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    Plenarprotokoll 13/45 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 45. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. Juni 1995 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 3649 A Erweiterung der Tagesordnung 3667 A Tagesordnungspunkt 14: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und des Straßenverkehrsgesetzes (Drucksache 13/1524) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung erhöhter Ozonkonzentrationen (Drucksachen 13/808, 13/1754) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Eckpunkte zur Bekämpfung umwelt- und gesundheitsgefährdender bodennaher Ozonkonzentration zu dem Antrag der Abgeordneten Gila Altmann (Aurich), Albert Schmidt (Hitzhofen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verschärfung der Maßnahmen gegen die fortbestehende Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt durch bodennahes Ozon zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann und der Gruppe der PDS: Maßnahmen zur Bekämpfung erhöhter Konzentrationen an bodennahem Ozon (Sommersmog) (Drucksachen 13/1307, 13/1203, 13/1295, 13/1754) c) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 88/77/EWG vom 3. Dezember 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission gasförmiger Schadstoffe und luftverunreinigender Partikel aus Dieselmotoren zum Antrieb von Fahrzeugen (Drucksachen 13/765 Nr. 1.17, 13/1623) d) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/220/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen (Drucksachen 13/765 Nr. 1.24, 13/1624) Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 3650 B Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD . . . 3652 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3654 B Birgit Homburger F D P. 3656 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS 3658 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 3659 B Elke Ferner SPD 3662 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 3664 B Dr. Winfried Wolf PDS 3665 B Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3665 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 3665 C Namentliche Abstimmung 3666 A Ergebnis 3668 B Zusatztagesordnungspunkt: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P.: Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz 1996 (Drucksachen 13/901, 13/1558, 13/1600, 13/1779) 3667 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Aktuelle Stunde betr. Beendigung der Energiekonsensgespräche Rainer Haungs CDU/CSU 3667 C Anke Fuchs (Köln) SPD 3670 D Paul K. Friedhoff F.D.P 3671 D Rolf Köhne SPD 3672 D Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU 3673 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . 3675 D Ernst Hinsken CDU/CSU 3676 D Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 3677 D Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 3679 B Rudolf Scharping SPD 3681 A Kurt-Dieter Grill CDU/CSU 3682 B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . 3683 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU 3684 D Tagesordnungspunkt 15: Bericht des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 1994 (Drucksache 13/1415) Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3685 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU 3688 A Bernd Reuter SPD 3690 B Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . 3693 B Eva Bulling-Schröter PDS 3696 B Max Straubinger CDU/CSU 3698 A Lisa Seuster SPD 3699 B Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3701 D Frederick Schulze CDU/CSU 3702 D Jutta Müller (Völklingen) SPD 3704 C Tagesordnungspunkt 13: a) Erste Beratung des von der Gruppe der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Rassismus und die Diskriminierung ausländischer Bürgerinnen und Bürger (Antirassismusgesetz) (Drucksache 13/1466) b) Antrag der Gruppe der PDS: Einrichtung einer Expertenkommission zur Überprüfung der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Bundes auf Ausländerinnen und Ausländer diskriminierende und rassismusfördernde Bestimmungen (Drucksache 13/1405) Dr. Gregor Gysi PDS 3707 B Meinrad Belle CDU/CSU 3708 C Dr. Winfried Wolf PDS 3708 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . 3709 C Dr. Gregor Gysi PDS 3710 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3711 C Dr. Burkhard Hirsch F D P. 3712 B Nächste Sitzung 3713 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3715* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 15 (Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag - Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 1994) Eckart von Klaeden CDU/CSU 3715* B Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 3717* A 45. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. Juni 1995 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 23. 6. 95 * Behrendt, Wolfgang SPD 23. 6. 95 * Berger, Hans SPD 23. 6. 95 Blunck, Lilo SPD 23.6. 95 * Böttcher, Maritta PDS 23. 6. 95 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 23.6. 95 Burchardt, Ulla SPD 23. 6. 95 Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 23.6. 95 90/DIE GRÜNEN Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 23.6. 