, sind Sie geradezu das personifizierte Steuerpolitikhindernis. Die Konjunktur wäre in diesem Jahr anders gelaufen, wenn wir die Unternehmensteuerreform, wenn wir den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und die
Verbesserung der Gewerbeertragsteuer rechtzeitig zum 1. Januar 1996 hätten in Kraft setzen können.
Dann wundere ich mich über eine merkwürdige Doppelzüngigkeit. Auf der einen Seite wird Abbau der Vergünstigungen und damit Herabsetzung des Steuersatzes verlangt. Dann bieten wir an einem Punkt eine aufkommensneutrale Verbesserung der Unternehmensteuerstruktur an, und zwar in einem Bereich, in dem wir Weltspitze sind, nämlich bei den Sätzen für die degressive Abschreibung: 30 Prozent in Deutschland, höchstens zwischen 10 und 20 Prozent in allen anderen Ländern. Wenn wir das auf eine breitere Grundlage stellen und damit sehr schnell Abgaben oder Steuern abschaffen wollen, dann müssen Sie doch bereit sein, spätestens im Jahre 1997, nämlich dann, wenn die Konjunktur wieder läuft, wenn auch die Investitionskonjunktur wieder läuft, den Bereich an Gegenfinanzierung anders zu beurteilen, als Sie das im Augenblick tun.
Meine Damen und Herren, ich bin gern bereit, mit Ihnen, Herr Lafontaine, eine Diskussion über die versicherungsfremden Leistungen zu führen. Nur muß sie ehrlich erfolgen. Damit ist nämlich keine Abgabenentlastung verbunden, sondern das ist eine Verschiebung. Dann muß man darüber diskutieren, wo versicherungsfremde Leistungen Eingang in die sozialen Sicherungssysteme gefunden haben. Bei der Finanzierung der Einheit jedenfalls nicht. 80 Prozent der Einheitskosten sind steuerfinanziert. Wollen Sie denn die Knappschaft - das Saarland ist ja auch betroffen - möglicherweise rückwirkend für die letzten 20 Jahre dagegenstellen, die landwirtschaftliche Sozialpolitik, die Arbeitslosenhilfe? Und berücksichtigen Sie überhaupt nicht den 20prozentigen Rentenzuschuß? Tun Sie doch nicht so, als ob das die Lösung der Probleme wäre!
Was die Schuldenhöhe anbelangt: 1995 hatten wir, gemessen am BIP, 58 Prozent Schuldenstandsquote. Zu einem Zeitpunkt, als es schwierig war, in Deutschland Finanzpolitik zu machen, haben wir mit der Privatisierung der Bundesbahn und der Regionalisierung etwas, wie ich meine, strukturell Wichtiges und Vernünftiges gemacht.
Dabei haben wir die Länder noch gut ausgestattet.
Nur, wir haben die Schulden in den Bundeshaushalt übernommen, damit dies überhaupt möglich war. Diese Schulden spiegeln sich jetzt natürlich in den Kennziffern wieder. Die Bahnschulden können wir also aus der Quote herausrechnen.
Wir müssen die Schuldenstandsquote auch um die Lasten der Einheit bereinigen. Herr Gysi, wenn wir die Kosten der Einheit darstellen, dann ist dies kein Vorwurf gegenüber den Menschen in den neuen Bundesländern. Im Gegenteil, wir sagen, daß mit ihrer Leistung in den neuen Bundesländern der gleiche Stand erreicht worden wäre wie in den alten Bundesländern. Sie haben aber unter der verbrecherischen
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Politik Ihrer Vorgänger gelitten, mit denen Sie in einem direkten Zusammenhang stehen.
