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    Plenarprotokoll 13/51 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Inhalt: Begrüßung des Erzbischofs von Kapstadt, Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie des Abgeordneten Jan Nico Scholten (Niederlande) . . . . . . 4240 B Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . 4217 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 4226 C Peter Dreßen SPD 4231 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4235 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 4240 B Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . 4246 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 4249 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS . . . . 4260 A, 4340 B Günter Verheugen SPD . . . . . . . . 4260 C Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister (Berlin) 4266 A Thomas Krüger SPD 4268 A Dr. Christa Luft PDS 4269 B Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4271 A, 4278 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 4272 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 4278 C Andrea Lederer PDS 4279 D Dr. Klaus Rose CDU/CSU 4281 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . 4283 C, 4289 B Jürgen Koppelin F.D.P 4285 A Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 4286 C Freimut Duve SPD 4288 C Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 4289 C Norbert Gansel SPD 4291 B Walter Kolbow SPD 4292 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . 4295 D Dietrich Austermann CDU/CSU . 4296 A, 4299 B Walter Kolbow SPD 4297 A Paul Breuer CDU/CSU 4297 D Manfred Opel SPD 4298 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 4299 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 4300 D Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . 4301 D, 4304 A Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4303 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . 4304 C Roland Kohn F.D.P. 4305 A Dr. Ingomar Hauchler SPD . . . 4305C, 4308 B Dr. Willibald Jacob PDS 4306 C Michael von Schmude CDU/CSU . . . 4307 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 4309 B Otto Schily SPD . . . . . . . . . . 4312 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4316A Ina Albowitz F.D.P. 4318 A Ulla Jelpke PDS 4320 C Horst Eylmann CDU/CSU 4322 A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4322 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . 4323 B Fritz Rudolf Körper SPD . . . . . . 4326 A Heinz Dieter Eßmann CDU/CSU . 4327 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . 4329 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 4331 C Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 4332 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/ CSU 4335 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . 4336 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 4337 D Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 4339 A Manfred Kolbe CDU/CSU 4341 B Nächste Sitzung 4342 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4343* A Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 51. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 4217 51. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. September 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 6. 9. 95 Andres, Gerd SPD 6. 9. 95 Behrendt, Wolfgang SPD 6. 9. 95 * Blunck, Lilo SPD 6. 9. 95 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 6. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 6. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 6. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 6. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 6. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Knake-Werner, PDS 6. 9. 95 Heidi Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 6. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 6. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 6. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 6. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lenzer, Christian CDU/CSU 6. 9. 95 Lotz, Erika SPD 6. 9. 95 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lüth, Heidemarie PDS 6. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 6. 9.95 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 6. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 6. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 6. 9. 95 Schenk, Christa PDS 6. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 6.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 6. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 6. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 6. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 6. 9. 95 Simm, Erika SPD 6. 9. 95 Dr. Solms, F.D.P. 6. 9. 95 Hermann Otto Thieser, Dietmar SPD 6. 9. 95 Thönnes, Franz SPD 6. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 6. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 6. 9. 95 Vosen, Josef SPD 6. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 6.9.95 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 6. 9. 95 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludger Volmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir vor fünf Jahren begannen, dieses schwierige Thema der deutschen Einigung zu diskutieren, gab es einen anderen ganz dramatischen Umwälzungsprozeß in Europa, nämlich auf dem Balkan. Ich glaube, wir müssen uns im nachhinein sagen, daß wir auch auf Grund der eigenen Probleme damals nicht die Augen für die dramatischen Entwicklungen, die dort begonnen haben, geöffnet haben. Zumindest war das damals kein Hauptthema der offiziellen Politik.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Das stimmt nicht!)