95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 23.6. 95 Hornung, Siegfried CDU/CSU 23. 6. 95 * Jelpke, Ulla PDS 23. 6. 95 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 23. 6. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 23. 6. 95 Kossendey, Thomas CDU/CSU 23. 6. 95 Leidinger, Robert SPD 23. 6. 95 Lemke, Steffi BÜNDNIS 23. 6. 95 90/DIE GRÜNEN Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 23. 6. 95 Pfannenstein, Georg SPD 23. 6. 95 Reschke, Otto SPD 23. 6. 95 Schönberger, Ursula BÜNDNIS 23. 6. 95 90/DIE GRÜNEN Schumann, Ilse SPD 23.6. 95 Vosen, Josef SPD 23. 6. 95 Wallow, Hans SPD 23.6. 95 Wettig-Danielmeier, Inge SPD 23. 6. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 23. 6. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der West europäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 15 (Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag - Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 1994) Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Politische und gesellschaftliche Entwicklungen - das hat der Verlauf der heutigen Debatte wieder gezeigt - spiegeln sich auch in Petitionen wider, die an den Deutschen Bundestag gerichtet werden. Das gilt auch für die Petitionen, die die Zuständigkeitsbereiche des Bundesinnenministeriums und des Bundesjustizministeriums betreffen. Einen Schwerpunkt bilden, wie bereits in den Jahren 1992/93, die Eingaben zum Ausländer-, insbesondere zum Asylrecht. Nach wie vor hoher Migrationsdruck und das neue Asylrecht führen dazu, daß häufig Bitten um Einzelfallprüfungen sowie vielfach Forderungen nach Abschiebestopps für Angehörige verschiedener Staaten, Völker oder Regionen an den Petitionsausschuß gerichtet wurden. Dabei fiel vor allem die große Zahl von Sammeleingaben auf, in denen entweder abgelehnte Asylbewerber in ihrer Forderung nach einem Bleiberecht durch Unterschriftenaktionen unterstützt oder allgemeine Anliegen, wie z. B. Forderungen nach Abschiebestopps, vorgetragen wurden. Wie bereits in den Vorjahren bildeten Petitionen von aus Polen, Rumänien oder aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion kommenden Bürgern, die als Aussiedler anerkannt werden wollten, einen weiteren Schwerpunkt der Eingaben zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. Dabei ist positiv hervorzuheben, daß es durch die gute Zusammenarbeit mit dem zuständigen Referat im Bundesinnenministerium möglich war, einen nicht unerheblichen Teil von Petitionen bereits im Vorfeld einem positiven Ergebnis zuzuführen. Im Bereich des Asylrechts ist die Einflußmöglichkeit des Petitionsausschusses gering und daher für einen großen Teil der Petenten unbefriedigend. So verständlich dies im Einzelfall auch sein mag, es gilt jedoch, daß es auf Grund der Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat nicht sein kann, daß das Parlament die Rechtsprechung der Gerichte zu korrigieren versucht. Genauso wie die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung vor unserer Verfassung es den Gerichten gebieten, sich in der Rechtsprechung strikt an die Gesetze zu halten, ist es unsere Aufgabe, Einfluß auf die Rechtsprechung nicht durch nachträgliche Korrekturversuche, sondern durch die Gesetzgebung zu nehmen. Wer bestimmte gesetzliche Regelungen ändern will, muß dafür in Wahlen die nötige Mehrheit erringen. Aufgabe des Petitionsausschusses ist es in diesem Zusammenhang, Hinweisen auf nicht rechtmäßige oder sachgerechte Verfahren vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nachzugehen. Doch ist es in Einzelfällen auch vorgekommen, daß darüber hinaus sachgerechte und vor allem den betroffenen Menschen nützende Entscheidungen erwirkt werden konnten. Ich denke in diesem Zusammenhang an den Fall einer türkischen Familie mit kurdischer Volks- und yezidischer Glaubenszugehörigkeit, die in der Bundesrepublik Deutschland um die Gewährung von Asyl bat. In der überwiegenden Rechtsprechung ist mittlerweile anerkannt, daß Yeziden in ihrer Heimat durch die moslemische Bevölkerungsmehrheit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind und in der Bundesrepublik Deutschland als Asylberechtigte anzuerkennen sind. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte den Asylantrag zu einem Zeitpunkt abgelehnt, als die Rechtsprechung zu dieser Frage noch uneinheitlich war. In dem anschließenden Gerichtsverfahren führten Übersetzungsfehler zu Mißverständnissen und schließlich zu einer ablehnenden Entscheidung. Auch ein beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gestellter Asylfolgeantrag blieb ohne Erfolg. Die Familie war daher von Abschiebung bedroht. Der Ausschuß konnte schließlich erreichen, daß der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten angewiesen wurde, sich in das noch laufende Verwaltungsgerichtsverfahren, in dem die Petenten gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags und auf Gewährung von Asyl klagten, einzuschalten. Die Bundesregierung versprach, der Bundesbeauftragte werde das Gerichtsverfahren beobachten und nach ergangener Entscheidung prüfen, ob zugunsten der Petenten Rechtsmittel eingelegt werden müßten, weil die ergangene Entscheidung von anderen Entscheidungen in gleichgelagerten Fällen abweiche. Ein Schlaglicht auf die sicherlich beschämendsten Vorfälle in jüngster Zeit werfen eine Vielzahl von Eingaben, darunter eine Sammelpetition mit ca. 2 000 Unterschriften, in denen aus Anlaß von rechtsextremistischen Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland ein energisches Einschreiten gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit gefordert wird. Das um Stellungnahme gebetene Bundesinnenministerium wies dabei auf die Ausländerpolitik der Bundesregierung hin, die dafür sorgen wolle, Ausländerfreundlichkeit zu erhalten und das Verständnis für Ausländerinnen und Ausländer zu fördern, damit das gute Zusammenleben von Deutschen und Ausländern selbstverständliches und alltägliches Verhalten bleibe. Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus habe die Bundesregierung bereits ein Verbot gegen drei rechtsextremistische Vereinigungen ausgesprochen, weitere Verbotsmaßnahmen würden geprüft. Weiterhin wurde auf den von den Innen- und Justizministern des Bundes und der Länder verabschiedeten Maßnahmenkatalog hingewiesen, der einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen ausländerfeindliche Straftaten darstelle. Dabei begrüßte der Ausschuß die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen und brachte zum Ausdruck, daß er nachdrücklich alle Möglichkeiten unterstütze, dem Ausländerhaß zu begegnen, gleichgültig in welcher Gestalt oder hinter welcher Maske er erscheine. Es ist darauf hingewiesen worden, daß den Anstrengungen zur Bekämpfung von Radikalismus und Gewalt weitere Maßnahmen hinzugefügt werden müßten, da ein Anlaß zur Entwarnung noch lange nicht gegeben sei. Der Ausschuß empfahl deshalb, die Petitionen den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu geben, da sie als Anregung für weitere parlamentarische Initiativen geeignet erschienen. Ich will im zweiten Teil noch auf einige Petitionen eingehen, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesjustizministeriums fielen. Ich möchte dabei zunächst die Petitionen erwähnen, in denen es um die unterhaltsrechtliche Gleichstellung von für ehelich erklärten Kindern mit ehelichen Kindern ging. Im Gegensatz zu ehelichen und nichtehelichen Kindern, bei denen die Eltern grundsätzlich beide gleichrangig zur Unterhaltssicherung verpflichtet sind, ist bei ehelich erklärten Kindern vor der Mutter und den übrigen mütterlichen Verwandten zunächst der Vater unterhaltspflichtig. Danach werden nach Ansicht des Ausschusses sowohl der Vater als auch das Kind benachteiligt, weil der Vater neben der Betreuung auch den Barunterhalt leisten muß und das Kind den Anspruch auf Regelunterhalt gegen die Mutter verliert. Der zunächst ablehnenden Stellungnahme des Bundesjustizministeriums wollte der Ausschuß nicht folgen und überwies die Petition der Bundesregierung bzw. dem Bundesjustizministerium zur Erwägung mit dem Ersuchen, nach Möglichkeiten zu Abhilfe zu suchen. Das BMJ teilte daraufhin dem Ausschuß mit, daß auch das Rechtsinstitut der Ehelicherklärung im Kontext der Reform des Kindschaftsrechts auf dem Prüfstand stehe. Derzeit würden die Voraussetzungen auf einen gänzlichen Verzicht dieses Rechtsinstituts untersucht, womit nach Auffassung des Petitionsausschusses eine Lösung des Problems in Sicht ist. Auch Fragen des Strafrechts stehen immer wieder auf der Tagesordnung unserer Arbeit. In zwei wesentlichen Bereichen konnten auch durch die Arbeit des Petitionsausschusses wichtige Initiativen in Gang gesetzt werden. Dazu gehört zunächst der verbesserte strafrechtliche Schutz vor Kindesentziehung. Er geht auf eine Initiative einer Mutter eines damals zweieinhalbjährigen Mädchens zurück, das nur knapp einer Entführung entgangen war. Da die Tat noch im Versuchsstadium verhindert werden konnte, der Versuch der Kindesentziehung nach § 235 StGB jedoch nicht strafbar ist, konnte die Staatsanwaltschaft gegen die damalige Täterin keine Anklage erheben. Hätte die Täterin jedoch versucht, das Kind z. B. im Kinderwagen liegend mitzunehmen, hätte sie sich wegen versuchten Diebstahls des Kinderwagens verantworten müssen. Der Petitionsausschuß war der Auffassung, daß diese groteske Rechtslage so schnell wie möglich verändert werden müsse. Es liegt nunmehr ein entsprechender Referentenentwurf des BMJ vor, der diese Strafbarkeitslücke schließen wird. Dem Anlegen der Petenten wird daher voraussichtlich in vollem Umfang entsprochen werden. Eine andere strafrechtliche Lücke ergibt sich aus der kommerziellen „Verwertung" ungeborener Kinder in Teilen der kosmetischen und pharmazeutischen Industrie. Viele Bürgerinnen und Bürger sahen darin zu Recht eine neue Stufe menschenverachtenden Gewinnstrebens und der Verletzung der Menschenwürde, die ein Verbot der „Vermarktung" abgetriebener oder nicht lebensfähiger Embryonen erfordere. Auch in diesem Fall hat sich der Ausschuß dem Begehren der Petenten angeschlossen und diese Petitionen der Bundesregierung bzw. dem Bundesjustizministerium als Material überwiesen und den Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis gegeben. Ich habe zu Anfang meiner Rede darauf hingewiesen, daß es auf Grund der Gewaltenteilung nicht unsere Aufgabe als Parlamentsausschuß