Herr Fischer, was die Annahmen des BMF anbelangt: Ich kann Ihnen nur sagen - wenn Sie zu telefonieren aufhören -, daß wir von den Annahmen der offiziellen Steuerschätzung ausgehen. Im Mai des vergangenen Jahres hat die Steuerschätzung stattgefunden, die für den jetzigen Finanzplan erforderlich ist. Jetzt findet wieder eine Steuerschätzung statt, die für den nächsten Finanzplan zugrunde gelegt wird. Wir nehmen für den Haushalt und den Finanzplan jedesmal die Steuerschätzung, die dafür vorgesehen ist. Sie wird von Bund, Ländern und der Bundesbank unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Forschungsinstitute erstellt. Objektiver kann man das nicht machen.
Nun hat Herr Fischer wieder vorgeschlagen, eine Steuer auf Spekulationsgewinne einzuführen. Darüber könnte man durchaus reden, wenn es Sinn machte. Nur, wer den Finanzplatz Deutschland, den Finanzplatz Frankfurt, erhalten will, der muß sich darüber im klaren sein, daß wir bei der bestehenden Freiheit des Kapitalverkehrs in Europa nur eines erreichen, nämlich daß der Verkauf dann in London stattfindet und nicht mehr in Frankfurt. Wollen wir damit wirklich den Finanzplatz Deutschland ruinieren? Sie haben doch einen Kämmerer in Frankfurt gehabt, der ein Minimum an Finanzkenntnissen hat. Vielleicht können Sie sich mit ihm zu einem Privatissimum treffen, um gemeinsam zu überlegen, welche Auswirkungen das auf Deutschland hätte.
Herr Gysi, es lohnt sich eigentlich nicht, auf Sie einzugehen. Sie haben aber etwas über die Rentner, auch die der früheren DDR, gesagt. Unter dem früheren Regime waren die Rentner in der DDR die ärmsten Menschen. Wir haben ihnen durch eine Steigerung der Rente, die sich sehen lassen kann, die Menschenwürde wiedergegeben.
Mit diesem Konsolidierungs- und Strukturreformpaket stellen die Koalition und die Bundesregierung die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir greifen die strukturellen Schwächen des Standorts Deutschland auf. Sie stehen im Mittelpunkt. Wir müssen gemeinsam mit den Tarifpartnern alles tun, um sie zu beseitigen.
Die Staatsquote ist zu hoch. Dies ist nicht durch eine ausufernde Staatspolitik entstanden, sondern indem wir eine ganze Volkswirtschaft übernommen haben. Bis zum Jahr 2000 müssen wir die Staatsquote wieder auf den Stand vor der Wiedervereinigung, auf etwa 46 Prozent, senken. Wir müssen im Rahmen einer symmetrischen Finanzpolitik den einen Teil für die Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast und den anderen Teil für die Reduzierung der Defizite verwenden.
Angesichts einer 25jährigen Erfahrung in Deutschland und in anderen Ländern wissen wir, daß auf Grund globaler Märkte Fehler in der Struktur sofort bestraft werden: Absatzverlust, steigende Preise, steigende Zinsen, weichere Währung, weniger Wachstum und mehr Arbeitslosigkeit.
Die Erfahrung in Deutschland und in allen G-7-Ländern sowie der Europäischen Union zeigt, daß eine solche Konsolidierung nicht nur mittel- und langfristig, sondern auch kurzfristig auf die Konjunktur und auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze wirkt. Es ist völlig übereinstimmend mit der zwischenzeitlichen Meinung im internationalen Währungsfonds und in der Gruppe der G 7.
Die SPD muß sich entscheiden, was sie will: höhere Schulden, wie es der Vorsitzende des Haushaltsausschusses angedeutet hat, oder ob man von zu hoher Staatsverschuldung spricht wie Frau Matthäus-Maier oder ob man wie Herr Scharping die Vermögensabgabe fordert. Ich nehme an, Sie werden dazu nachher sicher noch einiges sagen.
