Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einer ersten Durchsicht des vorliegenden Einzelplans 25 im Bundeshaushalt 1996 stellen wir Sozialdemokraten fest: Wieder einmal werden Einsparungen an der falschen Stelle vorgenommen. Eine sinnvolle Umstrukturierung findet nicht statt, und Prioritäten werden nicht gesetzt.
Ich möchte Ihnen dazu Beispiele nennen. Erstes Stichwort: Auch im nächsten Jahr stehen kaum Mittel für die Städtebauförderung in den alten Bundesländern zur Verfügung, obwohl Sie genau wissen, welche positiven wirtschaftlichen Effekte gerade mit diesen Fördermitteln erzielt werden können. Von den für 1996 im Haushalt vorgesehenen 830 Millionen DM entfallen auf die alten Bundesländer 130 Millionen DM, nochmals 11 Millionen DM weniger als 1995. Daß in den neuen Bundesländern mehr Bedarf besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber 130 Millionen DM Fördermittel West bieten zu wenig Anreiz für Investoren. Was noch schlimmer ist: Sie tragen kaum zur Lösung der großen Probleme in den Städten bei. Das Rechnungsbeispiel, daß 1 DM Städtebauförderung noch 7 DM weiterer, überwiegend privater Investitionen nach sich zieht, gilt immer noch.
Dieter Maaß
Die Städtebauförderung West ist in den vergangenen Jahren rigoros gestrichen worden. Angesichts ihrer wichtigen Anstoßeffekte für weitere Investitionen ist eine deutliche Anhebung dieser Städtebauförderungsmittel unumgänglich.
Auf einer Informationsreise des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau nach Hannover im Frühjahr dieses Jahres konnten wir feststellen, wie notwendig die Städtebauförderung des Bundes ist. Ein ganzer Stadtteil, der zu verslumen drohte, mit all den schlimmen sozialen Folgen für unsere Gesellschaft, kann erhalten werden. Hoffnungsvolle, erfolgreiche Ansätze sind in diesem Projekt deutlich erkennbar. Aber ohne weitere finanzielle Beteiligung des Bundes sind solche Maßnahmen nicht mehr durchzuführen.
Die städtebauliche Entwicklung, das Erhalten von baulicher Substanz ist durch das Zurückziehen des Bundes stark eingegrenzt. - Wahrscheinlich würden diese Chaostage nicht mehr stattfinden, wenn dort mehr gefördert würde. -
Die Aufbereitung von Industriebrachen wird ohne diese Fördermittel noch weiter erschwert, zumal die Städte und Gemeinden bereits finanziell am Ende sind. Unter dieser Haushaltsstelle würden wir Sozialdemokraten wieder höhere Beiträge einsetzen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einen weiteren Kritikpunkt an Ihrem Haushalt nennen: das Zurückführen des Wohngeldes. Sie senken die Beteiligung des Bundes am Wohngeld in 1996 um ca. 182 Millionen DM gegenüber dem Ist von 1994. Seit 1990 ist das Wohngeld nicht angepaßt worden. In dieser Zeit sind die Mieten um mehr als 30 % gestiegen. Hart getroffen werden Familien mit Kindern und Alleinstehende mit niedrigem Einkommen, vor allem Rentnerinnen. Sie kürzen die Mittel für Wohngeld, obwohl Minister Töpfer schon seit Wochen angekündigt hat, das Wohngeld West solle an die Mietenentwicklung angepaßt werden. Im Rahmen der Beratungen zum Mietenüberleitungsgesetz sind solche Zusagen auch von Mitgliedern der Regierungsfraktionen gemacht worden.
Wenn die Wohngeldtabellen nicht angepaßt werden, entstehen soziale Verwerfungen: zum einen durch die Ungleichbehandlung der Wohngeldempfänger in den alten Bundesländern, zum anderen bei den Wohngeldberechtigten, die durch die Bruttolohnentwicklung aus dem Kreis der Berechtigten ausscheiden. Wir Sozialdemokraten fordern die Erfüllung Ihrer Zusagen für den Haushalt 1996 ein. Sie begehen einen Wortbruch, wenn Sie den Menschen die versprochene Wohngelderhöhung vorenthalten.
Im Rahmen der Haushaltsberatungen sollte auch die Ankündigung des Ministers unter der Überschrift „Das junge Haus" angesprochen werden. Nun begrüßen wir sicher alle einen preiswerten Wohnungsbau. Darüber, wie man so etwas macht, gibt es viele Studien und Vorschläge, auch praktische Beispiele. In Nordrhein-Westfalen gibt es bereits solche Modelle.
