Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hartenstein, Ihre Rede war ein Versuch, der bedauerlicherweise nicht zum Tragen kommen konnte, weil Sie die Fakten nicht exakt dargestellt haben.
- Na ja, wenn man von dem Versuch absieht, durch etwas Schlußbeifall das Ganze aufzumotzen, war es ja nicht gerade von Beifall aus Ihrer eigenen Fraktion umrauscht, was Sie hier an Thesen vorgetragen haben. Das läßt sich nur damit erklären, daß in Ihrer eigenen Fraktion noch so viel Sachverstand vorhanden ist, daß die Mangelhaftigkeit Ihrer Thesen auch von Ihren Fraktionskollegen eingesehen wurde.
Insofern, Frau Hartenstein, wollen wir doch jetzt einmal auf einige Punkte eingehen.
Dr. Klaus W. LIppold
Der erste Punkt: Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mit einer ganzen Reihe von Gesetzen dafür gesorgt, daß wir im Umweltbereich Fortschritte machen.
Zweiter Punkt: Wir haben auch in dieser Legislaturperiode deutlich gemacht, daß wir zur Beschleunigung von Umweltpolitik beitragen. Ich sage dies zunächst mit Blickrichtung auf die Klimakonferenz, die in Berlin stattgefunden hat. Diese Konferenz war ein Erfolg für den weltweiten Umweltschutz, weil der entscheidende Impuls dazu vom Bundeskanzler ausging, nachdem Frau Merkel die Vorbereitungen getroffen hatte.
- Sie wissen doch selbst, daß die Rede des Bundeskanzlers mittlerweile weltweit zirkuliert und als Grundlage genommen wird - egal, wo Sie darüber diskutieren -, wenn es um weltweiten Klimaschutz geht.
Ich möchte Ihnen noch eines sagen, Frau Hartenstein: Sie haben natürlich mit Fug und Recht nur einige Punkte aufgegriffen, von denen Sie dann gesagt haben, dies sei zu wenig. Aber Sie haben seinerzeit genau von diesem Pult aus immer wieder darauf hingewiesen, wir seien nicht in der Lage, ein Energieeinsparprogramm für den Altbaubestand zu realisieren, wir würden es nicht auf die Beine bringen. Jetzt, nachdem wir das - ich gebe zu: gegen einen gewissen Widerstand derer, die es zu zahlen hatten - in der Fraktion und im Bundestag durchgesetzt haben, verlieren Sie kein Wort darüber, daß wir mit dem Programm, das wir aufgelegt haben, über zehn Jahre 10 Milliarden DM für Energieeinsparung im Altbaubestand investieren. Früher kam gerade von Ihnen immer der Hinweis, daß neben dem Verkehrsbereich der Altbaubestand derjenige Bereich ist, bei dem wir primär Umweltschutzpolitik betreiben und Erfolge für den Klimaschutz erzielen müssen. Nachdem wir nun genau dies gemacht haben, verschweigen Sie es wie ein Staatsgeheimnis, weil es natürlich nicht in Ihr Konzept paßt.
Ich sage ganz deutlich, Frau Hartenstein: Zur guten Politik gehört auch ein Stück Fairneß, indem man das, was geleistet wird, wenigstens respektiert. Sie müssen es ja nicht bejubeln; das erwarten wir von Ihnen nicht, und das wäre auch völlig neu für Oppositionspolitik. Aber Sie können doch wenigstens Ihren Respekt zum Ausdruck bringen. Schließlich hätten Sie auch anfügen können, daß Sie dies alles schöner und besser gemacht hätten.
Aber da, wo Sie dran sind, machen Sie es natürlich nicht schöner. Gehen Sie doch jetzt einmal nach Berlin! Dort gibt es einen Bausenator namens Nagel, der vor der Frage stand, wie er in Berlin Wohnungsbestandspolitik machen sollte. Sollte er bei der Sanierung Energieeinsparung betreiben, oder sollte er
doppelt so viele Wohnungen sanieren? Er hat sich dafür entschieden, doppelt so viele Wohnungen zu sanieren, weil es optisch besser aussieht, anstatt sie energetisch wertvoll zu sanieren. Das heißt, Sie kritisieren hier das, was wir sagen, tun aber dort nichts, wo Sie die Verantwortung haben und etwas tun könnten.
