Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ost, daß selbst Sie dem Herrn Rexrodt nicht mehr zur Seite stehen, stimmt mich tatsächlich ein bißchen nachdenklich. Er hat doch die Kumulation der Einflußmöglichkeiten der Banken erkannt und spricht von „wettbewerblichem Gefahrenpotential". Wie anders wäre sonst die Einrichtung der Arbeitsgruppe zu erklären? Aber Sie nehmen ja an ihr auch nicht teil; mir hat sich heute erklärt, warum nicht.
Wenn wir in der Bundesrepublik über die Machtkonzentration in der Wirtschaft reden, so buchstabiert sich diese als Macht der Banken. In keinem anderen Land dieser Welt konzentrieren sich in der Hand der Banken so viele Einflußfaktoren. Der Kollege Bury hat darauf hingewiesen.
- Wieso „Quatsch"? Auch Herr Köhler unterstützt diese These in toto. - Transparenz, Wettbewerb und Verbraucherschutz bleiben dabei auf der Strecke.
Wenn wir den Banken Glauben schenken dürfen, beruht die nun seit 20 Jahren geführte Diskussion über die Macht der Banken allein auf - Zitat - „Mißverständnissen, Fehlinformationen und Vorurteilen", wie erst gestern wieder der Präsident des BdB im „Handelsblatt" gesagt hat. Die privaten Banken versuchen, dem vermeintlichen Wahrnehmungsproblem mit ihrer sogenannten Kommunikationsoffensive „Banken im Gespräch" Abhilfe zu verschaffen. Nichts gegen Kommunikationsinitiativen, aber die Macht der Banken ist nicht vornehmlich ein Kommunikationsproblem, das von Werbeagenturen - auch
Margareta Wolf
sie nennen sich heute übrigens neudeutsch schon Kommunikationsagenturen - gelöst werden kann. Die Macht der Banken ist ein reales Problem, sonst würden wir uns hier nicht damit beschäftigen.
Banken sind keine normalen Unternehmen wie andere auch, auch wenn insbesondere die privaten Banken nicht müde werden, dies an anderer Stelle zu betonen, und zwar vor allem dann, wenn der Staat an ihre besondere gesellschaftliche Verantwortung appelliert. Wir haben darüber letzte Woche geredet. Ein Grund hierfür liegt natürlich darin, daß Geld in der Tat ein besonderes Produkt ist und Banken somit eine Sonderstellung zugebilligt werden muß, um z. B. die Stabilität der Währung, die Sicherung der Spareinlagen und die reibungslose Versorgung mit liquiden Mitteln zu sichern.
Aber im Bankenbereich haben wir es mit einer Fülle gesetzlicher Ausnahmeregelungen zu tun, die sachlich längst nicht mehr gerechtfertigt sind - wenn sie überhaupt einmal gerechtfertigt waren - und die in Verbindung mit unserem Universalbankensystem, in dem die Gefahr von Interessenkonflikten von vornherein angelegt ist, Transparenz und Wettbewerb in weiten Bereichen außer Kraft setzen. Im Zeichen der voranschreitenden Internationalisierung der Finanzmärkte ist dies inzwischen zum Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Deutschland geworden.
Um hier nicht falsch verstanden zu werden, Herr Ost: Vorteil unseres Bankensystems ist, daß es darauf verweisen die Banken immer zu Recht, und auch Sie haben darauf verwiesen - als Universalbankensystem im Gegensatz zinn angelsächsischen .Trennbankensystem durch den internen Risikoausgleich wesentlich weniger krisenanfällig ist und spektakuläre Finanzkrisen wie zuletzt die durch die Spekulation mit Derivaten ausgelöste Pleite des Bankhauses Barings in der Bundesrepublik kaum vorstellbar sind. Trotzdem müssen wir überlegen, wie wir im Rahmen dessen den offenkundigen Mißständen im Kreditwesen Abhilfe schaffen können.
In keinem anderen Land konzentrieren sich in der Hand der Banken so viele Einflußfaktoren: Sie sind gleichzeitig Kreditgeber, Anteilseigner, Aufsichtsratsmitglieder und vertreten über das Depotstimmrecht auch noch die Aktionäre. Es ist ein inzwischen häufig zitiertes Beispiel, daß es den sieben Kerngesellschaften des privaten Finanzsektors in der Bundesrepublik gelungen ist, sich durch wechselseitige Beteiligungen und Depotstimmrechte gegenüber den Kontrollmechanismen des Kapitalmarktes vollständig abzuschirmen. Das heutige Aktienrecht ermöglicht es den Banken, Fremdbestimmung zu minimieren, dabei aber die eigene Präsenz in fremden Unternehmen zu maximieren.
