Rede von
Elisabeth
Altmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen ist hier der volle Verteilungskampf entbrannt: zuerst beim Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz, bei dem es um die Verdrängung der Lasten vom Bund auf die Kommunen und dann auf die Betroffenen ging, und jetzt beim Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, bei dem es wieder um Lasten geht, die der Bund zu tragen hätte und die er auf die Länder schieben möchte.
Mehr als zwei Jahre - das wurde eben schon gesagt - liegt die berufliche Aufstiegsfortbildung auf Eis. 1993 hat die Regierung die Förderung gekappt. Bis zu dem Zeitpunkt war das alles im AFG geregelt. Im letzten Jahr endlich hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es gab eine Anhörung im Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Sie zeigte die vielen unbefriedigenden Punkte.
Im Vermittlungsausschuß wurde ein Kompromiß erarbeitet, der - das ist die Pointe der ganzen Geschichte - auch von den CDU- und CSU-regierten Ländern mitgetragen wurde. Die Regierungskoalition hat im Bundestag hingegen keine Kompromißfähigkeit gezeigt. Deshalb reden wir heute zum gleichen Thema wie gestern und kommen auch keinen Schritt weiter.
Gestern ließ die Koalition das Meister-BAföGGesetz scheitern, weil sie die Arbeitsämter nicht mit der Durchführung der Förderung beauftragen will. Was steckt eigentlich dahinter? Ist das eine , bloße Formalität? Oder geht es wieder um das Zahlen? Muß der Bund zahlen? Die Regierung will die Kosten aber auf die Länder schieben. Herr Thönnes hat dazu eben schon einiges gesagt. Werden die Arbeitsämter zu Arbeitslosenämtern? Das alles steht hier zur Diskussion.
Die Experten und Expertinnen haben sich durch die Bank für die Arbeitsämter ausgesprochen, weil die eine schnelle Umsetzung gewährleisten und die Sachkompetenz noch dort liegt. Die Arbeitsämter waren ja bis 1992 mit der Durchführung beauftragt. Jedenfalls ist dieser Streitpunkt für die Betroffenen nicht mehr vermittelbar.
In anderen Punkten hat die Koalition offensichtlich berechtigte Kritik aufgenommen. Immerhin ist die Mindeststundenzahl auf 400 Stunden gesenkt worden, so daß ein Teil der sonst durch das Raster Gefallenen - zumeist Frauen - gefördert wird. Dies ist ein Erfolg der Opposition, also von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und PDS. Uns ist es wichtig, daß die Helferinnen, Pflegerinnen und die in kaufmännischen Berufen Tätigen in den Genuß der Förderung kornmen. Das ist hiermit zwar nicht ganz, aber zum Teil gewährleistet.
Ebenso ist es als Erfolg zu werten, daß auch die Kinderbetreuung in die Förderung aufgenommen wird. Ohne Kinderbetreuung könnten viele Frauen nicht an der Förderung teilnehmen.
Elisabeth Altmann
CDU/CSU und F.D.P. hatten sich auf eigenen Antrag bereit erklärt, eine „fraueneinbeziehende Gesetzessprache" - so heißt es in dem Antrag - zu verwenden. Was finde ich nun in dem Gesetzentwurf? Da steht, die Förderung sei für Industriefachwirte, Wirtschaftsinformatiker, Meister der städtischen Hauswirtschaft, Bäckermeister, Feinoptikermeister gedacht. Da frage ich mich schon: Gibt es etwa keine Meisterinnen der städtischen Hauswirtschaft?
- Sie selber haben den Antrag doch so gestellt.
- Dann brauchen Sie nicht einen solchen Antrag zu stellen, wenn es überhaupt nicht möglich ist.
- Ja, gut. In Ihrem Antrag steht auch: „Altenpfleger und Altenpflegerinnen".
- Wie dem auch sei:
Wenn Sie sich bemühen wollten, dann könnten Sie auch in diesem Punkt was tun.
- Ja, gut.
Ich komme zu einem weiteren Punkt: zur Belastung der Länder. Die Belastung der Länder mit 24,9 Prozent der Maßnahmekosten geschieht ja nicht aus Einsicht der Koalition in die schwierige finanzielle Situation der Länder. Vielmehr ist das wieder Taktik. Damit liegt nämlich die Beteiligung genau 0,1 Prozent unter der Grenze, die das Gesetz im Bundesrat zustimmungspflichtig machen würde. Die Länder hatten schon 30 Prozent angeboten. Hiermit schenken Sie den Ländern 20 Millionen DM. Das ist ja gut so; aber ansonsten feilscht die Regierung doch um jede Mark, wenn es zu Lasten der Länder und der Kommunen gehen kann. Aber die Bundesregierung fürchtet, daß sie im Bundesrat noch einmal Federn lassen müßte.
- Okay, aber das könnten Sie mit dem Bundesrat genauso abstimmen.
Für mich. handelt es sich jedenfalls um ein unverständliches Hickhack der Koalition beim Meister-BAföG. Denn hier läuft es nach dem Motto: Wenn ihr nicht so wollt wie wir, dann machen wir das Gesetz eben ohne euch.
Der F.D.P.-Vorsitzende Gerhardt betonte in einer Pressemitteilung zu Recht, daß die jungen Menschen händeringend auf eine Förderung warten.
Ich verstehe nicht, daß die F.D.P. hier einen Zustand bejammert, den sie selbst herbeigeführt hat. Wer regiert denn eigentlich? Sie gehören doch zur Koalition!
- Das ist auch richtig so. Das muß hier betont werden. Sie sind doch mit daran schuld, daß es zu einer weiteren Verschleppung des Meister-BAföGs kommt.
Sie fahren mit einem Karussell, das Kapriolen schlägt, und landen dann im März wahrscheinlich sehr unsanft.
- Wir werden es schon sehen.
Wenn Sie hier dann noch, auch gestern, die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes reklamieren, dann muß man sich schon fragen, welche Auffassung von Recht und Gesetz Sie haben, stimmten doch die Ministerpräsidenten von CDU und CSU dem Gesetz zu. Hier stimme ich ausnahmsweise mit meinem bayerischen Ministerpräsidenten, Herrn Stoiber, überein.
Ich würde Sie, Herr Dr. Mayer, gerne einmal fragen: Was sagen Sie denn zu Hause in Bayern? Die CSU spielt doch hier den „guten Menschen von Sezuan". Sie spielen in dieser Inszenierung gleichzeitig den Guten und den Bösen, Sie vertreten beide Positionen.
- Ja, das machen die immer so.
Das Verhalten der Bundesregierung geht j eden-falls zu Lasten der Aufstiegswilligen und Risikobereiten, von denen Sie sonst immer so schwärmen. Diese können jetzt nicht erfahren, ob sie die Förderung
Elisabeth Altmann
erhalten. Sie brauchen aber die Förderung jetzt und nicht erst in einigen Monaten.