Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute den Gesetzentwurf über die Bekämpfung hoher Ozonkonzentrationen im Sommer diskutieren, dann müssen wir uns natürlich fragen: Warum brauchen wir eine solche Regelung?
Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause alle einig, daß wir diese Regelung brauchen, um überhöhte Ozonkonzentrationen im Sommer temporär zu bekämpfen. Das sind und bleiben temporäre Maßnahmen. Das haben wir auch immer gesagt. Damit sind und bleiben diese Maßnahmen auf irgendeine Art und Weise auch ein Notbehelf, weil wir es noch nicht geschafft haben, die Grundbelastungen so zu senken, daß diese hohen Ozonkonzentrationen bei bestimmten Witterungsverhältnissen nicht auftreten.
Deshalb haben wir immer hinzugefügt - das sage ich noch einmal ganz besonders in Richtung von
Frau Altmann -: Unser Hauptpunkt muß die Bekämpfung der Grundbelastung sein,
d. h. ganzjährig die Minimierung der Vorläufersubstanzen des Ozons, nämlich der Stickoxide und der flüchtigen Kohlenwasserstoffe. Wenn notwendig, müssen temporäre Maßnahmen hinzukommen, und nur über diese diskutieren wir heute, weil nur diese Gegenstand des Gesetzentwurfs sind.
Es kann und darf aber nicht - deshalb habe ich mir manchmal die Frage gestellt, warum wir eine Ozonregelung brauchen - Ziel einer solchen Gesetzesregelung sein, daß man einen Stellvertreterkrieg führt - einen Stellvertreterkrieg gegen den Autoverkehr, gegen ganze Bereiche der Wirtschaft und vieles andere mehr - und sich einen solchen Anlaß nimmt, um politische Ziele durchzusetzen, die man sonst jahrelang nicht durchsetzen konnte.
Meine Damen und Herren, ich habe keine Lust, mir vorhalten zu lassen, wir würden Ängste nicht ernst nehmen. Das ist nicht mein Prinzip. Wir nehmen die Ängste der Bürger ernst. Aber ich sage Ihnen auch: Die Ängste der Bürger beruhen zum Teil auf den Informationen, die ihnen die Politik gibt. Das, was wir in diesem Land an Diskussionen über die Gefährdungen durch Ozon hatten, entbehrt zum Teil jeder fundierten wissenschaftlichen Grundlage. Auch das trägt zu den Ängsten bei, mit denen Sie in diesem Sommer fertig werden müssen.
Stickoxide und flüchtige Kohlenwasserstoffe kommen zu über der Hälfte aus dem Verkehrsbereich. Deshalb setzen wir hier mit unseren Maßnahmen an, obwohl wir nie vergessen haben und nicht vergessen dürfen, daß ein großer Teil der Belastungen aus der Industrie kommt. Lösemittel, Farben und Lackierereien, all das haben wir im Auge.
Wir haben bei der Bekämpfung der hohen Ozonkonzentrationen dort eingesetzt, wo man von Vorteilen für die sprechen kann, die schadstoffarme Autos und Lkws haben. Das heißt, wir wollen die belohnen, die sich umweltfreundlich verhalten, und nicht alle gleichermaßen abstrafen. Ich denke, dies ist der richtige Weg, um einen Anreiz zu schaffen, daß sich Menschen umweltfreundlich verhalten. Denn nicht „freie Fahrt für freie Bürger", wie es aus der Grünen-Fraktion heraus schallt, ist unser Motto, sondern Stopp für die, die sich nicht umweltfreundlich verhalten. Genau das ist die Intention unseres Gesetzentwurfs.
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Die Fahrverbote werden für etwa 17,8 Millionen von den etwa 40 Millionen Autos grundsätzlich gelten. Das sollte uns allen einmal zu denken geben, ob heute wirklich noch so viele Autos notwendig sind, die keinen Katalysator haben,
und ob sich nicht mancher von denen, die ein altes Auto haben, ein neues Auto gut leisten könnte. Ich hoffe, es sind nicht zu viele dabei, die umweltfreundliche Sprüche klopfen und sich trotzdem noch nicht entschließen konnten, sich ein neues Auto zu kaufen. Das muß gebrandmarkt werden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie bei den Grünen wieder einmal eine Umfrage machen, fragen Sie einfach einmal nach, wie alt die Autos der Wähler der Grünen sind. Ich habe da so meine Vermutungen.
Die Ergebnisse würden mich sehr interessieren. Auch bei der SPD könnte eine solche Umfrage interessant sein.
Ich denke, daß unsere Wähler dabei noch am besten wegkommen. Aber wir müßten das einmal untersuchen.
- Das sind nicht die Reichen. Die Arbeiter haben bei der letzten Bundestagswahl mehrheitlich die CDU gewählt. Schauen Sie es sich einmal genau an, wie es mit den Reichen und den Armen ist.
