Rede von
Dr.
Peter
Ramsauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen nun zu einem Tagesordnungspunkt, der nach den Diskussionen der letzten 14 Tage in diesem Hause sehr einheitlich behandelt werden dürfte.
Ich muß allerdings hinzufügen, daß der Anlaß, warum wir darüber diskutieren, eigentlich kein sonderlich erfreulicher ist.
Mit dem Stromeinspeisungsgesetz, das seit dem 1. Januar 1991 in Kraft ist, wurde in den vergangenen Jahren ein regelrechter Aufbruch bei der Verbreiterung der Basis regenerativer Energien erreicht. Das Gesetz verpflichtet die Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Einspeisung von Strom aus regenerativen Energieträgern in ihr Netz nach einem festgelegten Preis zu vergüten. Dieses Gesetz ist seither zu einem wichtigen Meilenstein in den Bemühungen und Anstrengungen von Bundestag und Bundesregierung geworden, die von uns selbst gesetzten CO2-Reduktionsziele mittel- und langfristig zu erreichen.
Daß die EVUs seit jeher, wohl aus ihrer Monopolstellung heraus, gegen das Stromeinspeisungsgesetz waren und es nach wie vor sind, ist hinlänglich bekannt. Denn schon heute hat sich das Stromeinspeisungsgesetz, wie gesagt, in hervorragender Weise bewährt. So hat sich die Stromerzeugung aus Anlagen im Wirkungsbereich des Stromeinspeisungsgesetzes nach plausiblen Schätzungen des Bundesverbandes für erneuerbare Energien von jährlich einer Milliarde Kilowattstunden vor Inkrafttreten des Gesetzes auf schon 3,5 Milliarden Kilowattstunden im
Jahr 1994 erhöht. Diese Steigerung um 2,5 Milliarden Kilowattstunden vermindert den jährlichen CO2-Ausstoß in Deutschland immerhin um 2,5 Millionen Tonnen.
Offensichtlich ist es aber den EVUs geradezu ein Dorn im Auge, daß ihnen, initiiert durch das Stromeinspeisungsgesetz, von den ungeliebten privaten, dezentralen und umweltgerechten Stromerzeugern immer mehr Konkurrenz erwächst.
Deshalb haben sie nun zur offenen Feldschlacht gegen das Stromeinspeisungsgesetz geblasen. Auf Grund eines Gutachtens sowie unter Hinweis auf das Verfassungsgerichtsurteil zum Kohlepfennig verweigern immer mehr EVUs die Einspeisevergütungen, die gesetzlich von ihnen zu bezahlen sind, bzw. leisten solche Einspeisevergütungen nur noch unter Vorbehalt.
Die Hinweise sowohl auf das von den EVUs bemühte Gutachten als auch auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Kohlepfennig erscheinen mir aber äußerst fadenscheinig. So schreibt beispielsweise der Gutachter Professor Arndt aus Mannheim:
Das „Finanzierungsmodell" des StrEG ist verfassungsrechtlich nicht unproblematisch ... Um keine „schlafenden Hunde" zu wecken, könnte daher der Stromwirtschaft empfohlen werden, die „Kröte" des Stromeinspeisungsgesetzes „zu schlucken" in der Hoffnung, man werde fürderhin in Frieden gelassen.
Meine Damen und Herren, diese Formulierung des Gutachters ist windelweich. Von dieser Formulierung die Verfassungswidrigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes ableiten zu wollen, wie VDEW und immer mehr EVU es tun, ist eine absolute Fehlinterpretation.
Wir sollten uns die zwei Schlüsselsätze noch einmal auf der Zunge zergehen lassen: „Das Finanzierungsmodell", schreibt der Gutachter, also nicht das ganze Gesetz - er redet nur vom Finanzierungsmodell -, „ist verfassungsrechtlich nicht unproblematisch" . Das ist eine ganz weiche Formulierung.
Dann folgt des Gutachters Ratschlag, „um keine schlafenden Hunde zu wecken, soll die Stromwirtschaft diese Kröte lieber schlucken". Das ist doch eine eindeutige Empfehlung. Solch schlafende Hunde vermutet die Stromwirtschaft in großer Menge.
Ich erinnere beispielsweise an den Antrag des Landes Brandenburg zur Einbeziehung der KraftWärme-Kopplungen in das Stromeinspeisungsgesetz oder die immer lauter werdenden Forderungen der
Dr. Peter Ramsauer
Photovoltaikbtereiber auf kostendeckende Einspeisevergütungen und anderes mehr.
Dazu haben sich in den vergangenen Wochen die beiden Verfassungsressorts der Bundesregierung, das BMI und das BMJ, die sich erneut mit der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes befaßt haben, eindeutig geäußert. Sie sagen in allen Stellungnahmen sinngemäß: Sowohl bei grundsätzlicher Prüfung als auch im Lichte des Karlsruher Urteils zum Kohlepfennig ist das Stromeinspeisungsgesetz als verfassungskonform einzustufen.
