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ID1310201700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/102 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 102. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. April 1996 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 8975 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saar- land) 8983 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8991 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8999 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 9003 A Dr. Gregor Gysi PDS 9005 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 9009 A Rudolf Scharping SPD 9012 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 9016 D Nächste Sitzung 9019 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 9021* A Anlage 2 Zeitige Vorlage wichtiger EU-Dokumente in deutscher Sprache; Lösung der Eigentumsfragen zwischen Deutschland und Polen MdlAnfr 19, 20 - Drs 13/4403 - Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Werner Hoyer AA 9021* D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 9022* C 102. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. April 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 26. 4. 96 Antretter, Robert SPD 26. 4. 96 * Barnett, Doris SPD 26. 4. 96 Beck (Köln), Volker Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Beer, Angelika Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Behrendt, Wolfgang SPD 26. 4. 96 * Belle, Meinrad CDU/CSU 26. 4. 96 Bindig, Rudolf SPD 26. 4. 96 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 26. 4. 96 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 26. 4. 96 Gleicke, Iris SPD 26. 4. 96 Dr. Glotz, Peter SPD 26. 4. 96 Haack (Extertal), SPD 26. 4. 96 * Karl Hermann Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 26. 4. 96 Dr. Höll, Barbara PDS 26.4. 96 Horn, Erwin SPD 26. 4. 96 * Hornung, Siegfried CDU/CSU 26. 4. 96 * Jelpke, Ulla PDS 26. 4. 96 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 26. 4. 96 * Kauder, Volker CDU/CSU 26. 4. 96 Krause (Dessau), CDU/CSU 26. 4. 96 Wolfgang Kuhlwein, Eckart SPD 26. 4. 96 Labsch, Werner SPD 26. 4. 96 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 26. 4. 96 Lederer, Andrea PDS 26. 4. 96 Lemke, Steffi Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Lummer, Heinrich CDU/CSU 26. 4. 96 * Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 4. 96 Erich Marten, Günter CDU/CSU 26.4. 96 Mehl, Ulrike SPD 26. 4. 96 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 26. 4. 96 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26.4. 96 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nelle, Engelbert CDU/CSU 26. 4. 96 Özdemir, Cern Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Dr. Probst, Albert CDU/CSU 26. 4. 96 * Reschke, Otto SPD 26. 4. 96 Dr. Rieder, Norbert CDU/CSU 26. 4. 96 Rixe, Günter SPD 26. 4. 96 Dr. Rochlitz, Jürgen Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Dr. Scheer, Hermann SPD 26. 4. 96 * Schlauch, Rezzo Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen von Schmude, Michael CDU/CSU 26. 4. 96 * Schumann, Ilse SPD 26. 4. 96 Schwanitz, Rolf SPD 26. 4. 96 Steenblock, Rainder Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Steindor, Marina Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Such, Manfred Bündnis 90/ 26. 4. 96 Die Grünen Terborg, Margitta SPD 26. 4. 96 * Tröger, Gottfried CDU/CSU 26. 4. 96 Vosen, Josef SPD 26. 4. 96 Wallow, Hans SPD 26. 4. 96 Weis (Stendal), Reinhard SPD 26. 4. 96 Wiefelspütz, Dieter SPD 26. 4. 96 Wonneberger, Michael CDU/CSU 26. 4. 96 * * Zierer, Benno CDU/CSU 26. 4. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Werner Hoyer auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) (Drucksache 13/4403 Fragen 19 und 20): Was unternimmt die Bundesregierung, damit wichtige EU-Dokumente zeitgleich nicht nur in englischer und französischer, sondern auch in deutscher Sprache vorgelegt werden? 9022* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 26. April 1996 Was unternimmt die Bundesregierung, damit die kürzlich vom polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski in einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau" als „großes Problem" angesprochene Eigentumsfrage einvernehmlich zwischen Deutschland und Polen gelöst wird? Zu Frage 19: Nach der Verordnung Nr. 1 von 1958 sind alle Sprachen der Mitgliedstaaten gleichberechtigte Amts- und Arbeitssprachen der EU. Das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft wird in allen Sprachen gleichzeitig ausgeliefert und liegt damit in deutscher Sprache zum gleichen Zeitpunkt wie z. B. auch in Englisch und Französisch oder den anderen Sprachen der Gemeinschaft vor. Ebenso liegen die Dokumente, über die Rat und Kommission verhandeln, stets in deutscher Sprache vor. Abweichungen von dieser Regel werden in jedem Einzelfall von der Bundesregierung aufgenommen und umgehend behoben. Die Organe der Europäischen Union erkennen den Bedarf für Deutsch an; die deutschen Übersetzer stellen im Übersetzungsdienst der Kommission die größte Gruppe. Die Bundesregierung erhält allerdings auch häufig Entwürfe, die in englischer oder französischer Sprache abgefaßt sind. Das hängt damit zusammen, daß die Bediensteten von Kommission und Rat in der täglichen Praxis ohne Dolmetschung arbeiten müssen und Deutsch als Fremdsprache sehr viel weniger gesprochen und verstanden wird als Englisch und Französisch. Deshalb bemüht sich die Bundesregierung mit aktiver Unterstützung der Kommission und der Länder, durch Sprachkurse für höhere Bedienstete der europäischen Institutionen in Deutschland die Deutschkenntnisse bei den EU-Bediensteten zu fördern. Gemeinsam mit Frankreich setzt sich die Bundesregierung für eine Änderung der Einstellungsvoraussetzungen im Statut der Europäischen Beamten ein: Bewerber sollen danach über vertiefte Kenntnisse einer Gemeinschaftssprache und zufriedenstellende Kenntnisse in zwei weiteren Gemeinschaftssprachen - nicht wie bisher nur: in einer - verfügen. Wir erhoffen uns hiervon, daß Bewerber als dritte Sprache häufig auch Deutsch wählen werden. Zu Frage 20: Die Bundesregierung begrüßt, daß der Präsident Polens das Thema der entschädigungslosen Enteignung der Vertriebenen offen ansprach. Er hat allerdings in dem von Ihnen zitierten Interview gleichzeitig gesagt: „... ich befürchte, daß diesbezügliche Entscheidungen Spannungen hervorrufen würden, derer wir nicht Herr werden können. " Die Haltung der Bundesregierung in der Vermögensfrage, die auch die Bereitschaft einschließt, dieses Thema zum geeigneten Zeitpunkt in geeigneter Weise zur Sprache zu bringen, ist Ihnen bekannt. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksachen 13/2995, 13/3528 Nr. 1.1 Drucksachen 13/3124, 13/3528 Nr. 1.4 Drucksachen 13/3275, 13/3528 Nr. 1.7 Drucksachen 13/3096, 13/3664 Nr. 1.1 Rechtsausschuß Drucksachen 12/8336, 13/725 Nr. 42 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksachen 12/4733, 13/725 Nr. 29 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 13/3668 Nr. 1.4 Drucksache 13/3668 Nr. 1.5 Drucksache 13/3668 Nr. 1.6 Drucksache 13/3668 Nr. 1.7 Drucksache 13/3668 Nr. 1.8 Innenausschuß Drucksache 13/3117 Nr. 1.1 Drucksache 13/3790 Nr. 2.4 Drucksache 13/3790 Nr. 2.5 Drucksache 13/3790 Nr. 2.6 Drucksache 13/3938 Nr. 2.18 Drucksache 13/4137 Nr. 2.17 Drucksache 13/4137 Nr. 2.24 Drucksache 13/4137 Nr. 2.25 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 13/3668 Nr. 2.16 Drucksache 13/3668 Nr. 2.25 Drucksache 13/3668 Nr. 2.49 Drucksache 13/3790 Nr. 2.13 Drucksache 13/3938 Nr. 2.7 Drucksache 13/3938 Nr. 2.23 Drucksache 13/3938 Nr. 2.26 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 13/3529 Nr. 1.7 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/2306 Nr. 2.29 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/3529 Nr. 1.3 Drucksache 13/3668 Nr. 2.59 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/2988 Nr. 1.6
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es nach meiner festen Auffassung nicht mit einer Haushaltskrise zu tun, sondern mit einer Gesellschaftskrise.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir erleben zumindest den versuchten Durchbruch des Neoliberalismus, getragen von der Koalition, von der Bundesregierung, von Arbeitgeberverbänden und auch von Banken. Es geht hier nicht um ein Sparprogramm; in Wirklichkeit geht es um eine Kulturwende.