Die Koalitionsfraktionen haben mit Unterstützung der Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von kurzfristig auftretenden Ozonspitzen im Bundestag eingebracht. Fahrverbote werden ab 240 Mikrogramm pro Kubikmeter vorgesehen. Das, was hier im Zusammenhang mit der Wetterlage diskutiert wurde, ist schlicht und ergreifend wahr - Frau Homburger hat das schon gesagt -: Ozon entsteht in Abhängigkeit von der Witterung, und deshalb brauchen wir Wetterprognosen auch für den nächsten Tag.
Ausgenommen von dem Fahrverbot sind Personenkraftwagen mit geregeltem Katalysator und gleichwertige Dieselfahrzeuge, alle Lkw und Busse, die die heutigen Zulassungsnormen erfüllen, und die, die nicht älter als fünf Jahre sind. Das bringt Vorteile für diejenigen, die schadstoffarme Autos haben.
Ein Fahrverbot für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß ist eine sehr einschneidende Maßnahme. Deshalb muß man sich genau überlegen, ob, wann und wie man eine solch einschneidende Maßnahme durchsetzt. Aus diesem Grunde sage ich noch
einmal: Wir haben uns dazu entschlossen, weil wir es mit der Bekämpfung der erhöhten Ozonkonzentrationen und der möglichen Gefährdungen ernst meinen. Wir sind aber nicht bereit, Maßnahmen zu ergreifen, deren Auswirkungen nicht erwiesen sind, nur um die Leute zu tyrannisieren.
Dazu muß ich sagen: Erstens trifft ein Tempolimit alle gleich. Deshalb ist das keine Ermunterung für diejenigen, die sich umweltfreundlich verhalten. Zweitens gibt es eigentlich keinen ernstzunehmenden Hinweis und keinen Versuch, der bewiesen hätte, daß Tempolimits wirklich einen wichtigen Beitrag zur Minderung der Ozonbelastung leisten. Warum sollen wir uns einer solchen Maßnahme bedienen, wenn auch Sie nicht beweisen können, daß das etwas bringt? Sagen Sie es mir. Ich kann es im Zusammenhang mit dem Ozon nicht sehen.
Der Gesetzentwurf sieht Ausnahmen vor. Er sieht generelle Ausnahmen vor, die wohl unstrittig sind und die wir bereits beim Wintersmog gewährt haben. Er sieht Ausnahmen für Berufspendler vor, die auf zumutbare Weise nicht anders als mit dem Auto zu ihrem Arbeitsplatz kommen.
Dazu muß man einfach sagen: Das ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Ich frage Sie schon jetzt: Wer zahlt eigentlich den Lohnausfall für die, die nicht zur Arbeit kommen können, weil wir der Meinung waren, daß es unbedingt notwendig ist, diese Menschen nicht zur Arbeit fahren zu lassen.
- Bei Glatteis kann man objektiv nicht zur Arbeit kommen.
Es ist doch ein Unterschied, ob wir jemandem auf Grund der Verursachung eines kleinen Anteils an einer Gesamtbelastung, deren Gesundheitsgefährdung bei einer kurzen Zeitspanne noch nicht einmal nachgewiesen ist, verbieten, zur Arbeit zu fahren. Ich bitte Sie, das ist doch ein Unterschied.
Wenigstens insoweit sollten wir miteinander redlich sein.
Ich bin jetzt schon auf die Vorschläge der Länder in dem hoffentlich noch heute einberufenen Vermittlungsausschuß gespannt und darauf, was diese uns dazu sagen werden, wie sie mit den Berufspendlern umgehen. Diesbezüglich möchte ich nicht nur die Umweltminister, sondern auch die Wirtschaftsminister der Länder hören. Dann wollen wir einmal se-
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
hen, wie wir zusammenkommen und wie sich die Ministerpräsidenten am Schluß entscheiden.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf enthalt ferner Bestimmungen, auf Grund deren unter bestimmten Umständen für bestimmte Personengruppen Ausnahmen erlassen werden können. Das darf man nicht damit verwechseln, daß eine generelle Ausnahme schon besteht. Vielmehr eröffnet der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit, daß die Länder in bestimmten Situationen das tun können, was sie für verantwortbar und wichtig halten.
Es wird manches Bundesland geben, das sehr erfreut ist, daß es die Möglichkeit hat, eine Autobahn für mehrere Stunden für die Fahrt freizugeben, beispielsweise dann, wenn sich kilometerlange Rückstaus von Urlaubern ergeben.
Dann wollen wir einmal sehen, wie sie das dann praktisch regeln.
Das Interessanteste an der ganzen Debatte ist folgendes: Wenn wir sagen, die Länder sollten das regeln oder an die kommunalen Behörden delegieren, weil sie näher am Geschehen dran sind, sagen diese vielleicht: Eigentlich haben wir damit nicht gerne etwas zu tun.
Ich halte das für ziemlich entlarvend.