Bei diesen fehlsanierten Wohnungen in Berlin wird sich in den nächsten 30 Jahren nichts mehr tun. Frau Hartenstein, das ist ein Skandal. Dort könnten Sie einmal den Finger in die Wunde legen. Der Verantwortliche heißt Nagel und ist Sozialdemokrat. Zu diesen Fakten sagen Sie hier kein Wort. Statt dessen sagen Sie hier, Sie wollten die bessere Umweltpolitik machen.
- Wer das Ressort hat, macht die Vorlagen, und wer die Vorlagen macht, hat die Initiativen, und wer die falschen Initiativen hat, darf nicht hierher kommen und jammern und weinen, das sei kein Schritt in die richtige Richtung. Über diesen Punkt sollten wir einmal gemeinsam nachdenken, damit wir vielleicht etwas ehrlicher miteinander umgehen.
Zu dem etwas ehrlicheren Umgang miteinander möchte ich Ihnen noch folgendes sagen - gelegentlich muß man Sie auch in Erstaunen versetzen -: Bei der Wärmeschutzverordnung, Frau Hartenstein, handelt es sich um einen Punkt, über den man nachdenken kann. Nicht mit allen Punkten, die ich avisiere, kann ich mich durchsetzen. Das ist bei Ihnen auch anders: Sie stellen es hier immer so dar, als sei dies durchsetzbar. Ich sage ganz offen: Es gibt in dieser unserer Republik unterschiedliche Interessenlagen. Ich bin froh, wenn ich in einer Zeit, in der es - wie es damals war - für den Umweltschutz rezessiv ist, wenigstens in Teilschritten Erfolge erzielen kann. Sie aber stellen sich hier hin, als ob Sie in rezessiven Zeiten für den Umweltschutz alles realisieren könnten.
Ich komme nun zur Frage der Mineralölsteuer, über die wir sicherlich noch sprechen werden: Wenn ich mir einmal ansehe, was Sie als Bundestagsfraktion im letzten Wahlkampf alles in den Raum gestellt haben und was Ihr damaliger Kanzlerkandidat mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt hat, dann stelle ich fest, daß ich auf einmal der einzige war, der ein Stufenmodell vertreten hat. Ihr Kanzlerkandidat hat nur gesagt: Das kommt nicht mehr in Frage. Da waren Sie ganz schön brav und artig. Heute gibt es einen in Niedersachsen, der ist nicht so artig. Den haben Sie dann eliminiert. Das ist eine andere Frage.
Im Grunde genommen müssen Sie damit leben, daß Sie das, was Sie hier vehement vertreten, immer unter dem Aspekt tun: Ich erwarte von denen, die auf der Regierungsseite reden, daß sie ein Kurzzeit-
Dr. Klaus W. Lippold
gedächtnis haben und daß sie sich an all das nicht mehr erinnern. Bedauerlicherweise, Frau Hartenstein, reicht unser Gedächtnis für diese Dinge. Deshalb werden wir uns damit auseinandersetzen.
Lassen Sie mich deutlich sagen, daß ich in der Frage der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie anderer Auffassung bin als die Opposition. Ich glaube, daß dies ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir werden aber darauf achten müssen, daß sie auch umgesetzt wird. Insofern war der vermeintliche Autogipfel nicht das letzte Wort. Das ist selbstverständlich.
Wenn jemand sagt, er habe das Dreiliterauto, die andere Firma das am nächsten Tag dementiert und die dritte Firma sagt, das sei serienmäßig nicht umsetzbar, dann wird es unsere Aufgabe sein, darauf zu achten, daß es umsetzbar wird. Dann werden wir auch über die ökonomischen Anreize nachdenken, damit es umgesetzt wird,
denn wir brauchen nicht drei Öko-Polos, sondern 30 Millionen Öko-Polos. Da ist unser Konzept das bessere. Dazu müssen Sie noch etwas sagen.
