Rede von
Dr.
Wolfgang
Weng
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die richtigen Worte, die der Kollege Metzger gefunden hat, sind natürlich leicht zu sprechen, wenn man in der Opposition ist und am Schluß nichts beweisen muß. Sie
sind trotzdem noch sinnvoller und angenehmer als das Horrorbild, das der Kollege Diller vorhin gemalt hat und angesichts dessen er selber erschrocken war und blaß geworden ist.
Herr Kollege Diller, wir lassen uns durch Ihr Horrorbild nicht miesmachen, was in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren entstanden ist, was hier geleistet worden ist, was durch gute Politik, was aber vor allem durch den Fleiß, den Einsatz und den Aufbauwillen der Bürger in der Bundesrepublik geleistet worden ist. Das ist eine gute Leistung, auf die wir stolz sind und hinter der wir stehen.
Die Bundestagsfraktion der F.D.P. bewertet das Ergebnis der Beratungen des Haushaltsausschusses, die wir ohne die Opposition abgeschlossen haben, die die Beratungen in einer unwürdigen Weise verlassen hat,
als positiv.
Die Fraktion der F.D.P. signalisiert deswegen im Deutschen Bundestag in zweiter Lesung ihre Zustimmung. Natürlich stellen auch wir fest, daß es im Haushaltsausschuß nur mit einigem Ächzen und Zerren gelungen ist, eine Punktlandung zu machen. Aber wir haben dann eine Punktlandung erreicht.
Die Eckwerte, die wir im Ausschuß beschlossen haben, begrüßen wir. Wir legen Wert darauf, daß sie auch im Vollzug eingehalten werden. Wir sind zufrieden, daß der Umfang des Haushalts beim Bund zum erstenmal seit Jahrzehnten sinkt. Wir sind zufrieden, daß die Nettoneuverschuldung im Rahmen der Finanzplanung geblieben ist und daß es möglich war, diesen Rahmen zu halten. Das war in der schwierigen Lage gerade gegen Schluß der Beratungen keine Selbstverständlichkeit.
In der Finanzplanung ist als Nettoneuverschuldung des Bundes die außerordentlich hohe Zahl von 60 Milliarden DM vorgesehen gewesen. Die Zustimmung unserer Fraktion zu dieser hohen Verschuldung erfolgt auch nur deshalb, weil für uns die weitere Finanzplanung verbindlich ist. Nach der haushaltspolitischen Bewältigung der deutschen Einheit muß jetzt die Verschuldung des Bundeshaushalts entsprechend der wirtschaftlichen Situation der Bundesrepublik Deutschland wieder zurückgeführt werden.
Der Schuldenberg aller öffentlichen Hände droht sonst aus den Fugen zu geraten. Die schon erwähnte
Dr. Wolfgang Weng
Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler hat symbolisch recht. Obwohl ich weiß, daß der Bundeshaushalt nur ein Teil der Gesamtpolitik ist, sage ich für meine Fraktion: Die Rückführung der Verschuldung hat für uns allerhöchsten Stellenwert.
Wir können beweisen, daß wir nach 1982 in vergleichbarer Situation über Jahre in gleicher Weise agiert und das in dieser Sache Gewünschte erreicht haben. Egal, wie gut die Gründe sind, die im Moment diese Schulden auslösen - niemand in diesem Hause hatte nach der Vereinigung, nach der Wirtschafts- und Währungsunion eine ernsthafte Alternative -: Mit Blick auf die heranwachsende Generation, mit Blick auf die künftigen Gestaltungsmöglichkeiten der jungen Menschen in diesem Land sind diese Schulden nur noch zu verantworten, wenn sie nach der Sondersituation durch die deutsche Einheit eindeutig abgebaut werden und in Richtung Null lauf en.
Es kommt ein weiterer wesentlicher Punkt hinzu, der diese Anstrengungen notwendig macht. Wenn wir die Dinge treiben lassen, laufen wir Gefahr, bei der Erfüllung der Kriterien des Maastricht-Vertrags zur Währungsunion in Europa selbst durch den Rost zu fallen. Wer weiß, was die europäische Einigung für unsere Menschen, für unsere Bürger bedeutet, der darf sie nicht aufs Spiel setzen. Wenn schon die Bundesrepublik Deutschland bei der Erfüllung der Kriterien Schwierigkeiten bekäme, dann wäre das Scheitern des Vorhabens Währungsunion programmiert. Wir wollen aber diesen Erfolg für Europa. Hierfür ist gerade die Einbindung des wiedervereinigten Deutschlands in gutnachbarliche Beziehungen nach allen Seiten unabdingbar.
