Rede von
Winfried
Nachtwei
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nein, jetzt nicht.
Sein tödliches Erbe - vor allem das der Atomwaffen - ist noch längst nicht bewältigt.
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts kam in Europa ein Abrüstungsprozeß in Gang, wie er zu Friedenszeiten in der Tat ohne Beispiel ist. Auch die Bundeswehr schaffte dabei enorme Abrüstungsschritte und löste die NVA weitgehend lautlos auf. Überschattet wurde das von einer Politik der Bundesregierung, die die Lieferung überschüssiger Rüstungsgüter in Krisenländer wie die Türkei und Indonesien zuließ. Hier pervertierte Abrüstung in ihr Gegenteil.
Während in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrscht, es gehe mit der Abrüstung weiter, ist diese hoffnungsvollste Phase in der Geschichte der Bundeswehr in Wirklichkeit längst zu Ende, ist wieder der Rückwärtsgang eingelegt. Erstmals seit Jahren wächst der Anteil der Militärausgaben am Gesamthaushalt wieder, nämlich von 10 % in diesem Jahr auf 10,7 % im nächsten Jahr. Die Bündnisgrünen lehnen diesen neuen Aufrüstungskurs einhellig ab. Denn daß die Bundeswehr mit Kampfeinsätzen zur
Winfried Nachtwei
Bewältigung überwiegend innerstaatlicher Konflikte beitragen könnte, ist ein gefährlicher und zudem äußerst teurer Irrglaube - Ihr Irrglaube.
Möglich und nötig ist eine weitere Reduzierung der Bundeswehr, die mit der Abschaffung der Wehrpflicht einhergehen muß. Dieser Zwangsdienst, der inzwischen so schwindelerregend idealisiert wird, ist schlichtweg nicht mehr legitimierbar. Sie kennen den Bericht der Jugendoffiziere, die feststellen, daß unter Jugendlichen die Wehrpflicht einhellig abgelehnt wird.
Hierzu werden wir in Kürze einen Antrag in den Bundestag einbringen.
Seit 30 Jahren habe ich Entscheidungsprozesse junger Männer miterlebt, die sich fragen mußten: Wie halte ich es mit dem Wehrdienst bzw. mit dem Zivildienst? Über viele Jahre erforderte es besonderer Zivilcourage, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Wenn inzwischen Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende in der Gesellschaft anerkannt sind, dann liegt das an ihrer sichtbar hilfreichen Arbeit, dann ist das ein echter zivilisatorischer Fortschritt.
Vertreter der Koalition versuchen in der letzten Zeit verstärkt, die Kriegsdienstverweigerer abzuwerten, ja zu diskreditieren. Um den Nachwuchssorgen der Bundeswehr entgegenzuwirken, soll der Zivildienst zur „lästigen Alternative" - so ein CDU-Antrag - und der Wehrdienst attraktiver gemacht werden.
Im Unterschied zu Ihnen habe ich gelernt - unabhängig von meiner Auffassung -, die Entscheidung der jungen Wehrpflichtigen für Wehrdienst oder Zivildienst zu respektieren. Deshalb treten wir in unserem Antrag zum Wehrrechtsänderungsgesetz dafür ein, endlich wieder dem Buchstaben des Grundgesetzes zu folgen und die Dauer des Ersatzdienstes an die des Wehrdienstes anzugleichen.
In den 80er Jahren standen Friedensbewegung und Soldaten bei Tausenden Gelegenheiten in heißen Auseinandersetzungen. Es waren Auseinandersetzungen, die oft lehrreich waren. Ich glaube, die heutige Bundeswehr wäre nicht so - auch hinsichtlich ihrer Behutsamkeit -, wie sie von der militärischen und politischen Führung nach außen dargestellt wird, wenn es nicht die Kritik und die Auseinandersetzung mit der Friedensbewegung gegeben hätte.
Inzwischen gibt es diese öffentliche Auseinandersetzung um Sicherheits- und Friedenspolitik in der Bevölkerung kaum noch. Das, denke ich, ist von übel!
Sicherheits- und Friedenspolitik geht alle an. Deshalb appelliere ich an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich der Friedensbewegung zurechnen oder zurechneten: Mischt euch wieder ein! Zwischen Grün und Olivgrün liegen meist Welten. Gerade deshalb ist der kritische Dialog zwischen Friedensbewegten und Soldaten unverzichtbar.
Danke schön.