sein kann, im nachhinein den Versuch zu unternehmen, die Rechtsprechung zu korrigieren, wohl aber es unsere Aufgabe ist, Fehlentwicklungen durch Änderungen der entsprechenden Gesetze für die Zukunft auszuschließen. Dieser Aufgabe müssen wir dann aber auch nachkomen. Bereits im Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 1993 spielte eine Petition eine besondere Rolle, die in dieser Legislaturperiode erneut den Petitionsausschuß beschäftigte. Ich meine das sogenannte Flensburger Urteil, das zu Recht einen Sturm der Empörung auslöste. Das Amtsgericht Flensburg hatte nämlich entschieden, daß der Anblick einer Gruppe Schwer- und Schwerstbehinderter während der Mahlzeiten in einem Hotel die Urlaubsfreuden mindern könne und damit zur Kürzung des Reisepreises berechtige. Damals hatte der Petitionsausschuß sich für eine Änderung des Reisevertragsrechts eingesetzt, die in Zukunft derartige Urteile verhindern soll. In seiner Stellungnahme hatte das Bundesjustizministerium mit nachvollziehbaren juristischen Erwägungen eine solche Änderung abgelehnt. Ich halte jedoch nach wie vor verfahrensrechtliche Änderungen für notwendig, die die Korrektur derartiger Urteile durch die Justiz ermöglichen. Auch wenn wir uns zur Zeit vornehmlich mit der Entlastung der Justiz beschäftigen, muß es möglich sein, daß Urteile, die so eklatant und offensichtlich gegen die Werteordnung unserer Verfassung verstoßen und die Menschenwürde nicht am Prozeß beteiligter Dritter verletzen, aufgehoben werden können. Ich wünsche mir, daß wir noch in diesem Jahr in dieser Frage die nötige Hartnäckigkeit aufbringen und auch auf die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ausschüssen zählen können. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 685. Sitzung am 2. Juni 1995 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß § 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: - Gesetz zur Gleichstellung stillgelegter und landwirtschaftlich genutzter Flächen - Drittes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Gesetz zu dem Protokoll vom 26. April 1994 zu den Konsequenzen des Inkrafttretens des Dubliner Übereinkommensfür einige Bestimmungen des Durchführungsübereinkommens zum Schengener Übereinkommen (Bonner Protokoll) - Gesetz zur Überleitung preisgebundenen Wohnraums im Beitrittsgebiet in das allgemeine Miethöherecht (Mietenüberleitungsgesetz) Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Das Wohngeldgesetz ist zuletzt 1990 novelliert worden. Eine erneute Anpassung an die Einkommens- und Mietenentwicklung ist seit langem überfällig. Darauf hat der Bundesrat wiederholt, zuletzt mit Entschließung vom 4. November 1994 - BR-Drucksache 960/94 (Beschluß) - hingewiesen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung nochmals eindringlich auf, den Entwurf einer 10. Wohngeldnovelle mit leistungsverbessernden Maßnahmen und Vorschlägen zur Verwaltungsvereinfachung unverzüglich vorzulegen, damit das Änderungsgesetz bereits 1996 wirkt. Der Bundesrat erwartet, daß dabei die Verbesserung des Wohngeldes West für Härtefälle schon zur zweiten Hälfte des Jahres 1996 wirksam wird. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 6. Juni 1995 ihren Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten bei erhöhter Ozonkonzentration - Drucksache 13/1597 - zurückgezogen. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 20. Juni 1995 ihren Antrag „Wiedereinbeziehung des ostdeutschen mittelständischen Handels in die Investitionszulagenregelung" - Drucksache 13/1541-zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 13/725 Nr. 144 Drucksache 13/48 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/1096 Nr. 2.5 Drucksache 13/1096 Nr. 2.7 Drucksache 13/1096 Nr. 2.8 Drucksache 13/1096 Nr. 2.10 Drucksache 13/1096 Nr. 2.12 Drucksache 13/765 Nr. 1.2 Drucksache 13/765 Nr. 1.3 Drucksache 13/765 Nr. 1.4 Drucksache 13/765 Nr. 1.5 Drucksache 13/765 Nr. 1.6 Drucksache 13/765 Nr. 1.7 Drucksache 13/765 Nr. 1.9 Drucksache 13/1234 Nr. 1.6 Drucksache 13/1234 Nr. 1.7 Drucksache 13/1234 Nr. 1.11 Drucksache 13/1234 Nr. 1.15 Drucksache 13/1234 Nr. 1.17 Drucksache 13/1234 Nr. 1.18 Drucksache 13/1234 Nr. 1.20 Drucksache 13/1234 Nr. 1.21 Auswärtiger Ausschuß Drucksache 12/7354 Drucksache 12/7469 Drucksache 12/7513 Drucksache 12/7516 Drucksache 12/7359 Drucksache 12/7737 Drucksache 12/8560 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/765 Nr. 1.16 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/343 Nr. 2.22 Drucksache 13/343 Nr. 2.23 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/725 Nr. 167 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/614 Nr. 2.16 Drucksache 13/614 Nr. 2.7 Drucksache 12/725 Nr. 173 Innenausschuß Drucksache 13/725 Nr. 11 Drucksache 13/725 Nr. 19 Drucksache 13/725 Nr. 20 Drucksache 13/725 Nr. 21 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/1096 Nr. 2.15 Drucksache 13/725 Nr. 166 Drucksache 13/218 Nr. 97
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rolf Köhne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, daß diese Konsensgespräche gescheitert sind.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wenigstens einer, der sich freut! Heiterkeit)

