Rede von
Dr.
Erich
Riedl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir gehen heute in die Schlußrunde dieser ersten Lesung des Bundeshaushalts für 1996. Wenn man diese viertägige erste Beratung unter haushalts- und unter finanzpolitischen Aspekten Revue passieren läßt, dann können jedenfalls die Haushaltspolitiker und unter ihnen wiederum vor allem diejenigen, die der Koalition angehören, mit klaren Zielsetzungen und Aufgabenstellungen in die nun beginnenden Einzelplanberatungen im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages gehen.
Herr Kollege Wieczorek, ich habe mich in den bisherigen drei Tagen sehr bemüht, schon einmal zu hören, mit welchen Zielsetzungen die Sozialdemokratische Partei in die Einzelplanberatungen geht. Es war leider nichts zu hören.
Der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung haben einen um die Systemumstellung des Kindergeldes bereinigten Bundeshaushalt vorgelegt, dessen Gesamtausgaben mit rund 452 Milliarden DM um 1,3 % niedriger liegen als die des Vorjahreshaushalts.
Dies ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ein außerordentlich bemerkenswerter Vorgang. Herr Bundesfinanzminister, Sie verdienen Respekt und Anerkennung dafür.
Deutschland setzt mit diesem Haushalt nicht nur ein deutliches Spar- und Konsolidierungszeichen nach innen, sondern gibt damit auch ein Beispiel für die Länder Europas auf dem Weg zur Vollendung der Europäischen Wirtschaftsunion. Die von Deutschland bisher erfüllten Maastricht-Kriterien beim Staatsdefizit und beim Schuldenstand werden bei konsequenter Fortsetzung dieser Haushaltspolitik weiter und auf Dauer stabilisiert. Dafür wird - davon bin ich schon heute überzeugt - der Bundeshaushalt für 1996 ein weiterer Meilenstein sein.
Wenn in einigen Wochen dieser Haushaltsentwurf in zweiter und dritter Lesung endgültig verabschiedet sein wird, dann wird Deutschland für seine Wirtschafts- und Finanzpolitik auch im nächsten Jahr wieder Lob und Akzeptanz der großen internationalen Organisationen wie OECD und IWF finden.
Dr. Erich Riedl
Mit dieser Finanzpolitik wird es uns gelingen, derzeit noch vorhandene strukturelle finanzielle Schwachpunkte unserer Volkswirtschaft schrittweise zu beheben. Der Bundesfinanzminister hat nämlich recht, wenn er sagt:
Noch immer sind die Staatsquote, das Budgetdefizit, die Steuer- und Abgabenlast als Folge der Einheit zu hoch.
Die Opposition hat sich dazu auch nicht geäußert. Sie hat nur generell beklagt, daß strukturelle Verschiebungen notwendig sind, aber sie hat mitnichten erklären können, wie sie dazu beitragen kann, diese strukturellen Unterschiede und Ärgernisse - so kann man sogar schon sagen - systematisch abzubauen.
Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind uns mit dem Bundesfinanzminister darin einig, daß wir in gemeinsamen Anstrengungen von Regierung und Parlament - und hierzu möchte ich auch den Bundesrat zählen, meine sehr verehrten Damen und Herren - die Staatsquote bis zum Jahre 2000 von jetzt 50,5 % mindestens auf 46 % zurückführen müssen,
und zwar damit wir Spielräume gewinnen, mit denen wir dann zu gleichen Teilen das Staatsdefizit abbauen und die Steuerlast absenken können.
Im Finanzplan der Bundesregierung ist ein Abbau der Nettokreditaufnahme auf unter 30 Milliarden DM vorgesehen. Dies ist für uns eine wichtige finanzpolitische Zielmarke. Ich bin einmal neugierig, ob die Redner der Opposition diese Zielmarke auch anstreben, ob sie sie überhaupt erkennen und wie sie bei der Bewältigung dieser Aufgabe künftig vorgehen wollen. Leider hat die Opposition in dieser ersten Lesung - ich muß es noch einmal ganz deutlich sagen; ich sage es ohne Häme, und ich sage es ohne Schaum vor dem Mund, aber es muß gesagt werden - keine Antwort auf die Frage gegeben, ob und wie Sie mit diesen haushalts- und finanzpolitischen Herausforderungen - ich sage es noch einmal zum Mitschreiben, Herr Kollege Wieczorek -, die Nettokreditaufnahme abzusenken und gleichzeitig die Abgabenbelastung zu verringern, in den nächsten Jahren fertig werden wollen.
