Rede von
Rolf
Kutzmutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vermag nicht einzuschätzen, wer wann wen über den Tisch gezogen hat. Ich war bei der damaligen Debatte nicht dabei. Deshalb habe ich im Protokoll nachgelesen und gefunden, daß die jetzt gültige Regelung 1992 mit Zustimmung der Koalitionsparteien und einiger SPD-Abgeordneter beschlossen worden ist.
Es wurde hier schon angesprochen, daß die Regelung festlegt, daß jeder Kammerangehörige - gleich welcher Branche und Größe - einen Beitrag zu zahlen hat, der am Gewerbeertrag gemessen wird. Diese Regelung erscheint mir gerechter als ihre Vorläuferin, denn in der Tat möchte ich sehr gern bestätigen - zumindest für den Bereich, den ich kenne -, daß die IHK eine für Gewerbetreibende umfangreiche Arbeit leistet. Auch wenn Mitglieder die Kammer nicht direkt in Anspruch nehmen, profitieren doch alle von deren Arbeit. Allerdings - das will ich hier einschränkend sagen - ist tatsächlich darüber nachzudenken, welche Art von Freigrenzen bzw. Bemessungsgrenzen insgesamt für die Beiträge festgelegt werden.
Tatsache ist, daß die Kammern wesentlich billiger, schneller und sachgerechter arbeiten, als es extra einzurichtende staatliche Einrichtungen jemals tun könnten. Tatsache ist natürlich auch, daß sich die gesamte Arbeit der Kammern als Vorteil beim einzelnen Unternehmen messen läßt. Aber es gibt eine Vielzahl von Leistungen, die besonders kleinen Unternehmen helfen. Ich denke an die Vielzahl von Beratungsangeboten, die von den Betroffenen noch viel stärker genutzt werden sollten.
Für mich - das will ich gern eingestehen - sind die Zahlen der Beitragssteigerungen in der Begründung des vorliegenden Antrags im Moment noch nicht
Rolf Kutzmutz
schlüssig. Es wurde hier schon auf Beispiele verwiesen. Ich meine, es ist nicht gerechtfertigt, unter kleinen Gewerbetreibenden sowohl den Kioskbetreiber als auch den Handelsvertreter zu erfassen. Ich glaube, daß zwischen diesen beiden Unternehmern ein gehöriger Unterschied besteht.
Mein Herz schlägt für den Kioskbetreiber. Deshalb bin ich natürlich auch für eine Überprüfung der Beitragssätze. Aber, wie gesagt, die Vermischung bringt hier keine größere Klarheit.
Auch wenn der Pflichtbeitrag 1962 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist, bin ich der Auffassung, daß es tatsächlich an der Zeit ist, zu prüfen, ob die Pflichtbeiträge noch in diese Zeit passen. Es gäbe die Möglichkeit, daß die IHKs, die bisher nicht entsprechend arbeiten, ihre Arbeit entsprechend umstellen. Allerdings erscheint mir die Umstellung auf eine Finanzierung durch Entgelte für konkrete Leistungen, die Sie anmahnen, fragwürdig. Auch dazu ist schon etwas gesagt worden. Nehmen Sie allein das Problem von Prüfungen im Rahmen der Berufsausbildung. Rund 500 000 werden im Jahr durchgeführt. Wer soll die bezahlen? Jene IHK-Mitglieder, die ausbilden, oder jene IHK-Mitglieder, die nicht ausbilden, oder gar die Auszubildenden?
Wir Demokratischen Sozialisten halten den Anstoß zu einer Überprüfung der Bemessung der IHK-Beiträge, wie er von der SPD-Gesetzesinitiative ausgeht, für gerechtfertigt. Allerdings würden wir sehr gern weitere Zahlen zu Rate ziehen können. Ich nehme den Vorschlag gern auf, dies im Wirtschaftsausschuß zu tun. Dieser Anstoß ist auch deshalb notwendig, weil die Kammerbeiträge von Region zu Region viel zu unterschiedlich sind. Im Durchschnitt sind es 0,4 % des Gewerbeertrags, die an die Kammer gezahlt werden. Aber Sie alle kennen den Witz mit dem Durchschnitt und dem konkreten Einzelfall: Der Graben war im Durchschnitt 80 cm tief, trotzdem ist die Kuh darin ersoffen.
Im übrigen ist es doch wohl so, daß nicht alle Kammern in den alten Bundesländern auf das neue Beitragsrecht umgestellt haben. Diejenigen, die sich einer Umstellung verweigert haben, wurden als Argument dafür herangezogen, daß die Regelung nicht angenommen wird. In den neuen Bundesländern dagegen werden alle Mitglieder veranlagt. Zum Teil wird mit Freigrenzen gearbeitet, die deutlich über denen liegen, die durch den Gesetzentwurf verankert werden sollen.
Noch einmal und abschließend: Die heutige Debatte erinnert stark an jene im November 1992. Offensichtlich sind keine neuen Argumente pro oder contra und auch keine neuen Fakten hinzugekommen.
- Herr Hinsken, irgendwann brauchen Sie einen Spickzettel für Zwischenrufe, weil man sie einfach dann machen sollte, wenn sie einen Sinn haben.
Im Prinzip widersprechen wir beide uns doch nicht. Ich sage, daß nach etwas über einem Jahr gar keine konkreten Zahlen vorliegen können, die beweisen, daß die eine oder die andere Lösung besser ist. Ich verweise darauf, daß wir gerade auf diese Zahlen abheben sollten. Deshalb halte ich Ihren Zwischenruf eigentlich für unsinnig.
Die Gruppe PDS/Linke Liste hat 1992 die Gesetzesänderung abgelehnt. Ich sehe den Ausschußberatungen erwartungsvoll entgegen, hoffend auf neue und überzeugende Fakten.
Danke schön.