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ID1303609800

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    Plenarprotokoll 13/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2817 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen 2817 B Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 106 GG) (Drucksachen 13/900, 13/1313) Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 2817 D Rudolf Scharping SPD 2822 A Gert Willner CDU/CSU 2823 B Dr. Hermannn Otto Solms F.D.P. 2825 B Joachim Poß SPD 2827 D, 2837 A Detlev von Larcher SPD 2828 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2829 B Friedrich Merz CDU/CSU 2830 A Hans Michelbach CDU/CSU 2830 B Dr. Gregor Gysi PDS 2831 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 2834 A, 2840 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 2834 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 2838 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 2840 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 2841 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 2844 A Dietmar Thieser SPD 2845 B Jörg-Otto Spiller SPD 2845 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2846 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 2848 A Dr. Horst Waffenschmidt CDU/CSU 2848 C Volker Kröning SPD 2849 D Namentliche Abstimmung 2851 C/D Ergebnis 2852 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Hans Berger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Drucksache 13/384) Ernst Schwanhold SPD 2854 D Ernst Hinsken CDU/CSU 2857 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2860 D Ernst Hinsken CDU/CSU 2861 A Paul K. Friedhoff F.D.P 2862 B Rolf Kutzmutz PDS 2863 C Friedhelm Ost CDU/CSU 2864 C Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 2866 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Hans-Dirk Bierling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Olaf Feldmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Weitgehende Einsatzbeschränkungen für Landminen (Drucksache 13/1299) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Steffen Tippach, Andrea Lederer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Weltweite Ächtung der Landminen (Drucksache 13/02) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Achtung von Landminen (Drucksache 13/1304) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Volker Kröning, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbot von Landminen und Unterstützung der Länder der Dritten Welt bei der Lösung ihrer Probleme durch Minen und andere gefährliche Munition (Drucksache 13/1308) Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 2868 C Volker Kröning SPD 2870 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2872 B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 2873 B Steffen Tippach PDS 2874 C Helmut Schäfer, Staatsminister AA 2875 B Nächste Sitzung 2876 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2877* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln), Rita Grieshaber, Winfried Nachtwei, Oswald Metzger und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1995 auf Drucksache 13/889 in der 29. Sitzung am 28. März 1995 (Seiten 2124 A bis 2126 C) 2877* B Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Lenzer (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts 1995 - Haushaltsgesetz 1995 -, hier Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, Drucksachen 13/504 und 13/527 in der 31. Sitzung am 30. März 1995 (Seiten 2433 C bis 2435 D) 2877* C Anlage 4 Amtliche Mitteilung 2877* C 36. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 12. 05.95 Hartmut Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 12.05.95 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 12. 05. 95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 12. 05. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 12. 05. 95 Dr. Jens, Uwe SPD 12. 05. 95 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 12. 05. 95 Marx, Dorle SPD 12. 05. 95 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 12. 05. 95 90/DIE GRÜNEN Müller (Düsseldorf), SPD 12. 05. 95 Michael Dr. Scheer, Hermann SPD 12. 05. 95* Schönberger, Ursula BÜNDNIS 12.0 5. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 12. 05. 95 Wolf, Hanna SPD 12. 05. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln), Rita Grieshaber, Winfried Nachtwei, Oswald Metzger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1995 auf Drucksache 13/889 in der 29. Sitzung am 28. März 1995 (Seiten 2124 A bis 2126 C) Ich erkläre, daß ich in der namentlichen Abstimmung mit Nein gestimmt habe. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Lenzer (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts 1995 - Haushaltsgesetz 1995 -, hier Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, Drucksachen 13/504 und 13/527 in der 31. Sitzung am 30. März 1995 (Seiten 2433 C bis 2435 D) Ich erkläre, daß ich in der namentlichen Abstimmung mit Ja gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen haben oder von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/478 Nr. 2.5 Drucksache 13/478 Nr. 2.7 Drucksache 13/218 Nr. 39 Drucksache 13/343 Nr. 2.21 Drucksache 13/614 Nr. 2.8 Drucksache 13/614 Nr. 2.15 Drucksache 13/343 Nr. 1.2 Drucksache 13/343 Nr. 1.3 Drucksache 13/343 Nr. 1.4 Drucksache 13/343 Nr. 1.5 Drucksache 13/343 Nr. 1.6 Drucksache 13/343 Nr. 2.2 Drucksache 13/343 Nr. 2.4 Drucksache 13/343 Nr. 2.6 Drucksache 13/343 Nr. 2.11 Drucksache 13/343 Nr. 2.14 Drucksache 13/343 Nr. 2.15 Drucksache 13/343 Nr. 2.16 Drucksache 13/343 Nr. 2.18 Drucksache 13/343 Nr. 2.25 Drucksache 13/343 Nr. 2.26 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/725 Nr. 171 Drucksache 13/725 Nr. 172 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/218 Nr. 102 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/614 Nr. 2.17 Innenausschuß Drucksache 13/45 Drucksache 13/269 Nr. 1.2 Drucksache 12/2582 Auswärtige Ausschuß Drucksache 13/343 Nr. 1.1
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    Rede von Ernst Schwanhold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    (Beifall bei der SPD)

