Herr Kollege Breuer, man muß sich das, was Sie eben ausgeführt haben, einmal auf der Zunge zergehen lassen; denn Sie werden doch auch feststellen müssen, daß Sie dem Wehrpflichtigen, der weniger als 50 km vom Standort entfernt wohnt, 37,50 DM aus der Tasche nehmen.
- Das ist der Tatbestand. - Und auf der anderen Seite wissen Sie, daß die Wehrpflichtigen in immer ferner von ihrer Heimat liegende Standorte einberufen werden, weil es nicht so viele Kasernen in den einzelnen Ländern gibt. Warum haben wir denn das Problem der Heimatferne? Weil durch die Struktur, die die Bundeswehr neuerdings hat, die Entfernungen zwischen Wohnort und Standort immer größer werden. Das ist aber bei den Zivildienstleistenden nicht der Fall.
Wenn Sie wirklich gerecht hätten handeln wollen, dann hätten Sie den Wehrsold um 2 DM erhöht; denn der kommt den Zivildienstleistenden in gleicher Höhe zugute.
Das wollten Sie natürlich nicht. Deshalb waren Sie gegen eine Wehrsolderhöhung.
Ich kann nur feststellen: Es gibt keine rechtfertigenden Gründe für den Mobilitätszuschlag. Ihr Verhalten in dieser Frage, den Wehrsold nicht zu erhöhen, ist schlichtweg unerträglich.
Es bleibt dabei: Wir Sozialdemokraten wollen mittel- und langfristig eine kontinuierliche Anpassung an die jährlich steigenden Lebenshaltungskosten mit dem Ziel, den Wehrsold an die Einkommen der Ausbildungsvergütung im ersten Ausbildungsjahr des öffentlichen Dienstes anzugleichen.
Wer zudem, wie im vorliegenden Wehrrechtsänderungsgesetz vorgesehen, die wöchentliche Rahmendienstzeit auf 46 Stunden verlängert und den Dienstzeitausgleich erst nach dem dritten Monat finanziell vergüten will, macht den Wehrdienst noch unattraktiver, als er heute schon ist. Dies lehnt die SPD als unsoziale Maßnahme ab.
Wer mehr Dienst anordnet, Kollege Breuer, muß vom ersten Monat an bezahlen. Kein Grundwehrdienstleistender wird dafür Verständnis aufbringen, daß die Mittelansätze für Zeit- und Berufssoldaten erhöht werden, sie aber zugleich drei Monate lang leer ausgehen. Ob die vorgesehenen Vergütungen für Soldaten mit besonderer zeitlicher Belastung bei Mehrarbeit von 12 bis 16 Stunden bzw. 16 bis 24 Stunden große Freude auslöst, darf zu Recht bezweifelt werden. Bei den Grundwehrdienstleistenden werden die Entschädigungssätze seit Jahren als unsozial gewertet.
Wir bekräftigen, daß wir in Friedenszeiten soviel wie möglich gesellschaftliche Normalität auch bei den Soldaten haben wollen, also Freizeit vor finanzieller Vergütung. Wir werden genau hinsehen, wie die Truppe mit dem Faktor Zeit und dem Faktor Freizeit umgeht.
Wo bleibt eigentlich ein flexibles Dienst-, Laufbahn- und Statusrecht, das seit fünf Jahren durch die Opposition und den Deutschen Bundeswehrverband gefordert und angemahnt wird? Wo bleibt die Einführung der Feldwebellaufbahn? Wo bleibt die Einführung einer Mannschaftslaufbahn mit kürzeren Beförderungszeiten? Wo bleibt die Begrenzung des Einberufungshöchstalters auf 25 Jahre?
Im letzten Punkt zeigt nun auch die Koalition leichte Beweglichkeit. Sie will die Einberufungspraxis bei Wehrpflichtigen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, überprüfen. Ein SPD-Antrag zum gleichen Inhalt wurde vor noch gar nicht langer Zeit abgelehnt. Kolleginnen und Kollegen, wir helfen aber der Koalition in dieser Frage gern auf die Sprünge.
