Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluß dieser Haushaltsdebatte nur einige Stichworte aufgreifen.
Ihnen, Herr Kollege Diller, will ich sagen: Ihren Mut und Ihre Bemühungen in Ehren, gegen die miserable Presse für die Opposition anzureden - allein, es wird nichts fruchten, insbesondere nicht mit den Buchhalterargumenten, mit denen Sie uns hier zu unterhalten versucht haben.
Aber zuerst, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich dem Bundesfinanzminister gratulieren.
Einen besseren Haushalt und eine schönere Haushaltswoche hat er in seinem Berufsleben, glaube ich, noch nicht erlebt.
Nun ist es leider so: Der Sieg von heute könnte eine Niederlage von morgen bedeuten; das ist wie beim Ring des Polykrates. Wir werden jedoch hart daran arbeiten, daß dieser erfolgreichen Haushaltswoche eine Reihe noch erfolgreicherer folgen werden. Das ist unser Bemühen.
Dr. Hermann Otto Solms
Meine Damen und Herren, es führt kein Weg daran vorbei: Wir müssen Ausgaben einsparen, um Gestaltungsspielräume zur Erneuerung unserer gesellschaftspolitischen Verhältnisse zu erreichen.
Dieser Haushalt ist ein Beweisstück dafür, daß die Ausgaben trotz der Notwendigkeit, den Einnahmeausfall durch den Wegfall des Kohlepfennigs auszugleichen - dies zeigt die große Anstrengung, die da -hintersteht -, seit 40 Jahren zum erstenmal tatsächlich absolut gesenkt werden.
Ich bin auch heute der Meinung, daß es richtig war, dies so zu machen - es hat sich gezeigt, daß das machbar ist -, weil nur dadurch der Druck erhalten bleibt, nicht mehr notwendige Subventionen tatsächlich abzubauen. Ohne den Druck der leeren Kassen geht das eben nicht.
Meine Damen und Herren, jetzt geht es darum, weiter an der Auflösung der Verkrustungen zu arbeiten und mehr Handlungsspielraum, insbesondere mehr Beschäftigungsmöglichkeiten im Standort Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist der richtige; allerdings ist er noch lange nicht zu Ende.
Dabei braucht man eine Opposition, die treibt, die anregt, die kritisiert, die hilft.
Ich kann die SPD nur auffordern, diese Aufgabe zu übernehmen. Allein, die SPD scheint gegenwärtig so sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, daß sie manövrierunfähig ist wie das Schiff von Frau WieczorekZeul in den Weiten des Südpazifiks. Ein Kollege aus der sozialdemokratischen Fraktion hat mir beiläufig gesagt, es wäre gar nicht schlecht, wenn das Schiff mit seiner Fracht noch lange dort liegenbliebe.
- Aber, bitte, ich berichte das nur; das ist nicht meine Meinung.
Meine Damen und Herren, der bekannte langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD in NordrheinWestfalen, Friedhelm Farthmann, hat in einem sehr lesenswerten Interview in der „Wirtschaftswoche" von gestern auf die Frage „Ist die Krise des Interventionismus nicht die Krise der Sozialdemokratie?" gesagt:
Wir
- nämlich die SPD -
mißtrauen noch immer den Marktkräften und erwarten statt dessen das Heil von staatlichen Regelungen. Das gilt zwar nicht für die ganze Partei, hat aber die Entwicklung seit Beginn der siebziger Jahre stark geprägt.
So ist es.
In diesem Zusammenhang dauert mich Herr Scharping schon; denn es ist schwer, eine geradlinige Politik gestalten zu wollen, wenn die Truppen nicht stehen, wenn die Partei auf eine Linie gebracht werden soll, aber die Funktionäre auf den Parteitagen das anders sehen, wenn die Fraktion gegen den Bundesrat kämpft, wenn innerhalb der Fraktion und zwischen den Ministerpräsidenten Schaukämpfe ausgetragen werden. Trotzdem: Denkblockaden müssen, was ideologische Positionen anbetrifft, aufgehoben werden.
Wenn ich mir die Debattenbeiträge ansehe, die gestern beispielsweise Herr Schreiner oder Herr Dreßler oder am Dienstag Frau Matthäus-Maier hier abgeliefert haben, dann kann ich keine Verbesserungen erkennen.
Es wird mit Wortgewalt und großer rednerischer Begabung etwas getan, was die SPD in ihren Positionen geradezu blockiert und den Befreiungsschlag, der notwendig wäre, nicht möglich macht.
