Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung der Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammern ist heute unser Thema.
Frau Wolf, ich habe bei dem, was Sie vorhin erzählt haben, überlegt, in welcher Kammer Sie wohl tätig sind bzw. wo Sie Ihre Informationen herhaben. Mit dem, was Sie hier erzählt haben, haben Sie sich als Anwalt des Mittelstandes und anderer Interessenvertretungen präsentiert. Wenn Sie einmal in einer Kammervollversammlung sind, werden Sie jedoch sehen, daß die Wirklichkeit etwas anders aussieht als das, was Sie hier abgeliefert haben.
Die Sozialdemokraten sind findige und ausdauernde Menschen. Wenn sie sich einmal in ein populistisches Thema verbissen haben, widmen sie sich ihm an vielen Fronten. Sie tun dies auch dann, wenn eigentlich sehr viel von dem, was sie hier verkünden, dagegen spricht.
Uns liegt ein Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vor. Und siehe, die SPD will hier zurück zu einer Lösung, die auch das Gewerbekapital wieder in die Bemessungsgrundlage der Beitragserhebung einbezieht. Das ist nach den Ergebnissen von heute morgen konsequent und zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll.
Nun lassen Sie uns einmal gemeinsam auf die Fakten hinter der Wortmeldung der Opposition schauen. Warum haben wir 1992 das neue Beitragsrecht beschlossen? Die Anknüpfung der Kammerbeiträge an die Handelsregistereintragung und an die Gewerbesteuermeßbeträge im alten Beitragsrecht hatten dazu geführt, daß von den ungefähr 1,5 Millionen nicht im Handelsregister eingetragenen Kammerzugehörigen 1,1 Millionen überhaupt keinen Beitrag und die restlichen 400 000 nur den ermäßigten Grundbeitrag zahlen mußten.
Von Beitragsgerechtigkeit konnte dort keine Rede sein. Ich gehöre selbst einer Kammervollversammlung an. Gelegentlich hat man schon das Gefühl, daß der, der die Musik bezahlt, auch ein wenig den Song bestimmt, der dort gespielt wird. Daher waren wir gut beraten - auch die Gerichte haben die Beitragszahlungen so, wie sie ausgestaltet waren, für nicht vereinbar mit dem Prinzip der Beitragsgerechtigkeit erklärt -, eine Änderung durchzuführen.
Der Regelungsbedarf ergab sich also nicht aus der Gier der Kammern nach neuen Mehreinnahmen, sondern auf Grund der Korrektur, die dringend erforderlich war. Ganz am Rande muß man deutlich machen, daß die Kammern im Grundsatz nicht mehr Beiträge erhalten, sondern daß die Beitragsregelung tatsächlich zu einer Verschiebung und gleichmäßigeren Verteilung geführt hat.
Das neue Beitragsrecht orientiert sich am Gewerbeertrag, einem brauchbaren Maßstab für die Leistungskraft eines Unternehmens. Auf die Einbeziehung des Gewerbekapitals haben wir damals bewußt verzichtet; denn im Gegensatz zur Opposition halten wir bei den Unternehmen von einem an der Substanz orientierten Beitrag überhaupt nichts.
Die Erfahrungen mit der neuen Beitragsordnung sprechen nicht dafür, etwas zu ändern. Die weitaus meisten der bisher beitragsfreien Kammerzugehörigen zahlen den Mindestgrundbetrag von ca. 100 DM. Dort, wo selbst diese Zahlungen nicht tragbar erscheinen, bedienen sich die Kammern einer großzügigen Erlaßpraxis.
Paul K. Friedhoff
Die SPD beklagt in ihrem Gesetzentwurf, daß das gültige Beitragsrecht in Einzelfällen zur Vervielfachung von Beiträgen geführt habe. Natürlich gibt es die Fälle des gut verdienenden Handelsvertreters, der - nicht im Handelsregister eingetragen - nach der Umstellung ein Vielfaches des Beitrags zahlt, den er nach der alten Regelung zu entrichten hatte. Ich wundere mich aber sehr, daß Sie das beklagen, denn sonst mobilisieren Sie sehr viel Phantasie, um wirtschaftlich erfolgreichen Menschen möglichst viel von dem Geleisteten zu nehmen,
aber hier möchten Sie eine Regelung abschaffen, die sich an der Leistungsfähigkeit orientiert. Sie haben völlig recht, das ist dummes Zeug, aber Sie tun es, Frau Matthäus-Maier.
Auch wir finden, daß das dummes Zeug ist.
Ich jedenfalls freue mich über jeden Menschen, der - an seiner Leistungsfähigkeit gemessen - so viel zum Beitragsaufkommen der Kammern wie jene gut verdienenden Handelsvertreter beitragen kann. Ich wollte, es gäbe noch mehr solche Menschen, denn dann ginge es, glaube ich, unserem Land insgesamt besser.
Im übrigen weiß ich aus meinem eigenen Kammerbezirk, daß auch dort eine intensive Informationsarbeit dazu geführt hat, daß die Beschwerden gegen die Neuregelung erheblich abgenommen haben. Aber wenn man etwas neu einführt, ist es in der Regel so, daß zu Beginn große Aufregung herrscht. Meistens legt sich das, und das ist auch hier so gewesen.
Die Sozialdemokraten fordern die Umstellung der Beitragsfinanzierung auf eine Entgeltfinanzierung. Sie behaupten, eine solche Umstellung führe zu einer besseren Leistungszurechnung. Ich kann das nicht erkennen. Natürlich besteht doch auch heute schon ein beachtlicher Anteil der Einnahmen der Kammern aus berechneten Leistungen. Dabei soll es auch bleiben. Aber es kann eben nicht nur darauf umgestellt werden.
Die Aufgaben im Bereich der gesamtwirtschaftlichen Interessenvertretung, der Wirtschaftsförderung und anderer Leistungen, die sonst der Staat übernehmen müßte, erfordern eine Beitragshoheit der Kammern, die alle Mitglieder nach ihrer Leistungsfähigkeit einbezieht. Wollen Sie etwa den in der Ausbildung tätigen Betrieben die Kosten, die durch die Ausbildung entstehen, zusätzlich aufbürden, die natürlich die Kammern durch ihre Leistungen, die sie an der Stelle erbringen, von den ausbildenden Betrieben einnehmen müßten? Ich glaube, das geht zu weit. Das kann man deswegen nicht ohne einen an der Leistungsfähigkeit orientierten Einnahmesatz verhindern.
Ich glaube, der. Vorschlag der SPD würde letztlich zur Aushöhlung des Kammerwesens und zur Verlagerung von Aufgaben auf den Staat führen. Das mag ja die Absicht der Sozialdemokraten sein. Wäre dies anders, will' de es mich aber auch nicht besonders wundern.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion steht für den Erhalt eines guten und bewährten Stücks der Selbstverwaltung der deutschen Wirtschaft. Wir wollen nicht, daß noch mehr Aufgaben dem Staat zufallen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.