Die Freien Demokraten werden im Zuge der europäischen Währungsunion alles dafür tun, daß die Stabilität der neuen Währung genauso groß ist wie die, die unsere Bürger von der Deutschen Mark gewöhnt sind.
Auch hier können wir belegen: In jahrelanger parlamentarischer Arbeit, in enger Kooperation mit der Deutschen Bundesbank ist die Stabilität der Deutschen Mark nicht vom Himmel herabgefallen, son-dem durch die Politik der Koalition gesichert worden.
Da es, meine Damen und Herren, durch die Anstrengung unserer Regierung gelungen ist, eine vergleichbare Notenbank auf europäischer Ebene einzurichten, die symbolhaft in Frankfurt ihren Standort haben wird, sage ich Ihnen voraus, daß gleiche Stabilität für unsere Bürger gesichert wird.
Dies bedeutet eine große Kraftanstrengung, Herr Kollege Fischer. Deswegen bejahen wir die Notwendigkeit eines nationalen Stabilitätspakts mit Blick auf Europa, der auch das Einhalten des europäischen Zeitplans ermöglichen soll. Wir wissen, was wir unseren Bürgern schuldig sind.
- Die Zwischenrufer hier, die das Ganze auf zwei Länder beschränken wollen, übersehen natürlich bewußt die großen Anstrengungen, die andere Nachbarn unternehmen, um diese Kriterien zu erreichen, Nachbarn, die sich ein Beispiel an uns nehmen. Das fordert uns um so mehr da, wo wir selber ein Beispiel bieten können.
Wir sind dies unseren Bürgern schuldig, gerade auch den Bürgern, die im Vertrauen auf die Solidität unseres Staates sparsam sind, Geld gespart haben, Konsumverzicht leisten und die hierdurch überhaupt die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß zum Beispiel die Währungsunion mit der DDR und in der Folge die Wiedervereinigung ohne Einbrüche der Deutschen Mark verkraftet werden konnten.
Für einen solchen Stabilitätspakt brauchen wir natürlich die Bundesländer. Hier muß auch die Opposition im Deutschen Bundestag mit in das Boot, egal wie sehr sie sich dagegen sträubt. Daß sich die Oppositionsfraktionen bzw. die -gruppe in der letzten Phase der Haushaltsberatung ihrer parlamentarischen Verantwortung entzogen haben und mit ihrem Auszug aus dem Haushaltsausschuß ein unwürdiges, ja ein jämmerliches Spektakel geboten haben, nehme ich nicht besonders ernst.
Das ist auch schnell vergessen; heute sind die Herrschaften ja schon wieder da. Aber daß Populisten aus der SPD neuerdings von den europapolitischen Zielen abrücken - wohl in der Hoffnung, bei Nationalisten und deren Klientel plötzlich Zuspruch zu finden -, ist bedrückend.
Sie werden, meine Damen und Herren von der SPD, in diesem Bemühen scheitern, und Sie schaden mit Ihrer Haltung einer guten Sache. Kehren Sie um!
Zurück zum Haushalt. Der uneingeschränkte Jubel, in den wir bei der ersten Beratung einstimmen konnten, ist verklungen. Die Steuerschätzung im Oktober hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ebenso ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt trotz guter wirtschaftlicher Bedingungen leider hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Wir mußten in der letzten Phase unserer Beratungen in großem Umfang Einnahmeausfälle und zusätzliche nicht erwartete Ausgaben berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang will ich auch darauf hinweisen, daß das Verfahren der Steuerschätzung unsicherer geworden ist. In der Vergangenheit ha-
Dr. Wolfgang Weng
ben wir uns immer sehr fest auf die gegebenen Zahlen verlassen können. Jetzt sagt uns der Arbeitskreis, daß mehr Unwägbarkeiten in der Schätzung liegen.
Das heißt, wir müssen in Zukunft mit der Erwartung der öffentlichen Einnahmen vorsichtiger umgehen, als das seither möglich war.
Die vorhergesagten Einnahmeausfälle verändern auch Strukturen. Das bedeutet, wir müssen von Basiseffekten ausgehen, die sich in kommenden Jahren fortsetzen. Das ist ja von meinem Vorredner erwähnt worden. Das heißt: zusätzliche Anstrengungen.