Dennoch verweigern - angestiftet vom Dachverband der EVU, des VDEW - immer mehr EVU ihre Verpflichtungen nach dem Stromeinspeisungsgesetz. So werden derzeit an immer mehr Erzeuger regenerativer Energien Briefe mit folgendem Inhalt verschickt. Ich lese Ihnen beispielsweise aus einem Schreiben der Badenwerk AG in Karlsruhe vor.
- Ja, sie sind aber nicht die einzigen.
Ich darf aus dem Brief zitieren:
Sehr geehrter Herr ... Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Kohlepfennig und ein Rechtsgutachten von Herrn Prof. Arndt, Mannheim, zur Einspeisevergütung haben deutlich gemacht, daß die Regelungen des Stromeinspeisungsgesetzes als unzulässige Sonderabgabe und als EU-widrige Subventionierung zu beurteilen sind. Damit entfällt der gesetzliche Grund für die Zahlung der Einspeisevergütung. Wir sind lediglich vertragsrechtlich zur Zahlung der Sätze gemäß Verbändevereinbarung verpflichtet.
In feudalherrschaftlicher Herablassung folgt dann der Ratschlag:
Sie haben es dann in der Hand, die Berechtigung unseres Vorgehens durch Einklagen überprüfen zu lassen.
Wie gnädig.
Ich betone deshalb noch einmal: Diese überzogene Interpretation, daß man wegen eines solchen Urteils von Recht und Gesetz entbunden sei, gibt das Gutachten nicht einmal im entferntesten her.
Es geht noch weiter: Das Badenwerk ging sogar so weit, sich unter dem Namen des diskriminierten Einspeisers selbst eine Rechnung zu niedrigeren Vergütungssätzen auszustellen, um das Vorgehen nach außen hin formal korrekt aussehen zu lassen.
- Es wird zur Zeit überprüft, Herr Kollege Scheer, ob das Urkundenfälschung oder ein anderer Straftatbestand ist.
Gnädigerweise hat der diskriminierte Einspeiser wenigstens eine Ablichtung dieser fingierten Rechnung zur Kenntnisnahme bekommen. Geradezu hinterfotzig ist es auch, daß solche Schreiben an Banken gingen, die regenerative Energieinvestitionen finanzieren.
Die Folgen sind fatal: Zum einen wurden daraufhin von den Banken bereits gegebene Finanzierungszusagen wieder zurückgezogen, und in vielen Fällen wurden potentielle Investoren derartig verunsichert, daß sie zunächst, bis die Dinge von uns in Bonn geklärt sind, von ihren Investitionsvorhaben ablassen. Sie wollen natürlich Rechtssicherheit haben. Dadurch unterlaufen die EVU ganz gezielt die Politik für regenerative Energien des Bundestags und der Bundesregierung.
Die EVU sollten sich auch an die umgekehrten Fälle der 80er Jahre erinnern, als ein paar Haushalte ihre privaten Stromrechnungen aus Protest gegen neue Kernkraftwerke nicht direkt an die EVU, sondern nur noch auf ein Treuhandkonto bezahlten. Die Stromwirtschaft protestierte damals - zu Recht, muß ich sagen - mit dem Vorwurf der Selbstjustiz. Heute, zehn Jahre später, leistet sich die gleiche Stromwirtschaft nichts anderes als diese Selbstjustiz.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion verurteilt deshalb das Vorgehen der EVUs, mit dem versucht wird, durch Rechtsbruch Fakten zu schaffen. Auch die Energiewirtschaft erwartet zu Recht langfristig belastbare Rahmenbedingungen für ihre Investitionstätigkeit.
Um so unverständlicher ist das eigenwillige und gesetzwidrige Vorgehen von immer mehr EVUs. Die Union ist weder bereit noch willens, diesen fortgesetzten Gesetzesbruch von seiten mancher EVUs weiterhin zu tolerieren.
Wir fordern deshalb die beteiligten Unternehmer auf, unverzüglich zu einem gesetzeskonformen Verhalten zurückzukehren, das Stromeinspeisungsgesetz voll anzuwenden und die Einspeisevergütungen weiterhin in voller Höhe und ohne Vorbehalt zu leisten.
Wir mißbilligen es auch ausdrücklich, wenn - wie es VDEW darstellt - nur einzelnen, mehr oder minder willkürlich ausgesuchten Einspeisern die Einspeisevergütung verweigert wird, um damit einen Musterprozeß bis hin zum Bundesverfassungsgericht in Gang zu setzen.
Beinahe unglaublich klingt der Rechtfertigungsversuch für dieses Vorgehen durch den Vorsitzenden von VDEW, der dies laut einer Agenturmeldung als
Dr. Peter Ramsauer
die - ich zitiere - „sanfteste mögliche Rechtsverletzung" beschönigt hat.
- In der Tat ein Skandal. - Ob sanft oder nicht: Wir verurteilen solches Handeln klipp und klar. Wir verlangen ein ausnahmsloses Befolgen der gesetzlichen Vorschriften ohne Wenn und Aber.