    Daß Atomkonsens Nonsens ist, hat die Bewegung schon vorher gewußt und in Hannover ja auch demonstrativ zum Ausdruck gebracht. Atomenergie hat keine Zukunft, und die Haushaltsmittel könnten nun zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung und regenerativen Energien umgeschichtet werden. Alles in allem sind wir der Abschaltung der Atomanlagen wohl einen Schritt näher gekommen.

    Rolf Köhne
    Sowohl der seit 1992 diskutierte Vorschlag zur Vereinbarung von Restlaufzeiten als auch der zum Schluß in die Debatte geworfene Vorschlag für ein standortunabhängiges Genehmigungsverfahren waren Schritte in die falsche Richtung. Auch die Debatte über atomare Abfälle hätte nicht vernünftig geführt werden können. Solange noch Atomkraftwerke betrieben werden, sind Menge und Qualität der endzulagemden Abfälle nicht bekannt.
    Die Debatte um die Restlaufzeiten beherrschte die Konsensgespräche. Diese enthielten damit eine erhebliche Gefahr: Für eine ganze Reihe von Anlagen wäre der Fortbestand auf lange Zeit gesichert worden. Wäre der Weiterbetrieb derart sanktioniert worden, dann hätte sich jede Aufsichtsbehörde die Entscheidung Dutzende Male überlegt, bevor sie einen sachlich gebotenen und auf Grundlage des § 17 Atomgesetz möglichen Widerruf der Betriebsgenehmigung ausgesprochen hätte. Mit einer Vereinbarung über Restlaufzeiten hätte es das Land Hessen im Falle Biblis sehr viel schwerer gehabt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nee, falsch!)

