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    Plenarprotokoll 13/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1995 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Leni Fischer (Unna) und des Bundesministers Dr. Norbert Blüm 4095 A Abwicklung der Tagesordnung 4095 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1996 (Haushaltsgesetz 1996) (Drucksache 13/2000) b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1995 bis 1999 (Drucksache 13/2001) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 4095 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 4106B Hans-Peter Repnik CDU/CSU 4114 C Ingrid Matthäus-Maier SPD , . 4116C, 4159A, 4180C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4120B Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. . 4124B Dr. Christa Luft PDS 4129D Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 4131 D Manfred Hampel SPD . . . . . . . . 4136A Walter Hirche F.D.P 4136D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 4138A Dr. Barbara Hendricks SPD 4141 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS 4143D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 4146D Dr. Liesel Hartenstein SPD 4150 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 4152D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4154D Birgit Homburger F D P. 4157 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4159B Rolf Köhne PDS 4159 C Eva Bulling-Schröter PDS 4160D Eckart Kuhlwein SPD 4162B Arnulf Kriedner CDU/CSU 4164 B Eckart Kuhlwein SPD 4165D, 4181D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 4166 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 4168D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4170B, 4180A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4171 A Hans Georg Wagner SPD 4172 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 4174 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4176A Horst Friedrich F.D.P. . . . . . . . . 4178B Elke Ferner SPD 4181 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4181B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . 4181 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS . . . . . 4182 C Heide Mattischeck SPD 4183 D Matthias Wissmann CDU/CSU . . . 4184 C Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 4186 C Achim Großmann SPD 4189B Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. 4190D, 4191B Gert Willner CDU/CSU 4192 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 4193D Dr. Klaus Röhl F.D.P 4195 B Klaus-Jürgen Warnick PDS 4196C Dieter Maaß (Herne) SPD 4197 D Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 4199C Achim Großmann SPD 4200A Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 4201 A Hans Martin Bury SPD 4203 B Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 4205 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4207C Dr. Max Stadler F D P. 4208D Gerhard Jüttemann PDS 4210A Arne Börnsen (Ritterhude) SPD 4210B Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 4211C Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU 4213B Tagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache 13/2245) b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes (Drucksache 13/2246) 4144 D Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (Drucksache 13/1444) b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Drucksache 13/1446) c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren (Drucksache 13/1445) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 1994 (Drucksache 13/1667) e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Drucksache 13/1887) f) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß 56 a der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Technikfolgenabschätzung hier: Neue Werkstoffe (Drucksache 13/ 1696) 4145 A Tagesordnungspunkt 4: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Beschlußfassung über die Weitergeltung der - Geschäftsordnung des Gemeinsamen Ausschusses - Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115 d des Grundgesetzes (Drucksache 13/ 2239) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 26. Mai 1993 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Thailand fiber die Überstellung von Straftätern und über die Zusammenarbeit bei der Vollstrekkung von Strafurteilen (Drucksachen 13/666, 13/1760) c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 19. Dezember 1988 betr. die Auslegung des Übereinkommens vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie zur Übertragung bestimmter Zuständigkeiten für die Auslegung dieses Übereinkommens auf den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen 13/669, 13/1761) d) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Zielen und Instrumenten einer Währungspolitik (Drucksachen 12/7805, 13/725 Nr. 59, 13/1584) 4145D Nächste Sitzung 4213 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4215* A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Renate Rennebach (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 . . . . 4215* D 50. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1995 Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 5. 9. 95 Andres, Gerd SPD 5. 9. 95 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 5. 9. 95 Formanski, Norbert SPD 5. 9. 95 Frick, Gisela F.D.P. 5. 9. 95 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 5. 9. 95 Hoffmann (Chemnitz), SPD 5. 9. 95 Jelena Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 5. 9. 95 Dr. Jork, Rainer CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Knake-Werner, Heidi PDS 5. 9. 95 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 5. 9. 95 Angelika 90/DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 5. 9. 95 Karl-Hans Leidinger, Robert SPD 5. 9. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 5. 9. 95 90/DIE GRÜNEN Lotz, Erika SPD 5. 9. 95 Lüth, Heidemarie PDS 5. 9. 95 Neuhäuser, Rosel PDS 5. 9. 95 Dr. Protzner, Bernd R. CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Rappe (Hildesheim) SPD 5. 9. 95 Hermann Schätzle, Ortrun CDU/CSU 5. 9. 95 Dr. Scheer, Hermann SPD 5. 9. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schenk, Christa PDS 5. 9. 95 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 5.9.95 Irmingard 90/DIE GRÜNEN Schmidt (Aachen), SPD 5. 9. 95 Ursula Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 5. 9. 95 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Schultz (Everswinkel), SPD 5. 9. 95 Reinhard Dr. Schwaetzer, Irmgard F.D.P. 5. 9. 95 Simm, Erika SPD 5. 9. 95 Thieser, Dietmar SPD 5. 9. 95 Tippach, Steffen PDS 5. 9. 95 Tröscher, Adelheid SPD 5. 9. 95 Vosen, Josef SPD 5. 9. 95 Wieczorek-Zeul, SPD 5.9.95 Heidemarie Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Renate Rennebach (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag auf Drucksache 13/1835 zum Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an den Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung des schnellen Einsatzverbandes im früheren Jugoslawien einschließlich der Unterstützung eines eventuellen Abzugs der VN-Friedenstruppen auf Drucksachen 13/1802 und 13/1855 in der 48. Sitzung am 30. Juni 1995 (Seiten 4020 A bis 4022 C) In der Abstimmungsliste ist mein Name bei den Enthaltungen aufgeführt. Ich erkläre, daß ich nach meiner festen Überzeugung mit Ja gestimmt habe.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über den Haushalt 1996 findet wenige Tage vor dem 5. Jahrestag der deutschen Einheit statt. Fünf Jahre deutsche Einheit - das sind fünf Jahre Fortschritt im Umweltschutz. 1990 war das Erschrecken groß, als man sich langsam darüber klar wurde, in welchem Zustand sich Wasser, Boden und Luft an vielen Stellen in den neuen Bundesländern befanden. Heute kann man sich fast schon nicht mehr daran erinnern, daß Raubbau an der Natur und nicht nachhaltige Ent-

