Rede von
Dr.
Angela
Merkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Mittwoch haben wir uns zur dritten Runde der Energiekonsensgespräche getroffen. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, daß es für mich bei diesen Energiekonsensgesprächen nicht nur um den Streit über die Kernenergie ging, aber es ging auch um den Streit um die Kernenergie.
Insgesamt geht es um die Gestaltung der künftigen Energieversorgung in unserem Land unter verschiedenen Gesichtspunkten. Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit sind die Punkte, die ich für außerordentlich erforderlich halte, damit wir Planungssicherheit für die Zukunft haben, damit wir als Industrieland zukunftsfähig sind.
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Vorgestern abend mußten wir die Energiekonsensgespräche beenden. Wir haben dies ja schon einmal erleben müssen. Vor mehr als zwei Jahren gab es Energiekonsensgespräche, die daran gescheitert sind, daß sich der Verhandlungsführer, Ministerpräsident Schröder, mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte, unter bestimmten Bedingungen einen neuen Demonstrationsreaktor und dann eventuell auch neue Kernkraftwerke zu bauen, wenn dafür Bedarf besteht. Wir hatten vielfältige Signale, daß sich dies vielleicht ändern könnte und neuer Gesprächsbedarf da ist. Deshalb haben wir in diesem Frühjahr die Gespräche wieder aufgenommen.
Von Anfang an war aber klar, daß es bei diesen Gesprächen nur um eine Paketlösung gehen kann, d. h. um eine Diskussion über alle Energieträger, über die gesamte Zukunft, nicht über ausgewählte Gebiete und dann am liebsten wohl noch über die Gebiete, über die schon von Beginn an Konsens bestand; über diese braucht man nicht lange zu sprechen.
Wir haben uns geeinigt - das war die Meinung aller, und ich will das auch ganz deutlich für unsere Seite sagen -, daß der sparsame Umgang mit Energie eine der wichtigsten Aufgaben - ganz besonders auch im Hinblick auf die Klimaveränderungen und unsere Einsparungsziele bei Kohlendioxid - für die nächsten Jahrzehnte ist.
Wir sind uns einig: Der schonende Umgang mit Ressourcen muß erlernt werden. Neue Wege der Energieerzeugung müssen diskutiert werden. Deshalb waren wir uns auch einig, daß wir eine Arbeitsgruppe mit einem ganz klaren Auftrag einsetzen: Welche Möglichkeiten der Energieeinsparung gibt es? Wie können wir das Klimaschutzziel erreichen? Wie können wir neue, regenerierbare Energien besser fördern und in den Markt einführen?
Aber, meine Damen und Herren, es geht natürlich auch noch um einen anderen Punkt, und zwar die Kernenergie. Genau dies war Gegenstand der Diskussionen bei der dritten Runde unserer Gespräche.
- Frau Fuchs, es ist eine Legende - ich rate uns allen gemeinsam, weil wir ja über die Zukunft diskutieren wollen, von so etwas ab -, daß diese Gespräche an der Frage der Kohlefinanzierung gescheitert seien.
- Verbreiten Sie dies nicht weiter! Dies hat auch kein Mißtrauen gesät, sondern es war Ihnen ein willkommener Anlaß, an irgendeinem Detail zu begründen, warum Sie am liebsten gleich wieder gegangen wären, weil Sie sich nicht einig waren.
- Frau Fuchs, es ist doch nicht mehr als recht und billig, daß eine Arbeitsgruppe „Regenerative Energien", die einen klaren Arbeitsauftrag hat, doch nur
zusammengehen kann mit einer Arbeitsgruppe „Kernenergie", die auch ein Mandat und einen klaren Arbeitsauftrag hat. Genau um diesen Punkt haben wir gestritten.
Es ist richtig: Da waren wir nicht einig. Das sagen Sie für sich und diese Seite des Parlaments. Aber wir hätten uns einig werden können. Ich will hier aber vorausschicken: Wir wollten niemanden grundsätzlich bekehren. Wir wissen, was Sie für Beschlüsse haben, und Sie wissen, welche Beschlüsse wir haben.
Uns ging es darum, für die nächsten 10 oder 15 Jahre über die Jahrtausendwende hinweg einmal die Grundlagen festzulegen, auf denen sich Industrie und Entwicklung hier bewegen können.
Da haben wir nichts Unvernünftiges verlangt, sondern uns an einer Stelle in der Diskussion über mehrere Stunden verhakelt. Diese Stelle hieß: Wollen wir uns die Fähigkeit erhalten, neue, sicherheitstechnisch bessere Kernkraftwerke zu errichten,
oder wollen wir uns diese Fähigkeit nicht erhalten?
