Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir uns heute so hitzig und emotionsgeladen unterhalten, ist ja wahrlich kein neues Thema. Ich erinnere Sie daran, daß wir dieses Thema seit 15 Jahren aus den verschiedensten Anlässen heraus und mit den verschiedensten Akzenten diskutieren. Der willkommene Anlaß ist nun wieder der Fall dieses Spekulanten Schneider, bei dem die Deutsche Bank ein wirkliches Fehlverhalten ihrer Kreditvergabe gezeigt hat, ein Fall, der mit Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Opposition, aber wohl kaum hätte verhindert werden können. Hier müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, hier muß die Verantwortung der Banken anders gepolt werden.
Mir erscheint es vor allem wichtig, daß sich die Banken auf ihre Verantwortung besinnen, die Kreditvergabe neu auszurichten - gerade auch auf kleine und mittlere Unternehmen. Ich möchte die Banken auffordern, aus eigener Kraft und in ihrem eigenen Interesse ein Kreditvergabeprogramm für die mittelständische Wirtschaft neu aufzulegen, das den spezifischen Gegebenheiten dieser Wirtschaft Rechnung trägt.
Ich meine, daß diese Debatte um das Schlagwort Bankenmacht für unser Wettbewerbs- und Kartellrecht ordnungspolitisch von überragender Bedeutung ist. Meine Damen und Herren, ich denke, es gibt keinen in diesem Hause, der die Mißstände, die wir beklagen, nicht erkannt hat und der nicht bereit wäre, alles zu tun, um sie mit geeigneten Mitteln abzustellen. Aber bei aller berechtigten Verärgerung über diese Mißstände dürfen wir uns keineswegs dazu hinreißen lassen - hiervor möchte ich wirklich warnen -, das ausgewogene System unseres Kartellrechts in Richtung eines staatlichen Dirigismus zu verfremden.
Ich meine, daß Korrekturen an diesem Kartellrecht jederzeit möglich sein müssen und gerade diese Diskussion Anlaß sein muß, darüber nachzudenken, es in Einzelheiten zu verändern. Aber Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der SPD, ist mir einfach zu dirigistisch
und läuft Gefahr, unser bewährtes System des Kartellrechts mit planwirtschaftlichen Tendenzen zu verfremden - hiergegen wehre ich mich -,
gerade auf einem Schlüsselsektor für den Wirtschaftsstandort und den Finanzplatz Bundesrepublik Deutschland.
Hier müssen wir gemeinsam ganz andere Lösungen suchen und finden, um Transparenz und Kontrolle neu zu schaffen und möglich zu machen, so wie es auch in der Koalitionsvereinbarung steht. Diese Koalitionsvereinbarung - davon können Sie ausgehen - wird ernstgenommen und mit aller Akribie umgesetzt, aber eben unter den ordnungspolitischen Prämissen einer Sozialen Marktwirtschaft und nicht eines Dirigismus mit planwirtschaftlichen Elementen.
- Ich rede von Ihrem Gesetzentwurf und möchte uns alle dazu aufrufen, gerade auf diesem Sektor Verhältnismäßigkeit und Augenmaß als Leitlinie der Gesetzgebung zu beachten und zu beherzigen.
Und es ist keine Frage des Nichtwollens oder des Nichtkönnens, meine Damen und Herren von der Opposition, wie Sie verschiedentlich gesagt haben, sondern Ihr Gesetzentwurf ist einfach nicht dazu geeignet, diese Mißstände abzustellen. Das Ziel wird eben nicht durch neue bürokratische Belastungen für die Unternehmen erreicht,
sondern durch emotionsfreie Auflistung der Fakten und emotionsfreie Überlegungen, die wir gegenwärtig in unserer Arbeitsgruppe anstellen. Ausfluß davon wird der Gesetzentwurf sein, den wir noch vor der Sommerpause vorlegen werden.
Lassen Sie mich einige wenige Punkte ganz kurz aufgreifen. Da ist vor allem die Beschränkung der Beteiligung von Banken, die Sie vorsehen wollen. Wir alle wollen wirksame Maßnahmen gegen Verflechtungen und gegen Kartelle, die den Wettbewerb auf den Kapitalmärkten lahmlegen und die Kontrolle verhindern. Wir nehmen die ordnungspolitische Rolle des Staates sehr ernst, der Rahmenbedingungen dafür schaffen muß, daß der Wettbewerb wirklich funktionieren kann. Lassen Sie uns die Rolle der Banken bei Unternehmensbeteiligungen aber so sehen, wie sie wirklich ist. Mein Kollege Hinsken hat schon darauf hingewiesen, daß diese Unternehmensbeteiligungen seit vielen Jahren ständig zurückgehen und nur mehr 0,4 % betragen.