Seit Jahren - auch das ist eine Beobachtung, die wehtut; ich weiß es ja - werden von der SPD in der ersten Lesung Haushaltsrisiken in unglaublicher Höhe als Schreckgespenster an die Wand gemalt. Man kann gar nicht aufzählen, welche zig Milliarden Haushaltslöcher in den Reden von Frau MatthäusMaier und den anderen über die ganze Jahre aufgezeigt wurden. Aber es zählt zu der eigentlichen Wirklichkeit immer nur ein abgeschlossener Haushalt. Um so erfreulicher war es jedesmal für uns, die Schlußbilanz der abgewickelten Haushalte nachzulesen. Wenn wir richtig nachrechnen, dann lagen die Endergebnisse der vom Bundesfinanzminister Dr. Waigel zu verantwortenden Haushalte der Jahre 1990 bis 1994 insgesamt um mehr als 50 Milliarden DM niedriger als von ihm veranschlagt. Dies, Herr Minister, ist eine außerordentlich bemerkenswerte Leistung.
Dabei will ich überhaupt nicht bestreiten, daß der Weg zu den von uns gesteckten finanziellen Zielen steinig und vor allem auch wegen des von der SPD majorisierten Bundesrates gefahrenreich ist. Dieser Weg könnte aber erfolgreich gegangen werden, nicht nur wenn wir dies alles wollen, sondern wenn wir auch die entsprechenden Initiativen dazu ergreifen. Ich frage heute schon die SPD - und wir werden dies natürlich auch im Haushaltsausschuß immer wieder tun -, ob sie für diesen erfolgversprechenden Weg mit uns gemeinsam die Verantwortung übernehmen möchte.
Wir von der Koalition sind für diesen Weg gut gerüstet. Wir werden im Rahmen unserer Beratungen zunächst die 1,6 Milliarden DM auf der Ausgabenseite zu kürzen haben, die als Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 1996 vom Bund zu verkraften sind und die über die 60-MilliardenDM-Grenze für die Nettokreditaufnahme hinausgehen. Als Haushälter hat man es natürlich ungern, daß man nach Vorliegen des Regierungsentwurfes durch zusätzliche Gesetzesmaßnahmen, die unvermeidbar waren, zusätzlich streichen muß. Es wäre uns lieber gewesen, wenn diese 1,6 Milliarden DM beim Bund auf der Ausgabenseite nicht angefallen wären, aber wir haben diese Aufgabe nun zu bewältigen. Das wird der erste Schritt sein.
Spielraum für belastende Ausgabenbeschlüsse ist deshalb - ich sage es hier ganz deutlich, auch an die, die jetzt schon wieder kommen und mehr haben wollen - nicht vorhanden. Wir haben in der Koalitionshaushaltsgruppe vorweg schon einmal beschlossen, die sächlichen Verwaltungsausgaben grundsätzlich auf dem Stand des Vorjahrs zu belassen. Um die Ausgaben- und Defiziteckwerte unbedingt einzuhalten, müssen Ausgabeerhöhungen und Einnahmeherabsetzungen in voller Höhe durch echte Einsparungen im jeweiligen Einzelplan gedeckt werden. Dieses sogenannte Moratorium, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, gilt insonderheit natürlich auch für die Bundesregierung selbst.
Dieser Grundsatz bedeutet auch: Aufstockung und Neubewilligung spezifischer Leistungen für die neuen Bundesländer setzen eine vollständige Gegenfinanzierung durch entsprechende Absenkungen im Bereich der einigungsbedingten Leistungen voraus. Dabei möchte ich die Notwendigkeit einer Degression und einer stärkeren Konzentration der Leistungen für die neuen Länder unterstreichen.
Folgendes will ich jetzt in vier ganz knapp gefaßten Punkten festhalten:
Erstens. Auf der Grundlage der aktuellen Arbeitsmarkteinschätzung besteht nach Überzeugung der Haushaltsgruppe der Koalition kein Bedarf für einen Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1996. Für den Fall einer flacheren Arbeits-
Dr. Erich Riedl
marktentwicklung im Herbst dieses Jahres ist möglichst durch administrative Maßnahmen darauf hinzuwirken, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit insbesondere durch Begrenzung der disponiblen und Ermessensleistungen ein Defizit nicht entsteht.