    (Beifall bei der PDS)

    Das fängt schon mit der Sprache an. Der Vorsitzende der F.D.P. hat uns gerade erklärt, daß der Sozialabbau modern sei. Das aber heißt, daß jemand, der für soziale Gerechtigkeit eintritt, unmodern ist. Das heißt, daß die Frage des sozialen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit als eine Frage des letzten Jahrhunderts betrachtet wird.
    Ich finde, wir sollten nicht wie beim Asyl, wie beim Begriff Flüchtling und bei anderen Dingen zulassen, daß die Begriffe „sozial" und „solidarisch" negativ besetzt werden!
    Sie müssen in unserer Gesellschaft einen positiven Klang behalten.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich halte das Programm im übrigen auch für verfassungswidrig. Es gibt nicht wenige Personen, deren

    Dr. Gregor Gysi
    Würde durch dieses Programm verletzt wird. Das verstößt gegen Art. 1 des Grundgesetzes.
    Aufgegeben wird die Anforderung des Art. 14, daß Eigentum und Vermögen zugleich dem Gemeinwohl dienen sollen. Davon kann nach diesem Programm überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der PDS)

    Vor allem wird auch die Sozialstaatlichkeit aufgegeben, die im Art. 20 des Grundgesetzes festgeschrieben ist.
    Mit diesem Programm wird ein Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben.

    (Beifall bei der PDS)

    Übrigens hat das weitgehende Folgen; nicht nur materielle. Wenn Sie den Sozialabbau so fortsetzen, wie diese Koalition und diese Regierung es tun, dann, behaupte ich, schaffen Sie auch neue Chancen für den Rechtsextremismus, der bekanntlich immer sehr sozialpopulistisch auftritt und dadurch leider an Einfluß in dieser Gesellschaft gewinnen wird. Auch dafür tragen Sie dann Verantwortung.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie verstoßen auch gegen das Gebot der deutschen Einheit, schon deshalb, weil Sie den Sozialabbau unter anderem mit den Kosten für den Aufbau in den neuen Bundesländern begründen. Sie wissen ganz genau, was die Folge davon ist, nämlich eine Ablehnungsstimmung in der Bevölkerung Westdeutschlands und eine Demütigung der Bevölkerung Ostdeutschlands, obwohl Ihnen bekannt ist, daß Ihre Sozialabbaupläne mit der Einheit überhaupt nichts zu tun haben. Das nenne ich Spaltungspolitik.

    (Beifall bei der PDS)

    Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Rede erklären, daß Sie es nicht beklagen, daß dafür Kosten entstanden sind. Das ist noch demütigender. Warum erwähnen Sie denn jeden Tag die Kosten für die deutsche Einheit, wenn Sie sie gar nicht beklagen? Sie erwähnen sie, um unsere Bevölkerung psychologisch zu spalten. Und dabei wissen Sie auch noch, daß die Zahlen falsch sind.

    (Beifall bei der PDS)

    Herr Schäuble und auch Sie, Herr Gerhardt, haben eindeutig unrecht, wenn Sie erklären, daß all das, was jetzt passiert, vor den Landtagswahlen gesagt worden sei. Zeigen Sie mir doch einmal, wo in Ihrem 50-Punkte-Programm steht, daß das Kindergeld entgegen den gesetzlichen Festlegungen am 1. Januar 1997 nicht erhöht werden soll! Kein Mensch hat das vorher gesagt.

    (Beifall bei der PDS)

    Das gilt entsprechend für den Kinderfreibetrag und für andere Regelungen.
    Wenn Sie auf die Lohnfortzahlung hinweisen, dann haben Sie auch nur erklärt, daß die Tarifpartner etwas anderes vereinbaren sollen.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie haben mit keinem Wort gesagt, daß Sie die Gesetze ändern werden, um die Tarifpartner zu zwingen, die Lohnfortzahlung zu reduzieren. Das ist das, was Sie jetzt tun. Nein, Sie haben vor den Wahlen nicht die Wahrheit gesagt, so wie Sie noch vor keiner Wahl die Wahrheit gesagt haben.