Die Absicht der Bundesregierung, auch Grundwehrdienstleistende im Wehrpflichtverhältnis, die dies freiwillig wollen, außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung einzusetzen, lehnt die SPD ab, weil damit der Sinn und der Zweck der Wehrpflicht aufgegeben und deren Legitimation in Frage gestellt wird. Die SPD bleibt bei ihrer Auffassung, Grundwehrdienstleistende nicht außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung einzusetzen.
Der Status der freiwilligen Verpflichtung ist überflüssig wie ein Kropf und nur eine finanzielle Hilfsbrücke. Der Status Soldat auf Zeit oder auf Monate reicht völlig aus. Wir werden sehen, ob die Zahl der erforderlichen Weiterverpflichtungen erreicht wird, wie das die Koalition bei ihrem Strukturmodell unterstellt.
Die Dauer des Grundwehrdienstes soll auf zehn Monate verkürzt werden. Anschließend sollen die Wehrpflichtigen für zwei Monate in Verfügungsbereitschaft bleiben. Die Verkürzung auf zehn Monate ergibt sich nur aus den fehlenden Haushaltsmitteln, nicht aus einer sicherheitspolitisch begründeten Konzeption. Das Aufgeben der quartalsweisen Einberufung bei W 10 verursacht einen erheblichen organisatorischen Aufwand, allein schon deshalb, weil der bewährte quartalsweise Einberufungsrhythmus auf-
Dieter Heistermann
gegeben und statt dessen ein zweimonatiger Einberufungstermin eingeführt werden muß.
Die Anschlußbeorderung von zwei Monaten, die nur angeordnet wird, um schnell auf 370 000 Soldaten Präsenzstärke aufwachsen zu können, verursacht ebenfalls einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand. Dieser Verwaltungsaufwand, der unter den heutigen politischen Bedingungen nicht zu vertreten ist und nicht notwendig wäre, verursacht zudem Kosten in zweifacher Hinsicht: erstens auf Grund der Aufrechterhaltung eines aufgeblähten Streitkräfteumfangs und zweitens auf Grund der unwirtschaftlichen Verfügungsbereitschaft von zwei Monaten, die nicht erforderlich ist. Auch wird sich die Situation der Wehrpflichtigen durch die Einführung einer Verfügungsbereitschaft von zwei Monaten nach dem normalen Grundwehrdienst nicht verbessern, da sie in dieser Zeit präsent bleiben müssen.
Die SPD tritt seit 1990 für die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf neun Monate ein. Neun Monate Grundwehrdienst reichen aus, um bei den gegenwärtigen Sicherheitsrisiken die Wehrpflichtigen so auszubilden, daß die gemeinsame Landesverteidigung im Bündnis sichergestellt werden kann. Das sieht der Beirat für Fragen der Inneren Führung ebenso.
Für zur Alarmreserve beorderte Mannschaftssoldaten könnte die Verkürzung des Grundwehrdienstes um einen Monat erwogen werden, mit der Maßgabe, die Pflichtwehrübungstage entweder im direkten Anschluß an den Grundwehrdienst oder durch spätere Wehrübungen zu erbringen. Für nichtbeorderte Mannschaften entfiele die Wehrübungsverpflichtung nach Entlassung aus dem Grundwehrdienst.
Es gibt also bessere Alternativen zum jetzt eingeschlagenen Weg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht auf alle Bestimmungen des Wehrrechtsänderungsgesetzes eingehen. Vieles ist unausgegoren und mit heißer Nadel gestrickt.
Ein gut durchdachtes Konzept ist nicht erkennbar.
Wir erkennen durchaus an, daß einige Punkte dieses Gesetzes unsere Zustimmung erhalten können. Insgesamt aber wird der Gesetzentwurf den dringenden Notwendigkeiten für die Personallage der Bundeswehr nicht gerecht. Viele Maßnahmen sind falsch gewichtet.
Dieses Gesetz stärkt nicht die Wehrpflicht und gibt den Grundwehrdienstleistenden nicht den notwendigen Rückhalt.
Sie wissen doch wie wir, daß der Nachwuchs der Bundeswehr aus den Grundwehrdienstleistenden gewonnen werden muß. Deshalb müssen sie Ausgangspunkt aller Maßnahmen sein. Dem werden Sie mit Ihrem Gesetz nicht gerecht.
Aus den dargelegten Gründen lehnen wir das Gesetz ab.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.