Die Macht der Banken geht zu Lasten der Kleinanleger. Um mit Professor Wolfram Engels, dem kürzlich verstorbenen Herausgeber der „ Wirtschaftswoche", der sicherlich nicht in Gefahr stand, den GRÜNEN nahezustehen, zu sprechen: Der Aktienmarkt steht statt unter dem Prinzip des Anlegerschutzes unter dem Prinzip des Managerschutzes. Wir brauchen in der Tat mehr Transparenz und Wettbewerb im Bankenbereich, und das dringend. Insofern unterstützt meine Fraktion den Gesetzentwurf der SPD.
Da Sie, Herr Bury, die entsprechenden Forderungen Ihrer Fraktion bereits eingehend dargelegt haben, werde ich an dieser Stelle auf die Punkte eingehen, bei denen die Vorstellungen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN über die der SPD hinausgehen bzw. wir die von Ihnen gemachten Lösungsvorschläge kritisch beurteilen.
Ich wundere mich, meine Herren von der SPD, weshalb die grundsätzliche Frage der gesetzlichen Privilegierung der Banken gegenüber anderen Wirtschaftsuntemehmen für die SPD offensichtlich kein Thema mehr ist. Ich denke da insbesondere an § 102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen,
der für Banken und Versicherungen weitreichende Ausnahmen vom Kartellverbot zuläßt. Ich weiß, Sie hatten ihn im vorherigen Gesetzentwurf.
Die praktische Bedeutung des § 102 GWB liegt vor allem in der Freistellung der Habenzinsempfehlungen und der Freistellung der Empfehlungen zur Regelung des Massengeschäfts in der Kreditwirtschaft vom Kartellverbot sowie in den Absprachen oder Empfehlungen über allgemeine Geschäftsbedingungen, was bedeutet, daß Zinssenkungen bei der Kreditvergabe nur verzögert weitergegeben werden und sich die Gebühren und Konditionen zwischen den Instituten kaum noch unterscheiden.
Diese Tatsache trägt entscheidend dazu bei, daß sich Verbraucherinnen und Verbraucher in der Bundesrepbulik strukturell einer vereinigten Bankenmacht gegenübersehen. Auch die Verbraucherverbände sehen dies so. Wenn aber die Banken Wirtschaftsunternehmen wie andere auch sind - was sie nicht müde werden zu betonen -, dann ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet sie untereinander Kartellabsprachen treffen dürfen, andere Unternehmen jedoch nicht bzw. nur in engumrissenen Ausnahmefällen.
Die Ausnahme von Banken und Versicherungen vom Kartellverbot wurde ursprünglich mit den besonderen Eigenschaften der Kredit- und Versicherungswirtschaft gerechtfertigt; ich bin bereits darauf eingegangen. Diese rechtfertigen aber nach Ansicht von Wissenschaftlern, auf die ich mich beziehe, bestenfalls eine besondere staatliche Aufsicht, niemals aber die generelle Erlaubnis privater Wettbewerbsbeschränkungen. Auf jeden Fall läßt sich feststellen, daß die Kartelle im Zahlungsverkehr und im Börsenwesen dem Finanzplatz Deutschland jedenfalls inzwischen mehr schaden, als sie nutzen, und dies gerade im Kontext der Globalisierung der Finanzmärkte. Deshalb tendieren wir dazu, bei der Streichung des § 102 GWB zu bleiben.
Margareta Wolf
Zweiter Punkt: die Vorstellungen der SPD zur Reform des Depotstimmrechtes. Es ist unstrittig, daß im Zusammenhang mit der Macht der Banken das Depotstimmrecht ein Kernproblem darstellt - Herr Bury hat es ausgeführt -, da es die im Universalbankensystem angelegten Interessenkonflikte noch verstärkt. Ihre Fraktion schlägt daher vor, das bisherige Vollmachtstimmrecht für Kreditinstitute durch eine professionelle und unabhängige Aktionärsvertretung zu ersetzen, und hat hierfür den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer auserkoren.
Unabhängig von den praktischen Problemen, die wir darin sehen, wird hier meiner Ansicht nach tatsächlich der Bock zum Gärtner gemacht und lediglich ein Interessenkonflikt durch einen anderen ersetzt. Daß sich für die zu vertretenden Aktionäre dadurch eine Verbesserung ergibt, wagen wir zu bezweifeln. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, daß die von Ihnen vorgeschlagene Regelung gegenüber dem Status quo sogar noch eine Verschlechterung bedeuten würde. Darüber sollte man noch einmal reden.