    (Beifall bei der PDS)

    Das einzige, was man den Wählerinnen und Wählern anlasten kann, ist, daß sie immer wieder darauf hereinfallen, zumindest ein Teil davon. Vielleicht werden es aber auch weniger.

    (Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Jetzt schimpft er auf die Wähler!)

    - Wissen Sie, ich gehe auch mit der Bevölkerung kritisch um und halte auch nichts davon, daß man sich nicht kritisch zu Leuten äußert.

    (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie sollten mit sich selbst kritisch umgehen!)

    - Das machen wir doch. Ich muß mich doch auch dafür rechtfertigen, warum 1990 so viele CDU gewählt haben. Das hat auch etwas mit Schuld und Vergangenheit zu tun. Sie müssen aber zugeben, es läßt in den neuen Bundesländern nach. Wir sind lernfähig.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie täuschen auch mit diesem Programm. Denn in einem Brief an alle Bürgerinnen und Bürger - das erinnert mich übrigens auch an andere Zeiten -

    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

    hat der Herr Bundeskanzler dargelegt, daß es zwar hart sei, was auf die Bürgerinnen und Bürger zukomme, aber dringend notwendig sei, um das Hauptproblem einer Lösung zuzuführen: das Problem der Arbeitsplätze. Jetzt möchte ich gerne von Ihnen wissen: Wieso soll mit diesem Programm irgendein Arbeitsplatz geschaffen werden? Das müssen Sie einmal erklären.
    Was machen Sie denn in Wirklichkeit? Sie reduzieren die Kaufkraft nach eigenen Angaben um 25 Milliarden DM. Wenn Sie die Kaufkraft um 25 Milliarden DM reduzieren, weil Sie das sozusagen den sozial Bedürftigen wegnehmen, dann wird die Folge sein, daß die Binnennachfrage um 25 Milliarden DM zurückgeht. Das Ergebnis ist ein Abbau von Dienstleistungen, ein Abbau von Produktion und damit selbstverständlich der Abbau von Arbeitsplätzen. 25 Milliarden DM entsprechen 100 000 Arbeitsplätzen, die Sie mit diesem Programm abbauen.

    (Beifall bei der PDS Kurt J. Rossmanith [CDU/CDU]: Keine Ahnung!)

    - Ach, versuchen Sie sich doch nicht als Sachverständiger der DDR. Sie verstehen doch kaum etwas von der Bundesrepublik, geschweige denn von der DDR.
    Ich sage Ihnen: Die Kaufkraftreduzierung wird uns viele Arbeitsplätze kosten.
    Sie wollen die Kuren verteuern und kürzen. Schafft das Arbeitsplätze oder beseitigt das Arbeitsplätze im Kurenbetrieb? Sie wollen die Gesundheitsvorsorge

    Dr. Gregor Gysi
    im wesentlichen reduzieren. Schafft das Arbeitsplätze im medizinischen Bereich, oder baut das Arbeitsplätze im medizinischen Bereich ab? Sie wollen dafür sorgen, daß Brillen und für die nächste Generation auch Zahnersatz nicht mehr bezahlt werden. Schafft das Arbeitsplätze, oder baut das nicht Arbeitsplätze ab?

    (Beifall bei der PDS)

    Sie wollen das Rentenalter erhöhen. Sagen Sie mir doch einmal, wie Sie dadurch Arbeitsplätze schaffen wollen, wenn Menschen länger arbeiten müssen und die nächste Generation keine Arbeitsplätze bekommt. Das ist auch ein Abbau von Arbeitsplätzen.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie wollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kürzen und werden damit auch die Zahl der Arbeitslosen gerade in den neuen Bundesländern drastisch erhöhen.

    (Zuruf des Abg. Uwe Lühr [F.D.P.])

    - Ja, das ist schon so. Sie wissen ganz genau: Wenn überhaupt, brauchen wir eine Arbeitszeitverkürzung, damit die Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird; denn in immer weniger Zeit wird von immer weniger Menschen immer mehr hergestellt. Statt dessen verlängern Sie die Arbeitszeit mit der gegenteiligen Wirkung. Das Ganze, was Sie machen, ist auch eine schlimme Solidaritätsverletzung.
    Der Kanzler hört zwar nicht mehr zu, obwohl es um seine Erklärung geht, aber vielleicht lernt er ohnehin nicht mehr dazu. Nur eines will ich sagen: Er hat gesagt, wir dürfen nicht an Besitzständen kleben. Das sagt übrigens auch Herr Schäuble laufend. Ich möchte gerne einmal wissen, wessen Besitzstände hier gemeint sind. Nennen Sie mir doch einmal einen einzigen Punkt aus diesem Programm, der den Bundeskanzler, mich oder irgendeinen anderen hier im Saal betrifft. Wir haben danach keine einzige Mark weniger. Aber die sozial Schwachen und die Lohnabhängigen haben danach weniger.

    (Beifall bei der PDS)

    Wessen Besitzstände greifen Sie denn täglich an? Unsere doch nicht. Wir haben uns doch in dieser Zeit die Diäten gerade erhöht, und die nächste Erhöhung soll am 1. Juli 1996 folgen. Die Anpassung der Sozialhilfe soll ausfallen. Die Anpassung der Diäten und unserer Kostenpauschale soll stattfinden. Das verstehen Sie unter sozialer Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft!

    (Beifall bei der PDS Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Nackter Populismus!)

    - Aber es ist wahr. Nennen Sie mir den Punkt, bei dem wir etwas draufzahlen, wenn Ihr Programm verwirklicht wird! Nichts! Wir haben danach sogar mehr. Aber die sozial Schwachen in dieser Gesellschaft müssen draufzahlen. Das ist keine Schieflage mehr, das ist skandalös, was Sie hier betreiben.

    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Hätten Sie die DDR nicht kaputtgemacht, sähe vieles besser aus!)

