Rede von
Dieter
Pützhofen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl der Haushalt des Bundesbauministers vom Gesamtvolumen her eigentlich zu den kleinen Haushalten gehört, hat er - anders als manch großer Haushalt - direkten, unmittelbaren Einfluß auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Land. Ausreichend und zu verträglichen Bedingungen Wohnraum schaffen steht deshalb nicht ohne Grund hier oder an anderer Stelle im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das ist auf allen politischen Ebenen so, das ist auch im Haushaltsausschuß so. Das ist gut so.
Leider sah das in diesem Jahr etwas anders aus. Sie haben auf die Diskussion des Einzelplanes 25 aus bekannten, aber, wie ich meine, unverständlichen Gründen verzichtet, Herr Kollege Niese. Ich bedaure das sehr. Da fehlt einem ja das Salz in der Suppe. Jedenfalls aus meiner Sicht ist es viel schöner, nach dem Streitgespräch mit Ihnen im Haushaltsausschuß eine Mehrheit zu bilden, als das ganz ohne Widerspruch zu tun.
Vor allen Dingen ist es aber deshalb bedauerlich gewesen, weil wir in diesem Jahr - ich wollte Sie gerne in diese Diskussion einbeziehen und von Ihnen eine Antwort dazu hören -, anders als in den Jahren 1993 und 1994, das Wünschenswerte im Städtebau und in der Wohnungsbaupolitik mit den Zwängen der Haushaltspolitik auf einen Nenner
Dieter Pützhofen
bringen mußten. Sie haben ja nicht ohne Grund bei diesen Beratungen gekniffen.
Das Auf-einen-Nenner-Bringen ist schon in der Schule eine Schwierigkeit. Das fällt einigen schon in der Schule schwer.
In diesem Zusammenhang Wünschenswertes und die Zwänge der Haushaltspolitik auf einen Nenner zu bringen ist schwierig. Hier hieß das - ich sage das in aller Offenheit - Einschnitte, Einschränkungen bei Förderungen und auch Abwehr von Wünschen. Dazu muß man stark sein. Da kann man nicht ausziehen.
Daß viele Wünsche existieren - zum Teil zu Recht -, kann ich Ihnen als jemand, der in der Kommunalpolitik ein ordentliches Paket mitzutragen hat, gerne bestätigen.
Aber wir sitzen hier nicht als Lobbyisten. Ich sehe meine Aufgabe jedenfalls nicht darin, ohne Abwägung gesamtstaatlicher Belange einseitig Stellung zu nehmen. Die Zeit, in der wir mit einem Füllhorn über die Fluren streiften und Wohltaten ausbreiteten, ist vorbei. Um dieses Thema kommen auch Sie nicht herum. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß der Bürger das begreift. Man muß es ihm nur einmal klar sagen.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht führt kein Weg an der Konsolidierung des Haushalts vorbei. Das ist sogar in diesem Hause relativ unbestritten, und das heißt schon eine ganze Menge. Was aber gesamtwirtschaftlich richtig ist, nämlich Konsolidierung, kann für die Bauwirtschaft dann nicht falsch sein.
Wir wissen: Es besteht eine hohe Abhängigkeit des Wohnungsbaus von den Bedingungen des Kapitalmarktes.
Wir wissen, daß eine gesamtwirtschaftlich positive Entwicklung und günstige Bedingungen auf dem Kapitalmarkt Investitionen auslösen werden. Das wiederum bedeutet Bautätigkeit. Das bedeutet Belebung der Bauwirtschaft, und das heißt Sicherung der Arbeitsplätze und damit erneute Nachfrage im Wohnungsbau.
Es ist also im Interesse aller Beteiligten - der Wohnungsuchenden wie der Wohnungschaffenden -, daß aktuelle Einzelerwartungen an den Haushalt hinter gesamtwirtschaftlichen Betrachtungen zurücktreten.
Anders ausgedrückt, Herr Kollege Niese: Was nützen die ursprünglich von der SPD vorgetragenen Millionenforderungen für die verschiedensten Förderwege oder für den Städtebau, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dadurch anschließend nicht mehr stimmen?