Nur, Herr Scharping, meine Frage an Sie ist: Wollen Sie wirklich eine Verteuerung des Kapitals und damit eine Zinserhöhung, was folglich negative Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen hätte? Haben Sie eigentlich bedacht, daß das Bundesverfassungsgericht eben festgestellt hat, daß hohe Kapitalvermögen wegen der hohen Ertragsteuerbelastung nicht zusätzlich mit einer Substanzabgabe belastet werden dürfen?
Ich finde, das war ein Schnellschuß von Ihnen.
Sie sollten sich noch einmal gut überlegen, ob Sie das in der Diskussion aufrecht erhalten.
Zwischenzeitlich weiß doch jeder, mit einer steuerfinanzierten Nachfrageerhöhung sind die Probleme nicht mehr zu lösen. Das haben die 70er Jahre gezeigt. Nur Konsolidierung schafft Wachstum. Der positive Zusammenhang zwischen Konsolidierung und Wachstum gilt auch kurzfristig.
Lassen Sie mich einmal das Beispiel einiger anderer Länder darstellen. In Österreich soll das Budgetdefizit des Bundes in den Jahren 1996 und 1997 von jetzt 5 auf 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert werden. Das bedeutet Einsparungen pro Jahr in Höhe von 1,4 Prozent des BIP. Im öffentlichen Dienst gilt eine zweijährige Nullrunde mit Reallohnverzicht. Daneben gibt es Einschnitte bei den Frühpensionen, den Renten und bei der Arbeitslosenversicherung.
In Schweden soll der Haushalt bis 1998 ausgeglichen werden, ausgehend von einem Defizit in Höhe von 10,5 Prozent des BIP. Das bedeutet Einsparungen von jährlich etwa 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Schwerpunkte der Ausgabenkürzungen liegen im Personalbereich und bei den Sozialausgaben.
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
Auch in Finnland wird bis Ende 1997 ein ausgeglichener Gesamthaushalt angestrebt. Im Zentralbudget 1996 beträgt das Einsparvolumen 1,9 Prozent des BIP. Einsparbereiche sind die Renten und die Arbeitslosenunterstützung.
Sehr nah bei uns liegen die Niederlande. Sie haben einen Ministerpräsidenten - er war früher Finanzminister, kommt aus dem sozialistischen Bereich und war Gewerkschaftsvorsitzender. Dort ist für den Zeitraum 1995 bis 1998 ein Einsparvolumen von 2,75 BIP-Punkten zu erzielen. Gespart wird im Gesundheitswesen, bei den Renten, beim Kindergeld, bei sonstigen Sozialleistungen. Die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst der Niederlande lagen 1994 bei nominal null Prozent, 1995 bei 0,5 Prozent, und für 1996 sind zum 1. Oktober 0,75 Prozent vereinbart.
- Sie sagen „Na und" ! Ich bitte Sie, endlich mal dem Beispiel von Wim Kok zu folgen, das in Ihre Politik umzusetzen und es auch gegenüber den Tarifpartnern zum Ausdruck zu bringen. Dann wären wir nämlich sehr viel weiter.
Unsere gestern gefaßten Beschlüsse liegen mit einem Sparvolumen von 50 Milliarden DM für den öffentlichen Gesamthaushalt oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Rahmen dessen, was sich auch andere Länder zutrauen.
Für den Haushalt 1996 bleiben wir bei einer Defizitgrößenordnung von rund 60 Milliarden DM. Trotz der Einsparungen ist das Budget auch unter Berücksichtigung der Nettoentlastung des privaten Verbrauchs um 15 bis 20 Milliarden DM durch das Jahressteuergesetz 1996 und den Wegfall des Kohlepfennigs insgesamt konjunkturgerecht. Von einer Überkonsolidierung oder von einem „Kaputtsparen" kann überhaupt keine Rede sein.
Wer wie Sie von der Opposition die notwendigen Strukturreformen im Sozialbereich als „Sozialabbau" diffamiert, hat im Gegensatz zu vielen Bürgern den Ernst der Lage nicht verstanden.
