Rede von
Bernd
Reuter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst will ich etwas geradestellen, was der Kollege Dehnel ausgeführt hat. Ich hatte nicht den Eindruck, daß unsere Vorsitzende, als sie hier sprach, besondere Polemik in die Debatte brachte.
Ich will auch noch zu der Anmerkung, daß wir jetzt weniger Petitionen aus den neuen Bundesländern haben, ergänzen, daß das wohl auch damit zusammenhängt, daß dort jetzt die staatliche Verwaltung funktioniert und daß viele Menschen ihre Petitionen, die in die Länderzuständigkeiten fallen, dort abliefern. Daß uns jetzt weniger Petitionen aus den neuen Ländern erreichen, ist mit Sicherheit nicht darauf zurückzuführen, daß die Menschen in den neuen Bundesländern jetzt sehr viel zufriedener wären.
Meine Damen und Herren, in Art. 17 des Grundgesetzes heißt es:
Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.
Unser Grundgesetz kennt leider keine anderen plebiszitären Elemente. Die Bürgerinnen und Bürger können einmal in vier Jahren ihre Stimme abgeben. Darüber hinaus haben sie dann lediglich noch die Möglichkeit, sich unmittelbar an den Deutschen Bundestag zu wenden.
Rund 20 000mal wurde dieses Recht 1994 in Anspruch genommen. - Ich will eine Vergleichszahl nennen: 1980 geschah das rund 10 000mal. - An den 20 000 Eingaben hängen aber viel mehr Menschen mit ihrer Hoffnung, mit ihren Wünschen; denn wir hatten darunter im letzten Jahr eine Massenpetition, die allein von einer Million Menschen unterschrieben war. Das zeigt aus meiner Sicht die wirkliche Situation: Es kann nicht immer nur davon geredet werden, daß Politikverdrossenheit herrsche; denn wenn diese Menschen politikverdrossen wären, hätten sie nicht den Mut, sich hinzusetzen und einen Brief an den Deutschen Bundestag zu schreiben.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle will ich einmal unseren Parlamentarischen Geschäftsführern für ihren weisen Ratschluß danken. Sie haben es in der Tat fertiggebracht, uns noch in diesem Jahr die Debatte über diesen Jahresbericht zu ermöglichen. Ich hatte schon die größten Befürchtungen, daß wir das erst im nächsten Jahr tun könnten. Ich sage hierzu aber auch ganz ernsthaft: Die Art und Weise, wie die Terminierung dieser Debatte in dieser Woche erfolgt ist, muß ein einmaliger Vorgang bleiben. Das wird sich der Ausschuß zukünftig nicht mehr gefallen lassen.
Bernd Reuter
- Vor allen Dingen sind Sie da, Herr Irmer. Das freut I mich besonders; das ist für uns Mitglieder des Petitionsausschusses schon ein Erlebnis.
Ich möchte jedoch auch anmerken, daß die Arbeit im Ausschuß nicht ganz einfach und leicht ist; Frau Nickels hat darauf hingewiesen. In keinem anderen Ausschuß wird der Charakter des Bundestages als Volksvertretung deutlicher als im Petitionsausschuß. Darum ist es besonders hier notwendig, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen, auch wenn sie uns auf den ersten Blick nicht einleuchten mögen. Ich füge sehr deutlich hinzu, daß dies auch die Regierung und die Bundesbehörden tun müssen.
Ich will hier ausdrücklich dem Innenministerium ein Lob aussprechen, das in diesem Jahresbericht seinen Niederschlag gefunden hat. Da ging es um Petitionen aus dem Bereich der Aussiedler; man sieht ja auch, welcher Staatssekretär aus dem Innenministerium hier anwesend ist. Es geschah öfter, als manche glauben, daß Petitionen schon im Vorfeld erledigt werden konnten, weil im Innenministerium die Bereitschaft bestand, kooperativ mitzuwirken, die Probleme einer Lösung zuzuführen. Aber das gleiche Engagement des Innenministeriums hätte ich mir eigentlich auch bei so mancher Petition aus dem Asylbereich gewünscht,
wo ich nicht feststellen konnte, daß man die Problemlage sehr ernst genommen hat.
Ich will hinzufügen, daß gerade die Asylproblematik sehr schwierig ist. Ich habe auf Grund der vielen Petitionen, die uns vorliegen, aber auch den Eindruck, daß hier die Rechtslage unbefriedigend ist. Was fehlt, sind aus meiner Sicht Härtefallregelungen im Ausländerrecht, weil wir vielfach nicht helfen können und vielfach einfach unmenschlich entschieden werden muß. Das kann meiner Ansicht nach nicht so bleiben. Ich appelliere an die Kreativität derjenigen, die sich um den Asylkompromiß so große Verdienste erworben haben, auch darüber einmal nachzudenken.