    Die wirklich Vermögenden in dieser Gesellschaft müssen Sie ja nicht fürchten. Die Vermögensteuer soll praktisch abgeschafft werden. Die Erbschaftsteuer soll gesenkt werden, und zwar gerade für große Erbschaften, nicht für die kleinen. Das ist das eine. Wie gesagt: keine Anpassung bei der Sozialhilfe, keine Erhöhung des Kindergeldes. Beim Kindergeld ist das Ganze übrigens auch noch verfassungswidrig. Das ist die andere Antwort, die diese Koalition gibt. Das gilt übrigens auch für das Dienstmädchenprivileg.
    Bei Herrn Gerhardt ist mir folgendes aufgefallen - es ist interessant, wie argumentiert wird -: Bei den sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft wird immer gesagt, wir brauchen neue Gesetze, um den Sozialmißbrauch in diesem oder in jenem Falle auszuschließen. Da sitzen ganze Expertengruppen und denken darüber nach, wie man verhindern kann, daß irgendwo in Hamburg oder in Erfurt eine Sozialhilfeempfängerin 10 DM zuviel bekommt. Aber bei den Vermögenden argumentieren Sie immer umgekehrt. Da sagen Sie: Wir können die nicht höher besteuern, denn dann halten die sich nicht an die Gesetze; dann beschäftigen sie die Dienstmädchen eben schwarz, oder sie begehen Kapitalflucht; und bevor die kriminell werden, schenken wir es ihnen lieber. Das ist Ihre Argumentation, die Sie hier im Ernst anbieten.

    (Heiterkeit und Beifall bei der PDS Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Was wissen Sie schon von Kapitalflucht? Mein Gott!)

    Mit diesem Argument können Sie auch den Diebstahlsparagraphen abschaffen, weil er häufig verletzt wird. Das ist wohl keine sehr günstige Ausgangsposition, die Sie hier gewählt haben.
    Natürlich gibt es Kapitalflucht. Wissen Sie was? Dann besteuern Sie doch endlich die Kapitalflucht! Steuern heißen Steuern, weil man damit steuern kann. Wenn Sie nicht wollen, daß das Kapital ins Ausland geht, dann machen Sie den Gang des Kapitals ins Ausland steuerpflichtig. Dann bricht Ihre ganze Argumentation zusammen, die Sie hier anbieten, wenn es um höhere Steuern für wirklich Reiche und Vermögende geht.

    (Beifall bei der PDS)

    Für alle anderen Vorschläge, die Sie unterbreiten, läßt sich dasselbe erklären. All das ist letztlich eine Verletzung des Solidaritätsprinzips. Auch die Nullrunde im öffentlichen Dienst ist wieder völlig unabhängig von der Höhe der Einkünfte.
    Und dann Ihre Argumentation bei der Lohnfortzahlung: Herr Bundeskanzler, wenn Sie sagen, das betreffe nur 20 Prozent, dann sage ich Ihnen, daß das falsch ist, weil nämlich in vielen Tarifverträgen auf die gesetzlichen Bestimmungen Bezug genommen wird. Wenn Sie die gesetzlichen Bestimmungen ändern, dann betrifft das sehr viele Beschäftigte, die eine Reduzierung bei der Lohnfortzahlung in Kauf nehmen müssen.
    Aber was noch viel schlimmer ist: Wenn es erst einmal einen Teil der Beschäftigten betrifft, dann ist doch klar, daß die Arbeitgeber in den anderen Berei-

    Dr. Gregor Gysi
    chen sagen werden, daß sie die Konkurrenz nicht aushalten. Wenn A bei der Lohnfortzahlung weniger zahlt, muß auch B weniger zahlen. Das wird das Argument sein, und das wissen Sie auch. Deshalb wollen Sie das ja einleiten, damit die Lohnfortzahlung doch beachtlich in Frage gestellt wird und damit eine der wesentlichen und erstreikten Errungenschaften dieser Bundesrepublik Deutschland.
    Dasselbe gilt auch für das Kindergeld, - ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen, auch aus zeitlichen Gründen - und für die Reduzierung der Leistungen für die Arbeitslosen.
    Dann sagen Sie immer, die Renten sind sicher, die Rentnerinnen und Rentner betrifft das alles gar nicht. Abgesehen davon, daß ich an diese Versicherung nicht glaube: Teurere Kuren, betrifft das etwa nicht Rentnerinnen und Rentner? Die Nichtbezahlung von Brillen: Betrifft das etwa nicht Rentnerinnen und Rentner? Die Tatsache, daß man für jedes Arzneimittel zukünftig mehr Geld zahlen muß, betrifft das nicht auch gerade Rentnerinnen und Rentner? Das alles sind Sozialkürzungen zu Lasten derjenigen, die inzwischen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind und die besonders auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.
    Jetzt sage ich Ihnen etwas, was mir wirklich besonders wichtig ist und was ich mit dem Wort Kulturwende meine. Es ist ein Detailpunkt, aber ein ganz schlimmer. Herr Schäuble, ich bitte Sie, wirklich noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken. In Ihrem Programm steht, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar 1997 für Menschen, die bis dahin nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, künftig und für immer die Kostenerstattung von Zahnersatz entfällt. Das heißt: Sie machen für die nächste Generation Armut wieder sichtbar.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Sie wissen, daß man in jedem Dokumentarfilm über die Dritte Welt die Armut unter anderem sofort daran erkennt, daß ab einem bestimmten Alter ganz viele Menschen zahnlos sind.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Mein Gott!)

    - Ja, natürlich. Sie wissen sehr wohl- schauen Sie sich doch einmal alte Filme und Photographien an! -, daß im vorigen Jahrhundert und in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Altersarmut unter anderem sofort zu erkennen war, da sie auch mit Zahnlosigkeit verbunden war. Denn das Geld reichte nie dafür, Zahnersatz selbst zu bezahlen oder für diesen Zweck über Dauer eine eigene zusätzliche Versicherung abzuschließen.
    Sie machen damit schon im äußeren Erscheinungsbild des Menschen Armut wieder kenntlich. Ich sage Ihnen: Das ist eine wirkliche Kulturwende. Das haben diese Menschen nicht verdient. Demütigen Sie sie nicht auch noch zusätzlich neben der materiellen Kürzung, die Sie vorbereiten!