    Am liebsten würden nämliche viele dieser Unternehmen den IHKs den Rücken kehren und austreten. Wenn sie die Möglichkeit hätten, durch Kündigung abzustimmen, würden sie das ohne Zögern tun. Sie beurteilen vielerorts auch die Leistungen schlecht.
    Meine Damen und Herren, Sie gefährden gerade eine Institution - das besitzt schon ein gewisses Maß an doppelsinniger Ironie -, die Sie zu verteidigen vorgegeben haben. Noch nie war der Unmut über die Industrie- und Handelskammern so groß; noch nie hatte diese Regierung ihren Kredit bei den Mittelständlern so stark verspielt, wie sie es zur Zeit gerade dabei ist zu tun.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Dummes Geschwätz!)

    - Reden Sie einmal mit denen!

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das mache ich ständig!)

    Lassen Sie sich nicht dadurch täuschen, daß die aus Angst, daß Sie aus dem Bundestag fliegen und Kohl nicht mehr Kanzler ist, Ihnen am Wahltag Ihre Stimme geben! Nur das ist der Punkt, mit dem Sie über die Runden zu kommen versuchen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Damit ist es auch vorbei! Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Kollege Schwanhold, das ist mehr als schwach!)

    - Entschuldigung, genau so kommen Sie über die Runden. Das muß man Ihnen auch einmal sagen. Wir werden uns am Sonntagabend außerordentlich genüßlich anschauen, wie viele in Nordrhein-Westfalen von Ihnen die Lösung der Probleme erwarten und wie viele der SPD zutrauen, die Probleme dieses Staates zu lösen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wollte das eigentlich gar nicht in dieser Schärfe machen, weil es um eine Beitragsregelung geht und auch um Aufgaben, die Industrie- und Handelskammern wahrzunehmen haben, die eigentlich der Staat wahrzunehmen hätte. Deshalb will ich zu der ruhigen Form der Auseinandersetzung zurückkehren.
    Im November 1992 haben Sie Regelungen des Rechts der Industrie- und Handelskammern gefunden, die diese Diskussion ausgelöst haben. Es ist ein bemerkenswerter Zufall, daß Dr. Eberhard Hamer, Leiter des Mittelstands-Instituts Niedersachsens, gesagt hat:
    Es ist schon originell, daß nun die SPD sich auf die Seite des Mittelstandes schlagen muß, weil die F.D.P. diesen erneut belasten und die CDU dies nicht verhindern will.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Daß das ein Schwachsinn ist, wissen Sie!)

    Genau darum geht es im Kern. Die CDU hat mit ihrem damaligen Gesetzentwurf den Mittelstand bis hinunter zum Kleinstgewerbetreibenden belastet. Ihre Begründung war, es müsse größere Beitragsgerechtigkeit beim Aufkommen der Industrie- und Handelskammern herrschen.
    Soweit wäre Ihre Argumentation noch einsichtig gewesen. Daß Sie mit dieser Belastung aber bei juristischen Personen schon ganz früh, ab der ersten Mark Gewinn, einsetzen und bei natürlichen Personen nur einen Freibetrag von 15 000 DM gewähren, ist wenig verständlich. Schließlich kann auch das Prinzip der Leistungsfähigkeit Freibeträge akzeptieren. Daß Sie aber mit dem gleichen Gesetzentwurf, der der Beitragsgerechtigkeit und der gleichmäßigeren Verteilung der Beitragslast dienen sollte, Unternehmen, und zwar große Unternehmen, entlastet haben, indem Sie die Gewerbekapitalsteuer herausgenommen haben, ist völlig unverständlich.
    Das Ergebnis dieses Vorgehens ist, daß es viele große Unternehmen gibt, die, weil sie vorübergehend rote Zahlen schreiben, keinen Beitrag oder nur Mindestbeiträge zahlen. Jedoch der Kioskbesitzer an der Ecke, der es sich nicht leisten kann, vorübergehend rote Zahlen zu schreiben, weil ihm das nämlich das Unternehmen kosten würde, zahlt fleißig Beiträge an die IHK. Das kann doch nicht richtig sein.

