Rede von
Gunter
Weißgerber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, es hat etwas von einer Gespensterdebatte, die wir führen. Wir reden über Dinge, die so nicht existierten, wie sie von seiten der Bundesregierung und der Koalitionsparteien gesehen werden.
In den letzten Jahren ist einiges Verwunderliches geschehen: Dinge, die 30, 40 Jahre eindeutig feststanden und einer Diskussion standhielten, werden heute generell entgegengesetzt bewertet. Dazu gehören die Mauergrundstücke. Das Unrechtsregime wurde verteufelt - natürlich zu Recht -, die Wirtschaftsbeziehungen waren total unlogisch und wurden auch als solche bezeichnet. Heute ist es so, daß die Mauergrundstücke plötzlich rechtens enteignet worden sind, der Fiskus und nicht die Leute, denen das gehört hat, darauf Anspruch hat, und die Wirtschaftsbeziehungen sind plötzlich auch in Ordnung gewesen.
Herr Schulz hat das bereits deutlich angesprochen - ich brauche das nicht zu wiederholen -: Das, was als Altschulden bezeichnet wird, waren keine. Aber uns wird vorgemacht, es soll so sein. Das waren und sind keine Altschulden.
Ich nenne als Beispiel die Stadt Leipzig. Die Stadt Leipzig gilt als größter Schuldner der neuen Bundesländer. 420 Millionen DM sogenannte Altschulden beinhalten 280 Millionen DM direkte Schulden und 140 Millionen DM an Zinsen. Das Gewandhaus steht mit 72 Millionen DM und das Affenhaus im Zoo mit 1,4 Millionen DM angeblich in der Kreide.
Welche Folgen hat das für Leipzig? Leipzig hat jetzt eine Pro-Kopf-Verschuldung von knapp 1 350 DM. Wenn ungefähr 1 000 DM pro Kopf Altschulden hinzukommen, erreichen wir eine Verschuldung, die der Belastung der Kommunen im Westen in etwa entspricht. Wir haben dazu aber nur fünf Jahre gebraucht. 40 Jahre sind aufzuholen. Dazu wollen wir keine weiteren 40 Jahre brauchen, aber wir müssen doch sehen, wo wir uns jetzt schon befinden. Wir haben noch viel aufzuholen. Wer soll denn diese Verschuldung abbauen? Kann sich das jemand vorstellen?
Uns Sozialdemokraten wird immer Erfindungsreichtum bei den Steuern und Abgaben vorgeworfen. Was hier passiert, ist nichts anderes als eine Sonderabgabe der ostdeutschen Kommunen. Das ist ein Abkassierungsmodell, bei dem Finanzen in die Bundeskasse zurückgegeben werden.
Dabei ist es doch so einfach: Es handelt sich um Phantomzahlen. Hier sind Bilanzen von den Banken aufgebläht worden. Lassen wir doch die Luft wieder raus! Das muß doch gehen. Die Banken müssen doch auch ein Interesse an realistischen Zahlen haben. In dem Fall muß der Bund nichts übernehmen, und die Kommunen hätten nichts zu bezahlen; denn es handelt sich nur um Phantomzahlen.
Mir ist natürlich klar, daß der Finanzminister riesige Haushaltslöcher stopfen muß. In dieser Woche war viel davon die Rede. Aber daß er dafür realsozialistische Staats- und Kommunalfinanzierung in Kredite bürgerlichen Rechts ummünzt, kann es doch wohl nicht gewesen sein.
Meinem Oberbürgermeister, Hinrich LehmannGrube, kann ich nur raten, bei seinem Standpunkt zu bleiben und nichts zu bezahlen. Recht so, Hinrich! Ich kann der Bundesregierung nur sagen: Wer den Aufbau Ost wirklich ernst meint, kann nicht auf sogenannten Altschulden bestehen.
Frau Karwatzki, an Sie habe ich eine Frage, die Sie natürlich jetzt auf Grund der Geschäftsordnung nicht beantworten können. Was geschieht mit den Gemeinden, die Altschulden haben und deren Objekte nicht aufzufinden sind? Die Antwort darauf interessiert mich.
Danke schön.