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    Plenarprotokoll 13/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Dr. Peter Struck SPD 4394B, 4399A Joachim Hörster CDU/CSU 4395 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4396 C Jörg van Essen F.D.P. 4397 C Eva Bulling-Schröter PDS 4397 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 4345 B Ernst Schwanhold SPD . . . . 4346D, 4360 B Anke Fuchs (Köln) SPD 4349 A Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . 4352A Birgit Homburger F D P. 4352 C Ernst Hinsken CDU/CSU 4352B, 4370D, 4377 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 4354 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4357 C Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. 4359A Rolf Kutzmutz PDS 4361 A Stefan Heym PDS 4362 C Otto Schily SPD 4363 A Rainer Haungs CDU/CSU 4363 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 4364B, 4369A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 4365B, 4393 A Uwe Hiksch SPD 4365 D Dr. Uwe Jens SPD 4367 B Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . . . 4368B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . 4369 D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 4371 D Rudolf Dreßler SPD 4375 B Dr. Gisela Babel F.D.P 4378 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4379 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 4380 C Rudolf Dreßler SPD 4382A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4384 A Dr. Gisela Babel F.D.P 4386B Manfred Müller (Berlin) PDS 4388B Ulrich Heinrich F D P. 4388 D Ottmar Schreiner SPD 4390 A Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 4390 D Gerda Hasselfeldt CDU/CSU 43928 Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 4399B Doris Odendahl SPD 4401 D Günter Rixe SPD 4401 D Dr. Peter Glotz SPD 4403 C Steffen Kampeter CDU/CSU 4406 C Dr. Peter Glotz SPD 4407 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . 4408B, 4467A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4409D Steffen Kampeter CDU/CSU 4410A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4410B Wolf-Michael Catenhusen SPD . • . 4411C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . 4412D Maritta Böttcher PDS 4414C, 4432 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 4416A Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4416B Edelgard Bulmahn SPD 4418B Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU . . . 4420 D Gertrud Dempwolf, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 4422 A Edelgard Bulmahn SPD 4422 B Hanna Wolf (München) SPD 4424 C Johannes Singhammer CDU/CSU . 4426 B Peter Jacoby CDU/CSU 4427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 4428 C Ingrid Holzhüter SPD 4428D, 4431 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4429 B Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . 4430 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . 4433 A Hanna Wolf (München) SPD 4433 B Klaus Hagemann SPD 4434 B Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 4436 C Klaus Kirschner SPD 4439 A Angelika Pfeiffer CDU/CSU 4441 C Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4443 C Jürgen W. Möllemann F.D.P. . . . . . 4445.A Horst Seehofer CDU/CSU 4445 C Klaus Kirschner SPD 4445C, 4448D Peter DreBen SPD 4446 A Dr. Ruth Fuchs PDS 4447 B Ulf Fink CDU/CSU 4448 B Gudrun Schaich-Walch SPD 4450p Jochen Borchert, Bundesminister BML 4452 A Dr. Peter Struck SPD 4453B, 4463 D Horst Sielaff SPD 4454 C Norbert Schindler CDU/CSU 4456 A Egon Susset CDU/CSU 4457 C Horst Sielaff SPD 4458 B Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 4458C, 4463 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4458D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4460A Jürgen Koppelin F.D.P 4461 C Jochen Borchert CDU/CSU . . 4463A, 4464 A Dr. Günther Maleuda PDS 4464 C Max Straubinger CDU/CSU 4465 C Ilse Janz SPD 4466 C Nächste Sitzung 4468 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4469* A 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 7.9.95 Behrendt, Wolfgang SPD 7.9.95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 7.9.95 Frick, Gisela F.D.P. 7.9.95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 7.9.95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 7.9.95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 7.9.95 Jelena Horn, Erwin SPD 7.9.95 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 7.9.95 Dr. Klaußner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Dr. Knake-Werner, PDS 7.9.95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 7.9.95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 7.9.95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 7.9.95 90/DIE GRÜNEN Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lotz, Erika SPD 7.9.95 Lüth, Heidemarie PDS 7.9.95 Neuhäuser, Rosel PDS 7.9.95 Neumann (Berlin), Kurt SPD 7.9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 7.9.95 Schätzle, Ortrun CDU/CSU 7.9.95 Schenk, Christa PDS 7.9.95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 7.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 7.9.95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 7.9.95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 7.9.95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 7.9.95 Simm, Erika SPD 7.9.95 Stübgen, Michael CDU/CSU 7.9.95 Thieser, Dietmar SPD 7.9.95 Tröscher, Adelheid SPD 7.9.95 Wieczorek-Zeul, SPD 7.9.95 Heidemarie • für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Joachim Fuchtel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Dreßler, ich empfehle Ihnen eine dickere Brille. Mit zwei Zentnern und einigen Kilo Gewicht müßte ich eigentlich unübersehbar sein. Ich möchte Sie aber bitten: Lassen Sie uns in der Sache darüber reden.
    Ich muß Ihnen schon sagen: Man hätte Frau Fuchs in vielen Punkten schon vorher widersprechen müssen, als sie diese Dinge, die völlig unschlüssig sind, vorgetragen hat. Das Unschlüssigste an der ganzen Kiste war dann wohl, als sie gesagt hat: Zur Gegenfinanzierung nehmen wir einmal die Steuer auf das Flugbenzin. - Wenn man einmal sieht, um welche Summen es sich da handelt - wir brauchen nicht Millionen, wir brauchen Milliarden -, dann muß ich Ihnen, Herr Kollege Dreßler, vorhalten: Sie haben das Problem, daß Sie immer Millionen und Milliarden verwechseln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Abg. Rudolf Dreßler [SPD] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