    (Zuruf des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])

    - Sie kennen die vielen Briefe, die wir bekommen haben, Herr Hinsken.
    Ich kenne Ihre Argumentation. Sie meinen, daß gerade die kleinen Unternehmen die Beratung bei den Industrie- und Handelskammern in besonderem Ausmaß in Anspruch nehmen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wie, der Hinsken hat dem zugestimmt? Das ist unglaublich! Friedhelm Ost [CDU/CSU]: Der zahlt sogar!)

    Ich kann mir das für meine Person auch sehr lebhaft vorstellen. Es ist aber auch genau richtig, daß sich die Industrie- und Handelskammern als Dienstleister von Existenzgründern und von kleinen Unternehmen

    Ernst Schwanhold
    verstehen und dieses auch mit Perspektive auf Wachstum machen, ohne daß sie das in Mark und Pfennig von der ersten Sekunde ab abgegolten bekommen. Man könnte sich auch fragen, ob eine dienstleistungsbezogene Beitragsfindung nicht das gerechtere Entlohnungssystem wäre. Merken Sie eigentlich, meine Damen und Herren, wie absurd die Argumentation ist, die Sie sich bezüglich der Veränderung aufgebaut haben?
    Nun gut, Sie haben Schaden angerichtet; das kann geschehen, weil vielleicht auch Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, dieser Bundesregierung auf den Leim gegangen sind. Das haben wir ja bei der Aufgabe der Kriterien für die Regionalförderung kürzlich drastisch erlebt. Die Äußerungen insbesondere aus Ihren Reihen zu dem Berliner Wirtschaftsminister, der vorgibt, Wirtschaftsminister für die Bundesrepublik insgesamt zu sein, lassen Parallelen erkennen.
    Heute gibt Ihnen die SPD-Bundestagsfraktion Gelegenheit, diesen Schaden zu reparieren. Helfen Sie mit, auf der Basis unseres Gesetzes die schlimmsten Auswüchse zu korrigieren! Unsere Vorstellung ist, im unteren Bereich die ganz Kleinen zu entlasten, dafür oben etwas mehr zu nehmen.
    Die Einbeziehung sehr kleiner Betriebe in die Beitragspflicht hat zu einer drastischen Erhöhung der Kosten geführt, die von der Bundesregierung in anderen Bereichen immer wieder heftig beklagt werden. Da in zugegebenermaßen extremen Einzelfällen diese Belastung durch die Beitragssteigerung von 150 DM auf 2 500 DM bzw. von 50 DM auf 2 000 DM pro Jahr völlig unangemessen ist, ist auch hier eine Korrektur unabwendbar.
    Mit der Gesetzesänderung sollen vor allem die kleinen Unternehmen entlastet bzw. von der Beitragszahlung befreit werden. Durch eine Begrenzung der Beitragshöhe erfolgt eine wesentliche Entlastung.
    Übrigens werden die am Ende, wenn ihre Einkommenssituation wirklich so schlecht ist, wieder bei den Gemeinden auflaufen und Wohngeld kassieren. Wir werden in dieser Höhe einen Sozialtransfer haben und im Grunde genommen die IHK-Beiträge aus dem allgemeinen Steueraufkommen subventionieren.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist ja ganz verrückt!)

