Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schön, daß wir viele Gemeinsamkeiten festgestellt haben. Das werde auch ich in meinem Redebeitrag tun. Aber es ist natürlich ebenso wichtig, daß man den Unterschied zwischen Regierung und Opposition nicht verwischt. Deshalb will ich versuchen, auch diesen Teil nicht zu kurz kommen zu lassen.
Mehr als ein Jahrzehnt hat die SPD dafür gekämpft, die sozial ungerechte, familienfeindliche und nicht treffsichere Wohneigentumsförderung durch eine wirklich neue Reform zu ersetzen.
Wenn die Hälfte einer staatlichen Förderung 20 % der Haushalte, die das höchste Einkommen haben, bekommen und wenn Familien mit mittlerem Einkommen mangels Masse nicht bauen können, dann muß ein solches Gesetz weg.
Wenn die Menschen in den neuen Bundesländern kein Eigentum schaffen können, weil sie auf Grund niedrigerer Einkommen § 10e EStG nicht nutzen können, dann muß ein solcher Paragraph weg. Immer und immer wieder haben wir Ihnen das gesagt - das ist heute schon angeklungen -, und wir haben viele Jahre gebraucht, ehe Sie in der Lage waren, diesen Weg mitzugehen und das Gesetz zu reformieren.
In der Zwischenzeit hätten Hunderttausende von Menschen Eigentum schaffen können. Das sollte man an einem solchen Tag einmal festhalten.
Ich habe eine Reihe von Zitaten vorliegen, die ich nicht vortragen will, die aber belegen, mit welchen teilweise abenteuerlichen Argumenten Sie eine Reform der Wohneigentumsförderung verhindern. Das beginnt mit Herrn Solms im März 1985 und reicht bis in die letzten Monate hinein. Ich will nicht zitieren, denn das ist Vergangenheit. Es sollte hier nur noch einmal festgehalten werden: Jahrelang hat sich die Koalition geweigert, § 10e EStG zu ändern, der zu einer krassen Fehlförderung in der Wohneigentumsförderung geführt hat.
Heute erleben wir ein kleines Wunder: Die, die uns jahrelang wegen unserer Idee der einkommensunabhängigen Förderung beschimpft haben, preisen mit wortreichen Redebeiträgen an die eigene und damit an die falsche Adresse die Vorzüge, die Effizienz und die Gerechtigkeit der neuen Paragraphen.
Wenigstens einer, Bauminister Töpfer, hat in der Diskussion der vergangenen Wochen gesagt: Okay, das war eine gute Idee der SPD. Er hat sich dafür bedankt und bestreitet nicht die Urheberschaft der Idee.
Der Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden, entspricht in weiten Teilen - nicht in allen - den Forderungen der SPD. Er ist sozial gerecht, weil die Fehlförderung aufhört, daß jemand, der sehr viel
verdient, das Doppelte derjenigen Förderung bekommt, die eine Familie mit mittlerem Einkommen bezieht. Er ist familien- und kinderfreundlich; denn das Baukindergeld, auch wenn es bis jetzt als Abzug von der Steuerschuld gezahlt wurde, hat dennoch dazu geführt, daß viele Familien auf Grund ihrer Steuersituation das Baukindergeld nicht nutzen konnten.
Er ist ökonomisch sinnvoll, weil die Mittel, die der Staat zur Verfügung stellt, stärker auf die Menschen, die sonst nicht bauen könnten, konzentriert sind. Er ist einfacher zu verstehen und schafft Klarheit, weil jeder Bauherr beim ersten Spatenstich bis auf die letzte Stelle hinterm Komma genau weiß, was er an Förderung bekommen wird.
Der neue Gesetzentwurf hat innovative Elemente, nämlich den Ökobonus und die Förderung von Genossenschaftsanteilen.
Dazu möchte ich ein paar Bemerkungen machen.
Die Ökokomponente finden Sie im SPD-Antrag vom Mai dieses Jahres. Dort heißt es:
Die neue Wärmeschutzverordnung erreicht nicht den Standard des Niedrigenergiehauses. Dramatische Änderungen der klimatischen Bedingungen erfordern aber weitere Anstrengungen. Familien, die selbstgenutztes Wohneigentum auf Niedrigenergiestandard schaffen, sollten zusätzlich gefördert werden.