Natürlich haben die Straßenverkehrsbehörden, die Gewerbeämter und alle anderen den Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in allen seinen Teilen durchzuführen; das wird immer auf Landesebene durchgeführt. Aber bei den Fahrverboten möchten die Länder nichts damit zu tun haben. Das machen wir nicht mit. Verantwortung muß geteilt werden.
Im übrigen haben die Länder als erstes den Wunsch gehabt, daß ein Gesetz mit Fahrverboten gemacht wird. Deshalb werden die Länder einen großen Teil der Verantwortung zu tragen haben. Das ist nichts weiter als richtig, redlich und praxisbezogen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns über die Grenzwerte gestritten. Wir haben uns jetzt auf 240 Mikrogramm pro Kubikmeter eingelassen. Aber es ist absurd - das hat etwas mit der Mißinformation der Bevölkerung zu tun -, meinen zu wollen, daß es irgendwelche wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine höhere Belastung bei einem Grenzwert von 270 anstatt 240 Mikrogramm pro Kubikmeter gibt.
Die unterschiedlichen Meßverfahren - deutsches Meßverfahren, EU-Meßverfahren - machen bereits einen Unterschied von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter, also 7 %, aus. Ein Großteil der Länder hat das Meßverfahren noch nicht umgestellt.
Das, was nach deutschem Meßverfahren 270 Mikrogramm sind, sind nach europäischem Meßverfahren 250 Mikrogramm. Wenn also in Hessen - ich glaube, dort ist es so - nach deutschem Meßverfahren 270 Mikrogramm gemessen werden, dann sind das, wenn dort endlich nach europäischem Meßverfahren gemessen wird, auch nur 250 Mikrogramm.
Jetzt wollen Sie dem Bürger weismachen, wir würden etwas Unverantwortliches tun, wenn wir 270 Mikrogramm vorschlagen, und Sie würden mit einem Grenzwert von 240 Mikrogramm das Richtige fordern.
Das ist Irreführung.
Aber wir sind kompromißbereit. Wir wollen eine bundeseinheitliche Regelung. Deshalb unterstützen wir gemeinsam den Vorschlag eines Grenzwertes von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Da können Sie sich freuen, Herr Schütz. Gehen Sie dann aber auch von Ihren unsinnigen und wirklich nicht relevanten Forderungen nach einem Tempolimit ab. Dann kommen wir schnell zueinander, und die Bürger haben endlich das, was sie brauchen, nämlich eine gute gesetzliche Grundlage.
Über das, was Sie noch an Verbesserungsvorschlägen bezüglich der Ausnahmen haben, kann man im Vermittlungsausschuß sicherlich noch einmal reden. Das müssen wir dann aber auch noch in anderen Ausschüssen tun. Wir sollten also nicht nur mit den Umweltpolitikern darüber reden.
Langfristige Maßnahmen zur Bekämpfung der Ozonbelastung sind notwendig. In einem Memorandum haben wir eingefordert, daß dies auf europäischer Ebene geschieht. Man muß aber auch zur Kenntnis nehmen, daß sich seit 1980 die Belastung mit Stickoxiden und flüchtigen Kohlenwasserstoffen in der Bundesrepublik um jährlich 20 % vermindert hat. Es gibt nicht einen einzigen ernstzunehmenden Politiker in den Ländern, der bestreiten wird, daß diese Verminderung stattgefunden hat. Die Verminderung wird weitergehen; es gibt nur ganz wenige, lokal begrenzte Stellen in der Bundesrepublik Deutschland, wo die Belastungen in den letzten Jahren gestiegen sind. Deshalb sage ich Ihnen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen ihn weitergehen.
Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der vorsieht, daß bei 180 Mikrogramm pro Kubikmeter die Bevölkerung informiert und zu bestimmten Maßnah-
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
men aufgefordert wird. Daß Sie an die Freiwilligkeit der Menschen nicht glauben, wissen wir. Wir glauben daran, daß Menschen sich auch von sich aus vernünftig verhalten. Deshalb ist dies die erste Stufe unserer Maßnahmen. Die zweite folgt dann bei 240 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Europäische Union sagt, daß ein Warnwert von 360 Mikrogramm pro Kubikmeter vorzugeben ist. Ich glaube, wir werden mit einer Regelung, die bei 240 Mikrogramm pro Kubikmeter einschneidende Maßnahmen vorsieht, der Sache wirklich gerecht.
Wir haben mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf eine Regelung vorgeschlagen, die es in dieser Stringenz in keinem der OECD-Staaten und in keinem europäischen Land gibt. Deshalb ist der Bundesrat gefordert, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit wir alle gemeinsam unsere politische Handlungsfähigkeit beweisen können. Ich glaube, wir sollten das umweltfreundliche Verhalten der Bürger belohnen. Die Bevölkerung hat von diesem Theater wirklich die Nase voll. Wir geben Ihnen heute eine Grundlage, damit sich das ändert und in diesem Sommer endlich bundeseinheitlich vernünftige Regelungen in Kraft treten können.