Natürlich weiß ich wie Sie, daß der Einzelplan 25 nicht die Konsolidierung des Gesamtbudgets bringen kann, aber er kann seinen Beitrag dazu leisten, und er muß es.
Blickt man insgesamt auf das Ausgabevolumen des Etats des Bauministers im nächsten Jahr, dann stellen wir nur einen geringfügigen Rückgang gegenüber dem diesjährigen Volumen fest. Aber wer den Einzelplan 25 kennt, der weiß, daß die Ansätze im aktuellen Haushalt nur die eine Seite der Medaille sind; die eigentliche Musik, die Dynamik, die Bedeutung steckt in den Verpflichtungsermächtigungen für den sozialen Wohnungsbau und für die Städtebauförderung.
Eine begrenzte Absenkung bei diesen Verpflichtungsermächtigungen im sozialen Wohnungsbau war im Blick auf die geschilderten Gesamtprobleme des Haushalts unvermeidlich, wenn auch schmerzlich.
Allerdings sind diese Absenkungen vor dem Hintergrund der massiven Steigerungen der Förderung in den letzten fünf Jahren zu werten. Dazu, Herr Kollege, haben Sie natürlich in Ihrem Beitrag nichts sagen wollen.
- Sehr richtig.
Der Kollege Braun hat zu Recht die Glaubwürdigkeit der Opposition angesprochen und zu Recht darauf hingewiesen, daß es eine ganze Menge Länder gibt, in denen Sie die Verantwortung tragen und in denen die Mittel für den Wohnungsbau rückläufig sind. Wenn Sie gleichzeitig sagen, das liege an der Bundesregierung, dann müssen Sie im Falle der Länder, wo die Mittel erhöht worden sind, sagen, das liege auch an der Bundesregierung. Offensichtlich ist es doch auf Länderebene möglich, so oder so zu entscheiden.
In Hessen sind die Mittel von 534 Millionen DM im Jahre 1994 auf 360 Millionen DM im Jahre 1995 zurückgegangen, Herr Kollege Niese. In Niedersachsen sind sie von 562 auf 260 Millionen DM, also auf noch nicht einmal die Hälfte, zurückgegangen.
Es gibt Länder, in denen das anders aussieht. Das gebe ich gerne zu. Nordrhein-Westfalen ist ein solches Land, Bayern ist eine solches Land, Thüringen ist ein solches Land. Natürlich gibt es solche Länder. Dennoch ist hier die Glaubwürdigkeit der Opposition angesprochen, wenn Sie sagen, hier müsse man mehr Mittel fordern, aber dort, wo Sie Verantwortung tragen, das nicht in gleicher Weise tun.
Oder nehmen Sie sich einmal die SPD-Forderungen zum Jahressteuergesetz vor. Sie haben mit der Forderung nach Senkung der Abschreibungen
Dieter Pützhofen
erreicht, daß wir weniger frei finanzierten Wohnungsbau haben werden. Das ist eine zwangsläufige Folge der Reduzierung der AfA.
Ich möchte aber auch einmal deutlich machen, daß eine Absenkung der Verpflichtungsermächtigungen nicht zwangsläufig eine geringere Zahl von geförderten Wohnungen zur Folge hat,
wenn die zur Verfügung stehenden Mittel gezielt eingesetzt werden. Das Stichwort heißt „einkommensorientierte Förderung", die nicht nur gerechter ist, sondern zugleich dafür sorgt, daß je Förderung deutlich weniger öffentliche Mittel eingesetzt werden müssen.
Deshalb liegt der Schwerpunkt der Bundesfinanzhilfen bei den Zuschüssen für die vereinbarte und einkommensorientierte Förderung.
Wer in diesem Hause beides im Auge hat - einerseits die Wirkung der Förderwege in unseren Städten und Gemeinden, insbesondere des ersten und zweiten Förderweges, und andererseits die Entwicklung der öffentlichen Haushalte auf allen politischen Ebenen -, der weiß doch, daß wir uns auf Dauer keine Fördersysteme mehr leisten können, in denen erstens Riesensummen versacken, mit denen zweitens für Bevölkerungsgruppen gebaut wird, die es möglicherweise in dieser Einkommensform nicht mehr in dem Umfang geben wird wie bisher, und die drittens letzten Endes auch noch kostentreibend wirken.