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ihr vorgesehener Abbau des Kündigungsschutzes ist in seiner Begründung abenteuerlich. Natürlich können Sie immer sagen: Jede Art von Kündigungsschutz behindert Einstellungen. Immer wenn ich irgendwelche Pflichten eingehe, ist das natürlich schwerer, als wenn ich gar keine eingehe. Das beste ist, daß man einstellen und kündigen kann, wann immer man will, und daß es keine Tarifvereinbarungen gibt. Dann werden Einstellungen gefördert. Wenn Sie gar keinen Lohn zahlen, dann gibt es natürlich noch mehr Einstellungen. Das ist alles klar. Aber wir haben ja auch gewisse rechtliche und zivilisatorische Errungenschaften, die es zu verteidigen gilt, auch wenn es einmal etwas schwieriger ist, sie ein- und durchzuhalten.
    Statt dessen nichts Positives auf der anderen Seite der Gesellschaft. Was spricht denn so sehr gegen eine Abgabe für Besserverdienende? Unser Vorschlag lautete: 10 Prozent der bisherigen Steuerschuld bei Menschen draufsatteln, die netto 60 000 DM oder mehr im Jahr verdienen - nachdem schon Steuern und Versicherungsbeiträge bezahlt wurden! Jeder, der 5 000 DM oder mehr im Monat zur Verfügung hat - nachdem er seine Steuern und Versicherungen bezahlt hat -, kann nicht bestreiten, ein Besserverdienender zu sein. Diejenigen sollen auf ihre bisherige Steuerschuld noch einmal 10 Prozent drauflegen. Falls sie also Steuern in Höhe von 10 000 DM im Jahr gezahlt haben, sollen sie nun 11 000 DM zahlen. Niemanden von uns würde das ruinieren. Niemand von uns würde dadurch zu einem Sozialfall werden. Wir könnten aber fast alle finanziellen Probleme des Haushalts lösen, wenn Sie sich zu einer solchen Maßnahme bereit erklären würden.

    (Beifall bei der PDS)

    Es ist bekannt, daß wir natürlich eine Erhöhung der Vermögensteuer vorschlagen. Entgegen der Meinung von Herrn Fischer bin ich auch nicht dafür, den Einkommensteuerspitzensatz zu senken. Im Gegenteil, er müßte wieder angehoben werden. Natürlich brauchen wir bei großen Erbschaften auch eine höhere Besteuerung.
    Wenn Sie Mittel in Höhe von 25 Milliarden DM einsparen wollen, dann wäre dies doch so einfach. Lassen Sie uns über den Transrapid nachdenken!

    (Beifall bei der PDS)

    Lassen Sie uns über die in Berlin geplanten Protzbauten für die Regierung neu diskutieren!

    (Beifall bei der PDS)

    Lassen Sie uns über das Ehegattensplitting bei kinderlosen Ehen diskutieren! Das macht im Jahr allein 30 bis 80 Milliarden DM aus. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir eine jährliche Steuerhinterziehung von 100 Milliarden DM und mehr bekämpfen! Dieses Geld würde zusätzlich zur Verfügung stehen.
    Deshalb müssen Sie nicht den Kranken, den Arbeitslosen, den Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern so in die Tasche greifen, wie Sie das im Augenblick tun. Es gibt Alternativen zur Politik des sozialen Kahlschlags, gerade wenn man Massenarbeitslosigkeit bekämpfen will.

    Dr. Gregor Gysi
    Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Mit diesem Programm hat die Bundesregierung den Lohnabhängigen, den Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, den Kranken, den Rentnerinnen und Rentnern, den Arbeitslosen und den Kindern den sozialen Krieg erklärt. Sie haben Wind gesät. Ich hoffe, daß Sie schon am 1. Mai 1996 den ersten Sturm ernten werden.

    (Anhaltender Beifall bei der PDS)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile das Wort dem Bundesfinanzminister Dr. Theodor Waigel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Lafontaine, Sie haben Herrn Peffekoven zitiert. Wenn Sie die Beurteilungen und die Mitwirkungen des Herrn Professors Peffekoven in allen Bereichen einmal solide und zusammenhängend darstellen würden, wäre erkennbar, daß das ganz sicher keine Unterstützung Ihrer Finanzpolitik ist.
    Wenn er kritisiert, daß da und dort die Stetigkeit fehlt, dann deswegen, weil wir im Bundesrat daran gehindert worden sind,

    (Widerspruch bei der SPD)

