Rede von
Dr.
Klaus
Kinkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wende mich zunächst an die SPD, insbesondere an Herrn Scharping. Sie müssen sich schon sagen lassen, Herr Scharping - er hört ja vielleicht wenigstens am Fernseh- oder Rundfunkgerät zu -, daß Sie - ich habe heute morgen sehr genau hingehört - als Vorsitzender der SPD und als Fraktionsvorsitzender praktisch nichts zur deutschen Außenpolitik gesagt haben.
Das wird, lieber Herr Scharping, im In- und Ausland Erstaunen erwecken, und ich sage Ihnen auch, daß es registriert wird. Wenn ich es richtig sehe, kann das im Grunde - das zeigt sich im Augenblick auch an der Besetzung der Oppositionsbank beim Thema Außenpolitik - nur heißen, daß Sie sich entweder von der Außenpolitik abgemeldet haben oder daß Sie außenpolitisch offensichtlich nichts zu sagen haben.
Ich wende mich auch an Sie, Herr Verheugen. Sie haben kürzlich in Ihrem Artikel im „Vorwärts" angekündigt, die Außenpolitik streitig zu stellen. Auch diesen Artikel habe ich sehr genau durchgelesen und sage dazu: Die Opposition hat das Recht und die Pflicht zur Kritik. Aber bitte nicht immer diese alten Ladenhüter und Pappkameraden! Ich habe wirklich das Gefühl, Sie sollten endlich einmal eine neue Platte auflegen. Sie sagen immer wieder dasselbe: Die Bundesregierung reduziere ihre Außenpolitik auf Bundeswehreinsätze. Oder: Sie gebe ihre Kultur der Zurückhaltung auf. Nehmen Sie wirklich einmal eine neue Platte.
Wenn ich mir ansehe, was Sie heute zur Außenpolitik gesagt haben, dann habe ich wahrhaftig nicht den Eindruck, daß Sie die Außenpolitik streitig stellen; denn Sie haben praktisch nichts zu dem beigetragen, was man eigentlich von einer Opposition erwarten kann, wenn es in der Haushaltsdebatte um Außenpolitik geht.
Wer soll sich eigentlich dieser schlimmen Barbarei in Europa entgegenstellen, wenn nicht die Mitglieder des Bündnisses und der Europäischen Union? War eigentlich dieses schreckliche Blutbad auf dem Marktplatz von Sarajevo - ich war vor kurzem selber dort an dem Ort, an dem schon einmal ein so schrecklicher Überfall geschehen ist - immer noch nicht genug, um Sie davon zu überzeugen, daß man Menschenrechte eben nicht nur im Munde führen kann, sondern auch handeln muß?
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Wir haben 14 Tornados mit einem klar begrenzten Auftrag entsandt. Sie waren dagegen, und Sie mäkeln heute immer noch kleinkariert in bezug auf die Einsätze daran herum. Schauen Sie sich doch einmal die Beiträge an, die kleinere Partner wie die Niederlande, Belgien und Dänemark seit Jahren im früheren Jugoslawien leisten. Für solche Äußerungen zu Ihren außenpolitischen Vorstellungen, wie Sie sie in den letzten Tagen getan haben und immer noch und immer wieder tun, können Sie im NATO-Kreis nur Kopfschütteln erwarten.
Zu Europa haben Sie auch nicht viel gesagt.
Ich erinnere mich daran, wie wichtig dieses Europa für Sie war, daß wir immer aufgefordert worden sind, uns mehr zu bewegen, mehr zu tun, mehr Initiativen zu ergreifen. Ich habe auf Ausführungen von Ihnen dazu gewartet. Dabei liegt Deutschlands Zukunft doch in der Europäischen Union, in der sich unsere Bürger mit ihren Hoffnungen und Sorgen aufgehoben fühlen und zu der Prag oder Warschau genauso selbstverständlich dazugehören wie Den Haag oder Berlin. Das ist unsere Europapolitik, und wir haben sie erfolgreich vorangetrieben und werden das auch bei der weiteren Integration tun.
In unseren Regierungsverhandlungen mit der Tschechischen Republik - etwas, woran Sie zu Recht genauso wie das Hohe Haus sehr interessiert sind - sind wir auf einem guten Weg. Ich bitte um Verständnis, wenn ich das nur so sage. Wir befinden uns in diesen Verhandlungen, und ich habe allen Grund, das zu sagen, was ich eben sagte.