    - Nein, einmal genügt, Herr Kollege.
    Ich muß noch etwas zu den Ausführungen von Frau Matthäus-Maier sagen. Sie hat vorgestern ausgeführt: Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die Arbeitslosigkeit. - Das ist auch so ein Quatsch. Das hilft uns in der Sache überhaupt nicht weiter, weil man damit die Notwendigkeit des Umbaus des Sozialstaates verneint. Genau an diese Aufgabe müssen wir jetzt gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Ja, Sprechblasen sind das!)

    Nach der Auffassung der CDU/CSU gibt es in unserem Sozialstaat zu viele Szenarien, bei denen der einzelne nicht genügend herausgefordert wird, für sich selbst zu sorgen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Beispiel?)

    - Es ist sehr schön, daß Sie jetzt so konkret werden wollen. Das paßt genau zu dem, was ich jetzt sagen möchte.
    Lassen Sie es mich mit einem Zitat sagen:
    Das Thema der Solidarität in Deutschland muß neu definiert werden. Bislang haben wir das Thema der Solidarität nur aus der Sicht derjenigen definiert, die staatliche Leistungen in Anspruch genommen haben. Wir müssen gesamtgesellschaftliche Solidarität auch aus der Sicht derjenigen mitdefinieren, die diese staatlichen Leistungen erwirtschaften.

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr gut!)

    Dieses Zitat stammt von keinem CDU-Politiker, es stammt vom Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim, einem SPD-Mitglied, und zwar aus dessen neuestem Buch „Der erschöpfte Sozialstaat" .

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ein vernünftiger Mann!)

    Das sollten Sie sich einmal etwas stärker hinter die Ohren schreiben,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aber ich wollte ein konkretes Beispiel! Kein Buch, sondern ein Beispiel!)

    damit wir dann vielleicht auf eine etwas andere Diskussionsebene kommen.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das ist ein Mann der Praxis! Er kommt bei denen nicht zu Wort!)