Die gesamtwirtschaftliche Situation ist ja nicht unbefriedigend. Die Wachstumsraten, vor allem auch in den neuen Bundesländern, zeigen weiterhin deutlich nach oben. Aber es ist schon beeindruckend, wie schwierig es ist, notwendige Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu schaffen, die mehr Investitionen und die mehr Arbeitsplätze auslösen sollen. Auch hier ist die SPD gefordert, ihrer Verantwortung als Opposition im Bundestag, vor allem aber als Mehrheitsführer im Bundesrat gerecht zu werden. Ihr Verhalten - das haben Ihre Redner hier wieder deutlich gemacht - zu notwendigen strukturellen Verbesserungen für die Wirtschaft erinnert an frühere sowjetische Politsekretäre, deren einzige Antwort immer ,,Njet" war.
Teilweise mit dem Schuh auf das Podium klopfen, das erwarte ich vom Kollegen Diller bei der nächsten Etatberatung.
Meine Damen und Herren, natürlich wirken viele Faktoren unter dem Stichwort „Standort Deutschland" zusammen. Selbst die IG Metall hat ja dazugelernt. Für einige der Vorschläge, die ihr Vorsitzender Zwickel in der vergangenen Woche gemacht hat, ist die F.D.P. noch vor wenigen Jahren furchtbar geprügelt worden.
Denken, Sie nur an das Stichwort Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich oder an die Forderung, in bestimmten Fällen zeitweise auch unter Tarif berufstätig zu sein.
Während man vor wenigen Wochen bei der Gewerkschaft IG Bergbau und Energie bei den Äußerungen zur deutschen Steinkohle das Gefühl haben mußte, diese Leute befinden sich außerhalb jeder Realität, hat die IG Metall wenigstens teilweise ihre Mitverantwortung auch für die Arbeitsplätze derer akzeptiert, die im Moment keine Arbeit haben. Das ist neu.
Wenn man dort erkannt hat, daß man den Bogen überspannt hat, daß die Forderungen überzogen waren,
daß auch die gültigen Abschlüsse dem Wirtschaftsstandort nicht gerecht werden, warum wird dann eigentlich bis nächstes Jahr gewartet? Warum setzt man sich nicht sofort zusammen und bringt die notwendigen Korrekturen an?
Ich fordere die Tarifparteien auf: Setzen Sie sich umgehend zusammen!
Meine Damen und Herren, wenn schon kurzfristig Löcher im Haushalt geschlossen werden müssen, so ist es im Sinne der F.D.P.-Fraktion, daß dies durch verstärkte Privatisierungsanstrengungen erfolgt. Wir wünschen, daß die völlige Privatisierung der Deutschen Lufthansa im kommenden Jahr tatsächlich stattfindet. Ich fordere den Verkehrsminister auf - er hat diese Privatisierung ja selber lange Jahre immer gefordert -, durch sein Haus die notwendigen Arbeiten zügiger voranzubringen. Europa darf hier nicht ein bürokratischer Verhinderer sein. Der letzte Sachstand ließ doch Zweifel zu, ob die beamtete Ebene im Verkehrsministerium diese Privatisierung tatsächlich so intensiv vorantreibt, wie es der Weisung des Ministers entsprechen müßte.
Wir sind dafür, daß die Postbank privatisiert wird, und wir sind bereit, daran mitzuwirken.
Aber gerade weil wir im Zusammenhang mit der Postreform ein selbständig arbeitendes Bankinstitut schaffen wollten und geschaffen haben, kann eine Privatisierung an die Deutsche Post AG nicht in Frage kommen; denn dann wäre ja ein Teil des früheren Zustands wiederhergestellt. Sorgfältig und ordnungspolitisch sauber - das ist Forderung der F.D.P.
Und wenn der Bund sich von Anteilen an großen Wohnungsgesellschaften trennt, ist dies durchaus zu begrüßen. Die Position der SPD zu diesen Plänen war entlarvend; sie ist vom Kollegen Roth richtig apostrophiert worden. Frau Fuchs im Hemd der Vorsitzenden des Mieterbundes führte lauthals Klage, diese Privatisierung sei unsozial. Meine Damen und Herren, soweit Wohnungen in der Sozialbindung sind, bleiben sie in dieser Bindung, und wo das nicht der Fall ist, ist der Bund nach der Haushaltsordnung verpflichtet, die Marktmiete zu verlangen. Andernfalls würde er geldwerte Vorteile verteilen, was gar nicht sein darf. Hier versucht die SPD wie so oft, mit Halbwahrheiten ein trauriges Süppchen zu kochen.