Wir haben diesen Antrag eingebracht. Ich bin in einigen Landeshauptstädten gewesen und habe für die Idee geworben; denn wir brauchen ja nicht nur die Bundestagsmehrheit, sondern auch die Bundesratsmehrheit. Ich bin froh, daß der Bundesrat die Forderungen der SPD übernommen, eingespeist und auch vorgeschlagen hat, die Ökokomponente in das Gesetz hineinzunehmen.
Ich bin ebenfalls dankbar, daß aus dem Bundesbauministerium ein zusätzlicher Vorschlag kam - das sollte man hier der Wahrheit halber sagen -, eine zweite Ökokomponente mit hineinzunehmen.
Wir haben das sehr gerne unterstützt und tragen es heute mit.
Natürlich - das sage ich auch wegen der Wahrheitsfindung, Frau Eichstädt-Bohlig - haben auch die Grünen in ihrem Antrag, der im August etwas später als unserer kam, Vorschläge für Ökoboni gemacht. Ich hoffe, daß wir Sie mit unserem Antrag in Ihrem Anliegen ein wenig befruchtet haben.
Der zweite Punkt, auf den ich etwas näher eingehen will, ist die Förderung von Genossenschaftsanteilen. Die Förderung von Genossenschaftsanteilen, die jetzt ermöglicht wird, kann man, glaube ich, nicht
Achim Großmann
hoch genug werten. Es ist ein historischer Durchbruch in der Geschichte der Genossenschaftsbewegung.
Erstmals wird es möglich, daß ein Mitglied, das Genossenschaftsanteile erwirbt, mit einer Zulage des Staates gefördert wird. Diese Förderungsmöglichkeit betrifft Genossenschaften, die nach dem 1. Januar 1995 gegründet werden. Das bedeutet: Es ist im Moment noch eine auf die ostdeutschen Bundesländer zugeschnittene Förderung. Das begrüßen wir ausdrücklich; denn in den neuen Bundesländern läuft die Privatisierung. Aber sehr viele Leute, sehr viele Mieterinnen und Mieter, auch in Genossenschaften, haben vor dieser Privatisierung Angst, weil sie sich entscheiden mußten, eine Wohnung unter Umständen als Volleigentum zu kaufen, dafür jedoch nicht das Geld hatten.
Mit dem Weg, den wir jetzt beschreiten, gibt es die Entscheidung nicht, auf der einen Seite Mieter oder Mieterin zu bleiben und auf der anderen Seite Volleigentum zu erwerben, was man sich finanziell vielleicht gar nicht leisten kann oder sich nur aus Angst leistet, wobei man nachher feststellt: Ich muß es wieder abgeben, ich muß das zwangsversteigern lassen oder verkaufen.
Nein, es gibt einen dritten Weg. Es gibt einen Weg des mittelbaren Eigentums, der steuerlich oder per Zulage über das genossenschaftliche Eigentum gefördert wird. Das ist ein guter Weg. Dafür haben wir im Gesetzgebungsverfahren lange fechten müssen.
Aber auch die Baugenossenschaften im Westen, Norden und Süden unseres Landes werden diesen Weg aufgreifen. Es werden sich Bauträgergenossenschaften bilden. Ich bin sicher, daß das innovative Angebot Flügel bekommen wird und daß es sehr kreative Leute geben wird, die dieses Angebot ausfüllen und eine neue Form der Eigentumsbeteiligung schaffen werden.
Ich sage aber auch ganz deutlich: Dies kann nur ein erster Schritt sein. Wir haben einvernehmlich beschlossen, daß weitere Schritte folgen. Wenn wir also heute unseren eigenen Antrag zum Genossenschaftsweg formal für erledigt erklären, dann muß ich das begründen, damit es nicht falsch verstanden wird.
Wir machen diesen Schritt deshalb, weil wir auf der einen Seite einen ersten Schritt geschafft haben, nämlich den Einstieg in die Förderung der Genossenschaftsanteile, und der Bauausschuß gleichzeitig einvernehmlich folgendes beschlossen hat. In der gutachterlichen Stellungnahme für den Finanzausschuß, die auch im Bericht auftaucht, heißt es:
Es besteht Einvernehmen darüber, daß die Förderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen in die steuerliche Wohneigentumsförderung einbezogen werden soll. Eine umfassende Regelung sollte noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können. Dabei ist eine sachenrechtliche Ausrichtung der genossenschaftlichen Mitgliedsrechte an Wohnungsgenossenschaften zu untersuchen. Außerdem ist dabei der Frage nachzugehen, wie die genossenschaftlichen generellen Mitwirkungsbefugnisse auf unternehmenspolitische Entscheidungen einschließlich der Gestaltung der Nutzungsentgelte gestärkt werden müssen.