Wir sind alle aufgefordert, Regierungskoalition und Opposition, an der grundlegenden Reform des sozialen Wohnungsbaus mitzuarbeiten, die die Bundesregierung zur Zeit vorbereitet - und das nicht nur im Neubaubereich, sondern auch im Bereich des Bestandes.
Wer Kritik an der Wohnungspolitik dieser Bundesregierung übt, sollte sich tatsächlich noch einmal die Rekordzahlen im Wohnungsbau der vergangenen Jahre und dieses Jahres ansehen. Das sind Zahlen, Herr Kollege Niese, die es in den letzten 20 Jahren nicht mehr gegeben hat.
Die cirka 660 000 fertiggestellten Wohnungen werden ihre Entspannungswirkungen am Wohnungsmarkt haben. Wir wissen alle, daß solche Rekordzahlen auf Dauer nicht zu halten sind und auf Dauer auch nicht gebraucht werden. Es gibt weiteren Bedarf; das ist richtig. Aber es geht darum, die Wohnungsbauzahlen auf diesen Bedarf hin mit dem notwendigen Volumen zu verstetigen.
Wer das will, der muß über den sozialen Wohnungsbau hinweg die Instrumente der Wohnungspolitik im Auge haben. Als Beispiel nenne ich die erfolgreich zu Ende geführte Reform der Eigentumsbildung im Wohnungsbau. Sie ist nicht nur unter familienpolitischen, vermögenspolitischen oder sozialpolitischen Gesichtspunkten von elementarer Bedeutung; sie ist auch das Feld mit dem größten Nachholbedarf und damit den größten Entwicklungschancen. Die Verstärkung der Wohnungseigentumsbildung ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Wohnungsbaupolitik und zur Verstetigung des Baugeschehens.
Das Schwergewicht der Finanzhilfen liegt, gemessen an dem Bevölkerungsanteil, auch im sozialen Wohnungsbau nach wie vor zu Recht in den neuen Bundesländern.
Das gilt in noch stärkerem Maße für die Städtebauförderung. Wir haben für die Städtebauförderung im kommenden Jahr rund 600 Millionen DM bereitgestellt. Davon gehen 520 Millionen DM in die neuen Bundesländer. Der dortige Bedarf ist unverändert hoch. Da die Städtebauförderungsmittel in großem Maße private Investitionen auslösen, hat die Städtebauförderung in den neuen Ländern ganz besonders deutliche Erfolge gebracht.
Dennoch wissen wir, daß die immensen Erneuerungsaufgaben auch in Zukunft der Unterstützung bedürfen. Deshalb werden wir weiter, neben den Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, den städtebaulichen Denkmalschutz in den neuen Bundesländern
und vor allen Dingen die städtebauliche Weiterentwicklung der großen Neubaugebiete fördern.
Zu meinem Wunschkatalog gehört auch eine Verstärkung der Städtebauförderung in den alten Bundesländern. Das ist überhaupt keine Frage.
Die Wiederanhebung der Städtebauförderungsmittel über die 80 Millionen DM hinaus, die wir bereitgestellt haben, bleibt deshalb, jedenfalls für mich, auf der Tagesordnung.
Obwohl das für 1996 aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht möglich war, haben wir Flexibilität doch insofern geschaffen, als aus dem Verpflichtungsrahmen für das Förderprogramm 1996 bis zu 70 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen eingesetzt werden können. Darüber hinaus haben wir mit einem entsprechenden Vermerk - wie im vergangenen Jahr - dafür gesorgt und deutlich gemacht, daß 50 Millionen DM aus dem Verpflichtungsrahmen und an Hilfen des Bundes für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit eingesetzt werden sollen.
Dieter Pützhofen
Ich möchte noch einmal betonen, daß das Thema Obdachlosigkeit nicht nur eine Frage der Wohnungspolitik ist. Es ist schon überhaupt keine Frage, die sich nur auf Bundesebene stellt. Eine Lösung dieser Frage ist nur vor Ort in den Kommunen möglich.
