Rede von
Eva-Maria
Bulling-Schröter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Zuerst einmal möchte ich betonen, daß ich alles unterstütze, was mein Kollege Heym schon zu diesem Thema gesagt hat.
Der Deutsche Bundestag hat sich am 22. Juni und auf Antrag der Gruppe der PDS in einer Aktuellen Stunde am 13. Juli dieses Jahres mit der Planung französischer Atombombentests unter dem Muru-
Eva Bulling-Schröter
roa-Atoll auseinandergesetzt. Auch in einigen Reden im Rahmen der Haushaltsdebatte wurde auf die aktuellste Entwicklung, die Unglaublichkeit des trotz massivster internationaler Proteste tatsächlich vollzogenen Tests eingegangen. Im übrigen habe auch ich mich am vorigen Freitag in Paris an den Demonstrationen beteiligt; leider war ich die einzige deutsche Bundestagsabgeordnete.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade die Debattenbeiträge in dieser Haushaltsdebatte haben gezeigt, daß die Koalition die politische, ökologische und rechtliche Dimension dieser Zäsur entweder nicht überblickt oder aus einer Mischung von Opportunismus und Eigennutz ignoriert.
Aber unabhängig davon kann die Erörterung eines für die Sicherheit und den Weltfrieden erstrangigen Vorganges kaum am Rande der Haushaltsberatungen stattfinden. Eine eigenständige Debatte zu diesem Thema ist gerade für die Bundesrepublik, deren gegenwärtige Regierung zu keiner Zeit versäumt, die neue Rolle des vereinigten Deutschland in der internationalen Arena zu bekunden, das mindeste, was man überhaupt verlangen kann.
Waren Sie es nicht, Herr Bundeskanzler - leider ist er mal wieder nicht da -, der gestern noch väterliche Schelte angesichts fehlender außenpolitischer Akzente in der Rede Rudolf Scharpings austeilte? Empfinden Sie Ihren lächerlichen Verweis darauf, daß Bonn und Paris in dieser Sache unterschiedlicher Auffassung seien, als angemessene Form der Auseinandersetzung mit diesen Problemen?
Nun ist es auch keine Überraschung, daß der Bundesaußenminister nicht seinen Botschafter in Frankreich zurückruft, wie seine couragierten Kollegen in Neuseeland und Chile es getan haben. Herr Kinkel konnte sich gerade noch abringen: „Die Versuche passen nicht mehr in die Zeit." Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Herr Kinkel, reden wir eigentlich über den Umgang mit menschheitsvernichtenden Waffen, oder sprechen wir hier im Bundestag - manchmal hat man hier schon den Eindruck - über Kaiserschmarren?
Meine Damen und Herren, die Debatte über die neuerliche Aufnahme der Atomwaffentests durch Frankreich gehört heute auf die Tagesordnung. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben das ja schon betont. Sie gehört schon deshalb auf die Tagesordnung, weil seit der letzten Aktuellen Stunde weitere Erkenntnisse vorliegen.
Das schon angesprochene, im Auftrag von Greenpeace vom Öko-Institut Darmstadt erstellte Gutachten legt nahe, daß die französische Regierung mit dem Test gegen den Euratom-Vertrag verstoßen hat, indem sie diesen gefährlichen Versuch ohne Zustimmung der Europäischen Kommission durchführte. In einem solchen Fall werden den Mitgliedstaaten des Vertrages Klagemöglichkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof eingeräumt, ein Schritt, der nach Meinung der PDS von der Bundesrepublik Deutschland gegangen werden sollte und auf den sich dieses Haus hier und heute verständigen müßte. Meine Gruppe hat eine solche juristische Initiative schon in einem Antrag vom 16. August gefordert.
Die juristische Seite ist aber nur ein begleitender Schritt zur notwendigen politischen Auseinandersetzung, und zwar nicht nur mit der französischen, sondern auch mit der europäischen, insbesondere mit der deutschen Atom- und Atomwaffenpolitik. Diese Auseinandersetzung darf keinesfalls nur ein Randthema der Haushaltsdebatte sein. Ihr Stellenwert verlangt eine eigene Debatte.
Diese Politik, die hier praktiziert wird, hat natürlich Tradition. Schon 1957 unterzeichnete der damalige deutsche Verteidigungsminister Strauß mit seinem französischen Kollegen Delmas ein Geheimabkommen für gemeinsame Studien über die militärische Anwendung der Nuklearenergie. Die Wege trennten sich dann irgendwann, und jetzt stehen wir wieder vor dem gleichen Problem, stehen wir heute - wie sich auch aus der Haltung der Bundesrepublik gegenüber Frankreich ableiten ließe - kurz davor, quasi wieder Atommacht zu werden. Die Prügelszenen in Paris - ich habe sie selber gesehen - und auch in Papeete, die gestern im Fernsehen gezeigt wurden, sprechen eine deutliche Sprache.
Abschließend möchte ich mich an die SPD-Fraktion mit der Hoffnung wenden, daß unsere im Pazifik in eine mißliche Lage geratenen Kolleginnen und Kollegen -