Rede von
Matthias
Wissmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Sparen und gestalten" - das ist der Leitgedanke des heute eingebrachten Entwurfs zum Haushalt 1996. Dieser Leitgedanke drückt sich natürlich auch im Verkehrshaushalt aus, der,
Bundesminister Matthias Wissmann
ohne die langfristige Aufgabe der umweltgerechten Sicherung der Mobilität an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend zu vernachlässigen, gleichwohl einen erheblichen Beitrag auch zu den Einsparerfolgen des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für den Haushalt 1996 leistet.
Ich will nicht verhehlen, daß diese eben auch vorhandene Sparaufgabe nicht unerhebliche Schmerzen bereitet;
denn schließlich haben wir in den zurückliegenden Jahren im Verkehrshaushalt schon erhebliche Ausgabenkürzungen getragen und durch Einnahmeverbesserungen in nicht unbeträchtlichem Maße zur Konsolidierung des Gesamthaushaltes beigetragen. Ich denke nur daran, daß die von uns politisch in Europa durchgesetzte Gebühr für Schwerstlastkraftwagen Einnahmen von knapp 800 Millionen DM für den Haushalt erbracht hat..
Trotz aller schmerzlichen Investitionsrückführungen ist es erfreulich, daß wir mit den Investitionsansätzen des Haushaltsentwurfs 1996 und der mittelfristigen Finanzplanung im Verkehrsbereich eine Investitionstätigkeit auf sehr hohem Niveau beibehalten können. Das Ausgabevolumen des Verkehrsetats verringert sich zwar im Jahre 1996 um 4,4 % auf knapp 51 Milliarden DM. Trotzdem bleibt der Einzelplan 12 nach dem Etat für Arbeit und Soziales der zweitgrößte Einzelplan des Bundeshaushalts, und er bleibt vor allem der größte Investitionshaushalt.
Ziel bleibt es für uns in den kommenden Jahren, bei aller Mittelknappheit in den Bereichen Schiene, Straße und Wasserstraße den umweltgerechten Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur voranzubringen. Trotz aller Mittelknappheit gibt es für mich eine ganz klare Priorität - das hört nicht jeder gerne, aber es muß trotzdem gesagt werden -: Auch in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts behalten die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit und die Verkehrsprojekte in den neuen Bundesländern Vorrang in unserer Verkehrspolitik. Das drückt sich auch in allen Zahlen aus. Wir werden diesen Weg weitergehen.
Welche Bedeutung die Investitionen in Höhe von rund 23 Milliarden DM im Verkehrshaushalt haben, zeigt sich an einer Zahl: 1 Milliarde DM an Investitionen sichert rund 12 000 Arbeitsplätze.
Mit dem Beschluß des Bundeskabinetts vom 5. Juli 1995 können wir den planmäßigen Neubeginn der noch ausstehenden Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Schiene und der Schienenneubaustrecke KölnRhein/Main sicherstellen. Beide Entscheidungen waren für mich als Bundesverkehrsminister unabdingbare Beiträge zur Verbesserung unserer Schieneninfrastruktur in ganz Deutschland; denn in einer Zeit
dramatisch wachsenden Verkehrs dürfen wir die riesige Modernisierungsaufgabe „Bahn und Schiene" nicht vernachlässigen, sondern müssen sie weiterhin konsequent voranbringen.
Deswegen bin ich auch froh, Ihnen berichten zu können, daß es uns beim Schienenhaushalt 1996 gelingen wird, durch die vorgesehene Grundstücksverwertung nicht bahnnotwendiger Immobilien einen erheblichen Teil dessen aufzufangen, was wir an Kürzungen haben in Kauf nehmen müssen. Langfristig rechnen wir beim Verkauf nicht bahnnotwendiger Grundstücke mit einem Verwertungserlös von über 13 Milliarden DM.
Diese Erlöse werden nach Abzug eines Anteils zur Deckung des Finanzbedarfs des Bundeseisenbahnvermögens den Investitionsmitteln zugeführt.
Eines kann nicht verschwiegen werden - das gilt auch für die Straße -: Trotz aller Bemühungen werden sich angesichts der Haushaltslage Straffungen und Streckungen einzelner Investitionsprojekte nicht vermeiden lassen. Gemeinsam mit der Bahn AG werden wir aber weitere zusätzliche Investitionsspielräume u. a. durch die geplante Zusammenarbeit der Bahn mit professionellen Anbietern auf dem Telekom- und Bahnstromsektor schaffen. Daneben fließen der Bahn AG auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erhebliche Mittel aus dem ÖPNV-Bundesprogramm und den entsprechenden Länderprogrammen zu.
Schließlich - das ist die große Reformaufgabe, die nach dem 1. Januar 1996 beginnt - wird mit der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs gleichzeitig das größte Aufbau- und Ausbauprogramm der Nachkriegsgeschichte für den Schienenpersonennahverkehr und für den öffentlichen Nahverkehr insgesamt auf den Weg gebracht: im nächsten Jahr rund 8,8 Milliarden DM, 1997 12,1 Milliarden DM, um die Jahrtausendwende etwa 17 Milliarden DM für den Schienenpersonennahverkehr und den öffentlichen Nahverkehr.
Man kann also alles behaupten, nur eines nicht: daß wir den öffentlichen Nahverkehr vernachlässigten. Nein, er bekommt heute eine größere Aufmerksamkeit als je zuvor in der Nachkriegsgeschichte, was die Zahlen eindeutig ausweisen. Es ist das umfassendste Programm zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, das wir je gehabt haben.
Lassen Sie mich auf einen sensiblen Punkt eingehen. Zur Optimierung der Investitionsmittel für die Schiene prüfen wir derzeit auch eine Veräußerung von im Eigentum des Bundeseisenbahnvermögens stehenden Wohnungen. ,Klar ist: Eine Veräußerung von Wohnungen kann selbstverständlich nur unter Beachtung aller sozialen Aspekte und unter Berücksichtigung der mit der Bahnreform eingegangenen Verpflichtungen erfolgen, d. h., die bei der Deut-
Bundesminister Matthias Wissmann
schen Bahn und Deutschen Reichsbahn erworbenen Besitzstandsansprüche bleiben unangetastet. Der Grundsatz heißt: Kein Eisenbahner soll seine Wohnung verlieren. Das schließt selbstverständlich die im Ruhestand Befindlichen bzw. deren Hinterbliebene mit ein.
Das Prinzip der Sozialbindung schließt aber nicht aus, daß Wohnungen veräußert werden. Dies wird derzeit von uns geprüft. Wir werden bald in enger Abstimmung mit den Beteiligten dem Bundesfinanzministerium ein schlüssiges Konzept vorlegen, bei dem Sozialbindung einerseits und Privatisierung andererseits im Einklang stehen. Wir werden darauf achten, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Wohnraumbewirtschaftung effizienter als heute zu gestalten.