    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    Wicklung die Grunddevise planwirtschaftlichen Handelns waren.
    Hier haben wir erhebliche Fortschritte erreicht. Ich habe z. B. vor wenigen Tagen die erste Rauchgasentschwefelungsanlage in Jänschwalde eingeweiht. Nur dadurch ist es möglich geworden, daß 97 % des Schwefeldioxids nicht mehr in die Luft gehen, sondern gereinigt werden. Vor wenigen Jahren noch schrieb die schwedische Zeitung „Acid Rain", daß Jänschwalde der drittgrößte europäische Emittent von Schwefeldioxid ist. Solche traurigen Rekorde wird es in Deutschland in Zukunft nicht mehr geben, sondern wir werden andere Rekorde im Umweltschutz halten.
    Die Qualität des Elbewassers - und das ist nur ein Beispiel - hat sich drastisch verbessert. Quecksilber- und Stickstoffbelastungen gingen von 1989 bis 1993 um 75 % bis 80 % zurück. Die Elbeschutzkommission arbeitet intensiv. Unser Ziel, daß wir die gleiche Qualität des Wassers erreichen wie im Rhein, ist keine Utopie, sondern wird Realität werden.
    70 000 Altlastenverdachtsflächen wurden erfaßt und, wo nötig, auch gesichert.
    Mit der Braunkohlesanierung wurde auf einer Fläche von über 100 000 Hektar ein riesiges Umweltsanierungsprojekt in Angriff genommen. - Man muß dort gewesen sein, damit man sich vorstellen kann, was da in Bewegung gebracht wurde. - Bund und Länder werden auch in den nächsten Jahren jedes Jahr 1,5 Milliarden DM allein für die Braunkohlesanierung einsetzen. Für die Sanierung der übrigen Altlasten-Großprojekte werden in den nächsten Jahren 16,5 Milliarden DM aufgewandt. Das ist unsere Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Da könnte man eigentlich klatschen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ich habe zu spät reagiert!)

