Rede von
Dankward
Buwitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Höll, Sie mögen es bedauern, daß der Bundeskanzler seinem Lebensziel einen Schritt - wie ich meine, einen sehr großen Schritt - nähergekommen ist, und zwar durch die Wiedervereinigung. Das mag nicht Ihre Zustimmung finden, aber Sie wissen, daß ein Großteil des Hauses anders denkt.
Wir wollen das Schicksal der arbeitslosen Menschen nicht verharmlosen. Wir wissen, daß das bittere menschliche Schicksale sind. Aber wahr ist auch, daß trotz der Arbeitslosigkeit die Menschen in der ehemaligen DDR wenigstens in wirtschaftlicher Hinsicht oft besser leben als diejenigen, die damals keine Beziehung zum DDR-Regime hatten.
Sie lernen heute eine medizinische Versorgung kennen, die sie in der DDR-Zeit überhaupt nicht für möglich gehalten haben, ganz zu schweigen von dem Zustand der Altenheime, der Kindertagesstätten usw., wie er 1990 dort vorzufinden war.
Herr Diller, es ist nicht mein Thema, aber wenn Sie bereit sind, dies hier vorzulesen, bin ich willens, Ihnen eine Liste von Personen zusammenzustellen, die nicht aus gesundheitlichen, sondern aus politischen Gründen in SPD-regierten Ländern kostenträchtig in den Ruhestand geschickt wurden. Dann müßten Sie sich allerdings auf eine sehr lange Redezeit einrichten.
Bei Ihrer finanzpolitischen Betrachtungsweise müßten Sie eigentlich größte Verachtung für die Jahre 1975 bis 1981 empfinden; denn so schlecht wurde es Gott sei Dank nie wieder in der Bundesrepublik Deutschland, nicht einmal unter den schwierigen Verhältnissen der Wiedervereinigung. Eines muß doch eigentlich zu klären sein: Sind die Aussagen von Herrn Spöri falsch, oder sind diejenigen von Herrn Diller falsch? Ist es wirklich wahr - das versucht die SPD uns hier darzustellen -, daß der Inbegriff von Instabilität niedrige Zinsen und niedrige Preissteigerungsraten sind? - Verhält es sich nicht vielmehr so, daß zwar diejenigen, die von Kapitalerträgen leben, nicht von den niedrigen Zinsen begünstigt werden, daß aber diejenigen, die von ihrem Ersparten leben müssen, durch niedrige Preissteigerungsraten mit Sicherheit bessergestellt werden?
Ich denke, niedrige Preissteigerungsraten sind flächendeckend die beste Sozialpolitik, die wir überhaupt machen können.
Nun haben Sie uns, Herr Diller, derartig interessante Graphiken gezeigt, daß man Ihnen fast wünschen kann, daß Sie möglichst lange im Bundestag bleiben - nicht nur, weil Sie ein so netter Kollege sind, sondern weil Sie ansonsten wieder auf die Kinder in Ihrem Lande losgelassen würden.
Sie haben wirklich nette Graphiken gezeigt. Aber eine Graphik fehlte nach meiner Meinung. Es war die Graphik über die Mehrausgaben, die die SPD Jahr für Jahr hier fordert, ohne daß sie einen Finanzierungsvorschlag macht.
Herr Diller, ich unterstelle Ihnen dabei keine böse Absicht; ich nehme an, ein so großes Stück Papier haben Sie nicht auftreiben können, um das darzustellen.
Die Debatte in dieser Woche sollte der Öffentlichkeit nicht nur die guten Vorschläge der Regierung präsentieren, sondern sie sollte auch über die Positionen der Fraktionen informieren. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, scheinen dieses aber anders verstanden zu haben. Sie haben ein Elends- und Schuldenszenario ausgemalt; Sie informieren nicht, Sie verbreiten Falschmeldungen und verunsichern die Menschen draußen mit Ihren Horrorprognosen. Das ist nach meiner Meinung höchst unverantwortlich. Sie schüren die Sorgen der Menschen und ziehen aus diesen Sorgen dann noch Ihren Profit. Letztendlich müssen Sie Jahr für Jahr überrascht sein, daß sich alle Ihre bösartigen Voraussagen in den Resultaten dieser Jahre, und zwar in
Dankward Buwitt
den Ist-Rechnungen, nicht wiederfinden und daß wir Jahr für Jahr besser abgeschnitten haben, als es die Annahmen, die den eingebrachten Haushalten zugrunde lagen, erwarten ließen.