    Mit der Gesetzgebung sollen vor allem kleine Selbständige entlastet werden. Konkret geschieht dies durch die Einführung eines Freibetrags für alle Unternehmen und durch eine Kappung der Beitragshöhe für kleine und mittlere Gewerbebetriebe.
    Für alle Gewerbetreibenden würde gelten, daß sie bis zu einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 20 000 DM von allen Beiträgen, also Grundbeitrag und Umlage, befreit sind. Bis zu einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 36 000 DM wären sie von der Umlage befreit. Der Grundbeitrag darf in diesen Fällen 120 DM nicht übersteigen.
    Natürlichen Personen und Personengesellschaften würde zusätzlich ein Freibetrag von 15 000 DM eingeräumt. Das bedeutet, daß sie bis zu einem Gewinn von 35 000 DM vom Grundbeitrag und bis zu einem Gewinn von 51 000 DM von der Umlage befreit sind.
    Eine solche Korrektur ist insbesondere deshalb notwendig, weil von den 83 Industrie- und Handelskammern in Deutschland allein 15 Kammern im Jahr 1994 über 410 000 Beitragsbescheide mehr verschikken mußten als im Jahr 1993. Dies verschlingt in aller Regel mehr, als sie an Einnahmen haben.
    Rechnet man diese Zahl auf alle Kammern hoch - einige Kammern haben ja noch nicht angepaßt -, sind von der Beitragserhöhung sehr viele Gewerbetreibende betroffen. Herr Ost, das Zeichen, das die Industrie- und Handelskammern gesetzt haben, indem sie nicht angepaßt haben, ist auf die Erkenntnis bei den Industrie- und Handelskammern zurückzuführen, daß es sich um eine Fehlentwicklung handelt, die Sie eingeleitet haben. Wenn Sie schon nicht unserer Argumentation folgen, dann folgen Sie doch wenigstens dem realen Handeln der Industrie- und Handelskammern an manchen Stellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Ausgleich des entstehenden Beitragsausfalls für die Industrie- und Handelskammern wird das Gewerbekapital wieder in die Bemessungsgrundlage für die Beiträge einbezogen. Dieses halten wir für richtig. Da sich die Industrie- und Handelskammern aus Beiträgen und Entgelten finanzieren, muß die Finanzierung insgesamt auf eine Finanzierung durch Entgelte für konkrete Leistungen umgestellt werden. Das ist eine richtige Tendenz, die wir begrüßen. Diese soll mit dem damaligen Gesetzesvorhaben nicht kaputtgeredet werden; deshalb auch unsere maßvollen Veränderungen im Bereich der Kappungsgrenzen.
    Durch eine solche Umstellung wird der Beitrag für die Unternehmen von fixen Kosten auf variable Kosten umgepolt und eine unmittelbare Verbindung von Leistung der Kammern für ihre Mitglieder und tatsächlich erhaltener Leistung hergestellt, nicht für die Hochglanzbroschüren.
    Übrigens gibt es auch die Möglichkeit, sich bei privaten Anbietern zu bedienen und einen Preisvergleich für diese Dienstleistungen anzustellen. Das führt zu einer Kostenentlastung, die von der Wirtschaft immer gefordert wird. Damit wird die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen, ob sie die Kammern in Anspruch nehmen oder nicht, erhöht. Gleichzeitig stellt die Begrenzung einen Anreiz für die Kammern dar, ihren Mitgliedern auch die von ihnen für notwendig erachteten Leistungsangebote zu machen.
    Das ist neu gegenüber unseren bisherigen Vorschlägen in dieser Sache: Sie helfen mit, das System umzustellen, es aber am Ende zu erhalten; denn es blieben Aufgaben, die wir als Staat zu lösen hätten und die wir uns nicht zusätzlich aufladen sollten.

    Ernst Schwanhold
    Deswegen ist dieses System insgesamt nicht von vornherein in Frage zu stellen. Es ist dann in Frage zu stellen, wenn dieser Umstrukturierungs- und Anpassungsprozeß nicht organisiert wird.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, dieser Ansatz ist auch ein viel marktwirtschaflicherer Anreiz, ein deregulierender Ansatz; denn er stärkt die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder der Industrie- und Handelskammern, wieviel sie sich ihre Industrie- und Handelskammer konkret kosten lassen wollen. Nehmen die Mitglieder keine Leistungen in Anspruch, bleibt es bei dem Beitrag; nehmen sie Leistungen in Anspruch, kommen die Entgelte oben drauf. Wer Unternehmer von Fesseln und Bevormundung befreien will, muß diesem Vorschlag eigentlich zustimmen. Denn machen wir uns nichts vor: Wenn wir hier keine Abhilfe schaffen, gefährden wir das System insgesamt.

    (Beifall bei der SPD)

