Nein, bitte nicht. Ich spreche mit Herrn Fischer, wenn er kommt.
Ich nehme ihm persönlich ab, daß er sich mit seiner Entscheidung schwertut, und ich nehme ihm auch ab, daß er wirklich prüft und nachdenkt, was die richtige Haltung ist. Aber das, was er in der entscheidenden Debatte das letzte Mal gesagt hat, hat mit dem, was er jetzt in seinem Papier veröffentlicht hat, und mit den Pirouetten, die er dreht, insofern nichts zu tun, als ich sagen muß: Reden ist gar nichts; er muß seine Haltung ändern, und er muß mit uns handeln. Das ist das Entscheidende.
Wir sollten uns gegenseitig nicht absprechen, daß wir in einer so schwierigen Frage, wo wir verschiedener Meinung sind, auch das Recht haben, verschiedener Meinung zu sein. Aber wir sollten nach außen nicht etwas sagen, was uns in unserer Bündnisfähigkeit belastet - ich habe Grund, das zu sagen - oder was unsere Soldaten verunsichert und dazu führen könnte, daß sie denken, es könnte sich um einen vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung eventuell nicht abgesicherten Einsatz handeln. Ich sage das ganz vorsichtig, mache auch keine Vorwürfe, aber wir sollten uns sehr genau überlegen, in welcher Richtung wir uns äußern.
Bevor es losging, war ich in Lechfeld bei den Piloten. Ich habe sie jetzt mit dem italienischen Außenminister in Piacenza besucht. Alle Achtung vor diesen Soldaten, auch vor denen, die in Split sind! Kollege Rühe war auch an beiden Orten. Ich danke unseren Soldaten in Split und Piacenza von ganzem Herzen für ihren Einsatz und das, was sie für die Völkergemeinschaft tun, nicht nur für Deutschland.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß UNO und NATO auf das Blutbad auf dem Marktplatz von Sarajevo richtig reagiert haben. Die Reaktion war notwendig, sie war angemessen. Wir haben uns das alle nicht leicht gemacht und lange gemeinsam darüber nachgedacht. Diese Festigkeit hat im übrigen den Chancen für einen Verhandlungsfrieden genützt.
Ich sage ganz vorsichtig, weil ich in den letzten Jahren auch persönlich zu oft enttäuscht worden bin: Ich sehe ein gewisses Licht am Ende des Tunnels.
Das hat das Kontaktgruppentreffen auf dem Petersberg am vergangenen Samstag gezeigt. Die veränderte militärische Lage hat hoffentlich auch für eine politische Lösung ein neues Momentum geschaffen. Washingtons Initiative hat davon profitiert. Wir unterstützen sie.
Aber wir dürfen uns alle gemeinsam nicht täuschen: Wir stehen erst am Anfang eines sehr, sehr mühevollen Weges. Ich warne vor Euphorie. Dieser Weg beginnt am Freitag in Genf mit dem ersten direkten Treffen der Außenminister Kroatiens, Bosniens und Serbien-Montenegros. Daß Belgrad in den Verhandlungen bei einer 3 :3-Beteiligung von Pale plus Belgrad sozusagen das Letztentscheidungsrecht hat, ist ein ganz wichtiger Punkt, weil der Schlüssel zu einer politischen Lösung eher bei Milosevic liegt.
Die Bundesregierung begrüßt die neue US-Initiative. Sie entspricht in ihrem Kern dem Plan der Kontaktgruppe, der maßgeblich - das dürfen wir noch mal sagen, weil das manchmal untergeht - auf der Juppé/Kinkel-Initiative beruht. Wichtig ist, daß Kroatien einbezogen ist und daß es zu der 3 + 5-Formel kommt.
Unsere Haltung zu dem, was in der Substanz herauskommen muß, ist klar:
Erstens. Es darf nicht an der territorialen Integritat Bosnien-Herzegowinas gerüttelt werden.
Zweitens. Es mag kleinere Korrekturen am Kontaktgruppenplan geben, der mit dem Aufteilungsverhältnis von 51:49 Basis der Verhandlungen sein wird. Aber diese Abweichungen dürfen nur dann beschlossen und in die Wirklichkeit umgesetzt werden, wenn alle drei Konfliktparteien zugestimmt haben.
Drittens. Ich sage mit besonderem Nachdruck: Es darf und wird keine Lösung ohne die Zustimmung der mit weitem Abstand schwächsten Konfliktpartei, der Bosniaken, der Moslems, geben. Was kommt, darf nicht auf dem Rücken dieses Volkes, das in den letzten Jahren am meisten gelitten hat, ausgetragen werden. Das muß unsere ganz klare und unverrückbare Haltung sein.