Ich möchte heute in meiner Rede einen Punkt etwas mehr herausstreichen, der sonst üblicherweise hier im Deutschen Bundestag relativ wenig Aufmerksamkeit findet. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Konsens hinsichtlich der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik für unser Land hätten.
Mir liegt gerade in der gegenwärtigen Haushaltslage besonders daran, das Bewußtsein der Öffentlichkeit für den Stellenwert dieser Aufgabe als der großen und wichtigen dritten Säule in unserer Außenpolitik etwas zu schärfen. Für eine Sympathiewerbung als moderne, weltoffene Bürgergesellschaft ist diese auswärtige Kulturpolitik notwendig, ebenso für die Förderung der deutschen Sprache und - das wird leicht vergessen - für die Sicherung des Standortes Deutschland.
Der Wegfall der Ost-West-Auseinandersetzung, der Fall von Mauer und Stacheldraht hat uns in Mittel- und Osteuropa ebenso wie in den früheren GUS-Staaten, eine ganz gewaltige Chance, eine Jahrhundertchance gegeben, insbesondere was unsere Sprache anbelangt. Wir müssen sie nutzen.
In Polen, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlen uns 4 000 Deutschlehrer, in Ungarn 2 000. Unsere Reaktion war die Aufstellung eines Sonderprogramms zur Förderung der deutschen Sprache. In dieser von mir genannten Region lernen über 13,5 Millionen Menschen im Augenblick Deutsch. In Rußland nimmt die deutsche Sprache den zweiten Platz hinter Englisch ein. Deutsch ist derzeit die führende Fremdsprache an den Grundschulen in Ungarn, in der Tschechischen Republik, in der Slowakei und Kasachstan.
Etwa 25 % des Kulturhaushaltes stehen für den Hochschul- und Wissenschaftsaustausch zur Verfügung, und jährlich erhalten - das wird leicht vergessen und leider Gottes zuwenig betont - rund 30 000 potentielle deutsche Führungskräfte die Chance, sich im Ausland weiterzubilden.
Umgekehrt werden etwa 20 000 Stipendien an Ausländer für eine Ausbildung in Deutschland vergeben. Die Hochbegabtenförderung der Alexandervon-Humboldt-Stiftung finanziert jedes Jahr etwa 500 ausländische Forscher. Aus deren Reihen sind bisher - auch das wird selten gesagt und betont - immerhin 20 Nobelpreisträger hervorgegangen.
Die Bindungen dieser Führungseliten an Deutschland wirken oft jahrzehntelang nach. Wer sich in diesem Bereich bewegt, weiß, welche Bedeutung das hat.
Leider nimmt die Attraktivität unserer Hochschulen ab, gerade im bildungsbewußten Asien.
- Dafür gibt es sehr viele Gründe, die ich gerne,
wenn ich Zeit hätte, länger mit Ihnen erörtern würde.
Dagegen müssen wir angehen. Unser Ausbildungssystem an den Hochschulen darf den internationalen Trend nicht verpassen. Das ist sehr weitgehend auch eine Aufgabe der Länder, aber ich will das nicht wegdrücken. Es gibt viele Gründe, über die zu reden, zu diskutieren wert wäre.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung der Bundesregierung zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes in Bosnien ist immerhin von einer nicht unwesentlichen Zahl Abgeordneter der Opposition mit unterstützt worden. Seither wächst nicht nur in der SPD - darüber freue ich mich -, sondern auch beim BÜNDNIS 90/DIE. GRÜNEN die Einsicht, daß mit moralischer Betroffenheit allein keinem der geschundenen Menschen im ehemaligen Jugoslawien gedient ist oder geholfen werden kann.
Ich freue mich natürlich insbesondere, daß der Kollege Fischer eine Wendung vorgenommen hat.
Auch er hat es nicht nötig, heute in der außenpolitischen Debatte hierzusein. Er dreht immer seine Pirouetten, wenn das Fernsehen angeschaltet ist
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
oder andere Dinge sich öffentlichkeitswirksam abspielen.
- Ja, das darf man doch sagen.