    vieles zur Konsolidierung durchzuführen. Und wenn Sie jetzt im Bundesrat die notwendigen Entlastungen der Länder und der Kommunen durch das Asylbewerberleistungsgesetz und die Reform des Sozialhilferechts verzögert und nicht rechtzeitig in Gang gesetzt haben, dann tragen Sie mit die Verantwortung dafür, daß die Konsolidierung nicht schon im Jahre 1996 in dem Umfang stattfindet, wie sie hätte stattfinden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben dann wieder das Einkommensteuerrecht zitiert. Es ist schade, daß Herr Bürgermeister Voscherau nicht da ist. Ich hätte von ihm ganz gern einmal eine detaillierte Aufstellung über die Millionäre in Hamburg gehabt. Man kann nicht nur ein Wort in die Debatte werfen und dann die Begründung schuldig bleiben und damit die Emotionalität schüren. Das ist keine seriöse und keine ehrliche Steuer- und Finanzpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Vollends scheinheilig ist es, wenn Sie sich wieder hinter Herrn Professor Bareis und die Kommission stellen. Gehen Sie einmal Punkt für Punkt die Gegenfinanzierungsvorschläge durch, und sagen Sie, ob Sie den Abbau der Steuerfreiheit von Nachtarbeits- und Sonntagszuschlägen, steuerliche Verschlechterungen im Gemeinnützigkeitsbereich, die Nichtabzugsfähigkeit der Kirchensteuer, ob Sie das alles wollen! Dann unterhalten wir uns weiter.
    Übrigens, was die Steuerpolitik anbelangt, sind Sie geradezu das personifizierte Steuerpolitikhindernis. Die Konjunktur wäre in diesem Jahr anders gelaufen, wenn wir die Unternehmensteuerreform, wenn wir den Wegfall der Gewerbekapitalsteuer und die
    Verbesserung der Gewerbeertragsteuer rechtzeitig zum 1. Januar 1996 hätten in Kraft setzen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dann wundere ich mich über eine merkwürdige Doppelzüngigkeit. Auf der einen Seite wird Abbau der Vergünstigungen und damit Herabsetzung des Steuersatzes verlangt. Dann bieten wir an einem Punkt eine aufkommensneutrale Verbesserung der Unternehmensteuerstruktur an, und zwar in einem Bereich, in dem wir Weltspitze sind, nämlich bei den Sätzen für die degressive Abschreibung: 30 Prozent in Deutschland, höchstens zwischen 10 und 20 Prozent in allen anderen Ländern. Wenn wir das auf eine breitere Grundlage stellen und damit sehr schnell Abgaben oder Steuern abschaffen wollen, dann müssen Sie doch bereit sein, spätestens im Jahre 1997, nämlich dann, wenn die Konjunktur wieder läuft, wenn auch die Investitionskonjunktur wieder läuft, den Bereich an Gegenfinanzierung anders zu beurteilen, als Sie das im Augenblick tun.
    Meine Damen und Herren, ich bin gern bereit, mit Ihnen, Herr Lafontaine, eine Diskussion über die versicherungsfremden Leistungen zu führen. Nur muß sie ehrlich erfolgen. Damit ist nämlich keine Abgabenentlastung verbunden, sondern das ist eine Verschiebung. Dann muß man darüber diskutieren, wo versicherungsfremde Leistungen Eingang in die sozialen Sicherungssysteme gefunden haben. Bei der Finanzierung der Einheit jedenfalls nicht. 80 Prozent der Einheitskosten sind steuerfinanziert. Wollen Sie denn die Knappschaft - das Saarland ist ja auch betroffen - möglicherweise rückwirkend für die letzten 20 Jahre dagegenstellen, die landwirtschaftliche Sozialpolitik, die Arbeitslosenhilfe? Und berücksichtigen Sie überhaupt nicht den 20prozentigen Rentenzuschuß? Tun Sie doch nicht so, als ob das die Lösung der Probleme wäre!
    Was die Schuldenhöhe anbelangt: 1995 hatten wir, gemessen am BIP, 58 Prozent Schuldenstandsquote. Zu einem Zeitpunkt, als es schwierig war, in Deutschland Finanzpolitik zu machen, haben wir mit der Privatisierung der Bundesbahn und der Regionalisierung etwas, wie ich meine, strukturell Wichtiges und Vernünftiges gemacht.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Dabei haben wir die Länder noch gut ausgestattet.
    Nur, wir haben die Schulden in den Bundeshaushalt übernommen, damit dies überhaupt möglich war. Diese Schulden spiegeln sich jetzt natürlich in den Kennziffern wieder. Die Bahnschulden können wir also aus der Quote herausrechnen.
    Wir müssen die Schuldenstandsquote auch um die Lasten der Einheit bereinigen. Herr Gysi, wenn wir die Kosten der Einheit darstellen, dann ist dies kein Vorwurf gegenüber den Menschen in den neuen Bundesländern. Im Gegenteil, wir sagen, daß mit ihrer Leistung in den neuen Bundesländern der gleiche Stand erreicht worden wäre wie in den alten Bundesländern. Sie haben aber unter der verbrecherischen

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Politik Ihrer Vorgänger gelitten, mit denen Sie in einem direkten Zusammenhang stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Fischer, was die Annahmen des BMF anbelangt: Ich kann Ihnen nur sagen - wenn Sie zu telefonieren aufhören -, daß wir von den Annahmen der offiziellen Steuerschätzung ausgehen. Im Mai des vergangenen Jahres hat die Steuerschätzung stattgefunden, die für den jetzigen Finanzplan erforderlich ist. Jetzt findet wieder eine Steuerschätzung statt, die für den nächsten Finanzplan zugrunde gelegt wird. Wir nehmen für den Haushalt und den Finanzplan jedesmal die Steuerschätzung, die dafür vorgesehen ist. Sie wird von Bund, Ländern und der Bundesbank unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Forschungsinstitute erstellt. Objektiver kann man das nicht machen.
    Nun hat Herr Fischer wieder vorgeschlagen, eine Steuer auf Spekulationsgewinne einzuführen. Darüber könnte man durchaus reden, wenn es Sinn machte. Nur, wer den Finanzplatz Deutschland, den Finanzplatz Frankfurt, erhalten will, der muß sich darüber im klaren sein, daß wir bei der bestehenden Freiheit des Kapitalverkehrs in Europa nur eines erreichen, nämlich daß der Verkauf dann in London stattfindet und nicht mehr in Frankfurt. Wollen wir damit wirklich den Finanzplatz Deutschland ruinieren? Sie haben doch einen Kämmerer in Frankfurt gehabt, der ein Minimum an Finanzkenntnissen hat. Vielleicht können Sie sich mit ihm zu einem Privatissimum treffen, um gemeinsam zu überlegen, welche Auswirkungen das auf Deutschland hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das lassen wir alles beiseite und kürzen bei der Sozialhilfe!)

    Herr Gysi, es lohnt sich eigentlich nicht, auf Sie einzugehen. Sie haben aber etwas über die Rentner, auch die der früheren DDR, gesagt. Unter dem früheren Regime waren die Rentner in der DDR die ärmsten Menschen. Wir haben ihnen durch eine Steigerung der Rente, die sich sehen lassen kann, die Menschenwürde wiedergegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit diesem Konsolidierungs- und Strukturreformpaket stellen die Koalition und die Bundesregierung die Weichen für mehr Wachstum und Beschäftigung. Wir greifen die strukturellen Schwächen des Standorts Deutschland auf. Sie stehen im Mittelpunkt. Wir müssen gemeinsam mit den Tarifpartnern alles tun, um sie zu beseitigen.
    Die Staatsquote ist zu hoch. Dies ist nicht durch eine ausufernde Staatspolitik entstanden, sondern indem wir eine ganze Volkswirtschaft übernommen haben. Bis zum Jahr 2000 müssen wir die Staatsquote wieder auf den Stand vor der Wiedervereinigung, auf etwa 46 Prozent, senken. Wir müssen im Rahmen einer symmetrischen Finanzpolitik den einen Teil für die Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast und den anderen Teil für die Reduzierung der Defizite verwenden.
    Angesichts einer 25jährigen Erfahrung in Deutschland und in anderen Ländern wissen wir, daß auf Grund globaler Märkte Fehler in der Struktur sofort bestraft werden: Absatzverlust, steigende Preise, steigende Zinsen, weichere Währung, weniger Wachstum und mehr Arbeitslosigkeit.
    Die Erfahrung in Deutschland und in allen G-7-Ländern sowie der Europäischen Union zeigt, daß eine solche Konsolidierung nicht nur mittel- und langfristig, sondern auch kurzfristig auf die Konjunktur und auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze wirkt. Es ist völlig übereinstimmend mit der zwischenzeitlichen Meinung im internationalen Währungsfonds und in der Gruppe der G 7.
    Die SPD muß sich entscheiden, was sie will: höhere Schulden, wie es der Vorsitzende des Haushaltsausschusses angedeutet hat, oder ob man von zu hoher Staatsverschuldung spricht wie Frau Matthäus-Maier oder ob man wie Herr Scharping die Vermögensabgabe fordert. Ich nehme an, Sie werden dazu nachher sicher noch einiges sagen.
    Nur, Herr Scharping, meine Frage an Sie ist: Wollen Sie wirklich eine Verteuerung des Kapitals und damit eine Zinserhöhung, was folglich negative Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen hätte? Haben Sie eigentlich bedacht, daß das Bundesverfassungsgericht eben festgestellt hat, daß hohe Kapitalvermögen wegen der hohen Ertragsteuerbelastung nicht zusätzlich mit einer Substanzabgabe belastet werden dürfen?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber die Ausnahmeregelung war doch da!)