Wenn die Waffen schweigen - wir wünschen uns, daß das bald der Fall ist -, wird es um die Frage gehen - Silajdzic hat es letzte Woche hier angesprochen -, wie es mit dem Wiederaufbau geht. Wir werden helfen. Wir werden insbesondere Bosnien-Herzegowina, das leider im Augenblick nur noch eine Bevölkerung von etwas über 2 Millionen Menschen hat, mit einer Art Marshallplan helfen müssen.
Ich füge hinzu: Wer heute den Weg der Gewalt einem Kompromiß für den Frieden vorzieht, sollte nicht darauf hoffen, später dafür prämiert zu werden. Das muß klar sein.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Aber ich füge auch hinzu - und ich weiß, daß das draußen gehört, erwartet und auch verstanden wird - Deutschland war in diesem Konflikt immer nur Partei gegen Aggression und Gewalt, nie Partei gegen das serbische Volk.
Das ist ganz wichtig.
Deshalb sage ich den Verantwortlichen in Pale und Belgrad: Sie müssen wissen, was Sie selber Ihrem eigenen Volk bisher angetan haben und noch antun können, wenn Sie sich jetzt nicht ohne Bedingungen dem Kontaktgruppenplan und dem Frieden am Verhandlungstisch und nicht auf dem militärischen Feld anschließen.
Noch etwas, was leider Gottes in sehr starkem Maße vergessen worden ist: Ganz wichtig ist, daß es gegenüber den islamischen Völkern keine Entfremdung gibt, auch im Kontext des Bosnien-Jugoslawien-Konflikts.
Letzte Woche hat auf meine Anregung hin ein Treffen der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe erstmals mit der Kontaktgruppe der OIC, der Internationalen Islamischen Weltkonferenz, stattgefunden. Ich werde morgen an einem Treffen auf Ministerebene in Paris teilnehmen, das mit den acht islamischen OIC-Ländern, die in diesem Zusammenhang federführend sind, erstmals abgehalten wird. Auf meinen Vorschlag hin wird während der UNO-Woche ein weiteres Treffen dieser Art stattfinden.
Ich habe für Mitte November die Außenminister von Ägypten, Saudi-Arabien, Indonesien, Iran, Tunesien und der Türkei zu einem Islam-Kolloquium, zu einem Forum hierher nach Bonn eingeladen,
um der islamischen Welt, die immerhin 26 % der Weltbevölkerung gleich 1,6 Milliarden Menschen umfaßt, das Gefühl zu geben, daß jedenfalls wir in Deutschland nicht dazu beitragen wollen, die islamische Religion prinzipiell mit Terrorismus und Fundamentalismus gleichzusetzen, und daß wir jedenfalls nicht dazu beitragen werden, daß hier neue, absolut falsche Feindbilder aufgebaut werden.
Zum früheren Jugoslawien und zu dem Gesamtkonflikt gehört auch Makedonien. Ich habe mich im stillen - ich bin ein bißchen stolz darauf - in zahlreichen Gesprächen mit Präsident Gligorow und auch mit der griechischen Seite darum bemüht, bei dieser - milde ausgedrückt - unglückseligen Verkrampfung mit einem Sechspunkteplan voranzukommen, die sich zwischen Griechenland und Makedonien aufgetan hat. Gligorow hat mich gestern morgen angerufen und mir erklärt: Sie sind durch.
Ich habe zu dieser Lösung einen nicht unwesentlichen Teil beigetragen. Ich bin froh darüber, weil die Makedonien-Frage immer wieder vergessen wird, wenn über das frühere Jugoslawien gesprochen wird.
Wir müssen wissen, daß dieses Land aus zweifachen Gründen ganz besonders belastet ist: einmal wegen des griechischen Embargos im Wirtschaftsbereich und zum anderen wegen der Embargomaßnahmen gegen Belgrad. Makedonien hatte doppelt zu leiden.
Die Makedonier haben es nun verdient, daß wir ihnen als Europäer und bilateral helfen, wenn diese Entkrampfung stattgefunden hat. Ich bin nach dem, was ich gehört habe, sicher: Sie wird nach den Gesprächen, die jetzt unter der Federführung von Herrn Vance in New York stattfinden, kommen.
Ein Punkt, der uns alle bedrücken muß - ich weiß, daß wir uns da einig sind -, sind die Flüchtlingsströme. Im Zusammenhang mit den Geschehnissen in der Krajina habe ich bis eine Stunde vor der Entscheidung der Regierung in Zagreb versucht zu warnen, bisher ohne Erfolg.
Was anschließend mit rund 120 000 Flüchtlingen geschehen ist, ist schlimm. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, daß dort über 200 000 Kroaten auf grausame Art und Weise vertrieben worden sind.
Das ändert aber nichts daran: Die betroffenen Menschen können nichts dafür. Wir müssen uns um die Flüchtlingsströme kümmern. Wir tun das, und zwar ohne Ansehen der Konfliktpartei. Es ist absolut selbstverständlich, daß wir uns genauso für die serbischen Flüchtlinge einsetzen. Ich sage noch einmal: Die betroffenen Menschen können nichts dafür.