Wir dulden - um noch deutlicher zu werden - auch keinen exemplarischen oder ausnahmsweisen Rechtsbruch zur Ingangsetzung eines Musterprozesses. Deshalb verurteilen wir jeden Einzelfall, in dem von der Stromwirtschaft ein Einspeiser als Opfer herausgegriffen wird. Würden solche Ausnahmen zugelassen, so ließen wir als Gesetzgeber unkalkulierbar viele Einspeiser regenerativen Stroms an unserem langen Arm sozusagen verhungern. Denn diejenigen, die bereits heute diskriminiert werden, haben nach ihrem eigenen Bekunden im Vertrauen auf das Gesetz hohe Kapitalbeträge investiert, und denen fehlen jetzt die notwendigen Rückflüsse zur Bedienung ihrer Investitionen und der dafür gemachten Schulden.
Wir dürfen diese Leute nicht im Regen stehenlassen. Wir müssen ihnen als Gesetzgeber Schutz bieten; sonst werden sie von den EVUs in den Ruin getrieben.
Wir fordern aber auch die zuständigen Verbände auf, namentlich VDEW und seine Landesverbände, darauf hinzuwirken, daß die beteiligten Mitgliedsunternehmen wieder zu einem gesetzeskonformen Verhalten zurückkehren.
Dies heißt im Klartext, daß die bisherigen Empfehlungen zur Rechtsverweigerung in entsprechenden Rundschreiben schlicht und einfach rückgängig gemacht werden müssen.
Im übrigen ist die Front der Stromwirtschaft interessanterweise gar nicht so geschlossen: VEW hat sich vom Verhalten der VDEW distanziert und gesagt, die Beträge, die im Rahmen des Stromeinspeisungsgesetzes aufgewendet werden müßten, würden die EVUs nicht gerade ins Armenhaus bringen.
Ich glaube, dies ist wahr, wenn man bedenkt, was die EVUs alles so zusammenkaufen, vor allem aber, daß das von VDEW behauptete Subventionsvolumen durch das Stromeinspeisungsgesetz beim Strompreis nur ganze 0,03 Pf/kWh ausmacht. Im Vergleich dazu betragen die ganzen anderen politischen Sonderlasten im Strompreis, beispielsweise durch Kohlesubventionierung oder bei der Kernkraft, 6,0 Pf/kWh. Da kann man wirklich sagen, daß 0,03 Pf/kWh für die Förderung regenerativer Energien im Vergleich zu 6,0 Pf/kWh eine vollkommen marginale Größe ist.
Da kann ich nur zitieren, was vorgestern die „Husumer Nachrichten" geschrieben haben - ich zitiere hier aus einem Artikel unter der Überschrift „Monopol und Prinzip" -:
Bei dem Streit um das Stromeinspeisungsgesetz geht es nicht ums Geld. Es geht vor allem um die Sicherung der Macht und Monopolstellung der Stromkonzerne.
Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Wie wahr!
Ich fordere auch die Bundesregierung auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, die in Frage stehenden EVUs wieder zu einem rechtmäßigen und gesetzeskonformen Handeln zu verpflichten. Die Aufsichtsbehörden der Länder müssen tätig werden.
Sollte all dies nichts fruchten, müssen wir darangehen, bei einer Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes einen Straftatbestand einzuführen; denn ich sehe nicht ein, daß wir mit unserem scharfen Umweltstrafrecht jeden kleinen Umweltsünder zu Recht an die Kandare nehmen. Wenn sich EVUs bei der Förderung regenerativer Energien gesetzeswidrig verhalten, müssen auch sie mit dem Staatsanwalt rechnen.
Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsausschuß des Bundestags hat bereits vorgestern einstimmig eine Entschließung verabschiedet, in der das Vorgehen der EVUs verurteilt wird und diese aufgefordert werden, den Verpflichtungen aus dem Stromeinspeisungsgesetz zu entsprechen und die gesetzlich vorgeschriebenen Einspeisevergütungen in voller Höhe und ohne Vorbehalt zu leisten.
Wenn ich mir nun die Inhalte der heute vorliegenden Anträge - gerade auch von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - durchsehe, kann ich sagen, daß sich das meiste davon auch mit den Auffassungen meiner Fraktion deckt.
Ich sehe hier gute Chancen, daß wir in den Ausschußberatungen zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen kommen. Es stünde uns als Gesetzgeber deshalb auch gut an, hier dann in der Endberatung mit einer Sprache gegen die Gesetzesbrecher zu reden.
Meine Damen und Herren, ich fordere deshalb die EVUs und ihre Verbände nochmals eindringlich auf, ihren Boykott des Stromeinspeisungsgesetzes sowie ihren Feldzug gegen regenerative Energien unver-
Dr. Peter Ramsauer
züglich zu beenden. In dieser Beurteilung, meine Damen und Herren, dürfte wohl auch ein wichtiger kleiner Energiekonsens aller in diesem Hause vertretenen Parteien liegen.
Vielen Dank.