Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rexrodt, Sie haben Ihre Rede damit begonnen, daß Sie sich u. a. um die Beschäftigungssituation in diesem Land sorgen. Ich als Abgeordnete aus dem Kreis Groß-Gerau hätte mir durchaus gewünscht, daß Sie die innovative Kraft z. B. der Firma Opel hier einmal gelobt hätten, anstatt immer nur zu sagen: Wir wollen den Dialog suchen. Gleichzeitig müssen Sie, wenn Sie sich so sorgen, diesem Hohen Hause erklären, warum die Mittel an die BA in diesem Haushalt um 8 Milliarden DM gestrichen werden. Ich halte das für einen Skandal. Das straft Ihre Worte wirklich Lügen.
Zweites Stichwort: Herr Rexrodt, Sie haben über den Ladenschluß geredet. Ich bin da durchaus offen und für eine Flexibilisierung. Aber ist Ihnen denn nicht klar, daß genau Sie - ich nenne das Stichwort „Zeitsouveränität" -, wenn Sie jetzt sagen, die Mitbestimmung müsse eingeschränkt werden, das Thema jetzt schon wieder kaputtreden?
Wenn Sie sagen, wir müßten dicke Bretter bohren, dann kann ich Sie nur bitten, vorher Ihr Brett von Ihrem Kopf zu nehmen, sonst wird es tatsächlich gefährlich.
Der von Ihnen, Herr Rexrodt, vorgelegte Haushaltsplan 09 ist ein frustrierend deutliches Zeichen, daß die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung keine zukunftszugewandte und moderne Wirtschaftspolitik ist. Ich möchte sogar sagen, Sie gerieren sich wie ein Fossil aus dem letzten Jahrhundert. Eine moderne Wirtschaftspolitik orientiert sich an den Grundsätzen der ökologischen Verantwortung und der sozialen Gerechtigkeit. Eine moderne Wirtschaftspolitik hat den Standort Deutschland als innovatives, kreatives und produktives Hochlohnland im Blick. Eine moderne Wirtschaftspolitik orientiert sich an den Prinzipien einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft.
Herr Minister, die Solidarität in diesem Lande brökkelt. Die Kollegin Fuchs hat es vorhin schon angesprochen: Ich finde es erschütternd, daß in dieser Situation ausgerechnet Sie als Wirtschaftsminister hingehen und die aus Ihrer Sicht für die Standortgefährdung Verantwortlichen outen. Wir können es nicht mehr hören, und es ist wirklich eine Bedrohung für den sozialen Frieden in diesem Lande, daß Sie hier immer die Kranken, die Sozialhilfeempfänger, die Arbeitslosen und in diesem Falle auch die Arbeitnehmer beschuldigen. Das ist typisch F.D.P. Sie rechtfertigen damit die Tatsache, daß Sie nicht in der Lage sind, Ihre Hausaufgaben zu machen.
Die Kosten für den Faktor Arbeit sind zu hoch, die Kosten für den Faktor Umwelt zu niedrig. Ich hoffe, daß darüber in diesem Hause ein Konsens besteht. Aber genau deshalb liegt von uns das Konzept für eine konsequente ökologische Steuerreform auf dem Tisch, während Sie, Herr Rexrodt, und Ihre Partei sich noch immer mit dem Einzelaspekt der Kfz-Steuer beschäftigen und als Bundesregierung bis dato nicht in der Lage waren, ein umfassendes Konzept für den dringend notwendigen Strukturwandel einzuleiten.
Richtig ist auch - ich bin Herrn Blüm für seinen Brief an Herrn Waigel durchaus dankbar -, daß die Bundesregierung die Sozialversicherung in den letzten Jahren mißbraucht hat. Sie sind es doch, die die Sozialversicherung jährlich mit über 100 bis 150 Milliarden DM mit sogenannten versicherungsfremden Leistungen belasten, Leistungen, die im wesentlichen gesamtgesellschaftliche, ergo staatliche Aufgaben sind. Anstatt zu sagen: „Wir müssen den Zuschuß erhöhen", dreschen Sie auf genau diejenigen ein, die die Beiträge entrichten. Das sind nicht Sie, Herr Rexrodt.
Die notwendige Entlastung des Faktors Arbeit, wie wir sie mit unserer ökologischen Steuerreform vorschlagen, ist ökologisch und wirtschaftspolitisch überfällig. Ich bin der Kollegin Fuchs sehr dankbar, daß sie Herrn Solms die Grundstruktur der Ökosteuer vorhin erklärt hat. Vielleicht läßt das hoffen.
Margareta Wolf
Ich fände es schade, wenn Thomas Hanke mit seiner Vermutung in der „Zeit" recht behielte, daß Ihnen der Mut zu einer ökologischen Steuerreform fehlt. Die Blätter fallen, der Herbst naht. Sie haben nicht mehr viel Zeit. Wir sind gespannt.
Der Einzelplan 09 ist ein Offenbarungseid. Er macht nachhaltig deutlich, daß Sie nicht zukunftsfähig sind. Einsparungen erfolgen ausgerechnet in den Zukunftsfeldern neue Bundesländer, ökologischer Umbau und Innovation. Das Sonderprogramm für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern wird gekürzt. Das Fördergefälle der GA wird zu Lasten des Ostens verschoben. Forschungsförderung Ost wird reduziert, Absatzförderung ostdeutscher Produkte dito, industrielle Gemeinschaftsförderung dito, Technologietransfer dito.