    Ich finde, das war ein Schnellschuß von Ihnen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Nein!)

    Sie sollten sich noch einmal gut überlegen, ob Sie das in der Diskussion aufrecht erhalten.
    Zwischenzeitlich weiß doch jeder, mit einer steuerfinanzierten Nachfrageerhöhung sind die Probleme nicht mehr zu lösen. Das haben die 70er Jahre gezeigt. Nur Konsolidierung schafft Wachstum. Der positive Zusammenhang zwischen Konsolidierung und Wachstum gilt auch kurzfristig.
    Lassen Sie mich einmal das Beispiel einiger anderer Länder darstellen. In Österreich soll das Budgetdefizit des Bundes in den Jahren 1996 und 1997 von jetzt 5 auf 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verringert werden. Das bedeutet Einsparungen pro Jahr in Höhe von 1,4 Prozent des BIP. Im öffentlichen Dienst gilt eine zweijährige Nullrunde mit Reallohnverzicht. Daneben gibt es Einschnitte bei den Frühpensionen, den Renten und bei der Arbeitslosenversicherung.
    In Schweden soll der Haushalt bis 1998 ausgeglichen werden, ausgehend von einem Defizit in Höhe von 10,5 Prozent des BIP. Das bedeutet Einsparungen von jährlich etwa 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Schwerpunkte der Ausgabenkürzungen liegen im Personalbereich und bei den Sozialausgaben.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Auch in Finnland wird bis Ende 1997 ein ausgeglichener Gesamthaushalt angestrebt. Im Zentralbudget 1996 beträgt das Einsparvolumen 1,9 Prozent des BIP. Einsparbereiche sind die Renten und die Arbeitslosenunterstützung.
    Sehr nah bei uns liegen die Niederlande. Sie haben einen Ministerpräsidenten - er war früher Finanzminister, kommt aus dem sozialistischen Bereich und war Gewerkschaftsvorsitzender. Dort ist für den Zeitraum 1995 bis 1998 ein Einsparvolumen von 2,75 BIP-Punkten zu erzielen. Gespart wird im Gesundheitswesen, bei den Renten, beim Kindergeld, bei sonstigen Sozialleistungen. Die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst der Niederlande lagen 1994 bei nominal null Prozent, 1995 bei 0,5 Prozent, und für 1996 sind zum 1. Oktober 0,75 Prozent vereinbart.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Na und?)

    - Sie sagen „Na und" ! Ich bitte Sie, endlich mal dem Beispiel von Wim Kok zu folgen, das in Ihre Politik umzusetzen und es auch gegenüber den Tarifpartnern zum Ausdruck zu bringen. Dann wären wir nämlich sehr viel weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unsere gestern gefaßten Beschlüsse liegen mit einem Sparvolumen von 50 Milliarden DM für den öffentlichen Gesamthaushalt oder 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Rahmen dessen, was sich auch andere Länder zutrauen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Erhöhen Sie einmal die Vermögensteuer wie in Schweden!)

    Für den Haushalt 1996 bleiben wir bei einer Defizitgrößenordnung von rund 60 Milliarden DM. Trotz der Einsparungen ist das Budget auch unter Berücksichtigung der Nettoentlastung des privaten Verbrauchs um 15 bis 20 Milliarden DM durch das Jahressteuergesetz 1996 und den Wegfall des Kohlepfennigs insgesamt konjunkturgerecht. Von einer Überkonsolidierung oder von einem „Kaputtsparen" kann überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wer wie Sie von der Opposition die notwendigen Strukturreformen im Sozialbereich als „Sozialabbau" diffamiert, hat im Gegensatz zu vielen Bürgern den Ernst der Lage nicht verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Bürger wissen sehr wohl: Dies ist notwendig. Sie sind auch bereit, ihren Beitrag zu erbringen, weil sie sich der Verantwortung für ihr eigenes Leben, für das Gemeinwohl und für die nächste Generation durchaus bewußt sind. Wir setzen auf die Vernunft der Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Mit dem Einstieg in notwendige Strukturreformen, in mehr Flexibilität und Eigenverantwortung brechen wir die Ausgaben- und Abgabendynamik, die bisher eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten verhindert. Mit den Änderungen bei der Lohnfortzahlung, beim Kündigungsschutz und bei den befristeten Arbeitsverhältnissen räumen wir entscheidende Bremsklötze für Neueinstellungen aus dem Weg, gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