    Sofern sich im Bund die Mehrheiten nicht ändern sollten, müssen die Atomkraftwerke einzeln und in einem zähen Ringen stillgelegt werden. Dafür sind die Voraussetzungen nach dem gescheiterten Konsens besser geworden.
    Besonders froh bin ich, daß sich Schröder auf Druck aus seiner Partei letztlich doch nicht auf Rexrodts Vorschlag eines standortunabhängigen Genehmigungsverfahren für ein neues Atomkraftwerk eingelassen hat.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

    Das wäre ein Angriff auf Bürgerrechte gewesen. (Uwe Lühr [F.D.P.]: Ach, guck an!)

    Bislang war es immerhin noch strittig, ob das Atomgesetz ein solches Verfahren überhaupt zuläßt.

    (Uwe Lühr [F.D.P.]: Das ist ja der blanke Hohn!)

    - Nein, das ist kein Hohn. Ich erkläre Ihnen das: Man hofft, daß es in einem standortunabhängigen Verfahren keine Einwendungen gibt; denn ohne Standort fühlt sich niemand direkt betroffen. Und wenn erst einmal genehmigt ist, dann können in einem späteren Verfahren nach § 7 b Atomgesetz keine Einwände mehr erhoben werden, die man in ein standortunabhängiges Verfahren hätte einbringen müssen. Wenn keine Einwendungen erhoben werden, dann ist den zukünftig betroffenen Bürgern die Klagemöglichkeit gegen das konkrete Projekt verschlossen. Das ist einfach so. Deshalb sollen diese standortunabhängigen Verfahren durchgeführt werden. Diesen Trick hat man schon einmal in Niedersachsen bei einem HTR-Modul versucht; er ist auch damals gescheitert.

    (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen? Das weiß er nicht!)

    Nun noch zum Entsorgungsproblem. Das Entsorgungsdilemma hätte mit einem Energiekonsens schon gar nicht gelöst werden können. Alle Planungsansätze zur Lösung des Entsorgungsproblems scheitern daran, daß Menge und Qualität der Abfälle unbekannt sind. Bei einem Weiterbetrieb der Atomanlagen müssen nicht etwa nur alternative Endlagerstandorte untersucht werden, vielmehr müssen mehrere Standorte gefunden und vorbereitet werden.
    Die Abschätzung der bis heute aufgelaufenen Abfälle, die zu entsorgen sind, ist ein dunkles Kapitel. Erst seit kurzem ist bekannt, daß der größte Teil der 2 400 Tonnen wiederaufgearbeitetem Uran aus La Hague veräußert wurden. Ich sage bewußt „veräußert", nicht „verkauft"; denn dieser Stoff hat auf Grund seiner besonderen radiologischen Eigenschaften keinen Wert, da er sich nicht zur Wiederverarbeitung eignet. Über die näheren Umstände der Veräußerung hat auch die Bundesregierung keine Informationen gesammelt.

    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

    Es mangelt also an einer systematischen Erfassung der atomaren Abfälle. Und so hege ich bis auf weiteres den starken Verdacht, daß sich deutsche Energieversorgungsunternehmen eines Teiles ihrer atomaren Abfälle in Rußland entledigt haben. Denn aus Rußland haben wir die Information, daß die französische COGEMA, die ja deutsche Brennelemente wieder aufbereitet, solche Abfälle nach Tomsk 7 geliefert hat. Gäbe es eine lückenlose Kontrolle dieser Abfallströme, dann hätte der Verlust längst auffallen müssen.
    Es ist deshalb nicht schade, daß es nicht zur Bildung eines Kernenergiekonsenses gekommen ist; ein Untersuchungsausschuß wäre angebrachter. Es gilt: Erst abschalten, dann neu planen!

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es spricht jetzt die Bundesministerin Frau Merkel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Mittwoch haben wir uns zur dritten Runde der Energiekonsensgespräche getroffen. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, daß es für mich bei diesen Energiekonsensgesprächen nicht nur um den Streit über die Kernenergie ging, aber es ging auch um den Streit um die Kernenergie.
    Insgesamt geht es um die Gestaltung der künftigen Energieversorgung in unserem Land unter verschiedenen Gesichtspunkten. Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit sind die Punkte, die ich für außerordentlich erforderlich halte, damit wir Planungssicherheit für die Zukunft haben, damit wir als Industrieland zukunftsfähig sind.