Ich möchte es mir nicht versagen, im Gegensatz dazu noch einmal die Beteiligungen der West-LB in Erinnerung zu rufen, die meines Wissens immer noch groß sind: im Bereich Maschinenbau die Mehrheit bei Gildemeister und Autania, im Bereich Touristik 30 % bei TUI, 90 % bei Thomas Cook, auf dem Kaufhaussektor 25 % bei Horten, 10 % bei Asko und im Stahl- und Anlagenbau 33 % bei der Preussag. So geht das fröhlich weiter: Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt, Mauser, VEW, Babcock, Hoesch-Krupp, Harpener, Fuchs Petrolub, LTU, Accu-Hoppecke usw. - eine Fusion nach der anderen.
Ich bitte Sie, einmal mit Ihrem Finanzminister Schleußer darüber zu sprechen, ob er mit dem Programm, das Sie jetzt vorlegen, übereinstimmt.
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 39. Sitzung. Borin, Freitag, den 19. Mai 1995 3107
Dr. Susanne Tiemann
Meine Damen und Herren, unterschätzen wir es nicht, daß eine aktive Kooperation nötig ist, um Kredite abzusichern oder Finanzanlagen zu tätigen. Die Prosperität des Unternehmens, des Bankengeschäfts im Sinne der Aktionäre und Kreditnehmer ist ein Gut, das wir wahren und fördern müssen. Die Funktion der Anteilsbeteiligung für den Ertragsausgleich und das Risikopolster, das sich Banken schaffen müssen, ist nicht zu unterschätzen. Wir sollten das nicht generell verteufeln, sondern auf Ringbeteiligungen und tatsächliche Wechselbeteiligungen, die den Wettbewerb im Einzelfall nachgewiesenermaßen und wirklich beeinträchtigen, beschränken, alle kartellrechtlichen Möglichkeiten hiergegen ausschöpfen.
Sie haben die Rolle der Banken bei der Unternehmenssanierung bestritten. Meine Damen und Herren, reden wir doch nicht nur von den Großbanken und den Großunternehmen. Reden wir doch von den kleinen und mittelständischen Banken und von den kleinen und mittleren Unternehmen! Hier kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, daß gerade solche mittelständischen Banken bei der Unternehmenssanierung eine überragend wichtige Rolle spielen. Manches kleine Unternehmen würde nicht mehr leben, wenn nicht die Banken mit aktiver Beteiligung, die auch auf Jahre angelegt sein kann, einspringen würden.
- Wenn Sie sich darüber so aufregen, möchte ich Sie mit einer Bemerkung Ihres Kollegen Schröder beruhigen.
- Ich bin ganz ruhig, aber hören Sie doch noch einmal die weisen Worte des Ministerpräsidenten Schröder vor dem Sparkassentag in Hannover vor einigen Tagen. Er hat ganz klar gesagt: Es ist inkonsequent, die Banken immer zu rufen, wenn sie sich an Sanierungsfällen beteiligen sollen, ihnen aber andererseits das Recht auf profitables Engagement zu bestreiten. - Vielleicht sollten Sie mit Herrn Schröder noch einmal ein Wort wechseln, um seine Meinung mit Ihrem Gesetzentwurf abzustimmen. Das wäre meine Empfehlung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Debatte eignet sich weniger als jede andere dazu, emotional geführt zu werden. Hier geht es nicht darum, heilige Kühe zu bewahren. Auf der anderen Seite geht es aber auch nicht darum, einen Unternehmensbereich zu verteufeln, eine Hexenjagd auf einen Unternehmensbereich zu starten.
Hier geht es um eine verantwortungsvolle Aufgabe des Gesetzgebers, nämlich darum, das Vertrauen, das Banken und Versicherungen an unserem Finanzplatz und Wirtschaftsstandort Deutschland entgegengebracht wird, zu stärken und zu sichern. Hier geht es nicht um eine Diskussion, die das Vertrauen noch weiter untergräbt. Wir als Gesetzgeber haben die Verantwortung, uns auf Grund sicher festgestellter
Fakten zusammenzutun und nach Lösungen zu suchen, wie wir solche Rahmenbedingungen schaffen können. Das werden wir nach der Vorlage unseres Gesetzentwurfs tun.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.