Die Bürger wissen sehr wohl: Dies ist notwendig. Sie sind auch bereit, ihren Beitrag zu erbringen, weil sie sich der Verantwortung für ihr eigenes Leben, für das Gemeinwohl und für die nächste Generation durchaus bewußt sind. Wir setzen auf die Vernunft der Menschen.
Mit dem Einstieg in notwendige Strukturreformen, in mehr Flexibilität und Eigenverantwortung brechen wir die Ausgaben- und Abgabendynamik, die bisher eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten verhindert. Mit den Änderungen bei der Lohnfortzahlung, beim Kündigungsschutz und bei den befristeten Arbeitsverhältnissen räumen wir entscheidende Bremsklötze für Neueinstellungen aus dem Weg, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.
Dieses Konsolidierungspaket entlastet auch Länder und Gemeinden deutlich. Es trägt wesentlich dazu bei, daß die Länder ihren Konsolidierungsbeitrag von 25 Milliarden DM erbringen können. Damit passen die Maßnahmen genau zu den bereits von vielen Bundesländern eingeleiteten, zum Teil drastischen Sparmaßnahmen, die von Haushaltssperren über Kürzungen im gesamten Budget bis hin zu einem deutlichen Personalabbau reichen.
Neben dem, was in dem Konzept steht, muß natürlich auch gesehen werden, welche Entlastungen die Kommunen und damit indirekt auch die Länder durch die Einführung der Pflegeversicherung haben. Das ist eine der größten Entlastungen gerade im kommunalen Bereich.
Steuerpolitisch geht es jetzt um die Verwirklichung des abgekoppelten Teils des Jahressteuergesetzes 1996, um die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und eine mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer bei vollem Ausgleich der Einnahmeausfälle der Gemeinden durch Beteiligung am Aufkommen der Umsatzsteuer. Ich bin sehr froh, daß die Kommunen, vor allen Dingen vertreten durch die kommunalen Spitzenverbände, sehr klar erkannt haben, daß dies ihre große Chance ist, die Finanzausstattung der Kommunen dauerhaft qualitativ und auch quantitativ zu verbessern.
Wir gehen einen wichtigen Schritt im Hinblick auf Mittelstandsverbesserung und Eigenkapitalausstattung durch die Verbesserung des § 7 g des Einkommensteuergesetzes. Wir werden den Solidaritätszuschlag absenken, und zwar zum 1. Januar 1997 auf 6,5 Prozent und zum 1. Januar 1998 auf 5,5 Prozent.
Die Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird sozial ausgewogen erfolgen. Dabei werden wir dem Umstand Rechnung tragen, daß die Vermögensteuer auf Privatvermögen entfällt, und zwar genau aus den Gründen, die Wolfgang Schäuble vorhin dargestellt hat. Wir wären doch wirklich von allen guten Geistern verlassen, nur den erhebungsaufwendigsten Teil einer Steuer weiter zu erheben im Wissen darum, daß dafür in den nächsten Jahren entweder eine neue Hauptfeststellung bei der Einheitsbewertung oder eine riesige Bedarfsbewertung stattfinden muß, und im Wissen darum, daß die Stellen bei den Ländern knapp sind und daß wir sehr gut ausgebildete Finanzbeamte sehr wohl für andere Dinge, nicht zuletzt bei der Betriebsprüfung, dringend benötigen könnten.
Dieser private Teil der Vermögensteuer wird mit der Erbschaftsteuer zusammengefaßt. Dies ist durch
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
eine Veränderung der Struktur des Erbschaftsteuertarifs möglich. Sie werden damit keine Möglichkeit haben, sich ein neues Verhetzungspotential aufzubauen. Sie werden sich nicht - wie früher beim Jäger 90 - ein Thema suchen können, das Sie uns dann in jeder Debatte vorhalten. Nein, wir sind sicher: Der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer, der Wegfall der Vermögensteuer, die Verbesserung der Gewerbeertragsteuer, die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer und eine vernünftige Gestaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind wichtige, positive Signale für Deutschland und seine Zukunftsfähigkeit sowie für die Investitionsbereitschaft gerade der Unternehmen.