    Mitgliedschaft in Form einer Pflichtmitgliedschaft schafft nur dann besonderen Unmut, wenn die daraus auferlegten Beitragslasten drückend werden. Sie schafft keinen Unmut, wenn die Beitragslast bezahlbar ist und die zusätzlichen Leistungen honoriert werden. Helfen wir doch insbesondere den kleinen Unternehmen bei dieser drückenden Last! Zwingen wir die Industrie- und Handelskammern zu sparsamer Haushaltsführung, zu effektivem Umgang mit den von ihren Mitgliedern zwangsweise erhobenen Beiträgen, und helfen wir insgesamt, damit das System zu erhalten!
    Ich finde es zwischenzeitlich mehr als erbärmlich, uns von denen, die im Glashaus sitzen, immer vorwerfen zu lassen, wir wollten das Glashaus für uns quasi als Selbstbedienungsladen reklamieren, während sie selbst diesen Selbstbedienungsladen bis in alle Ewigkeiten festschreiben wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das hat sich in der Vergangenheit gezeigt: Der ungenierte Zugriff in Sachen Beiträge hat nicht nur großen Unmut bei den Mitgliedern hervorgerufen, sondern auch den massiven Wunsch, der Industrie- und Handelskammer auf Dauer den Rücken zu kehren, weil die Leistungen nicht adäquat gewesen sind.
    Meine Damen und Herren, es ist schon ganz interessant, wenn Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammern in Vier-Augen-Gesprächen und in Briéfen ihrer Sorge Ausdruck geben, daß mit der von Ihnen im November 1992 durchgeführten Beitragsreform das ganze System bedroht wird. Ihre Reform ist ein hübsches Beispiel dafür, wie man über das Ziel hinausschießen kann. Statt den Kammern mit Augenmaß zu helfen, haben Sie ihnen einen Bärendienst erwiesen. Noch können Sie die Panne beheben. Sie müssen bei den Beratungen in den Ausschüssen entscheiden, was Sie nun wollen: das System insgesamt gefährden oder eine Anpassung vornehmen, die sinnvoll ist.
    Falls Sie als Entscheidungshilfe eine Anhörung brauchen, werden wir Sozialdemokraten Ihnen diese gerne organisieren. Sie werden Ihr blaues Wunder erleben.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wie bei Waigel!)

    Worum geht es uns? Es geht uns darum, daß die von Ihnen ins Werk gesetzte Umverteilung von unten nach oben zumindest auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt wird. Mit den Beratungen dieses Gesetzentwurfes werden Sie beweisen müssen, ob Sie in der Lage sind, Ihren netten Worten für den Mittelstand auch tatsächlich Taten folgen zu lassen. Wir geben Ihnen Gelegenheit dazu. Ich finde, Professor Hamer hat recht: Das ist originell.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Ernst Hinsken.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schwanhold, wenn Sie meinen, hier sei das Parlament der Bundesregierung auf den Leim gegangen, dann würde das in gleicher Weise auch auf den Bundesrat zutreffen. Ich möchte gleich eingangs meiner Rede erwähnen, daß der gesamte Bundesrat der damals gefundenen Gesetzgebung einstimmig zugestimmt hat. Ich glaube, Sie wissen genauso wie ich, daß im Bundesrat nicht nur CDU-/CSU-Mitglieder sitzen, sondern auch Kollegen aus Ihrer Partei.
    Ich möchte Ihnen, Herr Schwanhold, widersprechen. Sie haben gesagt: Wir brauchen eine Anhörung. Eine Anhörung brauche ich dann, wenn ich etwas wissen möchte, was ich normalerweise nicht erfahren kann. Wenn ich mich aber hier unmittelbar vor Ort erkundige, um das eine oder andere in Erfahrung zu bringen, dann, meine ich, kann ich daraus schöpfen, Konsequenzen ziehen und dies ins Parlament mit einbringen, um dann eine Diskussion so zu bestreiten, wie sie heute auf Grund des Tagesordnungspunktes, den Sie ja mit angesetzt haben, notwendig und erforderlich ist.
    Warum haben wir dieses Gesetz damals überhaupt novelliert?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das fragen wir uns auch!)

    - Damals waren Sie nicht dabei, Frau Matthäus-Maier. Damals haben Sie meine Rede nicht gehört, sonst wüßten Sie es.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Selbstverständlich, ich bin immer dabei!)

    Das alte Beitragsrecht hatte nämlich dazu geführt, daß von den ca. 1,5 Millionen nicht im Handelsregister eingetragenen kammerzugehörigen sogenannten Kleingewerbetreibenden 1,1 Millionen über-

    Ernst Hinsken
    haupt keinen Beitrag und die restlichen 400 000 nur den ermäßigten Grundbeitrag zu zahlen hatten.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Das habe ich doch gerade gesagt!)

