Ich glaube, lieber Herr Schindler, daß eine Aufklärung über Gefahren notwendig ist. Ich würde das nicht leichtfertig mit Angstschürerei und ähnlichem in einen Topf werfen. Bei dem anderen Punkt gebe ich Ihnen recht. Natürlich haben die vielen Skandale um Tiertransporte, Kälber und BSE sowie die eventuelle Freigabe von Masthormonen für die Fleischerzeugung, aber auch die Auswirkungen der Produktionsausdehnungen als Ausweichaktionen für andere Produkte mit dazu beigetragen, daß der Fleischmarkt verfällt. Da gebe ich Ihnen recht. Ich wäre ja dankbar, wenn es uns gelänge, gemeinsam eine Aktion zu starten und gemeinsam nach Wegen zu suchen. Aber hier wird tatsächlich versucht, die Opposition mit Appellen einzufangen, aber es wird nichts Konkretes auf den Tisch gelegt, aus dem man ersehen könnte, wie wir das gemeinsam ändern könnten.
Meine Damen und Herren, für uns steht fest: Jede künftige Regelung für den Milchmarkt - Herr Borchert hat es angesprochen - muß folgende Dinge mitbedenken: Die Position der aktiven Milcherzeuger, der Bewirtschafter, muß gestärkt werden. Ich hoffe, darin stimmen wir überein. Zweitens muß sie dazu beitragen, eine flächendeckende Landbewirtschaftung zu ermöglichen. Die auf Milcherzeugung angewiesenen Standorte müssen auch weiterhin hierzu in der Lage sein. Es darf nicht dazu kommen, daß demnächst ganze Regionen ohne Milcherzeugung werden leben müssen.
- Ich habe von den Ausgleichszulagen gesprochen. Wenn hier dumme Bemerkungen gemacht werden - ich will das jetzt nicht wiederholen; ich glaube, Herr Carstensen war das; zumindest lächelt er so freundlich -,
dann sollte man überlegen, ob das für die Situation der Landwirte hilfreich ist, die um ihr Überleben kämpfen.
Auch ich bin der Auffassung, daß erforderliche Anpassungen sicher zuerst von der Wirtschaft in Angriff genommen werden müssen, auch im Bereich Rindfleisch. Der Bund jedoch hat bei der vorherrschenden oligopolistischen Situation die Aufgabe eines Moderators, die er bisher leider auch zum Nachteil der landwirtschaftlichen Erzeuger nicht wahrgenommen hat. Voraussetzung dafür, die Aufgabe des Moderators zu übernehmen, sind eben strukturpolitische Vorstellungen, die offensichtlich für diesen Bereich bei der Bundesregierung nicht vorhanden sind.
Die bestehenden Probleme bei Milch und Rindfleisch sind natürlich auch bedingt durch währungspolitische Einflüsse. Die Dollarschwäche hat bei unveränderten Exporterstattungen zu geringeren Drittlandexporten geführt. Die Verschiebungen innerhalb des Europäischen Währungssystems haben insbesondere Milch- und Rindfleischexporte aus dem süddeutschen Raum nach Italien beeinträchtigt.
Was liegt bei einer solchen Situation eigentlich näher, Herr Hornung, als die in Brüssel beschlossenen Ausgleichsmaßnahmen vorrangig den von den Währungsverschiebungen am stärksten betroffenen Produktionsbereichen zukommen zu lassen, so wie es auch andere bedeutsame Mittelstaaten machen wollen? Offensichtlich will die Bundesregierung jedoch auch hier den Weg des geringsten Widerstandes gehen, statt den struktur- und einkommenspolitischen Notwendigkeiten zu folgen. Also sollen die vorgesehenen Mittel, wie mehrfach schon in der Vergangenheit, nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden.
Horst Sielaff
Ich frage mich im übrigen schon, wie und wo die Bundesregierung die Mittel für die Ausgleichsmaßnahmen aufbringen will. Darüber hörten wir nichts, und auch im Haushaltsentwurf ist darüber nichts zu finden. Ein klärendes Wort dazu und über die Verteilungsabsichten sind bei der ersten Lesung des Haushalts 1996 mehr als angebracht.
Meine Damen und Herren, ich würde gerne einige Worte mehr zur Situation in den neuen Bundesländern sagen und ausführen, wie Sie die Altschuldenproblematik behandeln. Sie wollen nicht begreifen, wie leichtfertig Vermögen ostdeutscher Landwirte und die Beschäftigung in ländlichen Räumen aufs Spiel gesetzt wird. Wie soll ein landwirtschaftliches Unternehmen z. B. mit Wirtschaftsgebäuden Zinsen und Tilgung für Altkredite aufbringen, die unter völlig anderen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen entstanden, wenn diese Gebäude veraltet sind, im schlechten Zustand oder leer stehen, weil z. B. keine Milchquoten für die Auslastung zur Verfügung stehen oder weil die Produktionsstrukturen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen völlig andere geworden sind?
Abschließend ein paar Bemerkungen zur Agrarsozialreform, die Sie, Herr Borchert, auch angesprochen haben. Wir haben im letzten Jahr gemeinsam die Alterssicherung der Landwirte reformiert. Durch die von uns vorgeschlagene Defizithaftung des Bundes sind die Renten der Bäuerinnen und Bauern gesichert, ohne daß die aktiven Landwirte unzumutbar hohe Beiträge zahlen müssen. Wir sind aber der Auffassung, daß gewisse Korrekturen, vor allem bei den versicherten Nebenerwerbslandwirten, möglich und notwendig sind. Die Zeit drängt. Die versicherten Bäuerinnen und Bauern brauchen Klarheit. Einige Wahlfristen laufen zum Jahresende aus.
Bis heute, Herr Borchert, liegt eben kein vollständiges, innerhalb der Koalition und der Bundesregierung abgestimmtes Konzept vor, das Grundlage von Konsensgesprächen sein könnte.
Bis heute liegen keine tragfähigen Abschätzungen über die Entwicklung der Zahl der Versicherten, die Ausgaben für Beitragszuschüsse usw. vor. Die Bundesregierung sieht sich auch auf Anfrage nicht in der Lage, die Entwicklung der Zahlen tendenziell einzuschätzen. Wird ein solches Konzept für die von Ihnen erneut auf die nächste Sitzungswoche verschobenen Konsensgespräche vorgelegt, werden wir natürlich versuchen, wiederum gemeinsam zu tragfähigen und verantwortbaren Lösungen zu kommen.
Um den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Folgen im Wandel der Agrarstrukturen etwas entgegensetzen zu können bzw. diese abzufedern, ist ein sofortiger agrarpolitischer Kurswechsel nötig. Dabei ist mit Vorrang eine marktorientierte sowie nachhaltige, umweltverträgliche Landbewirtschaftung flächendeckend zu erhalten.
Zweieinhalb Jahre sind Sie, Herr Borchert, jetzt im Amt.
Sie haben heute wahrhaftig keine positive Bilanz vorlegen können, wie dieser Haushalt 1996 leider zeigt.