    - Ich habe es gesehen, Frau Fuchs, deshalb habe ich es gesagt.
    Diese Erfolge sind nicht von ungefähr entstanden, sondern sie sind das Ergebnis konsequenter Aufbauarbeit. Wir sollten auch fünf Jahre nach der deutschen Einheit das Augenmerk auf das richten, was wir für Gesamtdeutschland aus der Aufbauarbeit in den neuen Bundesländern lernen könnten.
    Dazu möchte ich zuerst sagen: Umweltschutz hat sich als ein Bereich erwiesen, in dem man Arbeitsplätze schaffen kann. Gerade in der sehr schwierigen beschäftigungspolitischen Situation der neuen Bundesländer sind die Umweltschutzaufgaben Aufgaben, in denen derzeit 20 000 Menschen allein im Braunkohlebereich Beschäftigung finden. Wir werden versuchen, auch in den nächsten Jahren möglichst vielen Menschen eine Brücke in den aktiven Arbeitsmarkt zu bauen und ihnen einen dauerhaften Arbeitsplatz im Bereich des Umweltschutzes zu sichern.
    Zweitens. Umweltschutz hat sich in den neuen Ländern als ein Bereich erwiesen, in dem man auch über neue Strukturen nachdenken kann. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Im Abwasserbereich sind 24 000 km öffentlicher Abwasserkanäle zu sanieren oder neu zu bauen. 95 % der Industrieabwässer und zwei Drittel der Haushaltsabwässer müssen an moderne Kläranlagen angeschlossen werden.
    Es kommt deshalb nicht von ungefähr, daß gerade in den neuen Bundesländern private Finanzierungsmodelle zunehmend Anwendung finden, weil diese Aufgaben aus öffentlichen Mitteln nicht finanzierbar sind. Ich denke, wir haben hier ein Beispiel für echten Wettbewerb. Ich hoffe, daß wir seitens der Bundesregierung bei der steuerlichen Gleichstellung von privaten und öffentlichen Anbietern im Bereich der Abfall- und Abwasserentsorgung vorankommen.
    Es hat sich herausgestellt, daß im Umweltschutz trotz der vielen beklagten Regelungen und der sehr hohen Regelungsdichte Genehmigungen in den neuen Bundesländern in sehr kurzer Zeit erteilt werden konnten. Wer wirklich ein wirtschaftliches Projekt realisieren wollte, der hat auch alle notwendigen Genehmigungen bekommen. Für mich ist das ein Beispiel dafür, daß es vielfach, wenn diskutiert wird „Wie schnell kann in Deutschland eine Genehmigung erteilt werden?", gar nicht um die Frage des Umweltschutzes geht, sondern um die Frage: Wollen wir technologische Entwicklung, wollen wir technischen Fortschritt oder nicht? Die neuen Bundesländer sind hier ein gutes Beispiel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Menschen stellen nach wie vor - und mit Recht - sehr hohe Anforderungen an die Qualität unserer Umwelt. Ein Beispiel dafür ist für mich die emotionale Diskussion, die wir über das Ozon hatten. Wenn wir einmal zurückblikken, stellen wir fest: Es ging weniger um die Substanz, über deren Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit man sehr unterschiedlicher Meinung sein kann. Es ging eigentlich vielmehr darum, daß es in der Bevölkerung eine große Angst vor Luftverschmutzungen gibt und daß mit dieser Angst leider auch Politik gemacht wurde. Man muß aus dieser Tatsache die Lehre ziehen, daß wir unsere Luft, unser Wasser und unseren Boden konsequent weiter schützen müssen.
    Wir wissen, das Ordnungsrecht stößt hier an seine Grenzen. Das Ozongesetz ist in diesem Sommer, nachdem es in Kraft getreten war, sehr viel wegen seiner Nichtvollziehbarkeit kritisiert worden. Ich sage Ihnen, ich bin offen gegenüber allen Vorschlägen, wie man es denn vollziehbarer macht. Ich sage Ihnen aber auch, dies ist ein typisches Beispiel dafür, daß Ordnungsrecht nur bedingt dazu in der Lage ist, bestimmte umweltpolitische Forderungen durchzusetzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    Deshalb sind für mich marktwirtschaftliche Instrumente von ganz wesentlicher Bedeutung, damit wir die umweltpolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre bewältigen können. Lassen Sie mich drei Handlungsfelder kurz umreißen.
    Erstens das Thema Umwelt und Verkehr: Ich bin der Meinung, dieses Thema wird in der Diskussion der nächsten Jahre weiter eine außerordentlich große Rolle spielen. Wer sich den Energieverbrauch in der Bundesrepublik Deutschland einmal anschaut, der sieht, daß der Primärenergieverbrauch des Verkehrs den der Industrie inzwischen überholt hat.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Daß sich das bis zur Bundesregierung herumgesprochen hat!)