    Die Rechtsprechung sah in der Befreiung von ca. 60 % der Kammerzugehörigen von jeglicher Beitragszahlung einen Verstoß gegen das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 26. Juli 1990 darauf hingewiesen, daß die Gewerbesteuermeßbeträge um so weniger den entscheidenden Maßstab für die Mitgliedsbeiträge einer Kammer bilden können, je mehr die Gewerbesteuer aus wirtschaftspolitischen Gründen auf die größeren Unternehmen verlagert wird. Deshalb sind die Kammern seinerzeit an den Gesetzgeber, an uns, herangetreten, um eine Änderung herbeizuführen. Wir sind diesem Wunsch nachgekommen.
    Darüber hinaus stellt es auch - so das Bundesverwaltungsgericht - einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 des Grundgesetzes dar, wenn ein im Handelsregister eingetragenes Unternehmen mit einem jährlichen Ertrag von 300 000 DM ca. 1 500 DM Beitrag an die IHK zu entrichten hatte, während ein im Handelsregister nicht eingetragener Kammerzugehöriger mit demselben Ertrag nur den ermäßigten Grundbeitrag in Höhe von 75 bis 100 DM zu zahlen hatte.
    Die Beitragsneuregelung war also aus Rechtsgründen und zur Herstellung von mehr Beitragsgerechtigkeit erforderlich und nicht etwa, um den Industrie- und Handelskammern mehr Einnahmen zu verschaffen. Tatsächlich sind auch die Haushaltsvolumina der Kammern, die das neue Beitragsrecht bereits eingeführt haben - das sind 50 von insgesamt 69 Indusrie-
    und Handelskammern -, in den alten Bundesländern unverändert geblieben.
    Ich bitte auch darauf Wert zu legen, daß nicht in allen Kammern, Frau Matthäus-Maier, dieses bereits umgesetzt ist.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Die ignorieren Ihr Gesetz, weil sie es für Quatsch halten!)

    Hier sind die einzelnen Vollversammlungen gefordert, Beschlüsse zu fassen und das dann umzusetzen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Aber denken Sie an all die kleinen Unternehmen in Ostdeutschland!)

    - Fragen Sie mich doch! Sonst geht mir das von der Redezeit ab.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das werden Sie überleben!)

    Die Kammern in den neuen Bundesländern werden dem neuen Recht erst nach Ablauf der Obergangsfrist am 31. Dezember 1997 unterworfen.
    Meine Damen und Herren, in der politischen wie öffentlichen Diskussion über das neue Beitragsrecht wird oftmals verallgemeinernd wie irreführend von Beitragserhöhungen der IHKs gesprochen. An Hand
    des Beispiels meiner Industrie- und Handelskammer, der für Niederbayern, die das neue Beitragsrecht ab 1. Januar 1996 einführen will, möchte ich verdeutlichen, daß dies an den Realitäten vorbeigeht.
    Für 12 000 Gewerbetreibende - das sind immerhin ca. 95 % der bisherigen Beitragszahler - soll auf Grund der Erweiterung des Kreises der Beitragspflichtigen der Grundbeitrag gesenkt werden. Von einer „Umverteilung von oben nach unten", wie oftmals, so auch heute wieder von Ihnen, Herr Schwanhold, behauptet wird,

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Völlig zu Recht!) kann demzufolge überhaupt keine Rede sein.

    Ich bestreite nicht, daß es dabei auch einige Problemfälle gibt, die es zu beseitigen gilt.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Oh, das ist doch etwas ganz Neues!)

    Aber wenn als Beispiel für die angebliche Ungerechtigkeit des neuen Beitragssystems Antiquitätenhändler oder Immobilienmakler angeführt werden, die jetzt einen jährlichen Kammerbeitrag von 2 000 DM zu zahlen haben, so hinken diese Beispiele.
    Durchleuchten wir doch diese Fälle einmal etwas näher: Wer 2 000 DM im Jahr als Beitrag an die Industrie- und Handelskammer abführt, muß einen Gewerbeertrag von mehr als 500 000 DM erzielt haben. Wenn ein Betroffener eines solchen Berufszweiges bisher z. B. nur 100 oder 200 DM im Jahr zahlte, dann lassen sich hier durchaus 1 000 oder 2 000 % Beitragserhöhung errechnen, mit denen man dann - wie eben wieder geschehen und wie Sie das draußen unmittelbar vor Ort immer machen - Stimmung zu erzeugen versucht. Aber hier von sozialen Härtefällen zu reden, halte ich vor diesem Hintergrund für undiskutabel. Auch und gerade Sie, meine Damen und Herren von der SPD, die immer wieder für eine stärkere Belastung der Besserverdienenden eintreten, müßten doch eigentlich begrüßen, daß auch diese Gewerbetreibenden durch die Gesetzesnovelle von 1992 zur Beitragszahlung herangezogen werden. Es ist dies ein Stück Gerechtigkeit.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist das einzige Stückchen Gerechtigkeit!)

