Rede von
Dr.
Hermann Otto
Solms
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scharping, nach dieser Rede bin ich nun wirklich enttäuscht.
Ich hatte erwartet, daß Sie als jahrelanger Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, der ja auch für die Gemeindefinanzen verantwortlich war, eine gewisse Ahnung von den Gemeindefinanzen haben.
Das, was Sie hier geboten haben, zeigt, daß Sie die ganzen steuerlichen Wirkungen überhaupt nicht verstehen oder bewußt falsch darstellen. Das ist dann schon ein Skandal.
Zunächst einmal: Aus dem sinkenden Körperschaftsteueraufkommen auf eine zu niedrige Besteuerung der Gewerbebetriebe zu schließen ist ja wirklich eine Umdrehung der Tatsachen.
- Sie haben das sinkende Körperschaftsteueraufkommen dargelegt und gesagt, das müsse ja wohl in diesem Zusammenhang stehen.
Sie wissen anscheinend gar nicht, wie hoch die Gewerbebetriebe in Deutschland, insbesondere die Betriebe des produzierenden Gewerbes, besteuert werden. Durch die Kumulierung von Körperschaftsteuer mit Gewerbeertragsteuer, Gewerbekapitalsteuer, Solidaritätszuschlag, betrieblicher Vermögensteuer und anderen Abgaben ergibt sich locker eine Besteuerungshöhe von 70 %. Wenn bei dieser hohen Besteuerung das Steueraufkommen sinkt, dann zeigt das zwingend, daß die Betriebe nicht mehr genug Gewinne erzielt haben. Wenn sie keine Gewinne erzielt haben, können sie nicht investieren, und wenn die Investitionen zu hoch besteuert werden, dann gehen Arbeitsplätze verloren. Das ist der Zusammenhang.
Die Schlußfolgerung müßte sein, daß Sie uns bei dem Bemühen unterstützen, die Besteuerung der Investitionen zu senken, denn nur so können Arbeitsplätze geschaffen werden, nur durch Investitionen, nicht durch staatliche Aktivitäten.
Sie haben im „Handelsblatt" vom 10. Mai 1995 zur Gewerbesteuer ausgeführt - ich will das zitieren -:
Technisch wäre die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern möglich.
Zudem zahlten Betriebe, denen es schlechtgehe, diese Steuer nicht.
Dazu ist zweierlei zu sagen. Die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern verlangt eine Einheitsbewertung, und zwar für jedes
Dr. Hermann Otto Solms
einzelne Grundstück. Kein Mensch in diesem Lande, auch keiner in der Finanzverwaltung, ist der Meinung, daß dies in einem halben Jahr oder in einem Jahr machbar wäre.
Der einzige, der das behauptet hat, ist Herr Schleußer. Er hat dies getan, um zu verhindern, daß es im Bundesrat eine Zustimmung für eine solche Gesetzesänderung gibt.
Das zweite ist noch dreister, nämlich daß Betriebe, denen es schlechtgehe, keine Gewerbekapitalsteuer zahlen müßten.
Herr Scharping, entweder wissen Sie es nicht,
oder Sie führen die Öffentlichkeit bewußt in die Irre.
Das nennt man die Unwahrheit verbreiten.
Es ist ja gerade der Charakter der Gewerbekapitalsteuer, daß sie nicht an den Gewinnen, sondern am Kapital anknüpft.
- Warum sagt er es dann nicht? Frau Matthäus, Sie wissen das; das weiß ich.
Noch wichtiger ist folgendes - das sage ich den Kollegen aus den neuen Bundesländern, die sich mit der Gewerbekapitalsteuer vielleicht noch nicht befaßt haben -: Die Gewerbekapitalsteuer muß nicht nur auf das Eigenkapital, sondern auch auf das Fremdkapital gezahlt werden.
Gerade in den neuen Bundesländern sind viele Betriebe durch die Zurverfügungstellung auch von staatlich finanziertem Fremdkapital erhalten worden. Sie sind also extrem fremdkapitalisiert. Diese Betriebe würden durch die Gewerbekapitalsteuer natürlich überproportional betroffen. Sie würden durch die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in ihrer Existenz gefährdet.
Ich kann nur an die Kollegen aus den neuen Bundesländern, und zwar in allen Fraktionen, appellieren: Lassen Sie sich nicht von Herrn Scharping und anderen aus der SPD hinters Licht führen;
die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern würde die Einführung einer Gewerbevertreibungssteuer bedeuten. Genau das würde nämlich passieren.
Investoren, die gegenwärtig überlegen, in den neuen Bundesländern zu investieren, werden von diesem Vorhaben sehr schnell ablassen,
wenn sie hören, daß die Begünstigungen, die ihnen noch befristet zur Verfügung stehen, reduziert werden und daß eine zusätzliche Steuer eingeführt wird, mit der sie natürlich nicht gerechnet hatten.