    Hans-Joachim Fuchtel
    Unsere Befürchtung ist - darauf komme ich noch zurück -, daß, ähnlich wie bei der Asylfrage, erst der mühsame Protest Ihrer eigenen Basis, vor allem der Kommunalpolitiker, Sie langsam dazu bewegt, auch hier in Bonn umzudenken. Nur, so lange können wir hier nicht warten. Wir haben schon bei der Asylfrage viel zu lange auf Sie gewartet.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Jetzt komme ich zum Konkreten, Frau Kollegin Fuchs. Sie wollten ja ein Beispiel haben. Herr Kollege Scharping hat gestern ganz pauschal gesagt: 3,5 Millionen Arbeitslose, sie alle warten auf Arbeit. - Wir in diesem Hause sind uns einig, daß wir alles tun müssen, um möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen.

    (Zurufe von der SPD: Was tut ihr denn? Ihr tut doch nichts!)

    Es stellt sich die Frage, ob wir bereit sind, differenziert darüber zu reden, oder ob wir es so machen wie Sie, die von den 3,5 Millionen sprechen und glauben, damit das ganze Thema abgehandelt zu haben. Wir sollten vielmehr - das wäre der Sache angemessen - dazu übergehen, uns wirklich sektoral differenziert mit solchen Problemen zu befassen und die Schlagworte aus der Diskussion herauszuhalten, die immer wieder eine konkrete Lösung verhindern. Dazu sind wir bereit. Wir brauchen allerdings auch Ihre Bereitschaft dazu, damit wir vorankommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Werden Sie doch einmal konkret!)

    Tatsache ist, daß im Jahr 1994 1,2 Millionen Arbeitserlaubnisse für Ausländer erteilt wurden, davon 400 000 an nachziehende Ehegatten von Ausländern. Das sage ich nur an die Adresse derjenigen, die die Gesetze auch auf diesem Gebiet immer weiter öffnen möchten.

    (Zuruf von der SPD: Und wie viele an Aussiedler?)

    - Das sind ja keine Ausländer, wenn Sie das noch nicht gelernt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das ist schon traurig, wenn Sie bis zum heutigen Tage, obwohl Sie schon ein Jahr Mitglied im Deutschen Bundestag sind, noch nicht begriffen haben, daß hier ein Unterschied gemacht werden muß. Manches, was Sie so daherreden, wundert mich jetzt nicht mehr, wenn Sie diese Differenzierung nicht vornehmen können.
    700 000 von diesen 1,2 Millionen sind Arbeitnehmer von außerhalb der Europäischen Union, weil unter den Arbeitslosen in Deutschland eben niemand bereit war, diese Arbeiten zu tun. Denn Voraussetzung dafür, daß Arbeitserlaubnisse erteilt werden, ist, daß erst einmal geprüft wird, ob es auf dem deutschen Arbeitsmarkt Leute gibt, die bereit sind, die Arbeiten zu tun. In 700 000 Fällen ist die Prüfung negativ verlaufen. Wir brauchten jede Menge Saisonarbeiter, wir brauchten Erntehelfer usw.
    Bei dieser Sachlage ist es doch nicht angemessen, so pauschal von 3,5 Millionen Arbeitslosen zu reden. Wir müssen uns dort, wo wir feststellen, daß bisherige Regelungen nicht dazu führen, daß derjenige, der arbeiten kann, zur Arbeit ermuntert wird, bemühen, künftig Anreizsysteme zu schaffen, damit dies möglich wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nach meinem Empfinden erwartet das der ganz große Teil unserer Bevölkerung. Wir müssen uns dieser Aufgabe schleunigst annehmen, um nicht den Mißmut der Bevölkerung in diesem Bereich zu stärken.
    Deswegen gehen wir jetzt an die Arbeit. Wir wären dankbar, wenn Sie sich beteiligen, anstatt sich zu versagen - woraufhin wir wieder harte Konfrontationen haben, aber Probleme nicht vom Tisch schaffen. Es liegt nicht an uns, wenn hier nichts geschieht. Wenn wir hier Zeichen setzen, werden das die Leute draußen im Lande sicher aufmerksam verfolgen und positiv zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch etwas sagen, was mir in der Debatte aufgefallen ist. Es gibt einen sehr ausführlichen Bericht der OECD. Nachdem bekannt wurde, daß sehr viel Positives über die Bundesrepublik drinsteht, überlege ich mir dauernd, was wohl der Grund dafür ist, daß er von Ihrer Seite kein einziges Mal erwähnt wurde. Eigentlich müßten Sie jetzt sagen: Jawohl, da wurde etwas positiv beschrieben,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was denn?)