Herr Scharping, denken Sie doch noch einmal darüber nach, was uns eigentlich die Verdoppelung des Vermögensteuersatzes für Private, damals im Solidarpakt, gebracht hat: eine Verlagerung von Kapital, eine Umschichtung in den Haushalten und weniger diesbezügliche Möglichkeiten für uns. Wer mit dem Kapital so umgeht, wie Sie es tun, der muß bei einem freien Kapitalverkehr in Europa fürchten, daß das Kapital Deutschland verläßt. Das ist so ziemlich das letzte. Wir brauchen attraktive Bedingungen, damit Kapital wieder verstärkt nach Deutschland kommt und deutsches Kapital in Deutschland bleibt. Das ist unsere Politik.
Meine Damen und Herren, wir werden auch unseren Kurs fortsetzen, fragwürdig gewordene Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen zurückzuschneiden. Allein in den letzten sechs Jahren haben wir Steuersubventionen in der Größenordnung von über 40 Milliarden DM in Deutschland abgebaut. Wir werden das fortsetzen. Wir denken an die Sonderabschreibungen für Schiffe und Flugzeuge, für die es meines Erachtens keinen Raum mehr gibt. Wir wollen und müssen gemeinsam mit den Ländern
- aber da besteht die Mehrheit aus SPD-Finanzministern - noch verstärkt gegen Steuerbetrug und Steuergestaltungsmißbrauch angehen.
- Wir sind dazu bereit. Reden Sie doch endlich mit Ihren Länderfinanzministern!
Herr Scharping, wir haben doch damals bei der Diskussion um einen Ausgleich für die mit dem Solidarpakt verbundenen Belastungen die Finanzminister gebeten, uns Vorschläge dazu zu machen, was mehr getan werden könnte. Dann sind Herr Schleußer und andere zurückgekommen und haben gesagt, das sei eine Illusion und die Summen, die genannt würden, seien schlichtweg Humbug; sie könnten nicht mehr tun.
Lachen Sie doch nicht und unterhalten Sie sich mit den Leuten, die von dem Thema offensichtlich mehr als Sie verstehen.
Wir wollen eine deutliche Verbreiterung der Bemessensgrundlage, und wir wollen dies durch eine umfassende Reform der Einkommensteuer verwirklichen. Daran werden wir in den nächsten Wochen und Monaten intensiv arbeiten. Ziel ist, die Steuerreform zum 1. Januar 1999 in Kraft zu setzen.
Bei der Gelegenheit werden wir auch das vom Bundesrat angestoßene Thema „Dienstwagen und Verpflegungspauschsätze" noch einmal diskutieren. Wir sind für Verbesserungsvorschläge durchaus aufgeschlossen. Nur wünsche ich mir dann schon, daß man nicht nur Vereinfachungen und Verringerungen von Pauschsätzen will, sondern daß man dann, wenn andere es tun, es akzeptiert und keine neuen Initiativen in Gang setzt.
Meine Damen und Herren, der Wohlfahrts- und Steuerstaat - das müssen wir alle konstatieren - hat seine Grenzen erreicht. Wir können die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft - dazu gehört neben einem hohen individuellen und sozialen Lebensstandard auch die persönliche Freiheit und sozialer Gemeinsinn - im 21. Jahrhundert nur bewahren, wenn wir nicht kleinkariert Einzel- und Gruppeninteressen verteidigen. Mit diesem Programm für den Standort Deutschland im 21. Jahrhundert pakken wir die Wachstumsprobleme entschlossen an, schaffen die politischen Rahmenbedingungen für einen neuen Aufschwung und vermeiden unzumutbare Härten. Wir stellen uns damit der Gegenwart und der Zukunft.
Ich danke Ihnen.