Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ist zu konstatieren, daß diese Debatte heute auf Antrag der rechten Seite dieses Hauses zustande kommt - von wegen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen! Das Konzept, hier die Opposition vorzuführen, ist gescheitert, Herr Waigel. Man muß schon einmal die direkten Verantwortlichkeiten nennen. Ein Minister, der in den letzten Wochen als Finanzminister dieser Republik die größte Pleite erlebt hat, weil er nicht nur von der Opposition zerrissen wurde, sondern auch von der Fachpresse
und in den Redebeiträgen der Teilnehmer an der Anhörung des Finanzausschusses, hat nicht das Recht, sich hier hinzustellen und Krokodilstränen über die Opposition zu vergießen, die den Gemeinden angeblich einen reellen Ausgleich für die Einnahmeverluste aus der Gewerbekapitalsteuer vorenthält.
Nach meiner Auffassung ist das eine absolut unzulässige Verquickung von zweierlei Dingen. Zum einen sind Sie gegenüber den Unternehmen in Deutschland im Obligo, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Sie wissen, daß selbst die Deutsche Bundesbank in ihrer Erklärung zur Anhörung im Finanzausschuß Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, daß die Unternehmensteuerreform mit ihrer Gegenfinanzierung zu einer Mehrbelastung der Betriebe führt und damit in ihrem Sinn überhaupt nicht ideologisch gerechtfertigt ist. Das ist die erste große Schwachstelle bei der ganzen Geschichte.
Die zweite Schwachstelle ist natürlich, daß Sie einen Sachzusammenhang herstellen, indem Sie die Grundgesetzänderung favorisieren und ohne Not einen Vorratsbeschluß fassen, den die Gemeinden nie und nimmer mittragen können, weil die Gemeinden keine Gewißheit haben, sie vielmehr vor allem aus Erfahrung wissen, daß auf diese Bundesregierung und im Zweifelsfall sogar auf den gesamten Bundestag kein Verlaß ist, wenn es um eine korrekte Finanzausstattung der Kommunen geht.
Ein Finanzminister, der gestern im Vermittlungsausschuß noch einmal ganz deutlich in Erinnerung gerufen hat, daß er an seiner Absicht festhält, die Arbeitslosenhilfe zeitlich zu befristen, und damit eine Milliarde DM, wie es im Bundeshaushalt dieses Jahres verankert ist und von der Mehrheit hier beschlossen worden ist, den Gemeinden aufbürdet - das macht, auf das Jahr gerechnet, vier Milliarden DM -, hat nicht das Recht, zu sagen, die Gemeinden würden, wenn das Gesetzesvorhaben der Regierung greift, in den nächsten vier Jahren, also bis 1999 - zu diesem Zeitraum liegen endgültige Statistiken vor -, insgesamt zwei Milliarden DM Mehreinnahmen haben. Das ist doch ein Beschiß der Öffentlichkeit.
Heute steht im „Handelsblatt", daß dieser Finanzminister mit der ärgerlichsten Flickschusterei in die Steuergeschichte eingehen wird, mit dem, was in den letzten Wochen und Monaten hier vorexerziert wurde.
Vor dem Hintergrund, daß diese Pleite derart offenkundig wird, muß heute Ihr Fraktionsvorsitzender in die Bütt, um der aufkommenden Unzufriedenheit in der CSU entgegenzuwirken, die da sagt: Die Unionsfraktion läßt ja unseren Finanzminister im Regen stehen. - In der Tat, so ist es. Sie haben den Kopf hinzuhalten; allerdings haben Sie es in Ihrem Haus selbst verschuldet. Ich denke, bestimmte Leute haben Sie ins offene Messer laufen lassen.