- Sie, Herr Kollege Diller, haben gestern gefragt, und heute bekommen Sie eine Antwort. Schneller geht es doch gar nicht. Sie müssen sich nur daran halten; dann werden wir unser Sparziel erreichen.
- Sie sollen nicht so viel reden, Herr Diller, Sie sollen mitschreiben, damit Sie es sich merken und es nachlesen können.
Zweitens. In der Koalitionsarbeitsgruppe besteht Einvernehmen, die Arbeitslosenhilfeaufwendungen durch die vorgesehene Reform der Arbeitslosenhilfe und die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe um insgesamt 3,4 Milliarden DM im Jahre 1996 zu vermindern.
Drittens. An den finanziellen Eckpunkten für die BAföG-Strukturreform und an ihrem Wirksamwerden zum Herbst 1996 ist festzuhalten, um Spielraum für andere bildungs- und forschungspolitische Maßnahmen zu schaffen.
Viertens. Alle Bundesministerien müssen sich nach Überzeugung der Koalition im Haushaltsausschuß vor Beginn des Regierungsumzugs nach Berlin einer Organisationsstrukturreform unterziehen; vorhandene Strukturen müssen an die sich verändernden Anforderungen angepaßt werden.
Ich bin im übrigen überzeugt: Wenn diese vier Punkte stringent eingehalten werden, wenn vor allen Dingen auch beim letzteren gründlich gearbeitet wird, werden wir sehen, wie schnell einige Milliarden an Einsparungen zusammenkommen.
Eine Schlußbemerkung. Angesichts der immensen Aufgaben, die auf die deutsche Finanzpolitik seit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 zugekommen waren, insbesondere auf Grund des erst allmählich sichtbar gewordenen Desasters der ehemaligen DDR, stehen wir heute vor einer bemerkenswerten Situation.
Fünf Jahre nach der Wiedervereinigung können wir schon jetzt darangehen, die einigungsbedingt überhöhten Staatsausgaben, die einigungsbedingt überhöhte Staatsverschuldung und die einigungsbedingt überhöhte Abgabenlast der Bürger planmäßig zu reduzieren,
und dies, obwohl der Bundeshaushalt - dies ist kein Fingerzeig, vor allen Dingen kein ärgerlicher, an den Bundesrat; aber es ist eine Tatsache - bei aller Anerkennung des finanziellen Beitrags der Bundesländer zur Wiedervereinigung die Kosten der Wiedervereinigung zu einem überdurchschnittlichen Anteil getragen hat. Wir haben heute eine gute Chance, die finanzpolitischen Eckdaten der Staatsverschuldung und der Abgabenlast bis zum Jahr 2000 wieder auf den Stand zurückzuführen, den wir vor der Wiedervereinigung zu verzeichnen hatten. Wenn uns dies in zehn Jahren gelänge, wäre dies ein zweites deutsches Wirtschaftswunder.
Aber damit wir dieses Ziel erreichen, müssen wir den Entwurf zum Haushalt 1996 ordentlich beraten, wobei ich der Öffentlichkeit einmal ein ganz offenes Wort sagen muß. Der Ärger, der sich im Plenum des Bundestages oft bei Haushaltsdiskussionen abspielt, ist im Haushaltsausschuß eigentlich gar nicht so zu spüren. Die Beratungen im Haushaltsausschuß sind - ich will dies auch einmal an die Opposition sagen - regelmäßig mit ernsten Anstrengungen verbunden,
zu sparen und den Haushalt korrekt zu verabschieden. Nur, meine Damen und Herren von der Opposition, dann haben Sie auch einmal den Mut, hier in aller Offenheit zu sagen, daß Sie in den vergangenen Jahren mehr als 90 % der Ausgaben im Haushaltsausschuß des Bundestages immer selbst mitgetragen haben!
Wenn Sie dies auch bei der Beratung dieses Haushaltsentwurfs tun, dann könnte man in der zweiten und dritten Lesung vielleicht sogar sagen: So schlecht, wie sich die Opposition in dieser ersten Lesung der Öffentlichkeit präsentiert hat, war sie im Haushaltsausschuß in Wirklichkeit nicht.
Sie haben eine Chance, sich zu verbessern.