Wir Freien Demokraten setzen uns dafür ein, daß eine solche Privatisierung erfolgt, und wir setzen uns auch dafür ein, daß sie für die Mieter mit der Chance verbunden wird, Eigentum an ihrer Wohnung zu erwerben.
Genau in dieser Ablehnung zeigt sich die Ideologie der SPD: lieber staatlich verwaltete besitzlose Bürger als Individuen, die mit Eigentum ausgestattet
Dr. Wolfgang Weng
sind und dann auch eigenverantwortlich handeln können.
Die Freien Demokraten bedauern immer noch, daß in der vergangenen Wahlperiode eine Initiative der Koalition, eine verstärkte Privatisierung bei Ländern und Gemeinden auszulösen, im Bundesrat auf der Strecke geblieben ist.
Wir wollten das Haushaltsgrundsätzegesetz so ändern, daß die Notwendigkeit öffentlicher Beteiligungen auch bei Ländern und Gemeinden regelmäßig neu belegt, regelmäßig neu begründet werden muß. Dies hätte den notwendigen Privatisierungsdruck auch in dem Bereich ausgelöst. Wir sind, meine Damen und Herren, weiterhin bereit zu einer solchen Initiative. Wir bieten dem Koalitionspartner ausdrücklich an, einen erneuten Vorstoß zu machen. In allen fortschrittlichen Volkswirtschaften dieser Welt stehen die Zeichen auf Privatisierung.
Unter dem Stichwort „Standort Deutschland" wird zu Recht die völlige Überreglementierung beklagt. Wenn in einem Bereich kleine Fortschritte bei der Deregulierung angestrebt werden, dann hört man aber häufig, dies sei nun wirklich nicht das allerwichtigste Thema. Das erinnert an die Situation bei anderen Reformvorhaben. Im Gesundheitsbereich z. B. wird gesagt: Unser Teil beträgt ja nur 3 Prozent des ganzen Kuchens; deswegen brauchen wir hier über Einsparungen gar nicht zu reden. Nichts, meine Damen und Herren, ist monokausal. Viele Dinge wirken zusammen.
Die Koalition hat jetzt einen kleinen Fortschritt bei der Deregulierung vereinbart, gerade heute. Sie will den starren Ladenschluß flexibler gestalten. Dies schafft zusätzliches Wirtschaftswachstum. Nach allen Prognosen schafft es zusätzliche Arbeitsplätze. Es schafft Marktnischen für innovativen Mittelstand, und es schafft natürlich auch bessere Einkaufsmöglichkeiten für viele Verbraucher. Gerade in Kenntnis der veränderten Situation - Durchlöcherung durch Rechtsprechung, durch Einkaufsmöglichkeiten im Tankstellen- und im Bahnhofsbereich sowie bei Messen, im Grenzgebiet u. ä. - wäre die Opposition gut beraten, wenn sie an einer fortschrittlichen Regelung mitwirken würde. Aber was kommt von der SPD? Sicherlich wieder das bekannte Nj et!
- Wenigstens dümmliches Gelächter. Das ist schon besser als nichts!
An einer Stelle des Haushalts allerdings drehen die Sozialdemokraten besonders lustige Pirouetten: Das ist der Verteidigungsbereich. Während Teile der Bundestagsfraktion der SPD die verteidigungspolitischen Notwendigkeiten akzeptieren, ist die Fraktionsmehrheit in der Hoffnung auf Populismusdividende immer bei den Neinsagern zu finden. Militärische Beschaffung galt und gilt dort als Steinbruch, auch wenn sich die Haushaltskollegen der SPD diesmal ein wenig zurückgehalten haben.
Aber durch die Haltung der Sozialdemokraten zu einem neuen Jagdflugzeug für die Bundeswehr entlarven sie sich selbst. Über die Frage „Bedarf - ja oder nein?" schweigen sie sich aus. Die Ministerpräsidenten bzw. Wirtschaftsminister der SPD in den Bundesländern, vor allem in Ländern mit DASAStandorten, fordern, daß dieses Jagdflugzeug in jedem Fall in Deutschland gebaut werden muß. Und die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag? Sie sagt weiterhin njet nach dem bewährten Motto „Ablehnen, solange die Zustimmung gesichert erscheint".