    Soweit es sich wirklich um Kleingewerbetreibende handelt, die neu in die Beitragspflicht einbezogen werden und einen Gewinn von unter 15 000 DM ausweisen, beträgt der Jahresbeitrag in der Regel weniger als 100 DM - bei meiner Kammer z. B. sind es 90 DM -, die zudem noch steuerlich als Geschäftsausgabe absetzbar sind. Also, Emotionen, zu wecken ist fehl am Platze. Vergessen wir eines nicht: Wenn ich Mitglied in einem Sportverein bin, dann zahle ich einen Mindestbeitrag von 10 DM monatlich; das sind 120 DM im Jahr. Das ist mehr, als in diesem Fall seitens der Kammern den einzelnen kleinen Gewerbetreibenden abverlangt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU Ernst Schwanhold [SPD]: Selbst bei Bayern München beträgt der Jahrersbeitrag nur 80 DM, Herr Hinsken!)


    Ernst Hinsken
    Häufig wird von denjenigen Kammerzugehörigen, die nunmehr erstmals zu Beitragszahlungen herangezogen werden, der Einwand vorgebracht, sie hätten die Leistungen der Kammer nie in Anspruch genommen. Das kann individuell so sein. Aber die Aufgabenstellung ist größer. IHKs sind Körperschaften des öffentlichen Rechts; sie erfüllen übertragene Aufgaben des Staates. Zudem wird der Staat bei Wirtschaftsförderungsmaßnahmen beraten und unterstützt, um so für seine Vorgaben auf wirtschaftlichem Gebiet ein möglichst hohes Maß an Sachnähe und Richtigkeit zu haben. Selbst wenn es zuträfe, daß ein kammerzugehöriges Unternehmen nie eine Leistung der Kammer, z. B. die in der Praxis so wichtige Unabkömmlichkeitsbescheinigung nach dem Wehrpflichtrecht, in Anspruch genommen hätte, die ihm sichtbar und meßbar einen einzelwirtschaftlichen Vorteil gebracht hätte, so hat es mit Sicherheit von den vielfachen, von dem Unternehmen vielleicht nicht wahrgenommenen Leistungen profitiert, die die Kammern bei der Vertretung gesamtwirtschaftlicher Interessen, z. B. in der Steuer- und Verkehrspolitik, oder im Rahmen der Wirtschaftsförderung, z. B. bei der Berufsbildung, der Regionalpolitik, der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs usw., für die Wirtschaft des jeweiligen Kammerbereichs erbracht haben.
    Im übrigen sind IHKs eben keine Interessenvertreter wie die Verbände, sondern im Interesse der Wirtschaft Partner, Berater und Helfer des Staates und seiner Einrichtungen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es! Ernst Schwanhold [SPD]: Das wird ja auch nicht in Frage gestellt!)

    Lassen Sie mich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf noch folgendes sagen. Grundsätzlich möchte ich bemerken, daß ich die Initiative der SPD für völlig verfrüht halte. Das neue IHK-Gesetz ist nicht einmal eineinhalb Jahre in Kraft. Die Veranlagung für 1994 mußte auf Grund der Zahlen aus den Jahren 1991 und 1992 erfolgen, die eine völlig andere Konjunktursituation widerspiegeln.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Der Grundbeitrag bleibt doch!)

    Für den Fall, daß Beiträge im Verhältnis zum tatsächlichen Erhebungsjahr zu hoch veranschlagt sind, weil die Bemessungsgrundlagen aus Vorjahren stammen oder geschätzt wurden, ist zu beachten, daß dies durch Abrechnung nach vorliegenden endgültigen Bemessungsgrundlagen ausgeglichen wird. Die Kammern werden dann ohnehin zu einer Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur von Grundbeiträgen und Hebesätzen kommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Gründe, die eine gesetzliche Neuregelung rechtfertigen würden, liegen wegen fehlender praktischer Erfahrungen nicht vor. Der Gesetzentwurf ist deshalb als politische Reaktion auf vereinzelte, dafür aber um so lautstärkere Kritik derjenigen zurückzuführen, die entsprechend dem gesetzgeberischen Willen verstärkt zur Kammerfinanzierung herangezogen werden, was ich vorhin bereits an Hand verschiedener Beispiele darzulegen versuchte.
    Ich bin davon überzeugt, daß der vorliegende SPD- Gesetzentwurf Auswirkungen hätte, die gegen die Beitragsgerechtigkeit verstoßen und deshalb von der Rechtsprechung als rechtswidrig angesehen würden. Die vorgesehenen Freigrenzen würden dazu führen, daß über 80 % der IHK-Zugehörigen beitragsfrei gestellt würden. Dies liefe auf die Wiederherstellung der alten Verhältnisse hinaus, die von der Rechtsprechung bereits als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU - Ernst Schwanhold [SPD]: Das ist ja nicht richtig!)