    wir sind auf dem richtigen Weg. Aber Sie sind so engstirnig, daß Sie das ganz vergessen.
    Ich frage mich: Wie oft würde dieser Bericht wohl heute zitiert werden, wenn er für diese Bundesregierung negativ ausgefallen wäre?

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Ja, das ist wahr!)

    Dann hätten Sie gar nicht genügend Vervielfältigungspapier gehabt, um das alles über uns auszubreiten.
    Aber, meine Damen und Herren, so ist die Situation: Die SPD ist derzeit nicht in der Lage, auf dem Boden der gesellschaftlichen Realitäten zu diskutieren,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Miesmacher!)

    schon gar nicht in der Sozialpolitik. Wir hoffen, daß Ihnen die Augen bald aufgehen und daß wir dann bessere Gespräche miteinander führen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ihnen werden sie aufgehen, keine Sorge!)

    Denn auch Ihnen dürfte nicht entgangen sein, daß beispielsweise die Entwicklung der Inflationsrate auch ein Ergebnis unserer Politik ist. Wenn man fragt, was die beste Sozialpolitik für den kleinen Mann ist,

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das stimmt!)


    Hans-Joachim Fuchtel
    muß man doch antworten: Für den kleinen Mann, der keine Sachwerte besitzt, ist eine niedrige Inflationsrate die beste Sozialpolitik, die man machen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Insofern sehen wir uns auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik auf dem richtigen Weg. Wir hoffen, daß Sie in den kommenden Beratungen auf sachlicherer Ebene, als das vorhin bei dem Kollegen Dreßler der Fall war, versuchen, die notwendigen Weichenstellungen zu treffen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile nun der Abgeordneten Annelie Buntenbach das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Annelie Buntenbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Blüm, das war ja am Anfang wirklich eine Rede, die zu Herzen geht. Ich will und kann den Bogen jetzt nicht so weit spannen, wie Sie das getan haben. Ich möchte auf dem Teppich bleiben und mich gleich Ihrem Haushaltsentwurf zuwenden.
    Aber eine Vorbemerkung muß ich einfach machen: Herr Blüm, reden Sie die Pflegeversicherung nicht schön! Angesichts der vielfältigen Probleme, die deren Umsetzung allerorten aufwirft, erwarten wir von Ihnen etwas ganz anderes: Geben Sie endlich zu, daß noch vielfacher Änderungsbedarf besteht, damit die Pflegeversicherung zum Fortschritt und nicht zu einer Beschwernis für die Betroffenen wird.
    Schauen wir uns doch einmal an, wie Sie von seiten der Regierung die großen Herausforderungen dieser Zeit angehen! Das war ja vorhin angekündigt. Aber offensichtlich haben wir ein unterschiedliches Verständnis davon, was die großen Herausforderungen dieser Zeit sind. Ich dachte, sie bestehen aus dem Kampf gegen Massenerwerbslosigkeit und Armut. Aber offensichtlich meint Herr Fuchtel, daß die Herausforderung darin besteht - ich werde das sehr kurz zusammenfassen --, den Mut zu haben, auch dann Sozialausgaben zu kürzen, wenn es offensichtlich unsinnig und gegenüber den Betroffenen nicht zu verantworten ist.
    Weit mehr als 3 Milliarden DM will die Bundesregierung allein bei der Arbeitslosenhilfe streichen. Das ist einer der größten Sparposten in diesem Haushalt. Nun, wer im Geld schwimmt, kann auch abgeben. Offensichtlich meint die Bundesregierung, daß die Milliarden, die in den öffentlichen Kassen fehlen, auf privaten Konten liegen. Soweit kann ich sogar folgen. Nur, daß diese Konten ausgerechnet denen gehören sollen, die Arbeitslosenhilfe beziehen, darauf ist außer Ihnen noch niemand gekommen - und das zu Recht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Aber ich kann gar nicht so zynisch werden, wie Ihr Haushaltsentwurf gegenüber den Betroffenen ist. Wissen Sie eigentlich, wie hoch die Arbeitslosenhilfe monatlich im Durchschnitt ist, was die Menschen an Geld zur Verfügung haben? In den alten Bundesländern sind das durchschnittlich 984 DM, in den neuen Bundesländern noch weit weniger, nämlich 776 DM. Diese Zahlen sind ein statistischer Durchschnitt. Das heißt, für viele sieht die Situation noch schlimmer aus. Viele bekommen weniger als 600 DM im Monat. Im Osten ist das fast ein Viertel aller Arbeitslosenhilfebezieher. Jetzt wagen Sie es wirklich, ausgerechnet diesen Leuten noch das Geld zu kürzen? Das ist doch ein bodenloser Zynismus.