Aber, meine Damen und Herren, es geht ja jetzt darum, weitere Fortschritte zu erzielen. Wir müssen die Steuerbelastung, die Bürger und Unternehmen so sehr in ihrer Leistung hemmt und ihnen die Leistungsbereitschaft erschwert, dringend senken.
Wenn Sie allerdings, Frau Matthäus-Maier, erklären, die Steuerpolitik, die wir mit dem Jahressteuergesetz machen, sei eigentlich SPD-Politik, dann ist das eher peinlich; denn die gravierenden Unterschiede gerade beim Familienlastenausgleich überdecken Sie. Sie haben 250 DM Kindergeld für alle vorgeschlagen - gleichmacherisch - und dabei verschwiegen, daß dies ein verfassungwidriger Vorschlag ist. Wir haben einen Vorschlag gemacht, der verfassungskonform ist und den Kinderfreibetrag um über 50 % anhebt, aber eine gestaffelte Kindergeldlösung bringt, die bei Familien mit mehreren Kindern sogar zu Leistungen führt, die deutlich höher sind, als die, die Sie angeboten haben. Sie sollten also die Vaterschaft dort belassen, wo sie hingehört.
Wir müssen bei der Steuerentlastung aber weiter vorangehen. Sie wissen, daß wir uns darüber streiten, wann der Solidaritätszuschlag abgebaut werden soll und kann - wir meinen: so bald wie irgend möglich; er darf 1998 nicht überleben -, allerdings nicht zu Lasten der Fördermaßnahmen in den neuen Bundesländern. Das ist machbar. Der Solidaritätszuschlag belastet die Arbeitnehmer und Unternehmen im Osten genauso wie die im Westen. Deswegen ist es auch für diese notwendig, daß er abgebaut wird. Allerdings müssen die Fördermaßnahmen da, wo notwendig, insbesondere beim produzierenden Gewerbe, über einen längeren Zeitraum erhalten werden,
Dr. Hermann Otto Solms
Meine Damen und Herren, es geht jetzt um die Unternehmensteuerreform. Ich stelle mit Freude fest, daß hier ein Lerneffekt auf seiten der Opposition eingetreten ist. Man erkennt, daß die Gewerbekapitalsteuer eine ausgesprochen beschäftigungswidrige Abgabeform ist, weil sie die Substanz der Unternehmen belastet und sozusagen die Kosten erhöht.
Das gleiche gilt in weitem Maße, Frau MatthäusMaier, für die Vermögensteuer. Es hat doch keinen Sinn, sofort, nur weil das Wort Vermögen ausgesprochen und damit assoziiert wird, es könne sich nur um die ganz Reichen handeln, eine sachgerechte Diskussion zu verhindern. Wie sieht es bei der Vermögensteuer aus? Im letzten Jahr betrug das Aufkommen 6,6 Milliarden DM; davon stammen etwa 60 % aus der betrieblichen Vermögensteuer.
Für die betriebliche Vermögensteuer gilt genau das gleiche wie für die Gewerbekapitalsteuer. Sie belasten die Substanz der Unternehmen. Sie werden in anderen Industrieländern nicht erhoben und müssen dringend verschwinden.
Was bleibt dann übrig? Es bleibt eine Vermögensteuer mit einem Volumen von 2 bis 3 Milliarden DM übrig, die sehr aufwendig zu erheben ist. Schauen Sie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes an! Wenn Sie dieses Urteil verwirklichen - das hat beispielsweise der „Spiegel" sehr gut analysiert -, dann wird die private Vermögensteuer, die verbleibt, von den Besitzern mittlerer Vermögen - von den Kleinen ohnehin nicht, da sie kein Geld haben - bezahlt werden müssen. Für die Großen gelten die Freistellungskriterien aus dem Urteil, so daß sie gar nicht mehr zum Zuge kommen.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, darüber zu diskutieren, ob wir diese Steuerart nicht abschaffen, eine erhebliche Vereinfachung erzielen und eine Verrechnung mit anderen Steuerarten vornehmen können. Dann können wir über die Verteilungswirkung diskutieren. Damit habe ich gar kein Problem.
Mein Appell dient nur dazu, daß man nicht vordergründige Argumentationen aufbaut, die die sachgerechte Behandlung der Probleme verhindern.