    Dieses Konsolidierungspaket entlastet auch Länder und Gemeinden deutlich. Es trägt wesentlich dazu bei, daß die Länder ihren Konsolidierungsbeitrag von 25 Milliarden DM erbringen können. Damit passen die Maßnahmen genau zu den bereits von vielen Bundesländern eingeleiteten, zum Teil drastischen Sparmaßnahmen, die von Haushaltssperren über Kürzungen im gesamten Budget bis hin zu einem deutlichen Personalabbau reichen.
    Neben dem, was in dem Konzept steht, muß natürlich auch gesehen werden, welche Entlastungen die Kommunen und damit indirekt auch die Länder durch die Einführung der Pflegeversicherung haben. Das ist eine der größten Entlastungen gerade im kommunalen Bereich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Steuerpolitisch geht es jetzt um die Verwirklichung des abgekoppelten Teils des Jahressteuergesetzes 1996, um die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und eine mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer bei vollem Ausgleich der Einnahmeausfälle der Gemeinden durch Beteiligung am Aufkommen der Umsatzsteuer. Ich bin sehr froh, daß die Kommunen, vor allen Dingen vertreten durch die kommunalen Spitzenverbände, sehr klar erkannt haben, daß dies ihre große Chance ist, die Finanzausstattung der Kommunen dauerhaft qualitativ und auch quantitativ zu verbessern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir gehen einen wichtigen Schritt im Hinblick auf Mittelstandsverbesserung und Eigenkapitalausstattung durch die Verbesserung des § 7 g des Einkommensteuergesetzes. Wir werden den Solidaritätszuschlag absenken, und zwar zum 1. Januar 1997 auf 6,5 Prozent und zum 1. Januar 1998 auf 5,5 Prozent.
    Die Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird sozial ausgewogen erfolgen. Dabei werden wir dem Umstand Rechnung tragen, daß die Vermögensteuer auf Privatvermögen entfällt, und zwar genau aus den Gründen, die Wolfgang Schäuble vorhin dargestellt hat. Wir wären doch wirklich von allen guten Geistern verlassen, nur den erhebungsaufwendigsten Teil einer Steuer weiter zu erheben im Wissen darum, daß dafür in den nächsten Jahren entweder eine neue Hauptfeststellung bei der Einheitsbewertung oder eine riesige Bedarfsbewertung stattfinden muß, und im Wissen darum, daß die Stellen bei den Ländern knapp sind und daß wir sehr gut ausgebildete Finanzbeamte sehr wohl für andere Dinge, nicht zuletzt bei der Betriebsprüfung, dringend benötigen könnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dieser private Teil der Vermögensteuer wird mit der Erbschaftsteuer zusammengefaßt. Dies ist durch

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    eine Veränderung der Struktur des Erbschaftsteuertarifs möglich. Sie werden damit keine Möglichkeit haben, sich ein neues Verhetzungspotential aufzubauen. Sie werden sich nicht - wie früher beim Jäger 90 - ein Thema suchen können, das Sie uns dann in jeder Debatte vorhalten. Nein, wir sind sicher: Der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer, der Wegfall der Vermögensteuer, die Verbesserung der Gewerbeertragsteuer, die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer und eine vernünftige Gestaltung der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind wichtige, positive Signale für Deutschland und seine Zukunftsfähigkeit sowie für die Investitionsbereitschaft gerade der Unternehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Scharping, denken Sie doch noch einmal darüber nach, was uns eigentlich die Verdoppelung des Vermögensteuersatzes für Private, damals im Solidarpakt, gebracht hat: eine Verlagerung von Kapital, eine Umschichtung in den Haushalten und weniger diesbezügliche Möglichkeiten für uns. Wer mit dem Kapital so umgeht, wie Sie es tun, der muß bei einem freien Kapitalverkehr in Europa fürchten, daß das Kapital Deutschland verläßt. Das ist so ziemlich das letzte. Wir brauchen attraktive Bedingungen, damit Kapital wieder verstärkt nach Deutschland kommt und deutsches Kapital in Deutschland bleibt. Das ist unsere Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, wir werden auch unseren Kurs fortsetzen, fragwürdig gewordene Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen zurückzuschneiden. Allein in den letzten sechs Jahren haben wir Steuersubventionen in der Größenordnung von über 40 Milliarden DM in Deutschland abgebaut. Wir werden das fortsetzen. Wir denken an die Sonderabschreibungen für Schiffe und Flugzeuge, für die es meines Erachtens keinen Raum mehr gibt. Wir wollen und müssen gemeinsam mit den Ländern
    - aber da besteht die Mehrheit aus SPD-Finanzministern - noch verstärkt gegen Steuerbetrug und Steuergestaltungsmißbrauch angehen.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    - Wir sind dazu bereit. Reden Sie doch endlich mit Ihren Länderfinanzministern!
    Herr Scharping, wir haben doch damals bei der Diskussion um einen Ausgleich für die mit dem Solidarpakt verbundenen Belastungen die Finanzminister gebeten, uns Vorschläge dazu zu machen, was mehr getan werden könnte. Dann sind Herr Schleußer und andere zurückgekommen und haben gesagt, das sei eine Illusion und die Summen, die genannt würden, seien schlichtweg Humbug; sie könnten nicht mehr tun.
    Lachen Sie doch nicht und unterhalten Sie sich mit den Leuten, die von dem Thema offensichtlich mehr als Sie verstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir wollen eine deutliche Verbreiterung der Bemessensgrundlage, und wir wollen dies durch eine umfassende Reform der Einkommensteuer verwirklichen. Daran werden wir in den nächsten Wochen und Monaten intensiv arbeiten. Ziel ist, die Steuerreform zum 1. Januar 1999 in Kraft zu setzen.
    Bei der Gelegenheit werden wir auch das vom Bundesrat angestoßene Thema „Dienstwagen und Verpflegungspauschsätze" noch einmal diskutieren. Wir sind für Verbesserungsvorschläge durchaus aufgeschlossen. Nur wünsche ich mir dann schon, daß man nicht nur Vereinfachungen und Verringerungen von Pauschsätzen will, sondern daß man dann, wenn andere es tun, es akzeptiert und keine neuen Initiativen in Gang setzt.

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Recht hat er!)

    Meine Damen und Herren, der Wohlfahrts- und Steuerstaat - das müssen wir alle konstatieren - hat seine Grenzen erreicht. Wir können die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft - dazu gehört neben einem hohen individuellen und sozialen Lebensstandard auch die persönliche Freiheit und sozialer Gemeinsinn - im 21. Jahrhundert nur bewahren, wenn wir nicht kleinkariert Einzel- und Gruppeninteressen verteidigen. Mit diesem Programm für den Standort Deutschland im 21. Jahrhundert pakken wir die Wachstumsprobleme entschlossen an, schaffen die politischen Rahmenbedingungen für einen neuen Aufschwung und vermeiden unzumutbare Härten. Wir stellen uns damit der Gegenwart und der Zukunft.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)