Nun kann man sicher nicht erwarten, daß sich die Opposition hier hinstellt und die Bundesregierung lobt, selbst da nicht, wo es unumgänglich wäre. Auch wir sind letztendlich nicht mit allem einverstanden. Wahr ist doch aber - das ist in dieser Woche oft genug gesagt worden -, daß neben Luxemburg Deutschland das einzige Land ist, das die strengen Kriterien erfüllt, die im Vertrag von Maastricht bezüglich Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit für die Währungsunion aufgestellt worden sind. Sicher, die Schulden der anderen machen die eigenen Defizite nicht besser. Natürlich wären auch für uns geringere Schulden wünschenswert. Aber das aus den Reihen der SPD beschworene Existenzrisiko für unser Land entbehrt nun wirklich jeder realen Grundlage.
Es ist bereits gesagt worden, daß laut dem in der letzten Woche vorgestellten Bericht der OECD das Haushaltsdefizit 1994 in Deutschland erheblich geschrumpft und mit einem Anteil von 2,5 % am deutschen Bruttoinlandsprodukt auf das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung gefallen ist. Die OECD hat der Bundesregierung beeindruckende Erfolge bei der Konsolidierung des Haushalts bescheinigt. Sie sehen, der eingeschlagene Weg wird auch von Dritten als richtig erachtet.
Natürlich, meine Damen und Herren, ist Sparen noch keine Politik. Wir schaffen damit die Grundlage für gestaltende Politik, für Fortschritte im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Ziel unseres Sparens ist die Absenkung der Staatsquote auf das Maß vor der deutschen Einheit. Auch dies ist selbstverständlich kein Selbstzweck, wie dies die Opposition darzustellen versucht, sondern ein wichtiger Eckwert für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik.
Es ist unbestreitbar - Sie haben es angesprochen, Herr Metzger -, daß die steuerliche Belastung unserer Arbeitnehmer und Unternehmer an einer absoluten Höchstgrenze angelangt ist. Diese Belastung zurückzuführen ist fester Bestandteil unserer Arbeit in den nächsten zwei Jahren.
Mit dem Jahressteuergesetz 1996 sind wir diesem Ziel nur ein Stück nähergekommen.
Meine Damen und Herren von der SPD, mehrfach habe ich in dieser Debatte gehört, Sie hätten uns zu den vorgesehenen Entlastungen gezwungen, und sie seien Ihr Erfolg aus den Beratungen des Vermittlungsausschusses. Ich finde das ungeheuerlich.
Das von uns ursprünglich angestrebte Steuersenkungsvolumen von rund 22,5 Milliarden DM wurde im Zuge des Kompromisses auf jetzt 19 Milliarden DM gesenkt. Richtig ist, Sie haben uns 3,5 Milliarden DM weniger Entlastung abgezwungen. Aber das sind immer noch 7 bis 9 Milliarden DM mehr, als Sie den Bürgern ursprünglich zugestehen wollten. Außerdem konnte die Koalition im Vermittlungsausschuß die von Ihnen geforderten Steuererhöhungen einschließlich der neuen Ökosteuern verhindern. Die positiven Erfolge, vor allem die erheblichen Entlastungen für die Familien und Bürger mit kleinem und mittlerem Einkommen, können sich mit Sicherheit vor den Bürgern sehen lassen.
Ein Wort zur Debatte über die Verlängerung des Solidaritätszuschlags. Dieser Solidaritätszuschlag war und ist als befristeter Beitrag gedacht. Wer ihn über Jahrzehnte ausdehnen will, der muß deutlich sagen, was er will,
nämlich eine Steuererhöhung und keinen Zuschlag. Ich stimme dem Finanzminister ausdrücklich zu - Bundeskanzler Kohl hat in seiner Rede ja die Kriterien genannt -: Der Solidaritätszuschlag muß so schnell, wie dies möglich ist, gesenkt und dann ersatzlos gestrichen werden. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung haben wir den Menschen viel abgefordert. Die Menschen können sich darauf verlassen, daß wir jeden sich bietenden Spielraum nutzen, um die Steuerbelastung zu reduzieren.