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Sicher, es geht nicht um eine lineare Kürzung, sondern um eine Strukturveränderung. Sie nennen es Arbeitslosenhilfereform. Das ist eine viel zu hübsche Bezeichnung für einen widerlichen Sachverhalt. Dieser Sachverhalt besteht im wesentlichen aus verschärften Kontrollen, Zwangsmaßnahmen und Schikanen gegenüber den Betroffenen. Sie wollen die Leute in Billig-ABM drücken. Vielleicht können Sie mir dann bei Gelegenheit erklären, wo diese überhaupt herkommen sollen, wenn Sie gar keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr betreiben. Sie wollen die Leute in billige Ernteeinsätze drängen. Das ist eine echte Perspektive für die „kräftigen jungen Leute", von denen immer wieder gesprochen wird, und wahrscheinlich auch ein echter Beitrag zum Erhalt ihres Marktwertes.
    Sie wollen die Bedürftigkeit noch genauer prüfen und noch mehr als bisher in den privaten Angelegenheiten der Betroffenen herumschnüffeln. Dabei können Sie sich mit Herrn Seehofer zusammentun und in den Kühlschränken von Wohngemeinschaften ganz genau nachschauen, ob denn jede und jeder auch ein eigenes Käsekästchen und Margarinetöpfchen hat.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Sie wollen zukünftig die Arbeitslosenhilfebezieher nach ihrem jeweils aktuellen Marktwert einstufen. Wir alle, auch Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wissen doch, daß die Ausgrenzung aus dem Erwerbsleben, gerade wenn sie länger dauert, Qualifikationen zerstört und daß die adäquate Wiedereingliederung immer schwerer wird. Genau gegen diese Risiken zu schützen, das ist doch die Aufgabe der Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge, die die Beschäftigten einzahlen, sind nicht nach deren zukünftigem Marktwert nach zwei Jahren Erwerbslosigkeit berechnet.
    Genau hier liegt außerdem die Verantwortung von aktiver Arbeitsmarktpolitik, nämlich Angebote zur Wiedereingliederung zu schaffen, die dem Verlust an Qualifikation perspektivische Alternativen, aber nicht Ernteeinsätze entgegensetzen. Wenn diese Verantwortung von der Bundesregierung nicht wahrgenommen wird, dann kann man dies doch nicht den einzelnen Erwerbslosen anlasten und ihnen die Schuld in die Schuhe schieben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Annelle Buntenbach
    Sie setzen einen solchen Affront gegen die Erwerbslosen in die Welt, Herr Blüm, und wissen noch nicht einmal, wie dieses absurde Verfahren der Marktwertbestimmung überhaupt funktionieren soll. Wir haben uns erlaubt, dazu eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen, nämlich: Nach welchen Kriterien sollen die Arbeitsämter künftig entscheiden, welches Gehalt der Erwerbslose auf dem Arbeitsmarkt noch erzielen könnte und wieviel Prozent dieses fiktiven Nettogehaltes dann künftig als Arbeitslosenhilfe ausgezahlt werden? Die prosaische Antwort vom August 1995: Die Prüfung, welche Vorschriften geschaffen werden sollen, ist noch nicht abgeschlossen. - Diese Vorschriften sollten Sie sich besser ganz sparen und Ihre sogenannte Arbeitslosenhilfereform schnellstens wieder einstampfen, bevor Sie damit noch mehr Schaden anrichten.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, unterstellen den Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben, immer wieder, sie wollten nicht arbeiten.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Wer sagt das denn?)