    Das war vor zehn Jahren komplett anders. - Das muß man erst einmal zur Kenntnis nehmen. - Deshalb ist es natürlich von außerordentlicher Bedeutung, daß wir alles tun, um in einer Gesamtstrategie verbesserte Fahrzeugtechniken, umweltverträgliche Kraftstoffe, steuerliche Anreize und informatorische Instrumente zu nutzen, um dieses Problems Herr zu werden. Deutschland ist und bleibt ein Transitland. Wer den Verkehr von Straße, Schiene und möglichst noch Wasserstraßen verbannen will, wird nicht vorankommen.
    Mit der Senkung der Mineralölsteuer auf Erd- und Flüssiggas als Kraftstoff sind jetzt Wettbewerbsnachteile für Erdgas erst einmal abgebaut worden. Ich glaube, daß damit die schnelle Einführung einer neuen Generation umweltschonender Antriebe sehr befördert wird. Wir haben dies mit einem speziellen Programm des Bundesumweltministeriums unterstützt. Die Zusage der deutschen Mineralölindustrie, ab September 1995 die Benzinsorte Super Plus schrittweise nur noch mit einem Benzolgehalt von 1 Volumenprozent einzuführen, wird ein wichtiger Schritt sein, um eine neue Kraftstoffqualität in Deutschland einzuführen. Allerdings müssen wir dies von Super Plus auf alle Benzinsorten ausdehnen, und wir müssen zu einer flächendeckenden Bereitstellung von emissionsarmen Kraftstoffen kommen. Eine wichtige Rolle werden hierbei die Vorschläge der Europäischen Kommission spielen, die nach dem in Kürze abgeschlossenen Auto/Öl-Programm der EU zu erwarten sind. Diese Dinge müssen über die nationalen Grenzen hinaus angegangen werden.
    Mit dem emissionsarmen Kraftstoff und der dritten EU-Stufe der Schadstoffreduzierung der Pkw und Nutzfahrzeuge werden die technischen Möglichkeiten weitestgehend ausgenutzt. Wir werden es schaffen, gegenüber Anfang der 90er Jahre eine 75%ige Absenkung der Emissionen zu erreichen.
    Im Hinblick auf die bereits im Verkehr befindlichen Pkw ist unser Ziel die vollständige Umstellung des Fahrzeugbestands auf den geregelten Katalysator, und zwar möglichst bis zum Jahr 2000. Es muß uns gelingen, dies in einem Gesamtpaket zu leisten, denn ein Auto mit Katalysator ist nun einmal zehnmal schadstoffärmer als ein Auto ohne Katalysator, und dies müssen die Menschen begreifen. Ich denke, daß staatliche Abwrackprämien nicht das Gebot der
    Stunde sind. In mir sträubt sich manches dagegen, daß die, die auf Umweltpolitik am langsamsten eingehen, zum Schluß die größte Belohnung bekommen. Ich denke, daß die emissionsbezogene Kfz-Steuer ein weitaus besseres Instrument ist, dieses Ziel bis zum Jahr 2000 zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Automobilindustrie hat in einer Selbstverpflichtung im Frühjahr dem Bundesverkehrsminister und mir zugesagt, daß bis zum Ende des Jahres 2005 die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs um mindestens 25 % und die übrigen Abgasemissionen auf weniger als ein Viertel des heutigen Niveaus reduziert werden sollen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die spezifischen!)

    - Pro Auto. Ich habe nichts anderes gesagt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Kleingedruckte lesen!)

    - Die Autoindustrie kann nicht schon heute die Zahl der von ihr hergestellten Autos planmäßig feststellen. Liebe Leute, ich bin nun fünf Jahre weg von der Planwirtschaft. Das könnt ihr nicht erwarten!

    (Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Politik!)

    Diese Selbstverpflichtung greift. Auch Sie werden nicht bestreiten, Herr Fischer und Frau Hustedt,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir haben aber ein Mengenproblem, wie man bei den Stickoxiden sehen kann!)

    daß es der richtige Ansatz ist, wenn man fragt: „Wie ist der spezifische Flottenverbrauch der in der Bundesrepublik Deutschland verkauften Flotte?" und wenn man nicht allein fragt: „Welche Art von Auto kann ich herstellen?" Denn die bloße Produktion eines Drei- oder Fünfliterautos, das letztlich nicht gekauft oder nicht gefahren wird, ist nicht das, was wir brauchen. Zum Schluß zählen die CO2-Emissionen.
    Im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes brauchen wir eine Regelung für die Altautoverwertung. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, daß wir schon vor einem halben Jahr die Autoindustrie darauf hingewiesen haben, daß wir eine freiwillige Selbstverpflichtung gerne annehmen, daß diese aber auch der Produktverantwortung des Produzenten gerecht werden muß, so wie es im Kreislaufwirtschaftsgesetz festgeschrieben ist. Bis jetzt kommen wir hier nur langsam voran. Ich möchte ankündigen: Meine Geduld wird nicht ewig währen können. Im Oktober des nächsten Jahres tritt das Gesetz in Kraft. Wir müssen vorankommen. Es gibt viele Entsorgungsbetriebe, die auf eine sinnvolle Lösung warten. Wenn es also mit der freiwilligen Selbstverpflichtung nicht geht, müssen wir doch auf eine Verordnung hinarbeiten, was wir nicht wollen, was wir aber auch nicht ausschließen können.

    (Zuruf von der SPD: Jawohl!)


    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    Zweiter Punkt: das Thema Klimaschutz. Ich bin bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz Präsidentin der Klimakonferenz. Wir haben mit dem Verhandlungsprozeß zum Berliner Mandat begonnen. Wie es nun einmal in der Politik ist: Die Leute interessieren sich für ein bestimmtes Ereignis, wenn es kurz vor der Tür steht, und sie vergessen es dann auch wieder.
    Ich will Ihnen nur sagen: Hier ist ein sehr kurzfristiger, zwei Jahre dauernder Prozeß in Gang zu setzen, in dessen Verlauf wir das Berliner Mandat umsetzen müssen. Ich kann an dieser Stelle nur bitten, daß wir alle gemeinsam unsere Kontakte nutzen, um das Berliner Mandat in zwei Jahren in Tokio oder in Kyoto - oder wo auch immer die Konferenz in Japan stattfinden wird - umzusetzen. Es wird ein harter Verhandlungsprozeß; das ist schon jetzt absehbar.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden unser nationales Klimaschutzprogramm weiterentwickeln, und wir werden als Bundesregierung weiter zu unserem Ziel 25 % CO2-Reduktion bis 2005, bezogen auf das Jahr 1990, stehen. Mit der Industrie konkretisieren wir jetzt das Monitoring, die Überwachung der Selbstverpflichtung. Wir müssen auch über weitere marktwirtschaftliche Instrumente in unserem Steuersystem diskutieren.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ui! Diskutieren?)

