Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier vor dem Hintergrund großer finanzieller Engpässe bei Bund, Ländern und Gemeinden. Die Sparzwänge machen es notwendig, alle sozialen Leistungen auf den Prüfstand zu stellen. Auch wenn Sie es vielleicht mühsam finden, mir dies abzunehmen: Es fällt besonders schwer, dies am unteren Ende der Leiter zu tun, denn wir können nicht nur von Zahlen reden, wir reden auch von Menschen. Mit Verlaub, es sind Menschen, denen ich öfter begegne als manche andere, die hier im Hause sitzen. Dennoch muß man abwägen, und man muß schließlich einen Kompromiß finden, denn es sind sehr unterschiedliche Interessen zu wahren. Es sind die Interessen der verschiedenen politischen Ebenen zu wahren. Es sind die Interessen der verschiedenen Menschen, die in diesem Land leben, zu berücksichtigen.
Bitte erlauben Sie mir, daß ich eine Bemerkung in eigener Sache mache. Ich persönlich werde sehr stark angegangen von christlichen und anderen Verbänden und Vereinigungen. Das war nicht anders zu erwarten. Aber ich will Ihnen hier sagen: Ich habe mir sehr gründlich überlegt, ob ich mich aus diesem schwierigen Thema heraushalten soll, ob ich abwarten soll, um mich hinterher enttäuscht zu zeigen und meine Hände in Unschuld zu waschen. Das wäre medienwirksam und bequem; ehrlich wäre es nicht.
Ich habe den etwas unbequemeren Weg gewählt und meinen Standpunkt sehr deutlich in die Verhandlungen eingebracht.
Mir ging es darum, den Kreis derjenigen, die abgesenkte Leistungen erhalten, so klein wie irgend möglich zu halten. Das ist mir und meiner Fraktion gelungen, übrigens auch gegen die Signale, die im Vorfeld gerade auch SPD-regierte Länder und Städte einstimmig, wie ich gehört habe, ins Feld geführt haben.
Darum, wenn Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, dann tun Sie das bitte nur mit ganz leisem Geklapper, denn es ist nicht ganz ehrlich.
Das ist doch alles nicht leicht, und zwar für niemanden. Das braucht doch keiner zu denken.
Am Ende haben wir einen Kompromiß erzielt, der die Bürgerkriegsflüchtlinge nicht einbezieht,
und das halte ich wirklich für wichtig, denn erinnern wir uns doch: Wir wollten für sie einen Sonderstatus haben, der nicht ausgefüllt worden ist, und das liegt doch nicht allein beim Bund, Frau Kollegin Matthäus-Maier.
Das liegt an der mangelnden Verhandlungsbereitschaft und Starrheit beider Seiten, aber da kann man nicht die Bürgerkriegsflüchtlinge sozusagen bestrafen und sagen: Ihr bekommt keinen Sonderstatus, der ausgefüllt ist, aber dafür geringere Leistungen. - Außerdem war die „Philosophie" eine ganz andere. Meine Redezeit reicht nicht aus, das zu erklären.
Es sind die Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nicht betroffen - das sind auch Menschen, die vorübergehend hier sind -, und eine weitere Kumulierung mit abgesenkten Leistungen ist ausgeschlossen worden.
Ich will eines sagen. Bei der Frage der Sachleistungen, wo ja „im Regelfall" steht, werden die Länder und Gemeinden, die das heute schon tun, interessante und kreative Lösungen weiter verfolgen können. Ich möchte das nicht vertiefen. Wer Interesse hat, der weiß, wie das geht.
Ich möchte Sie aber bitten, eines zur Kenntnis zu nehmen. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen. Wir verfahren künftig ganz ähnlich und zum Teil sogar immer noch großzügiger, als unsere europäischen Nachbarländer das tun. Selbstverständlich orientiert sich die Hilfe für Bedürftige an der Wirtschaftskraft eines Landes, und ich habe zu Beginn von den Sparzwängen gesprochen.
Es muß doch auch noch einmal gesagt werden, daß die Bundesrepublik einfach die weitaus größte Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern aufgenommen hat und aufnimmt. Ich will Ihnen das nur sagen: Im März 1995 waren es bei uns 350 000 Flüchtlinge; bei den Asylbewerbern haben wir im vergangenen Jahr - und das waren weniger als vorher - 127 000 aufgenommen, in den letzten fünf Jahren 1 337 000. Die nächsten in dieser Reihenfolge sind dann die Schweden, deren Land natürlich viel kleiner ist, aber sie haben nicht einmal 200 000 Asylbewerber aufgenommen. Ich denke, es ist schon wichtig, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, es wird auch in Zukunft kein Ausländerleistungsgesetz geben, das für alle, die hier nur vorübergehend leben, Gültigkeit hat, und dies, mit Verlaub, weiß auch Herr Minister Seehofer sehr genau.