    - Das ist die Unterstellung, die genau aus diesen Kontrollen und Zwangsmechanismen hervorgeht, die Sie einrichten.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das ist doch unverschämt, was Sie sagen!)

    Faktum ist, daß die Menschen nicht arbeiten können. Diese tragische Tatsache kann angesichts von 6 Millionen fehlenden Arbeitsplätzen niemand vom Tisch wischen. Dagegen helfen keine Kürzungen, keine noch so scharfen Kontrollen und Zwangsmaßnahmen gegen die Betroffenen.
    Es sind nicht die Betroffenen, die schuld sind und ihr Verhalten ändern müssen. An allererster Stelle ist es diese Regierung. Wo bleiben denn Ihr Angebot an Arbeitsplätzen und Ihre aktive Arbeitsmarktpolitik? Es erwartet bestimmt niemand, daß Sie Millionen von Arbeitsplätzen aus dem Ärmel schütteln. Ich erwarte aber, daß Sie ein klares Signal für ein echtes Bemühen setzen. Genau davon kann ich in diesem Haushaltsentwurf nichts erkennen; im Gegenteil.
    Der Bundeszuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit ist auf null gesetzt. Das trifft ausschließlich die aktive Arbeitsmarktpolitik, die von dort gemacht werden könnte. Den Pflichtausgaben, die sich unmittelbar aus der Arbeitslosenversicherung ergeben, muß die Bundesanstalt auf jeden Fall nachkommen.
    Sie nehmen den Arbeitsämtern mit all den Kontroll- und Zwangsmaßnahmen jede Luft zum Atmen und jeden Hauch einer Chance, in den Regionen überhaupt eine neue Dynamik in die Arbeitsmarktpolitik zu bringen. Wenn Sie dieses Durchstylen einer Behörde - vielleicht bleibe ich besser bei der Bezeichnung Anstalt - auf puren Zwangscharakter für ein Modellprojekt der Reform des öffentlichen Dienstes und einen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung halten, dann gute Nacht.
    Einen Teil der Arbeitslosenhilfebezieher wollen Sie künftig direkt an die Sozialhilfe durchreichen. Dann können die Kommunen sehen, wie sie mit dem Problem umgehen. Natürlich kann man beim Bund Kosten sparen, indem man nicht das Problem angeht, sondern die Kostenstellen zu Lasten der Betroffenen hin- und herschiebt. Darin haben Sie große Übung: vom Bund an die Bundesanstalt, an Land oder Kommune und wieder zurück.
    Herr Seehofer will, daß die Kommunen 600 000 Sozialhilfeberechtigte in Lohn und Brot bringen. Auch wir wollen, daß Sozialhilfeberechtigte stärker in aktive Arbeitsmarktpolitik einbezogen werden. Aber wie sollen ausgerechnet die ausgebluteten Kommunen das leisten können? Geld oder organisatorische Möglichkeiten werden vom Bund nicht mitgeliefert, geschweige denn irgendwelche vernünftigen Konzepte. Ein solches Vorgehen, von dem von vornherein alle wissen, daß es überhaupt nicht funktionieren kann, ist einfach unredlich.
    Eine Sozialstaatsreform ist nötig, Herr Blüm; das ist gar keine Frage. Die Frage ist aber, in welche Richtung diese Änderungen gehen sollen. Wir wollen solidarische Lösungen, die Sozialversicherungssysteme armutsfest machen, Erwerbsarbeit solidarisch umverteilen, Frauen gleichberechtigt einbeziehen und besser absichern.
    Was Sie Sozialstaatsreform nennen, ist nichts anderes als die weitere Durchlöcherung sozialer Absicherung, und das auf der ganzen Linie. Ihre Maßnahmen - Bundessozialhilfegesetz, Ausländerleistungsgesetz, Arbeitslosenhilfe, Arbeitsförderungsgesetz - zeigen doch ganz klar, wohin Sie wollen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, setzen offensichtlich auf Deregulierung, auf Ausweitung des Billiglohnsektors, auf Senkung der sozialen Mindeststandards. Die Schutzrechte und Regeln, die in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen erkämpft worden sind, scheinen Ihnen nur Hindernisse im Fluß der freien Marktwirtschaft zu sein, die die Probleme von selbst am besten lösen würde, wenn sie sich so frei entfalten könnte wie z. B. in Amerika.
    Eine solche Lösung - das können Sie sich in Amerika anschauen - macht die Gesellschaft zu einem sozialen Pulverfaß. Sie beruht auf einem immensen Reichtums- und Privilegiengefälle, zwingt Arme ohne soziale Absicherung, jede Arbeit unter jeder Bedingung anzunehmen, sich bei den Reichen um jeden Preis zu verdingen und da all die Aufgaben zu erfüllen, die an Dienstleistungen nicht mehr öffentlich organisiert werden.
    In den privaten Haushalten, die es sich leisten können, gibt es bei Kinderbetreuung und Hausarbeit zu Billiglöhnen endlich die neuen Arbeitsplätze, von denen Sie hier immer schwärmen. Die hätten, finde ich, besser in das vorige Jahrhundert gepaßt.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sozialstaat ist der Versuch des Schutzes vor den härtesten Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von Arbeit und Einkommen, bei der Existenzsicherheit, wie der Markt sie zwangsläufig mit sich bringt.