    - Sie sind auch noch nicht einmal knapp fertig mit dem Diskutieren.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was sagt denn der Finanzminister?)

    Man kann jedem sagen, was dabei herausgekommen ist, daß nämlich kaum noch ein Arbeitsplatz in Deutschland bestehen würde.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, schlimmer als der Kommunismus! Honecker wäre dagegen wirklich milde gewesen!)

    Wir werden das so machen, daß Menschen Arbeit, Lohn, Brot und eine saubere Umwelt in der Bundesrepublik Deutschland finden. Diese Diskussionen werden wir führen, und wir werden dabei verschiedene Dinge in Betracht ziehen. Der Bundesfinanzminister hat schon heute früh angekündigt: Subventionsabbau dort, wo Subventionen ökologisch unsinnig sind

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Auf einmal!)

    - nicht auf einmal -, Aufspreizungen, wo es ökologisch sinnvoll ist, so wie wir es schon beim bleifreien Benzin gemacht haben, so wie wir es jetzt beim Kraftstoff Erdgas machen, so wie wir es beim benzolarmen Benzin machen könnten usw.
    Es wird auch die Frage zu stellen sein: Wie wird sich die Energiebesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland mittelfristig entwickeln?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Diese Frage stellt sich schon seit sehr, sehr mittelfristiger Zeit!)

    Da möchte ich an das, was Frau Matthäus-Maier heute gesagt hat, anknüpfen. Frau Matthäus-Maier hat gesagt: Es ist alles ganz einfach. Die Lohnnebenkosten sind auf der einen Seite zu hoch,

    (Klaus Lennartz [SPD]: Richtig!)

    und auf der anderen Seite ist die Energie nicht genug besteuert.

    (Klaus Lennartz [SPD]: Richtig!)

    Sie hat nicht gesagt, daß schon heute die Energie in Deutschland mit immerhin rund 90 Milliarden DM Steuern belastet ist, sondern sie hat nur gesagt: Jedem leuchtet ein, daß das nicht genug ist, weil die aus der Energienutzung entstehenden Kosten höher sind.
    Ein kleines Problem - ich sage das, obwohl ich im Grundsatz das EU-Modell für die CO2-/Energiesteuer unterstütze - ist die Frage, die wir alle nicht genau beantworten können: Wie hoch sind eigentlich die Kosten, die aus der Energienutzung entstehen? Sind es 90, 100, 110 Milliarden DM? Wie können wir das genau internalisieren und berechnen? Das ist für die Akzeptanz einer solchen Steuer nicht ganz unwichtig.
    Was ich für wichtig halte, ist, daß wir ein solches Modell berechenbar gestalten, sowohl für die Haushalte als auch für die Industrie, und daß wir immer wieder versuchen, ein solches Steuermodell - davon gehe ich nicht ab, auch wenn es noch so verlockend erscheint, es national einzuführen - möglichst EU- weit umzusetzen, weil sonst schlicht und ergreifend die Konsequenz ist, daß Sie weite Teile der energieintensiven Nutzer ausnehmen müssen. So macht es Dänemark, so macht es Schweden, so macht es Norwegen. Das ist nicht besonders beeindruckend. EU-weit könnten wir in einem geschlossenen Wirtschaftsraum sehr viel besser vorgehen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nein, das stimmt nicht!)

    Das bleibt, auch wenn wir uns nationalen Überlegungen nicht völlig verschließen können.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ahal)

    Die SPD hat sich leider wegen innerer Zerstrittenheit der Fortsetzung der Energiekonsensgespräche erst einmal entziehen müssen. Ich sage es ganz vorsichtig. Es war nicht klar, ob man nun seitens der SPD akzeptieren kann, daß wir die Fähigkeit behalten wollen, neue Typen von Kernkraftwerken zu bauen, oder ob wir diese Fähigkeit nicht behalten wollen. Ich möchte, da meine Zeit jetzt leider knapp ist, an dieser Stelle nur folgendes sagen. Es ist eine ganz tragische Diskussion, wenn wir anfangen, bestimmte Technologien von vornherein auszuschlie-

    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    Ben und zu sagen: Diese Technologie möchten wir nicht mehr, jene Technologie möchten wir nicht mehr. Denn es endet zum Schluß damit, daß wir alle gemeinsam beklagen, daß ganze Industriebereiche, jetzt z. B. die Solarzellenproduktion, aus der Bundesrepublik Deutschland abwandern.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Sie können nicht sagen: Diesen Industriezweig wünsche ich mir hier, aber die Gentechnologie paßt mir nicht, und die Chipproduktion produziert zuviel Siliciumabfälle. Sie müssen ein investitions- und entwicklungsfreundliches Klima schaffen. Das schließt alle Entwicklungspfade ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bitte Sie, denken Sie noch einmal darüber nach. Wir sind bereit, die Energiekonsensgespräche jederzeit fortzusetzen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Woran lag es denn mit der Chipproduktion in Deutschland? Am Umweltschutz?)

