Rede von
Cornelia
Schmalz-Jacobsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen aus unseren Ausschußberatungen, mit was für einer breiten Thematik wir es hier zu tun haben und daß sie meistens andere Ressorts, die Bundesländer oder die Kommunen betrifft. Wir können feststellen, daß wir es mit einem gesellschaftlichen Bereich zu tun haben, der ständigem Wandel unterworfen ist. Der Gesetzgeber kann nicht immer etwas tun. Die Dynamik wird von anderen Eckwerten bestimmt. Wohl aber können wir Akzente setzen; wir können einen Rahmen setzen. Wir müssen von den Realitäten ausgehen. Wir dürfen nicht schwarzmalen, aber wir dürfen auch nicht schönfärben, sondern müssen hinschauen, was Sache ist. Ein Beispiel - es ist schon genannt worden - dafür, wie sensibel und wie rasch veränderte Bedingungen in den Familien zu Buche schlagen, ist der dramatische Rückgang der Geburtenrate in der ehemaligen DDR.
Cornelia Schmalz-Jacobsen
Die Familie hat sich verändert. Häufig hat sich aber auch nur unsere Wahrnehmung von dem, was Familie heute ist, verändert. Ein Beispiel faktischer Veränderung, die der Gesetzgeber vorgenommen hat, letztlich auch eine Antwort auf eine veränderte Bewußtseinslage ist der Familienleistungsausgleich. Endlich nennen wir das Kind einmal beim Namen und sprechen nicht mehr von der „Last", sondern von der „Leistung".
Angesichts vieler Single-Haushalte und vieler Paare ohne Kinder ist es keine selbstverständliche Leistung. Die Lösung, die wir mit dem Familienleistungsausgleich gefunden haben, kann sich, meine ich, sehen lassen, auch wenn es ein Schönheitsfehler ist, daß sie erst unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichts möglich war. Zusammen mit dem Entlastungsvolumen bei der Freistellung des Existenzminimums von Erwachsenen werden die Bürger im kommenden Jahr um über 22 Milliarden DM entlastet, was zum großen Teil den Familien zugute kommt. Das war dringend geboten. Aber dies kann mittelfristig natürlich nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Aber bei der derzeitigen Haushaltslage - das müssen wir einmal sagen - ist dies sehr beachtlich.
Aus der Sicht meiner Partei, meiner Fraktion möchte ich besonders hervorheben, daß wir erstmals Steuer- und Sozialrecht miteinander verknüpfen und uns so einen ersten Schritt in Richtung auf das Bürgergeldprinzip bewegt haben, das die Liberalen bekanntlich fordern und vertreten.
Natürlich ist die Folge, daß der Gesamthaushalt des Familienministeriums um fast 20 Milliarden DM zugunsten des Finanzministers schrumpft. Aber ich gehe einmal davon aus, daß sich der Bundesfinanzminister in Sachen Familienfreundlichkeit sicher nichts vorwerfen lassen will.
Ich bin unserer Justizministerin dafür dankbar, daß sie das Kindschaftsrecht neu regeln will und wir es hoffentlich noch im Herbst oder im nächsten Jahr zu beraten haben werden.
In den letzten 16 Jahren hat es hier keine Novellierung gegeben. Aber es hat keinen Stillstand in der gesellschaftlichen Entwicklung gegeben. Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist höchste Zeit, daß wir das Kindeswohl mehr in den Mittelpunkt rücken. Das wollen, meine ich, auch Mütter und Väter. Die Regelung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder und vernünftige Regelungen beim Sorgerecht geschiedener oder nichtverheirateter Eltern sind notwendig. Dabei müssen wir uns von dem Gedanken „Soviel gemeinsame Elternverantwortung wie möglich" leiten lassen. Dogmatische Vorstellungen bringen hier im übrigen überhaupt nichts.
Aber natürlich gilt das Prinzip „So viel gemeinsame Elternverantwortung wie möglich" auch für den Alltag bestehender Ehen. Auch hier können wir nur auf Umwegen zum Ziel kommen. Für eine gleichberechtigte Elternschaft sind viele Faktoren notwendig, nämlich eine gerechte Aufteilung von Familienaufgaben, meine Herren, meine Damen, gleichberechtigte Ausbildungschancen, familienfreundliche Arbeitszeitregelungen, gerechte Einkommensverteilung bei Männern und Frauen, die Steuergesetzgebung und last but not least die Kindertagesbetreuung, die hier schon häufiger angesprochen wurde.
Ich möchte heute noch einen besonderen Aspekt ansprechen. Vieles, was hinter den Kulissen im weiten Bereich der Familienarbeit, die Jugendliche und alte Menschen einschließt, stattfindet, wäre ohne ehrenamtliche Helfer nicht denkbar. Hier haben wir es mit Leistungseliten zu tun. Ehrenamtlich Tätige sind Leistungsträger unserer Gesellschaft.
Ich finde, es ist eine entsetzliche Verkürzung, wenn man den Begriff Leistung immer nur an die finanzielle Leistung koppelt. Was wären wir ohne die ehrenamtlich Tätigen?
- Die Männer. Auch ich bin der Meinung, daß es nicht so gehen kann: dem Mann das Amt, der Frau das Ehrenamt. Darin sind wir uns völlig einig. Aber nur bezahlte Ämter, das geht nicht; nicht nur, weil das nicht bezahlbar ist, sondern weil es den Zusammenhalt unserer Gesellschaft verkümmern ließe.
Ich möchte gerade den Zusammenhang zwischen ehrenamtlicher Arbeit und ausländischen Familien herstellen. Unter uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, leben viele ausländische Familien und übrigens immer mehr binationale Familien, von denen wir uns manchmal eine Scheibe abschneiden könnten.