Rede von
Klaus-Jürgen
Warnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Daß der Einzelplan des Bauministeriums eine einzige Schande ist, hat schon meine Vorrednerin deutlich gemacht. Mit diesem Haushaltsplan und seinen Prioritätensetzungen zeigt die Bundesregierung, daß sie nicht gewillt ist, ernsthaft gegen den zunehmenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen und gegen die wachsende Zahl der von Obdachlosigkeit bedrohten und betroffenen Menschen vorzugehen.
Die Wohnungspolitik wird zunehmend durch eine sozial ungerechte Vermögenspolitik verdrängt.
Im Etatansatz 1996 wollen Sie die Mittel für den sozialen Wohnungsbau um weitere 650 Millionen DM - das sind rund 23 % - streichen. Kollege Großmann hat das vorhin schon alles erläutert. Klammheimlich wird damit auch die vor wenigen Monaten beschlossene Finanzplanung des Bundes für die Jahre 1994 bis 1998 nach unten korrigiert und damit faktisch wertlos.
Wie Sie sich selbst, Herr Minister, in die Tasche lügen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger belügen, wird u. a. an folgendem deutlich. Im Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 heißt es:
Für den sozialen Wohnungsbau stellen Bund und Länder jährlich erhebliche Finanzmittel bereit, um angesichts der nach wie vor bestehenden Engpässe im preisgünstigen Marktsegment das Wohnungsangebot für Haushalte im unteren bis mittleren Einkommensbereich zu erhöhen.
Zu schön, um wahr zu sein. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In den westlichen Bundesländern fallen in diesem Jahr Hunderttausende Wohnungen aus der Sozialbindung. Dieser Prozeß wird auch durch die wenigen neuen Sozialwohnungen nicht abgefangen. In den östlichen Bundesländern gibt es überhaupt keinen nennenswerten Sozialwohnungsbestand.
Klaus-Jürgen Warnick
Die Wohnkosten steigen in Ost und West weiterhin wesentlich schneller als die Einkommen. Der selbst von der Bundesregierung eingestandene Engpaß wird also immer größer. Die Stellungnahme des Bundesbauministeriums dazu:
Die Rückführung der Verpflichtungsrahmen unter das in der Finanzplanung für 1996 vorgesehene Volumen ist aus Sicht des BMBau zu bedauern. Ausschlaggebend waren nicht wohnungspolitische, sondern fiskalische Gesichtspunkte.
Herr Bundesbauminister, Bedauern reicht hier nicht. Ich fordere Sie auf, um eine spürbare Erhöhung der Mittel für die Schaffung und den Erhalt bezahlbarer Wohnungen zu kämpfen,
statt weiterhin einer gescheiterten, sozial und ökologisch verantwortungslosen Eigentumsideologie hinterherzulaufen.
Statt mit einem weiteren 50-Millionen-Programm die Zwangsprivatisierung von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungen in Ostdeutschland schmackhafter zu machen, sollten Sie dieses Geld für ein zusätzliches Programm zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit einsetzen.
Auch eine Reihe von Haushaltspositionen im Kapitel Baumaßnahmen, Wohnungsfürsorge für Bundesbedienstete und Umzugskosten Bonn-Berlin sind kritisch zu hinterfragen. Warum wird z. B. für Bundesbedienstete die Schaffung von 5 001 Mietwohnungen und Eigenheimen in Berlin mit 790 Millionen DM - das sind im Durchschnitt rund 158 000 DM pro Wohnung - gefördert? Reichen etwa die für alle anderen geltenden Instrumente von der Eigenheimförderung bis zum Wohngeld für diese Personengruppe nicht aus? Ich weiß, daß sie für bezahlbare Wohnungen nicht reichen. Aber das Menschenrecht auf Wohnung gilt für alle. Deshalb muß die Bundesregierung endlich der Fürsorgepflicht für alle Menschen dieses Landes gerecht werden.
Aus Sicht der Partei des Demokratischen Sozialismus sind folgende Dinge notwendig:
Zum ersten eine deutliche Anhebung und Verstetigung der Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Ost und West auf mindestens 5 Milliarden DM. Notwendig ist die verstärkte Förderung des genossenschaftlichen sowie des den Prinzipien der Gemeinnützigkeit verpflichteten Wohnungsbaus, der Programme zur Leerstandsbeseitigung, der Städtebauförderung sowie zur Sanierung und Modernisierung des Wohnungsbestandes. Die erforderlichen Mittel können durch radikalen Abbau ungerechtfertigter Eigentumsförderung kompensiert werden.
Als zweites eine Korrektur des AltschuldenhilfeGesetzes im Interesse der Mieter, Wohnungsunternehmen und Kommunen Ostdeutschlands durch a) die ersatzlose Streichung des § 5, der Zwangsprivatisierung, zumal das kein Geld kostet - im Gegenteil: dabei würde der Bund sogar noch sparen -, b) die Verlängerung der Zinshilfe für die sogenannten Altschulden der ostdeutschen Wohnungswirtschaft für den gesamten Geltungszeitraum des Mietenüberleitungsgesetzes und c) die dauerhafte Übernahme der verbliebenen Altschulden und des Zinsdienstes durch den Bund auf Antrag von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, welche als Gegenleistung dauerhafte Belegungsbindungen und Mietpreisbegrenzungen für diese Wohnungen gewährleisten.
Zum dritten eine Erhöhung des Wohngeldes für die westdeutschen Länder zum 1. Januar 1996 als vorgezogene Maßnahme bis zur grundlegenden Wohngeldreform.
Als viertes eine spürbare Reduzierung der Kosten für Gutachten, Wettbewerbe und Hochbaumaßnahmen in Berlin.
Überfällig ist es auch, durch veränderte Aufgabenstellung die Mittel für den ehemaligen Palast der Republik in Berlin nicht für den Abriß, sondern für die Asbestsanierung mit dem Ziel der zügigen Inbetriebnahme als Kultur- und Bildungszentrum einzuplanen. Ich freue mich hier sehr über die Meinungsänderung der F.D.P.
Auch dieser Einzelplan ist nicht alternativlos und unveränderbar. Den vorliegenden Vorschlägen der Koalition können und werden wir nicht zustimmen.
Ich danke Ihnen.