    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    Vorgestern abend mußten wir die Energiekonsensgespräche beenden. Wir haben dies ja schon einmal erleben müssen. Vor mehr als zwei Jahren gab es Energiekonsensgespräche, die daran gescheitert sind, daß sich der Verhandlungsführer, Ministerpräsident Schröder, mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen konnte, unter bestimmten Bedingungen einen neuen Demonstrationsreaktor und dann eventuell auch neue Kernkraftwerke zu bauen, wenn dafür Bedarf besteht. Wir hatten vielfältige Signale, daß sich dies vielleicht ändern könnte und neuer Gesprächsbedarf da ist. Deshalb haben wir in diesem Frühjahr die Gespräche wieder aufgenommen.
    Von Anfang an war aber klar, daß es bei diesen Gesprächen nur um eine Paketlösung gehen kann, d. h. um eine Diskussion über alle Energieträger, über die gesamte Zukunft, nicht über ausgewählte Gebiete und dann am liebsten wohl noch über die Gebiete, über die schon von Beginn an Konsens bestand; über diese braucht man nicht lange zu sprechen.
    Wir haben uns geeinigt - das war die Meinung aller, und ich will das auch ganz deutlich für unsere Seite sagen -, daß der sparsame Umgang mit Energie eine der wichtigsten Aufgaben - ganz besonders auch im Hinblick auf die Klimaveränderungen und unsere Einsparungsziele bei Kohlendioxid - für die nächsten Jahrzehnte ist.
    Wir sind uns einig: Der schonende Umgang mit Ressourcen muß erlernt werden. Neue Wege der Energieerzeugung müssen diskutiert werden. Deshalb waren wir uns auch einig, daß wir eine Arbeitsgruppe mit einem ganz klaren Auftrag einsetzen: Welche Möglichkeiten der Energieeinsparung gibt es? Wie können wir das Klimaschutzziel erreichen? Wie können wir neue, regenerierbare Energien besser fördern und in den Markt einführen?
    Aber, meine Damen und Herren, es geht natürlich auch noch um einen anderen Punkt, und zwar die Kernenergie. Genau dies war Gegenstand der Diskussionen bei der dritten Runde unserer Gespräche.

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    - Frau Fuchs, es ist eine Legende - ich rate uns allen gemeinsam, weil wir ja über die Zukunft diskutieren wollen, von so etwas ab -, daß diese Gespräche an der Frage der Kohlefinanzierung gescheitert seien.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat das Mißtrauen gesät!)

    - Verbreiten Sie dies nicht weiter! Dies hat auch kein Mißtrauen gesät, sondern es war Ihnen ein willkommener Anlaß, an irgendeinem Detail zu begründen, warum Sie am liebsten gleich wieder gegangen wären, weil Sie sich nicht einig waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Da irren Sie, Frau Ministerin!)

    - Frau Fuchs, es ist doch nicht mehr als recht und billig, daß eine Arbeitsgruppe „Regenerative Energien", die einen klaren Arbeitsauftrag hat, doch nur
    zusammengehen kann mit einer Arbeitsgruppe „Kernenergie", die auch ein Mandat und einen klaren Arbeitsauftrag hat. Genau um diesen Punkt haben wir gestritten.
    Es ist richtig: Da waren wir nicht einig. Das sagen Sie für sich und diese Seite des Parlaments. Aber wir hätten uns einig werden können. Ich will hier aber vorausschicken: Wir wollten niemanden grundsätzlich bekehren. Wir wissen, was Sie für Beschlüsse haben, und Sie wissen, welche Beschlüsse wir haben.

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Uns ging es darum, für die nächsten 10 oder 15 Jahre über die Jahrtausendwende hinweg einmal die Grundlagen festzulegen, auf denen sich Industrie und Entwicklung hier bewegen können.

    (Widerspruch bei der SPD Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD] Otto Schily [SPD]: Wir wollen uns festlegen!)

    Da haben wir nichts Unvernünftiges verlangt, sondern uns an einer Stelle in der Diskussion über mehrere Stunden verhakelt. Diese Stelle hieß: Wollen wir uns die Fähigkeit erhalten, neue, sicherheitstechnisch bessere Kernkraftwerke zu errichten,

    (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)

    oder wollen wir uns diese Fähigkeit nicht erhalten?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir haben die sichersten der Welt!)

    Das Problem war, daß sich daraus eine sehr interessante Diskussion entsponnen hat, was eine „Fähigkeit" ist und welche Voraussetzungen dazu erfüllt sein müssen. Wir wissen wie Sie: Es gibt keinen konkreten Bauantrag. Aber Sie wissen wie wir: Um bei einem konkreten Bauantrag im Jahre 2005 handlungsfähig zu sein, können wir jetzt nicht zehn Jahre die Hände in den Schoß legen und uns um den Bereich nicht kümmern, sondern wir müssen klare Definitionen treffen, welche Voraussetzungen wir brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Um überhaupt entscheiden zu können, brauchen wir die Weiterentwicklung genau der Fähigkeiten, die wir heute schon haben. Wir mußten konstatieren, daß Sie einen anderen Arbeitsauftrag wollten.