Das Problem war, daß sich daraus eine sehr interessante Diskussion entsponnen hat, was eine „Fähigkeit" ist und welche Voraussetzungen dazu erfüllt sein müssen. Wir wissen wie Sie: Es gibt keinen konkreten Bauantrag. Aber Sie wissen wie wir: Um bei einem konkreten Bauantrag im Jahre 2005 handlungsfähig zu sein, können wir jetzt nicht zehn Jahre die Hände in den Schoß legen und uns um den Bereich nicht kümmern, sondern wir müssen klare Definitionen treffen, welche Voraussetzungen wir brauchen.
Um überhaupt entscheiden zu können, brauchen wir die Weiterentwicklung genau der Fähigkeiten, die wir heute schon haben. Wir mußten konstatieren, daß Sie einen anderen Arbeitsauftrag wollten.
- Herr Fischer, Sie waren nicht dabei. Hören Sie doch wenigstens einmal zu.
Sie konnten sich in Ihren Reihen nur darauf „einigen", daß untersucht werden soll, ob wir uns eine Fähigkeit, die wir heute haben, erhalten wollen oder
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
schnellstmöglich verlieren wollen. Das gehört einfach festgehalten. Sie waren gespalten: Die einen möchten die Fähigkeit erhalten, die anderen möchten untersuchen, ob wir uns die Fähigkeit erhalten. Wir haben gesagt: Dazu brauchen wir uns nicht zusammenzusetzen. Das können Sie alleine untersuchen. Wir wollen die Fähigkeit zum Bau neuer Kernkraftwerke erhalten.
Wir haben Gründe dafür. Weltweit entwickelt sich die Kernenergie weiter, und wir bauen die sichersten Kernkraftwerke.
Es geht doch gar nicht nur darum, daß wir für uns selbst und unsere nationale Energieversorgung Vorsorge treffen, sondern auch darum, daß wir auf dieser Welt wettbewerbsfähig und mitgestaltend sein müssen.
Es geht um die Kernkraftwerke in Mittel- und Osteuropa. Es geht um den Export. Es geht um die Fragen der Entsorgung. Auf allen Gebieten haben wir die technologischen Fähigkeiten in der Hand, aber wir diskutieren, ob wir sie behalten oder aufgeben sollten. Das müßten Sie einmal jemandem außerhalb dieses Landes erklären.
Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Behalten wir den Endpunkt dieser Diskussion fest im Auge! Wenn Sie sich darauf einigen, daß auch Sie technologische Fähigkeiten erhalten wollen, dann sind wir jederzeit bereit, dies mit Ihnen gemeinsam zu diskutieren. Bis dahin müssen wir leider außerhalb eines solchen Konsenses die anstehenden Probleme - sie sind zahlreich, Frau Fuchs; das ist richtig - lösen. Dazu werden wir Möglichkeiten finden.
Den Problemkreis der regenerativen Energien können wir alleine in Angriff nehmen, und das werden wir auch tun. Energiesparprogramme und manches mehr werden verstärkt werden. Wir haben gerade ein neues Wärmedämmprogramm eingesetzt.
- Herr Fischer, das haben Sie wahrscheinlich noch gar nicht mitbekommen.
Die Fragen der Entsorgung werden wir in BundLänder-Gesprächen klären müssen. Denn es kann nicht angehen, daß wir ein Gesetz gemacht haben, bei dem wir der SPD entgegengekommen sind und die direkte Endlagerung im Artikelgesetz ausdrücklich vereinbart haben - eine Ihrer Kernforderungen -, damit Sie darauf antworten, indem Sie das einzige genehmigte Zwischenlager nicht in Betrieb nehmen wollen, sondern indem Sie einen Totalboykott machen. Das kann nicht sein, und das werden wir in Gesprächen zwischen Bundesregierung und Bundesländern klären müssen, so wie das auch früher der Fall war.
Wir werden uns dann daran erinnern, daß Ministerpräsident Rau noch Anfang der 80er Jahre gesagt hat: Für nicht wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle muß schnellstmöglich ein Endlager gefunden werden. - Dann werden wir auf den Tisch legen, wie sich die Genehmigungsverfahren für das Endlager Konrad gestalten. Wir werden wieder darüber diskutieren, wie glaubwürdig Sie wenigstens dann sind, wenn es darum geht, daß Sie Ihre eigenen Entscheidungen heute so weit weiterverfolgen, daß der daraus entstandene Problemberg gelöst werden kann. Das werden wir auf anderer Ebene klären.
Ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Bei den Energiekonsensgesprächen kann es nur um die Zukunft aller Energieträger gehen. Wer einen Energieträger von vornherein apodiktisch ausschließt, verschließt sich der Zukunft und damit der technologischen Entwicklung. Dabei machen wir nicht mit.
Herzlichen Dank.