Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in dieser Debatte geht es nicht darum, festzustellen, wer von welchem Verband wann was gesagt hat und zu welchem Prozentsatz heute oder morgen eine Entlastung stattfindet, sondern in dieser Debatte geht es um eine Grundgesetzänderung, die ihrerseits Voraussetzung dafür ist, daß wir endlich die Unternehmensteuerreform weiterführen, daß wir endlich etwas für die Arbeitsplätze und den Standort Deutschland tun.
Es gibt keinen Tag, an dem die SPD nicht Bekenntnisse zu diesem Standort ablegt: gegenüber den Arbeitnehmern zur Sicherung der Arbeitsplätze, gegenüber dem Mittelstand und der Industrie, weil es dort zu hohe Kosten, zu hohe Abgaben und Steuern gibt. Heute nun wäre eigentlich der Tag der Opposition.
Das wäre der Tag, wo Sie eine Chance haben, Mitverantwortung zu tragen.
Heute steht eine Grundgesetzänderung zur Debatte, und das ist eine Nagelprobe. Am heutigen Tag könnten Sie zeigen, daß Sie Verantwortung tragen, daß Sie Format haben und daß Sie sich über tagespolitische Interessen hinwegsetzen. Es könnte heute ein Tag sein, an dem Sie nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten, mit einem Engagement, mit einem Abstimmungsverhalten, das in diesem Land auch wahrgenommen würde, für die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen eintreten. Aber offensichtlich ist das Gegenteil der Fall.
Wir brauchen, obwohl die Konjunktur insgesamt in keiner schlechten Verfassung ist, auch ein Stück Stabilisierung auf konjunkturellem Gebiet. Die Tarifabschlüsse, die es insbesondere in einigen Bereichen
gab, mögen die Partner hinsichtlich ihrer Auswirkungen selbst bewerten. Die Turbulenzen an den Devisenmärkten haben zusätzliche Risiken für die Konjunktur entstehen lassen.
Wir wollen etwas tun, um nicht nur strukturell, sondern auch konjunkturell die Dinge nach vorne zu bringen. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums bringt 16 Milliarden DM, und die Verbesserung beim Familienleistungsausgleich bringt noch einmal 6 Milliarden DM. Zusammen mit dem Wegfall des Kohlepfennigs vermindert sich die Belastung der Wirtschaft und der Bürger damit um 1 % des Bruttoinlandsprodukts.
Die Frage ist nun: Ist das genug? Ich sage Ihnen: Ich glaube, nein. Wir müssen in diesem Lande in der Lage sein, nach innen und nach außen ein Signal zu setzen, ein Signal, das zeigt, daß wir in der Lage sind, mit den Problemen des Standorts Deutschland fertigzuwerden, das zeigt, daß wir nicht nur reden, sondern die Probleme auch angehen und handeln. Dazu bedarf es der Kraft der Veränderung.
Man hat in Deutschland wohl wahrgenommen, daß deutsche Unternehmen 24 Milliarden DM pro Jahr im Ausland, daß aber ausländische Unternehmen bei uns nur 5 Milliarden DM investieren. Das hängt mit den Standortbedingungen zusammen.
Diese Standortbedingungen sind zu einem gut Teil dadurch geprägt, daß wir zu hohe Steuern und Abgaben haben.
Wir wollen eine Veränderung einleiten und eine Entlastung der Unternehmen bewirken. Dies gilt insbesondere für den Mittelstand.
Was hier gesagt wird, daß nämlich die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer allein eine Entlastung für die Großbetriebe bedeuten würde, ist Unsinn und unwahr. 350 000 Unternehmen zahlen Gewerbekapitalsteuer. Wer will uns denn erzählen, daß es in Deutschland 350 000 Großunternehmen gibt? Das ist doch Unsinn. Dabei geht es Ihnen darum, einen tagespolitischen Erfolg zu erzielen, und um nichts anderes.
Wir wollen von der Staatsquote in Höhe von über 50 % und von der Abgabenquote in Höhe von 46 % herunter. Dabei müssen wir mit der Unternehmensteuerreform beginnen. Wir wollen auch eine steuerliche Entlastung durch eine Verbesserung der Übertragungsmöglichkeiten bestehender Unternehmen an die nachfolgende Generation erreichen. Wir wol-
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
len so schnell wie möglich vom Solidarzuschlag herunter. Letztlich wollen wir eine Entlastung über den gesamten Tarif. In diese Steuerreform müssen wir über die Gewerbesteuer einsteigen.
Die Gewerbesteuer ist ein Anachronismus; sie ist, auch im internationalen Vergleich, eine Sonderbelastung der deutschen Wirtschaft. Diese Art von Steuer gibt es nirgendwo mehr in Europa und in der Welt. Bei ihr handelt es sich um eine doppelte Besteuerung der Investitionsfähigkeit der Unternehmen und damit der Arbeitsplätze. Dieser Abschaffung wollen Sie sich, meine Damen und Herren von der Opposition, widersetzen. Die Gewerbesteuer ist auf Dauer weder den Unternehmen noch den Arbeitslosen zuzumuten. Sie gehört so schnell wie möglich abgebaut.
Sie wollen das Gegenteil davon. Irgendwann ist heute morgen schon einmal gesagt worden, daß es, wenn wir die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern einführen müßten, die natürliche Konsequenz wäre, daß wir Tausende von neuen Arbeitsplätzen bekämen, aber bei den Finanzämtern. Außerdem ist die Einschätzung nicht richtig, daß wir dafür eine Genehmigung von der Europäischen Kommission bekommen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer für die neuen Länder genehmigt zu bekommen hat schon das letzte Mal ungeheuer viel Überzeugungsarbeit notwendig gemacht. Darauf können Sie sich nicht zurückziehen.