Rede von
Freimut
Duve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Lippelt, ich muß Ihnen zugestehen: Davon steht in Ihrem Antrag nichts. Davon haben Sie auch in Ihrer Rede nichts gesagt. Ich habe Ihre Bemerkungen zu Slowenien lediglich dazu benutzt - wenn Sie so wollen: dazu mißbraucht -, um einen ganz anderen Gegenstand, nämlich die Vorwürfe gegen uns als Land insgesamt als originär mitschuldig, einmal aus meiner Position darzustellen. Insofern haben Sie völlig recht. Ich habe Ihre Rede ein bißchen zu etwas mißbraucht, was dort so nicht enthalten war.
Ich möchte eine dritte Bemerkung machen, weil Herr Lummer auf die Waffengleichheit hingewiesen hat. Herr Lummer, wir sind uns gewiß darüber einig, daß die Frage der Waffen bei dem, was an Ungleichgewicht da ist, nur ein einzelner Aspekt ist. Ich halte das Ungleichgewicht, das sich durch die derzeitige territoriale Situation ergibt, für viel dramatischer als das Ungleichgewicht der Waffen. Die Bosnier wissen: Falls die Föderation mit den Kroaten nicht funktioniert, haben sie keinen Zugang nach und von außen. Sie sind eingeschlossen. Alle anderen sind nicht eingeschlossen, sondern haben eigene Zugänge nach außen. Das ist der dramatische Unterschied.
Ein noch dramatischerer Unterschied ist - er hat etwas mit meiner ersten Bemerkung zu tun -, daß die Bosnier, vornehmlich die Muslime, wissen, daß bisher die Philosophie und die Praxis vorherrscht, zu sagen: Falls wir gewinnen, soll es euch so nicht mehr geben. Wir haben in Banja Luka, in Brčko und in anderen Gegenden zur Zeit keine Überlebensgarantie für die dort noch verbliebenen 10 % der muslimischen oder kroatischen Bevölkerung, die vorher 100 % ausmachte.
Solange diese Situation andauert, ist das psychische Ungleichgewicht dramatisch. Es hat ja niemand gesagt, er wolle, daß keine Serben mehr im Balkan
Freimut Duwe
leben. Aber es haben viele gesagt, sie wollen, daß keine Muslime mehr im Balkan leben. Diese Bedrohungssituation halte ich in psychologischer Hinsicht für das Dramatischste bei diesem Ungleichgewicht.
Dazu kommt, daß mit der heutigen Technik - damit komme ich wieder zu Ihrer Bemerkung - jede Stadt, jede Straße, jede Fabrik, die versucht, mit der Produktion zu beginnen, und jedes Krankenhaus durch serbische Raketen erreichbar sind.
Umgekehrt besteht diese Möglichkeit nirgends. Bisher hat es noch keinen Terroranschlag in Belgrad gegeben; bisher hat es noch kein Beschießen serbischer Städte gegeben, abgesehen von einem Ausnahmefall, wo über die Grenze geschossen wurde. Die bosnische Regierung hat aber an keiner Stelle die technische Möglichkeit, einfach einmal eine Stadt zu beschießen, so wie das auf der anderen Seite eine Gruppe vor 14 Tagen in Zagreb - was vielleicht sogar als „retaliation" verständlich und nachvollziehbar ist - gemacht hat.
Deshalb müssen wir weiterhin mit der humanitären Hilfe arbeiten. Ich hoffe, daß wir zu einem gemeinsamen Antrag kommen.
Bezüglich des deutschen Konvois bin ich anderer Auffassung. Ich glaube, wir können mit der Lösung leben, jedoch werden wir sehr kritisch beobachten, ob sie sich bewähren wird.
Herr Präsident, ich werde mir die drei Minuten, die ich jetzt noch habe, sparen. Ich möchte gerne noch hören, was die Bundesregierung sagt. Vielleicht kann ich dann noch das eine oder andere hinzufügen.
Danke für die Aufmerksamkeit.