    (Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    - Herr Fischer, Sie waren nicht dabei. Hören Sie doch wenigstens einmal zu.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich höre gerne zu!)

    Sie konnten sich in Ihren Reihen nur darauf „einigen", daß untersucht werden soll, ob wir uns eine Fähigkeit, die wir heute haben, erhalten wollen oder

    Bundesministerin Dr. Angela Merkel
    schnellstmöglich verlieren wollen. Das gehört einfach festgehalten. Sie waren gespalten: Die einen möchten die Fähigkeit erhalten, die anderen möchten untersuchen, ob wir uns die Fähigkeit erhalten. Wir haben gesagt: Dazu brauchen wir uns nicht zusammenzusetzen. Das können Sie alleine untersuchen. Wir wollen die Fähigkeit zum Bau neuer Kernkraftwerke erhalten.
    Wir haben Gründe dafür. Weltweit entwickelt sich die Kernenergie weiter, und wir bauen die sichersten Kernkraftwerke.

    (Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/ CSU])

    Es geht doch gar nicht nur darum, daß wir für uns selbst und unsere nationale Energieversorgung Vorsorge treffen, sondern auch darum, daß wir auf dieser Welt wettbewerbsfähig und mitgestaltend sein müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es geht um die Kernkraftwerke in Mittel- und Osteuropa. Es geht um den Export. Es geht um die Fragen der Entsorgung. Auf allen Gebieten haben wir die technologischen Fähigkeiten in der Hand, aber wir diskutieren, ob wir sie behalten oder aufgeben sollten. Das müßten Sie einmal jemandem außerhalb dieses Landes erklären.
    Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Behalten wir den Endpunkt dieser Diskussion fest im Auge! Wenn Sie sich darauf einigen, daß auch Sie technologische Fähigkeiten erhalten wollen, dann sind wir jederzeit bereit, dies mit Ihnen gemeinsam zu diskutieren. Bis dahin müssen wir leider außerhalb eines solchen Konsenses die anstehenden Probleme - sie sind zahlreich, Frau Fuchs; das ist richtig - lösen. Dazu werden wir Möglichkeiten finden.
    Den Problemkreis der regenerativen Energien können wir alleine in Angriff nehmen, und das werden wir auch tun. Energiesparprogramme und manches mehr werden verstärkt werden. Wir haben gerade ein neues Wärmedämmprogramm eingesetzt.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das noch nicht getan?)

    - Herr Fischer, das haben Sie wahrscheinlich noch gar nicht mitbekommen.
    Die Fragen der Entsorgung werden wir in BundLänder-Gesprächen klären müssen. Denn es kann nicht angehen, daß wir ein Gesetz gemacht haben, bei dem wir der SPD entgegengekommen sind und die direkte Endlagerung im Artikelgesetz ausdrücklich vereinbart haben - eine Ihrer Kernforderungen -, damit Sie darauf antworten, indem Sie das einzige genehmigte Zwischenlager nicht in Betrieb nehmen wollen, sondern indem Sie einen Totalboykott machen. Das kann nicht sein, und das werden wir in Gesprächen zwischen Bundesregierung und Bundesländern klären müssen, so wie das auch früher der Fall war.
    Wir werden uns dann daran erinnern, daß Ministerpräsident Rau noch Anfang der 80er Jahre gesagt hat: Für nicht wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle muß schnellstmöglich ein Endlager gefunden werden. - Dann werden wir auf den Tisch legen, wie sich die Genehmigungsverfahren für das Endlager Konrad gestalten. Wir werden wieder darüber diskutieren, wie glaubwürdig Sie wenigstens dann sind, wenn es darum geht, daß Sie Ihre eigenen Entscheidungen heute so weit weiterverfolgen, daß der daraus entstandene Problemberg gelöst werden kann. Das werden wir auf anderer Ebene klären.
    Ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Bei den Energiekonsensgesprächen kann es nur um die Zukunft aller Energieträger gehen. Wer einen Energieträger von vornherein apodiktisch ausschließt, verschließt sich der Zukunft und damit der technologischen Entwicklung. Dabei machen wir nicht mit.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)