    Ich will den unangenehmen Realitäten nicht ausweichen. Deshalb zum Abschluß nur dies: Der Stammhaushalt des BMU sinkt um 7,6 %. Das ist bitter. Aber wir können uns den allgemeinen Überlegungen, Erwartungen und auch Notwendigkeiten nicht völlig verschließen. Im übrigen haben wir einige der Ausgabenposten, die wir im vergangenen Jahr hatten, in diesem Jahr nicht mehr in unserem Haushalt, so die Ausgaben für die Klimakonferenz und den Laborneubau für das Wasser-Boden-Luft-Institut in Berlin. Wir werden versuchen, mit dem Haushalt, den wir haben, Schwerpunkte zu setzen. Ich möchte hier nur Maßnahmen zur Förderung von Umweltschutzinvestitionen und Maßnahmen im Naturschutz erwähnen. Ich möchte an dieser Stelle - man kann sicherlich in den parlamentarischen Beratungen auch noch Kleinigkeiten ins Auge fassen - nur sagen: Wir haben dieses Jahr das europäische Naturschutzjahr. Ich würde mich freuen, wenn wir unsere Pilotprojekte im Bereich des Naturschutzes mit Sicherheit fortsetzen können und dadurch auch ein Zeichen setzen können, daß die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, die wir in dieser Legislaturperiode in Angriff nehmen,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die ist auch schon 30 Jahre alt: Alles uralte Ladenhüter!)

    dann auch durch praxisrelevante Maßnahmen umgesetzt, durchgesetzt und begleitet werden kann.
    Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe auf gute Diskussionen im Sinne des Umweltschutzes in der nächsten Stunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich erteile der Abgeordneten Frau Dr. Liesel Hartenstein das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Liesel Hartenstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt erzählen Sie mal, wie modern das alles war, was hier vorgetragen wurde!)

    In der Debatte zur Regierungserklärung, Kollege Fischer, im November 1994, hat Frau Minister Merkel Erstaunliches verkündet:
    Wir werden das Prinzip der umweltgerechten und nachhaltigen Entwicklung Schritt für Schritt zum Maßstab unseres Handelns machen.
    Das war ein gewichtiges Wort. Das ließ Hoffnungen aufkommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat sie!)

    Nur: Heute, fast ein Jahr später, habe ich keine einzige Silbe davon gehört, wie man diese Absicht umgesetzt hat oder versucht hat umzusetzen. Keine einzige Silbe!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen zuhören!)

    - Ich habe sehr gut zugehört!
    Im Gegenteil, wenn wir heute zurückblicken, dann muß ich sagen: Die Hoffnungen vom letzten Jahr sind zerstoben. Es macht sich - trotz all dem, was Frau Minister vorgetragen hat - Enttäuschung breit. Von einem wirklichen Umsteuern zu einer nachhaltigen Entwicklung kann überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Im Prinzip ist die Umweltpolitik dieser Bundesregierung durch Stagnation gekennzeichnet, und zwar durch totale Stagnation.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr bedauerlich! Wie die ganze Regierung!)

    Frau Minister Merkel, ich will gar nichts von dem in Abrede stellen, was Sie hier in bezug auf die neuen Länder vorgetragen haben. Dort ist viel geschehen. Dies ist alles in Ordnung. Aber ob es sich um Rauchgasentschwefelungen handelt oder um was auch immer: Wir müssen doch wissen, hier geht es ausschließlich um nachgeschalteten Umweltschutz, der zu reparieren versucht, was vorher durch unsere Wirtschaftsweise angerichtet worden ist.
    Sie haben Umwelt und Verkehr genannt. Das Dreiliterauto wird angestrebt - in Ordnung. Katalysator, Senkung des Benzolgehalts - das sind alles richtige Ziele. Aber strukturell verändert das gar nichts; die Umweltschäden, die durch den Verkehr entstehen, werden weiter zunehmen.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Dr. Liesel Hartenstein
    Hier habe ich keinerlei konzeptionelle Vorstellungen von Ihrer Seite gehört. Ich muß das einfach so sagen, weil es aus meiner Sicht Tatsache ist. Solange das Waldsterben immer schlimmere Ausmaße annimmt, solange nichts für den Klimaschutz getan wird,

    (Birgit Homburger [F.D.P.]: Nichts? Gar nichts?)

    sollte man besser das Wort „nachhaltige Entwicklung" nicht mehr in den Mund nehmen.
    Frau Kollegin Homburger, ich rechne damit, daß der nächste Redner der Koalition mir sagt: und haben wir doch eine Wärmeschutzverordnung! Jawohl, die haben wir.