    Ohne das dieser Politik in die Schuhe schieben zu wollen, stehen wir vor der Situation, daß die grausame Entwicklung einen dramatischen Höhepunkt erreicht hat. Es sind faschistische Mörderbanden in Srebrenica und Sepa eingefallen, um dort die Bevölkerung zu massakrieren. Es gibt immer noch Nationalisten auf serbischer Seite, die Sarajevo terrorisieren. Das muß man so beim Namen nennen.
    Ich sage ganz deutlich: Emotional stehe ich auf der Seite derer, die sagen: Man muß jetzt irgendwie dazwischenhauen, man muß diesem grausamen Treiben ein Ende setzen. Aber gleichzeitig glaube ich, es muß politische Kräfte geben, die die Frage stellen, ob die Methoden, die heute angewendet werden, über den Tag hinaus nicht mehr Nach- als Vorteile haben werden.
    Gewiß, das ist ein folgerichtiger Schritt. Die Bombardierung ist ein Schritt, der auf die Grausamkeit der serbischen Nationalisten zurückzuführen ist. Aber er ist auch ein folgerichtiger Schritt im Rahmen einer von Beginn an falschen und verfehlten Politik des Westens.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich glaube, wenn es die gleiche Entschlossenheit, die jetzt bei der Bombardierung an den Tag gelegt wurde, schon drei Jahre zuvor gegeben hätte, dann wäre es möglich gewesen, diesen Konflikt mit zivilen Methoden, mit Wirtschaftsembargos einzudämmen und auch zu lösen. Das wäre damals möglich gewesen. Es gab auch die entsprechenden Forderungen. Kein Geringerer als Hans-Dietrich Genscher sagt heute: Wenn das Wirtschaftsembargo insbesondere im Bereich Mineralöl wirklich durchgeführt worden wäre, dann wäre der serbischen Kriegsmaschinerie der Sprit ausgegangen, und man hätte die serbische Seite früher an den Verhandlungstisch bekommen als heute.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Ich glaube, es wäre eine völlig falsche Konsequenz aus dem Bosnien-Krieg, wenn jetzt geschlußfolgert würde, europäische Politik, europäische Sicherheitspolitik und europäische Regionalpolitik, könne im großen und ganzen so weiterbetrieben werden wie bisher. Wenn es denn schiefgeht und wenn jemand gegen Humanität und Menschenrechte verstößt, dann haben wir immer noch die UNO, die bereit ist, die NATO zu Hilfe zu holen. - Wir akzeptieren eine solche Struktur als zukünftigen Konfliktlösungsmechanismus nicht.

    (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Wer ist „wir"?)

    Wir glauben, es ist eine Konsequenz aus dem Bosnien-Krieg, daß über eine völlig neue europäische Sicherheitsarchitektur nachgedacht werden muß. Wir stellen fest, daß die Megasysteme, daß die NATO, daß die Westeuropäische Union gerade nicht in der Lage sind, den Typ von Konflikt zu lösen, der für die Zukunft der wahrscheinlichste ist. Wir registrieren eine Zunahme von ethnischen, von nationalistischen, von tribalistischen Konflikten mit sehr großer Barbarei weltweit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man mit dem NATO-Instrumentarium, das im Kalten Krieg gegen den Warschauer Pakt entwickelt worden ist, in Zukunft solche Konflikte in den Griff bekommen wird.
    Deshalb fordern wir, daß als Konsequenz aus dem Bosnien-Krieg über eine neue moderne europäische Sicherheitsarchitektur nachgedacht wird,

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Vorschläge!)

    die auf erheblich anderen Grundlagen fußt als auf dem klassischen Militarismus.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Wenn man den Nationalismus, wenn man den Militarismus und wenn man den einzelstaatlichen Wirtschaftsegoismus als die Grundlagen des trotz europäischer Einigung immer noch vorhandenen europäischen Übels sieht, dann muß man überlegen, wie man über die klassischen Bündnissysteme hinauskommt, und man muß über ein System kollektiver Sicherheit nachdenken, in das all die Nationalstaaten einbezogen werden. Dann ist es völlig falsch, die NATO als Struktur auszudehnen, die immer einen Gegner voraussetzt oder einen Gegner provoziert.

