Rede von
Dr.
Herta
Däubler-Gmelin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Gerne. Aber wenn Sie noch einen Moment warten würden, Herr Scholz, würde ich den Gedanken gerne entwickeln und Sie auf meine zwei Punkte aufmerksam machen.
Die Schwierigkeit, vor der wir stehen, ist im Augenblick die, daß wir sparen müssen, auch sparen können - das ist gar keine Frage -, daß die Aufgaben des Staates effizienter gelöst werden müssen, daß er auch manches tut, was er nicht müßte. Aber die Grenze zwischen hoheitlich und sozialstaatlich zu ziehen, dies wäre in einer Zeit, die so auf Integrationspolitik angewiesen ist, auf die Werte des sozialen und demokratischen Rechtsstaates angewiesen ist, ein Verbrechen.
Der zweite Punkt, auf den ich Sie hinweisen wollte, ist folgender: Wir haben im Moment ganz offensichtlich eine Diskussion, die es in England und Amerika vor einigen Jahren schon gegeben hat. Ich erinnere die Liberalen an die Äußerungen von Ralf Dahrendorf, andere an Konservative. Das war in der Ökonomie die Chicago-Schule, in anderen verfassungsrechtlichen Bereichen war es Neoliberalismus. Damals wurde unter den Bedingungen von Großbritannien nicht nur verschlankt, sondern diese Aufgabendiskussion in der Tat auf die rein hoheitlichen Aufgaben zurückgeführt.
Heute haben Sie dort eine ganz andere Diskussion, und zwar ganz egal, ob Sie Ralf Dahrendorf, jetzt Lord Ralf Dahrendorf, mit seinem Gutachten für die englischen Liberalen heranziehen oder ob Sie z. B. die große Kommission über Social Justice von Sir Gordon Barries nehmen. Die Frage, was unseren Staat eigentlich zusammenhält und wie wir es machen, ist eine verdammt ernste. Alle Überlegungen, alle Modelle, die z. B. das Überdenken von Staatsaufgaben, das Verschlanken, wie es in modischem Neudeutsch heißt, mit einem Zurückschneiden des Sozialstaats im Prinzip verwechselt haben, sind gescheitert.
Meine Bitte ist, daß wir uns diese Erfahrungen zunutze machen und deswegen vielleicht an die Verschlankungsdiskussion so herangehen, daß wir keinen Deut Zweifel daran lassen, welche die Aufgaben des Staates sind. Wenn dann noch die Möglichkeit bestünde, ein bißchen praktische Vernunft insoweit anzuwenden, daß sich eine städtische Verwaltung oder eine andere Verwaltung verdammt schwer tut, wieder etwas Privatisiertes zu machen, wenn sie sieht, daß sie in die Fänge eines privaten Monopols gekommen ist, dann wäre ich geradezu erfreut.
Bitte schön, Herr Scholz.