    Armelle Buntenbach
    Das jedenfalls war die Haltung der Väter der Sozialen Marktwirtschaft. An deren Konzepten läßt sich viel begründete Kritik anbringen, aber nicht an der Grunderkenntnis, daß die menschenverachtenden Tendenzen des Marktes durch politische Steuerung konterkariert werden müssen.
    Von dieser Grunderkenntnis rückt die Bundesregierung immer weiter ab. Das können auch Ihre großen Worte, Herr Blüm, nicht zudecken. Das Ergebnis ist: keine Verbesserung des Angebots an Arbeitsplätzen, die dringend nötig wäre, sondern Entmutigung. Die schlechte Lage der von Ausgrenzung Betroffenen wird noch mehr verschlechtert. Sie werden weiter verunsichert, als Sündenböcke diffamiert und gedemütigt, ohne Perspektive draußen stehengelassen.
    Die Botschaft dieser Politik für die Gesellschaft ist verheerend. Es werden Strukturen geschaffen, die das Auseinanderdriften der Gesellschaft beschleunigen und die soziale Ausgrenzung eines großen Teils dieser Gesellschaft zementieren. Es entsteht ein immenses gesellschaftliches Konfliktpotential, und Sie steuern uns in eine Zerreißprobe.
    Patentrezepte gegen Massenerwerbslosigkeit hat in diesem Hause niemand.