Meine Damen und Herren, das sind die Fakten. Im übrigen hören wir seit Jahrzehnten die Forderungen aus den Kommunen nach einer Beteiligung an der Umsatzsteuer. Warum? - Weil die Umsatzsteuer eine stabile, eine gleichmäßig fließende, eine wachsende Steuer ist. Das Umsatzsteueraufkommen ist in den letzten zehn Jahren um 100 % gestiegen. Die Gewerbesteuer ist in den letzten Jahren im Aufkommen allerdings gesunken. Die Gewerbesteuer ist zyklisch; die Gemeindekämmerer können mit ihr nicht planen. In einem Jahr bekommen sie etwas, im nächsten Jahr nichts oder müssen sogar zurückzahlen.
Deswegen wollen sie an der Umsatzsteuer beteiligt werden. Jetzt wollen wir ihnen dazu die Chance eröffnen. Viele von Ihren Stadtkämmerern haben das immer unterstützt. Weil es Ihnen aber ins parteitaktische Konzept nicht paßt, lehnen Sie das Ganze nun ab.
Meine Damen und Herren, dahinter ist langfristig kein Sinn zu erkennen, höchstens der, daß die SPD über eine Blockadepolitik versucht, sich an die Macht zu schleichen.
Aber so wird es nicht gehen. Das werden wir nicht zulassen. Die Verfassungsänderung zur Einführung der Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer ist ein Verfassungsgebot für die Gemeindefinanzen. Wer dies nicht mitmacht, der versündigt sich an den Gemeindefinanzen und an einer stabilen Gemeindefinanzierung in der Zukunft.
Weil Sie sich etwas unsicher sind, ob Sie nicht vielleicht doch zustimmen sollten, kommen Sie mit Hilfsargumenten, die da beispielsweise heißen, dahinter müsse aber auch ein Konzept stehen, das beinhaltet,
Dr. Hermann Otto Solms
was konkret getan werden muß. Diese Ausrede gilt nicht. Die Verfassungsänderung ist allein eine Ermächtigung für den Gesetzgeber, eine Finanzverfassung im konkreten, im materiellen Recht zu regeln.
- Frau Fuchs, bei allen einzelnen materiellrechtlichen Regelungen ist der Bundesrat zustimmungsberechtigt.
Das heißt, daß Sie sowieso daran beteiligt sind,
- sicher, Ihre Fraktion nicht, aber die Bundesländer. Das würde Sie nicht daran hindern, jetzt dieser Ermächtigung zuzustimmen,
weil Ihnen der Weg nicht genommen wäre, an der konkreten Gesetzgebung mitzuwirken.
- Wir haben ja vorgeschlagen, was wir wollen.
Wir wollen die Gewerbekapitalsteuer abschaffen. Wir wollen die Gewerbeertragsteuer mittelstandsfreundlich senken. Wir wollen dies für die Gemeinden vernünftig, sogar mit einem Mehraufkommen von 2 Milliarden DM, wie Herr Waigel dargestellt hat, gegenfinanzieren. Wir wollen auch insgesamt eine Gegenfinanzierung durch eine geringfügige Senkung der AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter haben. Auch das ist nicht mittelstandsfeindlich.
Die Vertreter des Handwerks haben in der Anhörung des Finanzausschusses eindeutig erklärt, daß sie diese Linie unterstützen.
Warum? Weil das Handwerk im Prinzip nicht kapitalintensiv ist und von der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer daher nicht so sehr betroffen ist, aber durch die Senkung der Gewerbeertragsteuer deutlich entlastet wird.
Herr Scharping, Ihre Aussage hinsichtlich der 16% führt an der Wahrheit vorbei.
Allein in Westdeutschland zahlen 350 000 Betriebe Gewerbekapitalsteuer. Sie können mir doch nicht erzählen, daß wir in Westdeutschland 350 000 Großunternehmen haben. Nein, es sind viele Handwerksbetriebe, viele kleine und mittlere Unternehmen dabei, die unter dieser Steuer leiden und die gerne hätten, daß wir sie beseitigen. Denn nur so kann der Investitionsprozeß in Gang kommen.
Wenn Sie nach Nordrhein-Westfalen schauen,
dann sehen Sie, daß in den letzten drei Jahren die Zahl der Arbeitsplätze netto um 233 000 gesunken ist,
das Handwerk und das Dienstleistungsgewerbe allerdings knapp 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben. Sie sehen daraus, daß neue Arbeitsplätze nur von kleinen und mittleren Betrieben, vom Handwerk und vom Dienstleistungsbereich geschaffen werden können, weil die Großindustrie weiter Arbeitsplätze abbaut. Sie müssen die Investitionsbedingungen für diese Betriebe also erleichtern, weil nur so neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.