Herr Rexrodt, das Büro für Technikfolgenabschätzung empfiehlt in einer vom Hause Rüttgers in Auftrag gegebenen Studie,
die Umsetzung von Forschungsergebnissen bei neuen Werkstoffen in marktfähige Produkte insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen mit Steuervergünstigungen, Sonderabschreibungen oder rückzahlbaren Darlehen zu fördern. Sie wissen doch spätestens seit der legendären Geschichte mit dem Faxgerät oder seit der neuerlichen Geschichte - darüber ist hier schon diskutiert worden - mit der Abwanderung der Photovoltaik, deren wirtschaftspolitische Folgen wir heute erst erahnen können, daß es einen dringenden Handlungsbedarf bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte gibt. Den KMUs fällt es zunehmend schwer, sich an innovativen Werkstoffentwicklungen zu beteiligen. Sie sagen, Sie seien ein Mittelstandspolitiker. Das sind Sie nicht; dieser Haushalt weist das deutlich aus.
Herr Rexrodt, der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert von Ihnen - offenbar aber ungehört - eine nachhaltige Stärkung der Industrieforschung in den neuen Bundesländern. Der BDI sagt: Die Planungssicherheit der Unternehmen erfordert eine solide mittelfristige Finanzplanung auch für die Programme des BMWi, insbesondere für Innovationsförderung. Wenn selbst diese Herren Ihr Ohr nicht mehr erreichen können, Herr Rexrodt, dann frage ich, mit wem Sie überhaupt noch reden. Soviel zu dem Stichwort „Dialog" .
Meine sehr geehrten Damen und Herren, soll der Aufbau Ost tatsächlich gelingen, darf es keinen Abbau der Ostförderung geben. Für mindestens zehn Jahre muß die Ostförderung noch auf hohem Niveau gefahren werden, so leid es mir tut. Sie wissen doch selber - ich möchte vor allem den Staatssekretär Ludewig aus dem Hause Rexrodt ansprechen -, daß ostdeutsche Wachstumsschrittmacher oftmals noch am Fördertropf hängen. Sie wissen, daß industrielle Restbestände sowieso am Fördertropf hängen. Die öffentlichen Hilfen haben eine enorme stabilisierende Wirkung, gerade für die regionale Wirtschaft und den
Aufbau der Infrastruktur. Unüberlegte Einschnitte in diese Förderprogramme können zu einem Rückschlag führen, der sich mittelfristig als finanzschweres Eigentor erweist.
Ein weiterer Aspekt. Mit der Einbringung des Einzelplans 09 wurde offenbar, was Verbände seit Monaten befürchten. Die Förderung der Sanierung von Fernwärmeanlagen in den neuen Bundesländern wurde in toto gestrichen. Diese Entscheidung wird zur Folge haben, daß die umweltfreundliche Fernwärme ganz deutlich an Boden verliert. Sie haben sich mit dieser Entscheidung einseitig für die Übertragung der monopolisierten Energieversorgung seitens der EVUs, wie sie in Westdeutschland praktiziert wird, gen Osten entschlossen.
Herr Rexrodt, wir werden Ihnen demnächst die Gelegenheit bieten, uns einmal verbindlich zu erklären, wie Sie das Klimaschutzziel der CO2-Reduktion um 25 % bis 2005 erreichen wollen. Uns wird das immer unklarer. Derzeit steigen die CO2-Emissionen sogar.
Ich vermisse bei Ihnen - aber das ist in der Tat nichts Neues - den Mut und die Kraft für ein zukunftsfähiges Wirtschaften. Ich vermisse den Mut für den Einstieg in eine ökologische, klimafreundliche und wirtschaftsfreundliche Politik. Ich vermisse die Verantwortung für diese und die nächste Generation. Ihr Haushalt straft wirklich das Lügen, was Waigel gestern gesagt hat, dieser Haushalt sei zukunfts- und zielorientiert. Ihr Haushalt konterkariert diese Einschätzung geradezu.
Ich möchte abschließend noch einmal ausdrücklich eine Forderung des Sparkassen- und Giroverbandes unterstützen. Dieser Verband fordert Sie, Herr Minister, auf, die Unternehmen - auch das betrifft in erster Linie wieder die kleinen und mittleren Unternehmen sowie auch die Existenzgründer - von der Undurchsichtigkeit des Förderdickichts zu befreien.
- Genau. Herr Köhler ist im übrigen CDU-Mitglied.
Wir haben inzwischen 300 bis 500 Förderprogramme. Herr Rexrodt, vielleicht wäre das der erste Schritt weg von einer konzeptlosen Politik der Wirtschaftsförderung hin zu einer effizienten und qualifizierten Wirtschaftsförderung, die auch Geld spart. Das weiß jeder. Das ist eine Binsenweisheit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der zu beratende Einzelplan ist ein Ausdruck der Angst vor der Zukunft. Er greift aus lauter Mutlosigkeit, aus beängstigender Innovationsschwäche in die Mottenkiste. Dieser Haushalt ebnet nicht den Weg in die Zukunft, er ebnet den Weg zurück ins letzte Jahrhundert.
Danke schön.