Wir haben, weil wir eine lebhafte Fraktion sind, natürlich auch die Frage, wie wir die Emissionen beim Auto herunterfahren können, diskutiert. Ich sage ganz offen: Da besteht noch Diskussionsbedarf. Ich bin in diesen Fragen nicht Ihrer Meinung, weil wir Umweltschutz betreiben können, ohne die Bürger zusätzlich zu belasten. Sie hingegen entwickeln Modelle nach dem Motto, dem Bürger zu 100 % oder doch zu 50 % in die Tasche zu greifen. Das ist nicht meine Politik.
Ich vertrete in dieser Fraktion die Politik, zu sagen: Wir betreiben Umweltschutzpolitik, indem wir umgruppieren, aber die Bürger nicht mehr belasten wollen.
Wenn wir also schon daran denken, bei den Anreizen etwas zu tun, ist es sinnvoll, daß man Elemente wählt,
die erstens flexibel, zweitens effizient und drittens auch verwaltungseinfach sind.
Da könnten Sie einmal über Ihren Schatten springen
und mir recht geben, daß es Punkte wie bei der Kfz-
Besteuerung gibt, zu denen man andere Vorstellungen entwickeln und bei denen man auch einmal darüber reden kann, ob es nicht effizient, ob es nicht flexibel wäre, wenn wir sie auf die Mineralölsteuer umlegen würden.
- Sie haben ja überhaupt keine Ahnung davon. Ich sage das einmal so unverblümt, auch wenn Norbert Blüm nicht hier sitzt. Das ist ein Punkt, über den wir noch einmal diskutieren müssen, weil das eine Frage der Argumente ist.
Lassen Sie mich ein Weiteres anführen: Wir werden das Naturschutzgesetz umsetzen. Da brauchen Sie nicht so zu tun, als sei das ein Ladenhüter, denn Naturschutz ist die primäre Kompetenz der Bundesländer, bei der die das Sagen haben. Sie fordern immer nur Umweltschutz, ohne zu sagen, wie Sie ihn finanzieren wollen. Selbstverständlich erwarten Sie Umweltschutz von uns mit der Maßgabe, daß wir alles finanzieren. Wenn Naturschutz Kompetenz der Länder ist, dann müssen die Länder auch bereit sein, für den Naturschutz in die Tasche zu greifen und etwas zu bezahlen.
Ihre Oberbürgermeisterin in Heidelberg hat zum Klimaschutz Vorstellungen entwickelt, nach denen der Bund zu zahlen hat. Ich habe ihr damals gesagt: Ich möchte endlich im Heidelberger Haushalt einen Ansatz sehen, mit dem sie Gelder für die Klimaschutzpolitik einstellt, statt sich hinzustellen und zu bekunden, sie erwarte Geld von der Bundesregierung, und ohne dieses Geld finde bei ihr in der Stadt kein Klimaschutz statt. Das ist der Punkt.
Sie fordern von anderen. Wo Sie selbst gefordert sind, tun Sie nichts. Wir können nicht all das tun, was wir für wünschenswert halten, aber wir erreichen in der Vorgabe im Umweltschutz wesentlich mehr als Sie. Deshalb können wir uns im Bereich Umweltschutz an all dem, was Sie fordern, messen, weil wir sagen können, daß wir das, was wir angepackt haben, und das, was wir versprochen haben, in weitesten Positionen gehalten haben. Den Rest werden wir zu Ihrem Ärgernis auch noch abarbeiten, denn es wird deutlich werden, daß wir uns im Umweltschutz nicht treiben lassen. Wir sind, wenngleich Regierungskoalition, wesentlich bestimmender als Sie seitens der Opposition, von der ich mir mehr Dampf erwartet hätte. Denn wenn eine Opposition Dampf macht, kann man sich unter Umständen auf ihre Argumente stützen. Bei Ihnen aber ist der Dampf raus, und das ist schade.