Eine organisierte Vertretung von Interessen wird sich immer an den Interessen des Managements, nicht aber an denen der Aktionäre orientieren, da es für den Kleinanleger nicht rational ist, seine Interessen auf Hauptversammlungen zu vertreten oder seine Interessenvertreter zu kontrollieren. Wir halten es daher für sinnvoller, auf eine professionelle Vollmachtvertretung ganz zu verzichten, d. h. das Depotstimmrecht ersatzlos abzuschaffen. Wir haben das Für und Wider abgwogen.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich verstehe Ihre Argumentation nicht. Was nützen uns formal hohe Hauptversammlungspräsenzen, wenn die Interessen der Kleinanleger durch die Vertretung der Bank nur formal, nicht aber inhaltlich vertreten werden? Die meisten anderen Länder haben deutlich niedrigere durchschnittliche Hauptversammlungspräsenzen. Maßstab muß doch sein, ob die Willensbildung in den Hauptversammlungen möglichst unverzerrt erfolgt. Das Depotstimmrecht, aber auch die professionelle Aktionärsvertretung führen hier zu verfälschten Ergebnissen.
Erlauben Sie mir als letzten Punkt noch ein paar kritische Anmerkungen zum Stichwort Risikokapital. Die SPD verspricht sich von dem Abbau der bisherigen Beteiligungen, daß die Banken endlich mehr Risikokapital bereitstellen, dessen Fehlen heute Innovationen in Deutschland massiv behindert. Daß Risikokapital in Deutschland dringend benötigt wird, steht, denke ich, in diesem Hause fraktionsübergreifend außer Frage.
Der Markt ist tatsächlich, was das Risikokapital angeht, in einem bemitleidenswerten Zustand. In Deutschland beträgt der Marktwert des an der Aktienbörse gehandelten Risikokapitals nur 24 % des Bruttosozialprodukts. Im internationalen Vergleich ist dies ein verschwindend geringer Wert. In den USA, in Japan, in Großbritannien oder aber in der Schweiz haben wir Werte, meine Damen und Herren, die drei- bis fünfmal so hoch liegen wie in der Bundesrepublik. Am stärksten macht sich dieser Mangel - das ist bekannt - beim wirtschaftlichen Aufbau in den fünf neuen Bundesländern, aber auch bei der Existenzgründung bemerkbar.
Der Mangel an Risikokapital ist jedoch kein Problem, das dadurch verursacht wird, daß die Banken nicht über die notwendigen Mittel verfügen. Die Ursache liegt vielmehr darin, daß das bundesdeutsche Universalbankensystem zur Bereitstellung von Risikokapital grundsätzlich wenig geeignet ist. Da wir dennoch endlich einen funktionsfähigen und internationalen Maßstäben standhaltenden Markt für Risikokapital herstellen wollen, müssen wir dafür sorgen, daß die Bereitstellung von Risikokapital zu einer profitablen Angelegenheit wird. Dies bedeutet vor allem, daß die steuerlichen Rahmenbedingungen für Risikokapitalgesellschaften zu verbessern sind. Das heißt, es sind bessere Abschreibungsmöglichkeiten zu schaffen. Dieser Bereich des Steuerrechts ist entsprechend zu ändern.
- Ich bedanke mich, Herr Schwanhold.
Mit der Begrenzung des Beteiligungsbesitzes von Banken allein, so begrüßenswert sie unter Wettbewerbs- und Transparenzgesichtspunkten auch sein mag, kann ein funktionsfähiger Markt für Risikokapital nicht hergestellt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend zusammenfassen, was die zentralen Vorstellungen meiner Fraktion in Ergänzung zu den bereits mehrfach positiv hervorgehobenen Vorstellungen der Kolleginnen und Kollegen von der SPD sind:
Erstens. Um Transparenz und Wettbewerb im Bankenbereich zu verbessern, ist die Streichung des § 102 GWB für uns eine elementare Voraussetzung.
Zweitens. Das Depotstimmrecht sollte abgeschafft werden, da es zu einer Verzerrung der Willensbildung in den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften führt. Die sinkenden Hauptversammlungspräsenzen sollten in Kauf genommen werden.
Drittens. Im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sind wir für die Schaffung eines ordentlichen Kundinnen- und Kundenbeirates nach dem Vorbild Frankreichs.
Viertens. Es ist unabdingbar, daß das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das personell unterbesetzt ist und bislang ein Schattendasein fristet, umgestaltet wird und seine Kompetenzen um echte Kundenschutzfunktionen erweitert werden.
Fünftens. Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Risikokapitalgesellschaften müssen dringend verbessert werden. Das heißt, wir müssen bessere Abschreibungsmöglichkeiten schaffen.
Ich bedanke mich.