Der Abbau von Steuern und die Senkung von Abgaben ist doch das beste, was wir für die Zukunft des Standortes Deutschland tun können.
Unsere größte Sorge ist und bleibt nun einmal die Arbeitslosigkeit vieler Menschen in unserem Land. Um hier wirkungsvoll helfen zu können, brauchen wir gute Standortvoraussetzungen, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden können und die vorhandenen bei uns bleiben und nicht an günstige Standorte exportiert werden. Ein guter Standort Deutschland - das ist das einzige auf Dauer wirksame Rezept gegen das schwerwiegendste innenpolitische Problem, nämlich die Arbeitslosigkeit.
Während der letzten vier Tage haben wir darüber gesprochen, daß wir zur Verbesserung des Standortes Deutschland viele Veränderungen brauchen. Wir müssen die Verkrustungen in Wirtschaft und Verwaltung aufbrechen, die Verwaltung reduzieren und auf ihre ursprünglichen Aufgaben zurückführen, Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten flexibler gestalten und vieles andere mehr. Dies ist Politik für mehr und für sichere Arbeitsplätze.
Seit Beginn dieses Jahres sind die neuen Länder und Berlin gleichberechtigt im Finanzausgleich eingebunden. Gleichzeitig ist jedoch die Bundeshilfe für Berlin in diesem Jahr ausgelaufen. Dies zu kompen-
Dankward Buwitt
sieren fiel angesichts der enormen Probleme schwer. Durch einen strikten Abbau von Administration, durch eine klare Prioritätensetzung bei den Aufgaben, durch konsequente Privatisierung und eine Verdreifachung der Steuerkraft seit 1990 hat Berlin die prognostizierte Deckungslücke von 15 Milliarden DM auf 6 Milliarden DM begrenzen können und eine Haushaltsnotlage wie in Bremen und im Saarland abgewandt.
Neben der endgültigen Überwindung der Teilung müssen wir Berlin jetzt fitmachen als Hauptstadt Deutschlands. Dabei geht es nicht um eine Zentralisierung, sondern darum, eine leistungsfähige Hauptstadt aller als Symbol unseres gemeinsamen föderalen Staates zu entwickeln.
In der Zeit des Dritten Überleitungsgesetzes für Berlin hatte es sich eingebürgert, eine Vielzahl von Aufgaben aus dem Berliner Landeshaushalt zu finanzieren, auch wenn es sich dabei weder um kommunale noch um Landesaufgaben handelt. Dies war angesichts einer über 50 %igen Mitfinanzierung des Berliner Haushalts durch den Bund natürlich auch vertretbar. Mit dem Wegfall der Bundeshilfe ist es jetzt richtig und wichtig, wenn der Bund die Aufgaben übernimmt, die im gesamtstaatlichen Interesse wahrgenommen werden und der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen.
Es ist mehrmals angesprochen worden: Zur Hauptstadtfunktion gehört natürlich auch der Umzug von Regierung und Parlament. Wir müssen diesen Umzug dazu nutzen, die Bundesministerien zu modernisieren. Verkrustete, veraltete und ineffektive Strukturen dürfen nicht einfach eingepackt und dann in Berlin wieder ausgepackt werden. Herr Metzger hat es angesprochen: Der Umzug von Parlament und Regierung eröffnet die Möglichkeit, eine noch leistungsfähigere Administration zu schaffen, die Vorbild für moderne, multimediale und schlanke Verwaltung auf Landes- und kommunaler Ebene sein kann.
Wie wir unsere Verwaltung leistungsfähiger machen können, wo eingespart, wo angepaßt werden muß, wer weiß dies besser als die Mitarbeiter selbst? Im Einzelplan 60 über die allgemeine Finanzverwaltung wird in jedem Jahr ein Betrag von 1,2 Millionen DM für die Förderung des Vorschlagswesens in den Bundesverwaltungen eingestellt.