Die Bundesregierung hat durch die Expertenkommission Wohnungspolitik Kriterien für kostengünstiges Bauen ausarbeiten lassen. Es fängt damit an, daß die Gemeinden preisgünstiges Bauland zur Verfügung stellen sollen. Die Versorgungswirtschaft soll ihre Anschlußbedingungen und ihre Anschlußpraxis an die Erfordernisse der Kostensenkung anpassen. Es sollen kombinierte Architekten- und Investorenwettbewerbe durchgeführt werden.
Im Ergebnis geht der Schwarze Peter an die Beteiligten am Bau; die Appelle gehen an andere, aber der Bund hält sich zurück. Es wird lediglich der Vorschlag gemacht, die Vergabe der Fördermittel im Subventionswettbewerb und in Verbindung mit Förder- und Kostenobergrenzen anzustreben. Dies ist nicht neu und wird von einigen Bundesländern schon so praktiziert.
Weiter beabsichtigen Sie, einen Koordinierungsausschuß Baukostensenkung einzusetzen. Ist es dazu nicht schon etwas zu spät? Der dringend benötigte Wohnraum muß jetzt zur Verfügung stehen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen dafür genügend Anreize geschaffen werden. Im Haushalt 1996 vermissen wir Sozialdemokraten hierfür aber einen Titel.
Wenn die Bundesregierung solche Maßnahmen - die, wie schon gesagt, so neu nicht sind - wirklich will, dann muß sie sie auch finanziell fördern. Eine Summe im Haushalt für eine solche Förderung sucht man vergebens. Im Gegenteil: Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau werden stark gekürzt.
Was jedoch bei Ihrer Ankündigung „Das junge Haus" völlig offen bleibt, sind die Grundstückskosten. Wenn die Grundstückskosten durchschnittlich ca. 40 % der Bausumme ausmachen, können nämlich nur 60 % der Baukosten beeinflußt werden. Sie wissen selbst, daß der Hinweis, der Bund werde preiswertes Kasernengelände zur Verfügung stellen, nicht ausreicht. Deshalb fordern Sie dann die Gemeinden auf, preiswerte Grundstücke auszuweisen und Lükken zu schließen. Sie verweigern den Gemeinden aber die dazu notwendigen Instrumente, etwa ein Satzungsrecht für eine Grundsteuer für baureife Grundstücke.
Dieter Maaß
Wieder werden groß angekündigte Neuerungen auf die Gemeinden abgeschoben.
Im übrigen hat meine Heimatstadt kein militärisches Gelände, und sie verfügt auch nicht über ausreichendes Bauland; von preiswertem kann schon gar nicht die Rede sein.
Die politisch Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden müssen dann wieder den Bürgerinnen und Bürgern erklären, wieviel Luft in Ankündigungen der Bundesregierung steckt.
Meine Damen und Herren, ich möchte die heutige Beratung nutzen, um noch einmal ein Thema anzusprechen,
das bereits ein politischer Skandal geworden ist. Es geht um das Trauerspiel Schürmann-Bau. Jeder Besuchergruppe machen wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages deutlich: Dies ist die Stein gewordene Unfähigkeit einer amtierenden Bundesregierung.
Es ist schon mehr als erstaunlich, ja, es macht wütend, wie die Bundesregierung hier Steuermittel verschwendet.
Nach unseren Feststellungen sind bereits 350 Millionen DM für den vor sich hin rostenden Rohbau und 150 Millionen DM für das Grundstück ausgegeben worden. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren.
Das gestrige Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und seinen Ministern Waigel und Töpfer hat wiederum zu keinem Ergebnis geführt.
Wir fordern Sie trotzdem noch einmal dringend auf: Treffen Sie eine Entscheidung, damit nicht noch weiteres Geld zum Fenster hinausgeworfen wird!
Bereits am 8. September 1994 hat die SPD mit ihrem Antrag Schürmannbau, Drucksache 12/8470, die Bundesregierung aufgefordert, Vorschläge für eine wirtschaftliche und sinnvolle Verwendung zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden in den Ausschußberatungen zu den einzelnen Titelgruppen konkrete Vorschläge machen. Sie werden nicht unbedingt zu höheren Ausgaben führen. Die vorhandenen Fördermittel sollen jedoch sozial gerechter und wirtschaftlich effizienter eingesetzt werden.
Vielen Dank.