    - Ja sicher, Herr Kollege Schwanhold, ist das richtig.
    Auch in der Wirtschaft gilt: Wenn Leistungen erbracht werden, auf die ein Anspruch besteht, dann muß dafür auch ein finanzieller Beitrag geleistet werden. Davon ist dieses Gesetz bestimmt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit der Wiedereinführung der Gewerbekapitalsteuer als Kriterium für die Beitragsbemessung legen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, eine Bemessungsgrundlage zugrunde, die es nach dem Willen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen - das haben wir eben beschlossen - ab dem 1. Januar 1996 nicht mehr geben wird.
    Nun weiß ich sehr wohl, daß Sie diese substanzverzehrende Sonderbelastung der deutschen Wirtschaft gerne beibehalten wollen. So gesehen handeln sie sogar konsequent.
    Die Wiedereinführung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages als Beitragsbemessungsgrundlage würde aber dazu führen, daß die Kammerbeiträge nach zwei völlig unterschiedlichen Kriterien festgelegt werden müßten. Da in den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag nur Prozentteile des Gewerbeertrages und des Gewerbekapitals eingehen, beträgt der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag nur einen Bruchteil der Bemessungsgrundlagen „Gewerbeertrag" und „Gewinn aus Gewerbebetrieb".
    Die Kammern müßten also, sollte Ihr Vorschlag, Herr Kollege Schwanhold, Gesetz werden, für die Umlageberechnung zwei unterschiedliche Hebesätze festlegen: einen für die Grundlage „Gewerbesteuermeßbetrag" und einen für die Grundlage „Ertrag" . Ich gehe davon aus, daß Ihnen Frau Kollegin Matthäus-Maier hier unter die Anne greift, damit Sie erkennen können, wo der Unterschied liegt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wenn ich dem unter die Arme greife, dann verhebe ich mich!)


    Ernst Hinsken
    Eine solche Regelung wäre nicht nur unpraktikabel und undurchschaubar, sondern würde zu noch mehr Bürokratie führen. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie machen damit natürlich Ihrem Ruf als Regulierungs- und Bürokratismuspartei wieder alle Ehre.

    (Horst Kubatschka [SPD]: Immer eine Standardfloskel Ihrer Reden!)

    Sie heißen nicht nur Sozialdemokratische Partei, sondern ich möchte sagen: Sozialbürokratismuspartei.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Es fehlt nur noch die neue Bürokratie zur Kontrolle!)

    Die in Ihrem Entwurf vorgesehene Deckelung des Beitragsaufkommens würde zugleich zu einer Dekkelung der Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Industrie- und Handelskammern führen. Mit der Begrenzung des Beitragsaufkommens auf die Hälfte der sonstigen Einnahmen der Kammern soll erreicht werden, daß sich die Kammern möglichst weitgehend aus Service-Leistungen für Unternehmen finanzieren.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Können Sie das wiederholen? Das habe ich nicht verstanden!)

    - Herr Kollege Schwanhold, Sie haben die Möglichkeit zu fragen. Bitte schön!
    Nach meiner Meinung sollte eine Änderung des 1993 beschlossenen Kammergesetzes nicht erfolgen. Allerdings wäre es zu begrüßen, wenn der Gegenwert der von den Unternehmen zu zahlenden Kammerbeiträge erhöht würde. Das könnte z. B. dadurch geschehen, daß man den Kammern Funktionen überträgt, die heute vom Staat oder Institutionen der öffentlichen Hand wahrgenommen werden.

    (Ernst Schwanhold [SPD]: Welche denn?)

    Ein Beispiel hierfür ist die Privatisierung des Handelsregisters. Warum muß das der Staat machen? Warum muß das die Justiz machen? Wir haben in verschiedenen europäischen Ländern bereits heute private Gesellschaften, die die Handelsregister führen: in Italien, in den Niederlanden. Der Zwischenbericht einer Kienbaum-Studie kommt zu dem Ergebnis, daß nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen der Informationsversorgung der Wirtschaft eine Privatisierung des Handelsregisters in Richtung auf die Industrie- und Handelskammern sinnvoll wäre. Diese würde mittelbar auch dazu führen, daß eine Beitragsentlastung entstünde.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Können wir da eine Initiative erwarten?)

    - Ja, Herr Kollege Weng, wenn Sie mich hier unterstützen. Ich bin gerne bereit, in dieser Richtung zu marschieren. Das entspricht genau unseren Grundsätzen: Nur so viel Staat wie unbedingt erforderlich
    und so viel wirtschaftliche Freiheit wie irgend möglich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Sehr gut!)

    Ich hoffe, daß die SPD dem gerecht wird, was sie uns in dieser Angelegenheit abverlangt, daß sie mit an einer Leine zieht und mitmarschiert.