    Ludger Volmer
    Wir fordern deshalb, daß Sie über den Ausbau der OSZE nachdenken. Im Unterschied zu all den schönen Worten, die ich hier höre, stelle ich fest: Mittel werden im Haushalt dafür kaum bereitgestellt. Es gibt insgesamt 7 Millionen DM für die OSZE. Aber allein 6,5 Millionen DM wird die nächste Außenministerkonferenz der NATO kosten. Der BundeswehrReservistenverband bekommt 27 Millionen DM. Daran erkennt man die Disparitäten in Ihrer Politik. Was zukunftsträchtig ist, was ein Element neuer Sicherheitsarchitektur beinhalten könnte, wird von Ihnen kaum gefördert, es sei denn verbal. Gefördert wird aber die alte konservative Militärstruktur. Man weigert sich, mit Phantasie und Kreativität, wenn man denn schon am Hause Europa arbeitet, auch die Sicherheitspolitik in den Blick zu nehmen.
    Statt dessen höre ich heute von Herrn Schäuble, daß man darüber nachdenken müsse, ob nicht die französischen Atomwaffen einen Schutzschild für ganz Europa bilden könnten.

    (Beifall des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU])

    Dazu muß ich sagen: Das stößt auf allergrößten Widerstand, nicht nur bei uns, sondern auch bei französischen Oppositionsbewegungen und sonst in Europa.

    (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das sind sie aber immer gewesen!)

    Ich kann mir einfach nicht vorstellen, Herr Schäuble, daß man glaubwürdig gegen den Test von Atomwaffen sein kann, wenn man auf der anderen Seite wiederum glaubwürdig - anders würde der Schutzschild nicht funktionieren - ihren Einsatz androhen will.
    Zu dieser gesamten atomgestützten Politik möchte ich Sie mit einem Satz Ihres Vorgängers im Amt des Fraktionsvorsitzenden konfrontieren, der ja wirklich nicht als Pazifist bekannt ist, der aber in einem Anflug von Altersweisheit in der Debatte über den Nichtverbreitungsvertrag etwas Endgültiges über die Atomwaffen gesagt hat. Alfred Dregger sagte am 16. Februar 1995 dazu:
    Kein Land kann seine Sicherheit und die seiner Partner auf Waffen gründen, die niemand in seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen einsetzen könnte. In letzter Konsequenz heißt das: Die Atomwaffenstaaten sollten sich fragen, ob die, wie ich meine, fragwürdigen Vorteile des Besitzes von Atomwaffen das Risiko wettmachen, sich und die Welt der atomaren Vernichtung preiszugeben.
    Dies war die Antwort von Dregger auf die Frage der Atomwaffen. Wir schließen uns ihr an.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

    Ich hoffe, Herr Schäuble, daß Sie und Ihre Fraktion auf die Weisheit Ihres ehemaligen Vorsitzenden hören.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS Dr. Gregor Gysi [PDS]: Aber sonst nicht, bitte nur in dieser Frage!)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Klaus Kinkel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Kinkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wende mich zunächst an die SPD, insbesondere an Herrn Scharping. Sie müssen sich schon sagen lassen, Herr Scharping - er hört ja vielleicht wenigstens am Fernseh- oder Rundfunkgerät zu -, daß Sie - ich habe heute morgen sehr genau hingehört - als Vorsitzender der SPD und als Fraktionsvorsitzender praktisch nichts zur deutschen Außenpolitik gesagt haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Das wird, lieber Herr Scharping, im In- und Ausland Erstaunen erwecken, und ich sage Ihnen auch, daß es registriert wird. Wenn ich es richtig sehe, kann das im Grunde - das zeigt sich im Augenblick auch an der Besetzung der Oppositionsbank beim Thema Außenpolitik - nur heißen, daß Sie sich entweder von der Außenpolitik abgemeldet haben oder daß Sie außenpolitisch offensichtlich nichts zu sagen haben.

    (Zuruf von der F.D.P.: Beides! Dr. Wolfgang Weng [Gerungen] [F.D.P.]: Bei Verheugen waren noch weniger da! Ulrich Irmer [F.D.P.]: Die Vernünftigen sitzen ja da, wenn man von Verheugen absieht!)