Das ist ein Weg, den wir gerne mitgehen wollen; denn das bedeutet nichts anderes, als daß wir an unserer Forderung weiterhin festhalten, auch Mitgliedern bestehender Genossenschaften eine steuerliche Förderung ihrer Geschäftsanteile zu gewähren. Daran werden wir in den nächsten drei Jahren arbeiten.
Ein Großteil dieses Gesetzes - es ist schon gesagt worden - führt zu großem Nutzen in den neuen Bundesländern. Wir haben bei den vielen Versuchen zur Reform des § 10e immer wieder darauf hingewiesen, daß die Menschen in den neuen Bundesländern diese Bestimmung nicht nutzen konnten. Ich habe eben schon darauf hingewiesen.
In einer Presseerklärung von Februar 1992 hatte ich gesagt:
Die Bauministerin hängt den Speck staatlicher Förderung so hoch, daß selbst vergleichsweise gut verdienende Familien in den östlichen Ländern leer ausgehen. Hunderttausende Arbeitnehmerfamilien können kein Eigenheim erwerben und werden von der Vermögensbildung ausgeschlossen.
Die starke Benachteiligung der Menschen in den neuen Bundesländern ist ab heute beendet; denn die einkommensunabhängige Förderung wird dazu führen, daß viele Menschen, die von Eigentum bisher nur träumen konnten, diesen Traum verwirklichen können.
Auch die Genossenschaftsregelung als Einstieg ist typisch für die neuen Bundesländer; das habe ich bereits dargestellt. Aber auch die Erhöhung der Förderung der Bestandskäufe von 2 200 auf 2 500 DM und der Tatbestand, daß wir in dem Gesetz die Möglichkeit belassen, Erhaltungsaufwendungen bis zu 22 500 DM geltend zu machen, wenn man aus dem Bestand erwirbt, werden von den Menschen in den neuen Bundesländern sehr gut genutzt werden können. Ich denke, das ist gut und richtig so.
Fazit: Wir haben nach wirklich langem Kampf - das muß ich für die SPD sagen - ein Gesetz geschaffen, das eine derartig deutliche SPD-Handschrift trägt, daß wir heute sehr froh und glücklich sind, dieses Gesetz verabschieden zu können. Herr Reschke hat aufgezeigt, daß wir weitere Aufgaben zu erledigen haben, daß einige unserer Wünsche nicht erfüllt worden sind. Deshalb werden wir nicht die Hände in den Schoß legen, sondern wollen an weiteren Reformen für den Wohnungsbau arbeiten.
Ein Dank gilt - das ist schon gesagt worden - Herrn Faltlhauser, aber auch Herrn Töpfer. Wir wis-
Achim Großmann
sen: Eine gute Idee der SPD aufzugreifen und dies öffentlich zuzugeben, dazu gehört Mut. Diese SPD- Idee dann auch noch in der Koalition durchzusetzen, dazu gehört noch mehr Mut. Dafür unseren herzlichen Dank, Herr Bauminister.
Aber Achtung! Zu Ihrer bisherigen Bilanz gehören nicht nur Erfolge - die Sie übrigens fast immer zusammen mit der SPD erstritten haben, z. B. das Mietenüberleitungsgesetz -, sondern es gibt auch schlimme wohnungspolitische Entwicklungen.
In den letzten Tagen konnten wir lesen, daß die Bestände der Post- und Bahnwohnungen verkauft werden sollen, daß die Deutschbau ihre Wohnungen abgeben soll. Wenn der Bund die Aushöhlung der Wohnungsfürsorge mitmacht und die Wohnungsfürsorge schleifen läßt, wenn in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, daß die kleinen Beamten in den Großstädten, die für Post und Bahn arbeiten, demnächst große Sorgen haben müssen, während gleichzeitig in Berlin Wohnungen für Ministerialdirigenten gebaut werden, dann ist das ein falsches Signal. Wohnungspolitisch bliebt viel zu tun.
Vielen Dank.