    (Birgit Homburger [F.D.P.]: Hilft alles!)

    Aber erstens kam sie viel zu spät, zweitens verlangt sie lediglich eine Reduzierung um 30 % beim Energieverbrauch von Gebäudeheizungen, und dies nur für Neubauten, obwohl technisch viel mehr möglich wäre,

    (Birgit Homburger [F.D.P.]: Das kostet auch viel mehr!)

    und drittens ist das nur ein winziger Schritt, wirklich nur ein winziger Schritt und kein echter Durchbruch zum Klimaschutz. Das ist unsere Beurteilung.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich denke, die Bundesregierung sollte zwei Grundwahrheiten beherzigen, zwei Erfahrungen, die wir alle miteinander gemacht haben:
    Erstens. Umweltschutz ist kein Dekorationsstück, das man sich in guten Zeiten ans Revers heftet und das man nach Belieben verschämt wieder ablegt, wenn die Zeiten wirtschaftlich schlechter werden. Nein, Umweltpolitik muß integraler Bestandteil einer vernünftigen Wirtschaftspolitik sein. Das ist bei dieser Bundesregierung nicht der Fall,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Zweitens. Schadensreparatur ist allemal teurer als Schadensvermeidung. Deshalb setzen wir voll auf Vermeidung. Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung hat dieses schlichte Einmaleins der Ökologie immer noch nicht gelernt oder es schon wieder vergessen. Die Verbraucher können ein Lied davon singen, wie es ist, wenn Schadensreparaturen Geld kosten, z. B. wenn sie ihre Wasserrechnung erhalten. Die Verschmutzung der Flüsse und die Verseuchung des Grundwassers durch Nitrate und Pflanzenschutzmittel usw. verursachen enorme Kosten bei der Wasseraufbereitung. Das muß der Verbraucher bezahlen, wenn er will, daß sein Trinkwasser sauber ist.
    Nur wenn wir endlich einsehen, daß wir nicht mehr Naturgüter verzehren, nicht mehr Wasser verbrauchen, nicht mehr Bäume fällen dürfen, als die Natur wieder bereitstellen kann, wird es auch gelingen, die ökonomischen, nicht nur die ökologischen
    Lebensgrundlagen für uns und für die zukünftigen Generationen zu bewahren. Erst dann sind wir auf dem richtigen Weg. Hehre Formeln allein helfen nicht weiter.
    Ich möchte versuchen, das Konzept für den ökologischen Umbau sozusagen auf die praktische Ebene herunterzudeklinieren. Das heißt dann doch nichts anderes, als daß wir alle Produktionsformen und alle Verhaltensweisen unterstützen müssen, die a) weniger Rohstoffe verbrauchen, b) weniger Abfälle erzeugen, c) weniger Energie verschwenden, d) weniger Schadstoffe emittieren und e) weniger Boden verbrauchen, sprich: weniger Boden versiegeln. Im Gegenzug müssen wir alle umweltschädlichen Nutzungsformen verteuern. Das verstehen die Leute übrigens auch, wenn man offen mit der Bevölkerung darüber redet.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das geht nicht ohne die Wirtschaft und auch nicht gegen die Wirtschaft; das ist klar. Aber der Staat muß endlich die richtigen Rahmenbedingungen dafür setzen, und er muß im selben Atemzug für den sozialen Ausgleich sorgen. In diesen Kernfragen bleibt die Bundesregierung bis heute sprachunfähig und handlungsunfähig.
    Ich habe nicht nur von fehlender Langzeitperspektive, sondern auch von Stagnation im praktischen Handeln gesprochen. Das gilt auch für das Ordnungsrecht, Frau Minister. Einige Maßnahmen sind wirklich überfällig. Es sind Versäumnisse in den letzten Jahren zu konstatieren. Ich will nur zwei Beispiele nennen.
    Erstes Beispiel: 1996 tritt das Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Fast jeder zweite oder dritte Paragraph enthält Verordnungsermächtigungen. Besonders dringlich, ja überfällig wäre z. B. eine genaue Definition von Abfällen und Wirtschaftsgut, ebenso eine genaue Abgrenzung von werkstofflicher und energetischer Verwertung. Hier ist unbedingt eine Klärung nötig, denn es gibt es eine Menge Schlupflöcher. Heute wandern Hunderttausende Tonnen Kunststoffverpackungen in die Hochöfen der Stahlindustrie, Überschrift: Verwertung. So war das in der Verpackungsverordnung nicht gedacht.
    Das heißt, hier muß Klarheit geschaffen werden. Heute wird nämlich der Verbraucher in der falschen Vorstellung gehalten, er bezahle mit seinem Obolus für die Rückführung der Stoffe in den Wirtschaftskreislauf. Das ist jedoch nicht der Fall.