Das gleiche gilt für die Frage der Arbeitsplätze. Es ist die zentrale Problemfrage in unserer Gesellschaft. Wie können wir erreichen, daß in Deutschland im ersten Arbeitsmarkt wieder Arbeitsplätze entstehen und geschaffen werden können? Wie können die Wettbewerbsverhältnisse verbessert werden? Man muß doch erst einmal eine schonungslose Analyse vornehmen, bevor man die Argumente der anderen niederknüppelt.
Dies ist mein Appell an Herrn Dreßler: Bemühen Sie sich, nicht nur über den zweiten Arbeitsmarkt zu reden, der seine Berechtigung hat, der aber das Problem nicht lösen kann, sondern lassen Sie uns über den ersten Arbeitsmarkt diskutieren und schauen, wo wir helfen können!
Eines ist doch klar: Die erste Verantwortung in diesem Punkt haben die Tarifvertragsparteien. Wenn Sie nicht wollen, daß weiterhin Arbeitsplätze verlorengehen und daß die Einkünfte der Arbeitnehmer sinken, dann müssen Sie zumindest mehr Flexibilität bei den Arbeitszeitgestaltungsregelungen oder auch bei den Tarifen möglich machen.
Sonst können wir dem nicht begegnen.
Der jetzige Kampf bei Volkswagen ist ein typisches Beispiel dafür. Bei BMW hat man den Samstag als Regelarbeitstag schon seit langen Jahren. Kein Mensch regt sich auf, auch nicht die IG Metall. Bei Volkswagen soll das Ganze nicht zugelassen werden. Das Ergebnis kann doch nur sein, - -
- Entschuldigung, ich hätte von Ihnen erwartet, daß auch Sie dazu einen Beitrag leisten und sagen: Kinder, wenn wir die Lohnhöhe sichern wollen, dann müssen wir an anderer Stelle dazu beitragen, daß die Lohnkosten für die Unternehmen sinken, damit sie wettbewerbsfähig bleiben.
Das gleiche gilt natürlich auch für die Sozialleistungen und die Lohnzusatzkosten. Wir sind uns darüber doch gar nicht uneinig, daß die Lohnzusatzkosten gesenkt werden müssen. Laßt uns doch darüber streiten, wie wir es machen!
Lassen Sie mich zum Schluß ein Argument aufgreifen, das Frau Kollegin Fuchs gestern angesprochen hat und bei dem es ein kleines Mißverständnis zwischen ihr und mir gab. Das Mißverständnis lag darin, daß ich von dem, was sie sagte, vielleicht etwas falsch verstanden habe oder sie sich mißverständlich geäußert hat. Wenn das Gesamtmanöver aufkommensneutral vonstatten gehen soll, hat sie meine volle Zustimmung. Das ist gar keine Frage. Ich bin der SPD dankbar, daß sie sich nicht von den Grünen hat verführen lassen, in diesem Bereich einen falschen Weg zu gehen.
Die Vorschläge der Grünen, was die Einführung von Öko-Steuern betrifft, bedeuten - wenn man einmal nachzurechnen versucht -, daß die Belastung der Steuerpflichtigen von 21 Milliarden DM Minimum am Anfang bis auf etwa 70 Milliarden DM steigt. Das
Dr. Hermann Otto Solms
kann in einer Zeit der zu hohen Steuern und Abgaben wirklich nicht das richtige Instrument sein.
Deswegen halte ich die Vorschläge der SPD, die ich zwischenzeitlich genau gelesen habe, für eine sehr gute Anregung zu einer sachgerechten Diskussion. Man muß ja auch einmal loben, wenn etwas lobenswert ist, auch wenn es von der Opposition kommt.
Auf diese Vorschläge gehen wir gerne ein. Über die Einzelheiten wird man reden müssen.
Aber die Linie, das aufkommensneutral zu gestalten, ist richtig. Auch darf bei der Einführung ökologischer Elemente ins Steuersystem die Arbeitsplatzsituation nicht beschädigt werden. Das ist eine der zwingenden Voraussetzungen dafür, daß bei der Diskussion ein vernünftiges Ergebnis herauskommt.
Das wollte ich etwas differenzierend darstellen, meine Damen und Herren.
Es geht jetzt darum, daß wir uns über die praktischen, aber notwendigen Fragen einigen und daß wir nicht von vornherein die Diskussion mit Totschlagsargumenten tottreten, so daß sie sich gar nicht erst entwickeln kann. Wenn es uns gelingt, diese Diskussion so zu führen, werden wir, auch was die Arbeitsplätze anbetrifft, wieder größere Erfolge erzielen.
Vielen Dank.