    Ich wende mich auch an Sie, Herr Verheugen. Sie haben kürzlich in Ihrem Artikel im „Vorwärts" angekündigt, die Außenpolitik streitig zu stellen. Auch diesen Artikel habe ich sehr genau durchgelesen und sage dazu: Die Opposition hat das Recht und die Pflicht zur Kritik. Aber bitte nicht immer diese alten Ladenhüter und Pappkameraden! Ich habe wirklich das Gefühl, Sie sollten endlich einmal eine neue Platte auflegen. Sie sagen immer wieder dasselbe: Die Bundesregierung reduziere ihre Außenpolitik auf Bundeswehreinsätze. Oder: Sie gebe ihre Kultur der Zurückhaltung auf. Nehmen Sie wirklich einmal eine neue Platte.
    Wenn ich mir ansehe, was Sie heute zur Außenpolitik gesagt haben, dann habe ich wahrhaftig nicht den Eindruck, daß Sie die Außenpolitik streitig stellen; denn Sie haben praktisch nichts zu dem beigetragen, was man eigentlich von einer Opposition erwarten kann, wenn es in der Haushaltsdebatte um Außenpolitik geht.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wer soll sich eigentlich dieser schlimmen Barbarei in Europa entgegenstellen, wenn nicht die Mitglieder des Bündnisses und der Europäischen Union? War eigentlich dieses schreckliche Blutbad auf dem Marktplatz von Sarajevo - ich war vor kurzem selber dort an dem Ort, an dem schon einmal ein so schrecklicher Überfall geschehen ist - immer noch nicht genug, um Sie davon zu überzeugen, daß man Menschenrechte eben nicht nur im Munde führen kann, sondern auch handeln muß?

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Wir haben 14 Tornados mit einem klar begrenzten Auftrag entsandt. Sie waren dagegen, und Sie mäkeln heute immer noch kleinkariert in bezug auf die Einsätze daran herum. Schauen Sie sich doch einmal die Beiträge an, die kleinere Partner wie die Niederlande, Belgien und Dänemark seit Jahren im früheren Jugoslawien leisten. Für solche Äußerungen zu Ihren außenpolitischen Vorstellungen, wie Sie sie in den letzten Tagen getan haben und immer noch und immer wieder tun, können Sie im NATO-Kreis nur Kopfschütteln erwarten.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) Zu Europa haben Sie auch nicht viel gesagt.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Nichts!)

    Ich erinnere mich daran, wie wichtig dieses Europa für Sie war, daß wir immer aufgefordert worden sind, uns mehr zu bewegen, mehr zu tun, mehr Initiativen zu ergreifen. Ich habe auf Ausführungen von Ihnen dazu gewartet. Dabei liegt Deutschlands Zukunft doch in der Europäischen Union, in der sich unsere Bürger mit ihren Hoffnungen und Sorgen aufgehoben fühlen und zu der Prag oder Warschau genauso selbstverständlich dazugehören wie Den Haag oder Berlin. Das ist unsere Europapolitik, und wir haben sie erfolgreich vorangetrieben und werden das auch bei der weiteren Integration tun.
    In unseren Regierungsverhandlungen mit der Tschechischen Republik - etwas, woran Sie zu Recht genauso wie das Hohe Haus sehr interessiert sind - sind wir auf einem guten Weg. Ich bitte um Verständnis, wenn ich das nur so sage. Wir befinden uns in diesen Verhandlungen, und ich habe allen Grund, das zu sagen, was ich eben sagte.
    Ich möchte heute in meiner Rede einen Punkt etwas mehr herausstreichen, der sonst üblicherweise hier im Deutschen Bundestag relativ wenig Aufmerksamkeit findet. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Konsens hinsichtlich der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik für unser Land hätten.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Ulrich Irmer [F.D.P.]: Sehr wahr!)