Der größte Einzelposten im Haushalt des Bundesbauministers bleibt 1996 das Wohngeld mit einem Volumen von 3,1 Milliarden DM. Wir haben in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses die Wohngeldmittel der wahrscheinlichen Entwicklung angepaßt.
Bedauerlich ist, daß selbst im Haushaltsausschuß zu diesem Thema Fensterreden mittlerweile in der Form Usus werden, daß höhere Haushaltsansätze für Titel gefordert werden, die einer rechtlichen Regel folgen. Auf Wohngeld besteht ein Rechtsanspruch, der nicht durch Anpassungen der Ansätze im Haushalt verändert werden kann. Mehranforderungen ohne Gesetzesänderung gehören also in die Abteilung Showgeschäft.
Neu im Haushalt des Bundesbauministeriums ist 1996 das Förderprogramm zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Das zeigt, daß wir uns trotz der Enge des Haushaltes neuen Aufgaben stellen und sie auch im Etat berücksichtigen.
Für Berlin werden 1996 erhebliche Mittel bereitgestellt. Hier spiegelt der Einzelplan die konsequente Umsetzung der Parlaments- und Regierungsbeschlüsse zum Umzug und zum Bonn-Ausgleich wider.
Wenn wir die Mittelbereitstellung für die Wohnungsfürsorge in Berlin - ich erinnere mich: einvernehmlich - noch mit einem Prüfvorbehalt versehen haben, dann nicht, um die Wohnungsfürsorge zu vernachlässigen, zu bremsen oder gar zu blockieren. Der Sperrvermerk soll lediglich sicherstellen, daß Regierung und Parlament bei der Wohnungsfürsorge in gleichem Maße fürsorglich behandelt werden und nicht die eine Seite mehr als die andere.
- Es ist doch nicht so, als oh Sie heute zum erstenmal etwas von der Privatisierung gehört haben. Wir diskutieren darüber seit Jahren im Haushaltsausschuß. Wenn Ihnen Ihre Kollegen aus dem Haushaltsausschuß das nicht berichtet haben, ist das deren Problem. Wir haben diese Meinung immer wieder vertreten.
Was die Frage der Belegungsbindung anbetrifft, haben wir beim Verkauf der Aachener Bergmann- und Siedlungsgesellschaft gezeigt, daß wir durchaus eine Belegungsbindung damit verbinden. Das ist also überhaupt keine Frage der Mieter. Die Frage ist, ob öffentlicher Wohnungsbau in der hygienischen Verpackung einer Bundesregierung angeboten werden soll oder ob man das nicht besser Privatleute machen läßt.
Bei dieser Frage sehen Sie mich ganz eindeutig auf der Seite der Privaten. Das ist eine sozialdemokratische Denkweise: Alles muß in der hygienischen Verpackung der öffentlichen Verwaltung angeboten werden. Wenn das nicht der Fall ist, funktioniert die ganze Sache nicht.
Sie werden erleben, daß wir diese Gesellschaft privatisieren, daß wir sie verkaufen, daß wir die Belegungsrechte beibehalten und daß wir anschließend den Mietern damit überhaupt nichts Böses getan haben.
Ich habe soeben mit meinen Kollegen darüber gesprochen: Natürlich erfüllt der Haushalt 1996 nicht alle wohnungs- und städtebaulichen Wünsche, in unserer Fraktion nicht, schon gar nicht bei Ihnen.
Es hat ein hartes Ringen um einzelne Positionen bei uns in der Fraktion und in der Regierungskoalition gegeben. Das gebe ich offen zu. Letztlich haben aber gesamtwirtschaftliche Überlegungen und stabilitätspolitische Vorgaben das Ergebnis bestimmt. Ich glaube, daß wir mit diesem Ergebnis vor den Bürger treten können.
Mit Blick auf die Stabilitätspolitik, lieber Kollege Vorredner, möchte ich Sie bitten, mit der gleichen Verve, wie Sie es im Bundestag tun, auch bei den Ländern und Gemeinden Entsprechendes zu fordern.
Herr Minister, ich möchte mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Hilfe bei den Etatberatungen bedanken. Der gleiche Dank geht an die Damen und Herren des Finanzministeriums.
Herzlichen Dank.