    (Dr. Gerhard Friedrich [CDU/CSU]: Der Hamburger Umweltminister empfiehlt diesen Weg!)

    Im übrigen, Frau Homburger, war es höchst interessant - das muß ich doch einflechten -, daß gestern in der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen, der Vertreter der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik und der Umweltverbände angehören, die fehlenden Verordnungen

    Dr. Liesel Hartenstein
    in erster Linie von der Wirtschaft reklamiert wurden, nicht von den Umweltverbänden. Das bedeutet, die Wirtschaft ist verunsichert, weil die Regierung ihre Hausaufgaben schlicht nicht macht.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Birgit Homburger [F.D.P.]: Das Gesetz ist noch gar nicht in Kraft! Es ist noch ein Jahr Zeit!)

    - Wir haben es doch miteinander gemacht. Sie wissen genausogut wie ich, daß Art. 19 längst in Kraft ist. Aber die Verordnungen sind nicht da.

    (Birgit Homburger [F.D.P.]: Aber nicht die Verordnungen, urn die es da geht, Herrschaft noch mal!)

    Zweites Beispiel - meine Redezeit geht zu Ende, und Sie sind sicherlich gleich an der Reihe -: Seit 1991 schmort der Entwurf für eine Mehrwegverordnung in den ministeriellen Schubladen. Inzwischen breiten sich die Einwegdosen sintflutartig aus, insbesondere im Bereich Bier. 21/2 Milliarden Biereinwegdosen überschwemmen heute den deutschen Getränkemarkt. Das ist ziemlich genau die Hälfte aller Getränkedosen überhaupt, auch für Erfrischungsgetränke, die in Deutschland auf dem Markt sind. Nicht umsonst haben die Umweltminister der neuen Länder vor wenigen Tagen die Notbremse gezogen. Sie verlangen ein Pflichtpfand für Einweggetränkedosen. Ich frage die Bundesregierung, wann sie endlich vom § 7 der Verpackungsverordnung Gebrauch machen will und wann sie endlich die überfällige Mehrwegverordnung erlassen will.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Offensichtlich ist sie nicht fähig, die wirtschaftlichen Folgen der Einwegschwemme zu erkennen. Eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion, die im August beantwortet wurde, enthält z. B. die Frage nach den Auswirkungen auf die kleineren und mittelständischen Brauereien. In verblüffender Naivität ist da zu lesen, die Bundesregierung könne nicht erkennen, daß durch den Vormarsch der Einwegdosen Konzentrationstendenzen gefördert würden und daß ein Verdrängungswettbewerb im Brauereibereich stattfinde. - O heilige Einfalt! möchte ich sagen, wenn es nicht eine Blasphemie wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Von knapp 1 300 Brauereien in der Bundesrepublik sind 90 % mittelständische Betriebe. Sie haben regionale Versorgungsgebiete, sie haben kurze Transportwege, sie füllen fast ausschließlich in Mehrwegpfandflaschen ab: alles umweltfreundlich. Je mehr Einwegdosen aber die Supermärkte und Tankstellen überschwemmen - zu Dumpingpreisen wohlgemerkt -, desto akuter wird die Existenzgefährdung für alle diese Betriebe, und desto akuter wird die Gefahr für die Arbeitsplätze, liebe Kolleginnen und Kollegen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Die Bundesregierung aber schaut mit geschlossenen Augen zu, bis das Rad nicht mehr zurückzudrehen ist.
    Liebe Kollegen vor allen Dingen von der F.D.P.,

    (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es ist ja nur eine Kollegin da! Wo ist überhaupt die F.D.P.?)

    was Sie hier zulassen, ist Monopolisierung in Reinkultur,

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    nach dem Motto: Die Großen fressen die Kleinen. Das heißt, es gibt weniger Markt, es gibt weniger Wettbewerb. Nach Ihrer eigenen Interpretation verstehen Sie sich doch als Hüter des Wettbewerbs. Wir kämpfen aber dafür. Das ist der Unterschied.

    (Beifall bei der SPD Birgit Homburger [F.D.P.]: Wo denn?)

    - Für den Wettbewerb.
    Das waren ein paar kleine, aber typische Beispiele für die Erstarrung der Politik. Ich kann nur sagen: Das alles ist gerade nicht der Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung, den Frau Merkel versprochen hat. Er führt pfeilgerade in die Gegenrichtung. Er zementiert nämlich die Verschwendungswirtschaft.
    Wir fordern Sie auf, endlich umzukehren. Wir brauchen Zukunftsorientierung. Wir haben unser Konzept dafür auf den Tisch gelegt. Es ist höchste Zeit, darüber zu reden. Wir laden Sie herzlich dazu ein.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)