    Mir liegt gerade in der gegenwärtigen Haushaltslage besonders daran, das Bewußtsein der Öffentlichkeit für den Stellenwert dieser Aufgabe als der großen und wichtigen dritten Säule in unserer Außenpolitik etwas zu schärfen. Für eine Sympathiewerbung als moderne, weltoffene Bürgergesellschaft ist diese auswärtige Kulturpolitik notwendig, ebenso für die Förderung der deutschen Sprache und - das wird leicht vergessen - für die Sicherung des Standortes Deutschland.
    Der Wegfall der Ost-West-Auseinandersetzung, der Fall von Mauer und Stacheldraht hat uns in Mittel- und Osteuropa ebenso wie in den früheren GUS-Staaten, eine ganz gewaltige Chance, eine Jahrhundertchance gegeben, insbesondere was unsere Sprache anbelangt. Wir müssen sie nutzen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    In Polen, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlen uns 4 000 Deutschlehrer, in Ungarn 2 000. Unsere Reaktion war die Aufstellung eines Sonderprogramms zur Förderung der deutschen Sprache. In dieser von mir genannten Region lernen über 13,5 Millionen Menschen im Augenblick Deutsch. In Rußland nimmt die deutsche Sprache den zweiten Platz hinter Englisch ein. Deutsch ist derzeit die führende Fremdsprache an den Grundschulen in Ungarn, in der Tschechischen Republik, in der Slowakei und Kasachstan.
    Etwa 25 % des Kulturhaushaltes stehen für den Hochschul- und Wissenschaftsaustausch zur Verfügung, und jährlich erhalten - das wird leicht vergessen und leider Gottes zuwenig betont - rund 30 000 potentielle deutsche Führungskräfte die Chance, sich im Ausland weiterzubilden.
    Umgekehrt werden etwa 20 000 Stipendien an Ausländer für eine Ausbildung in Deutschland vergeben. Die Hochbegabtenförderung der Alexandervon-Humboldt-Stiftung finanziert jedes Jahr etwa 500 ausländische Forscher. Aus deren Reihen sind bisher - auch das wird selten gesagt und betont - immerhin 20 Nobelpreisträger hervorgegangen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Die Bindungen dieser Führungseliten an Deutschland wirken oft jahrzehntelang nach. Wer sich in diesem Bereich bewegt, weiß, welche Bedeutung das hat.
    Leider nimmt die Attraktivität unserer Hochschulen ab, gerade im bildungsbewußten Asien.

    (Zuruf von der SPD: Warum denn?)

    - Dafür gibt es sehr viele Gründe, die ich gerne,
    wenn ich Zeit hätte, länger mit Ihnen erörtern würde.
    Dagegen müssen wir angehen. Unser Ausbildungssystem an den Hochschulen darf den internationalen Trend nicht verpassen. Das ist sehr weitgehend auch eine Aufgabe der Länder, aber ich will das nicht wegdrücken. Es gibt viele Gründe, über die zu reden, zu diskutieren wert wäre.
    Meine Damen und Herren, die Entscheidung der Bundesregierung zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes in Bosnien ist immerhin von einer nicht unwesentlichen Zahl Abgeordneter der Opposition mit unterstützt worden. Seither wächst nicht nur in der SPD - darüber freue ich mich -, sondern auch beim BÜNDNIS 90/DIE. GRÜNEN die Einsicht, daß mit moralischer Betroffenheit allein keinem der geschundenen Menschen im ehemaligen Jugoslawien gedient ist oder geholfen werden kann.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich freue mich natürlich insbesondere, daß der Kollege Fischer eine Wendung vorgenommen hat.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Joseph Fischer!)

    Auch er hat es nicht nötig, heute in der außenpolitischen Debatte hierzusein. Er dreht immer seine Pirouetten, wenn das Fernsehen angeschaltet ist

    (Zuruf von der F.D.P.: So ist das!)


    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    oder andere Dinge sich öffentlichkeitswirksam abspielen.

    (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Insofern ist er wirklich ein Liberaler! Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Flexible Arbeitszeit!)

    - Ja, das darf man doch sagen.