- Ich bin, wie Sie mich kennen, nicht für Aufweichungen, sondern ich bin für vernünftige humane Regelungen. Herr Kollege Dehnel, daß ein Einzelrichter nicht weisungsgebunden ist - es wird immer nur darauf hingewiesen, daß man daran nichts ändern könne - und daß vielfach nur ein Gericht entscheidet und keine Revision zugelassen wird, ist mir für die Regelung eines menschlichen Schicksals rechtsstaatlich eigentlich zu wenig.
Wenn Sie das als Aufweichung verstehen - nun gut.
Herr Dehnel, Sie haben zu Recht den Kollegen Bötsch gelobt. Es ist wirklich ein einmaliger Fall - nicht nur in Ihrer fünfjährigen Praxis, sondern überhaupt -, daß ein Minister zu früher Stunde bereit war, in den Petitionsausschuß zu kommen, um dort darzulegen, wie er die Probleme der Telekom mit uns regeln will. Das liest sich gut und hört sich auch heute alles gut an, daß das so geklappt hat. Aber man muß einmal die Familie sehen, die von der Telekom so behandelt wurde, wie es der Kollege Dehnel geschildert hat. Dieser Familie hat man das Telefon abgeschaltet, und die Menschen hatten keine Chance, sich gegen einen so großen Konzern wie die Telekom zur Wehr zu setzen. Deshalb war es notwendig, daß der Ausschuß hier geholfen hat.
Aber es bringt ja nichts, wenn wir bei der Diskussion über den Jahresbericht nur Lob austeilen. Wir müssen auch einmal Kritik anbringen, z. B. Kritik an den Ministerien, die nicht so willig und bereit sind, uns bei der Lösung dieser Probleme zu helfen. Dazu gehört z. B. auch das Bundesministerium der Verteidigung. Ich habe den Eindruck, daß wir manche Probleme besser lösen könnten, wenn dort die Bereitschaft bestünde, die Petitionen ernster zu nehmen.
Ich will nur einmal an den Doppelstaater erinnern, der dafür optiert hat, in den Niederlanden seinen Wehrdienst zu leisten. Da wacht jetzt die Bundeswehr immer noch darüber, ob er das tatsächlich dort macht. Möglicherweise wird dann auch noch von uns weiterverfolgt, ob dieser Mensch oder Doppelstaater der auf Grund seines Studiums vom Wehrdienst zurückgestellt ist, seinen Wehrdienst überhaupt leistet. Ich meine, da müssen wir wirklich einmal an die Bundesregierung bzw. an die Bundesministerien appellieren, sich anders zu verhalten.
Ich erinnere auch an die Petition mit der Asbestose. Es besteht einfach keine Bereitschaft, zu helfen, wenn sich ein Marinesoldat an uns wendet und uns erklärt, daß er jetzt eine Risikoprämie bei seiner Krankenkasse zahlen muß, weil er jahrelang auf Schiffen gefahren ist, die asbestverseucht waren. Da die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, kommt § 81 des Soldatengesetzes nicht zum Tragen. Das ist ein Skandal. Da muß doch ein Aufschrei der Entrüstung durch diesen Bundestag gehen. Wir müssen willens und bereit sein, das zu ändern. Wir dürfen dann nicht akzeptieren, daß § 81 so bleibt.
Ich will auch dem Bundesinnenminister ganz ernsthaft noch etwas mit auf den Weg geben. Ich habe einmal einige Unterlagen mitgebracht. Uns liegt seit über einem Jahr eine Petition von Menschen vor, die eine andere Haltung der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Kurdenpolitik erreichen wollen. Da kann man zum Inhalt stehen, wie man will. Daß sich aber der Bundesinnenminister anmaßt, zu sagen, das sei gar keine Petition, sondern
Bernd Reuter
die Meinung eines einzelnen, das kann nicht angehen. Es kann nicht angehen, daß das Verfassungsorgan Bundesregierung dem Verfassungsorgan Bundestag vorschreibt, was eine Petition ist.
Ich werde gemeinsam mit meinem Kollegen und Freund Günther Nolting von der F.D.P., der jetzt plötzlich aufgeschreckt ist - -
- Entschuldigung!
Herr Kollege Nolting, wir beide werden, soweit ich die Aktenlage kenne, beantragen, daß der Herr Minister Kanther einmal frühmorgens um 7.30 Uhr in unseren Ausschuß kommt.
- Genauso machen wir das. Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben in diesem Ausschuß einen breiten Konsens. Das ist sehr wichtig und auch sehr erfolgreich.
- Ja, früh. Bei uns in Hessen heißt es sonst 19.30 Uhr, Herr Kollege Irmer.
- Das haben wir ja vor. Wenn es abends stattfände, hätte ich 19.30 Uhr gesagt.